Eine klare Nacht
Es ist ein schöner, klarer Sommertag und ich wandere zusammen mit meinem Vater durch die österreichischen Alpen. Wir befinden uns bereits so hoch, dass wir sogar an diesem warmen Augusttag durch den Schnee stapfen. Nachdem wir nun zirka 1½ Stunden gegangen sind, gelangen wir an einen Felsvorsprung von dem man fast den gesamten, zurückgelegten Weg, überblicken konnte.
Wir rasten hier für ungefähr 1 Stunde, bevor wir unsere Wanderung fortsetzen. Ich habe das Gefühl, dass dieser Ort von einer Aura größter Ruhe und Weisheit umgeben ist, die von nichts und niemanden gestört werden kann. Ich fühle mich ruhig und unbeschwert, dieser Ort scheint fast wie eine Droge auf mich zu wirken. Ich habe ein Gefühl, als ob mir nichts und niemand in diesem Moment Schaden zufügen könnte.
Nach einer kurzen Rast gehen wir weiter. Wir schlendern einen kurvigen Kiesweg entlang, der neben einem Bergbach verläuft, hinauf bis zu einer entlegenen Berghütte. Als wir an der Hütte ankommen, legen wir wieder eine kurze Rast ein. Von dem Hüttenwirt erfahren wir, dass er und seine Frau diese Hütte nur über die Sommermonate bewirtschaften und, dass wir die ersten Besucher seit zwei Tagen sind. Wir essen einige, mit selbstgemachter Wurst belegte Brote, trinken eine vom Wirt selbst erzeugte Buttermilch und genießen die Atmosphäre, die von dieser entlegenen, einsamen Berghütte ausgeht.
Als wir von der Berghütte weggehen, ist es bereits sechs Uhr abends und wir wissen, dass wir es nicht mehr bei Sonnenlicht zurück zu unserem Hotel schaffen würden. Wir beschließen, dass es zu gefährlich sei in der Dunkelheit durch die Berge zu wandern und, dass wir uns einen schönen Flecken Erde zum Zelten suchen werden. Nach einem zirka dreistündigen Marsch kommen wir wieder an dem schönen Platz an, an dem wir bereits am Vormittag eine Rast eingelegt hatten. Wir entscheiden uns, hier unsere Zelte aufzuschlagen und uns den Sonnenuntergang mit einem Abendessen nach Bergsteigerart zu versüßen. Zum Glück hatte mein Vater, obwohl ich ihm davon abriet, seine Gaskocher und ein paar Würstel mitgenommen die wir nun grillen konnten. Es ist nun bereits neun Uhr und wir sehen wie die Sonne langsam hinter einem Berg verschwindet. Sie bietet uns ein wunderschönes, eindrucksvolles Farbenspiel. Die Sonne taucht den Hang, der genau vor uns liegt in dunkles Schwarz, zaubert auf die Bäume einen hellen Gelbschimmer und lässt das Gras, das die Berghänge säumt, in hellem Rot erscheinen, sodass es aussieht als würde der Berg brennen. Wir grillen unser Abendessen und legen uns anschließend in unsere Zelte um zu schlafen.
Obwohl es in der Nacht in einer solchen Höhe eiskalt wird ist mir sehr heiß und ich kann nicht einschlafen. Ich drehe mich lange Zeit von einer Seite auf die andere, aber es gelingt mir nicht einzuschlafen. Irgendwann, ich weiß nicht wie spät es ist, da ich meine Uhr in der Dunkelheit trotz Taschenlampe nicht finde, krieche ich aus meinem Zelt um mir den Nachthimmel anzuschauen. Nach wenigen Minuten Stille, in der kein Geräusch außer dem des Windes die Nachtruhe gestört hatte, höre ich plötzlich ein lautes „Raaaaattttssccchhh“ hinter mir. Erschrocken drehe ich mich um und sehe zu meiner Erleichterung meinen Vater, der gerade aus seinem Zelt steigt. Er schaut mich verwundert an und sagt: „Ich kann auch nicht schlafen, es ist warscheinlich einfach eine zu schöne, klare Nacht um sie zu verschlafen.“ In dem Moment in dem mein Vater das sagt, weiß ich schon, worauf er hinaus will. Er will mir die Sternbilder an unserem Nachthimmel erklären, was mir mittlerweile auch schon gefällt. Denn nach unzähligen früheren Stunden Astronomie mit meinem Vater fangen die Sternbilder bereits an mich zu interessieren.
Nickend stimme ich zu. Zusammen betrachten wir die Sterne und mein Vater erklärt mir einige der vielen Sternbilder. In dieser entspannten Atmosphäre reden wir über Gott und die Welt, schweigen aber andererseits auch für lange Perioden, wenn uns die Sterne zu stark in ihren Bann ziehen und sie uns in eine andere, von unserem Unterbewusstsein erschaffene Welt gleiten lassen.
Irgendwann in dieser Nacht geht mein Vater kurz in unsere Zelte und holt unsere Schlafsäcke. Er sagt zwar, dass er sie holte, damit wir uns nicht verkühlen, aber ich merke sofort, dass er sie nur geholt hat, weil er Angst hat, dass wir einschlafen könnten. Wir beobachten, von unseren Schlafsäcken gewärmt noch bis spät in die Nacht die Sterne, bis wir sanft von Gott in den Schlaf getragen werden. In dieser Nacht schlafen wir sehr gut und werden erst durch die Schritte der ersten Wanderer geweckt.