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Eine Kindheitserinnerung

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24.09.2013
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Eine Kindheitserinnerung

Wer glaubt Stille sei ein Zustand ohne Geräusche, war noch nie im Haus meiner Großeltern. Erbaut noch vor dem Krieg und gewissenhaft unsarniert, hat dieses Gebäude seinen Zenit bereits vor Jahrzehnten überschritten und fiel an vielen Stellen dem Verfall anheim. Mit den Bewohnern starb auch nach und nach das Haus. „Stille“ war in ebendiesem Gebäude alles andere als still. Stille war nur das Fehlen bekannter menschlicher Laute. Wenn dies Erwachsene nervös machen konnte, so ängstigte es Kinder fast zu Tode. Mich zum Beispiel.

Ich erinnere mich nicht dunkel und nicht klar, wie durch leichten Nebel. Ich setze die Füße aus dem Bett. Der alte Teppich fühlt sich rau an. Einen Schritt nach vorne, der Boden knarrt, wie immer an dieser Stelle, ich zucke zusammen, wie immer an dieser Stelle. Das Mondlicht scheint fahl zum Fenster herein, Schatten voll monströsem Leben mit sich bringend. Schnell, wenn ich mich beeile kann mich diese unangenehme Angst nicht übermannen. Die Tür knarzt und ich blicke auf den am Tage so geliebten Flur mit der Holztreppe. Zu dieser Zeit verwandelt er sich in einen gespenstischen Schlauch voll silbernem Zwielicht. Nächste Tür.
Das behagliche Wohnzimmer mit seinem Blick zum Garten. Wind heult leise, wie ein Flüstern. Bäume, oder was sie nun sind, starren mich bewegungslos aus finsteren Augen, durch die große Fensterfront an. Eisige Schauer laufen mir über den Rücken. Die alte Uhr auf dem Schrank tickt einen monotonen Rhythmus. Ich schleiche halb geduckt am Sofa vorbei und versuche nicht nach draußen zu sehen. Die nächste Tür.
Sie quietscht wie immer, doch in dieser Szenerie erscheint es mir lauter, fordernder, wie das gequälte Jaulen einer Kreatur aus den tiefen der Unterwelt. Aus dem beklemmenden Gefühl wird langsam wirklich Angst. Vor mir ein schwarzer Schlund, hinter dem am Tage eine Treppe ist. Rechts von mir ein langer Flur, die Garderobe mit den Jacken und Mänteln. In was mögen sie sich verwandelt haben? Nicht hinsehen, nach links die zwei Stufen hinunter zur Küche, nicht umdrehen!

Die grelle Neonröhre taucht die Küche in ein unnatürliches, steriles Licht. Das Brummen des Kühlschranks, kalte Fliesen unter den nackten Füßen. Nun die letzte und schwierigste Hürde, die Tür zur alten Diele.
Eine schwarze Halle, altes Holz das arbeitet knackt aus der Finsternis. Da, ich höre schweres atmen! Mein Herz pocht immer schneller. Ist es gekommen um mich zu holen? Ich halte die Luft an, schaue... es ist nur der Hund. Da ist nichts sage ich mir. Aber ich spüre da noch etwas anderes. Da ist etwas. Hitze steigt mir in den Kopf. Stille, nur der dröhnende Herzschlag in meinen Ohren.
Um die Ecke. Durch die Waschküche. Renn! Da die Tür. Ich bin drin! Tür zu!
Endlich da, wieso muss die Toilette auch am anderen Ende des Hauses sein? Ich beruhige mich etwas. Oh Gott, den ganzen Weg wieder zurück. Ich spinne ja wirklich, das ist doch nur ein altes Haus. Wieder in die Waschküche. Was war das?! Ein knacken hinter mir! Tausend Augen starren mich bedrohlich an! Ich fühle sie in meinem Rücken! Panik! Weg hier! Den ganzen Weg zurück. Einfach Laufen, bloß nicht stürzen. Das Bett! Unter die Decke! Hier bin ich sicher vor den namenlosen Kreaturen da in der Dunkelheit. Doch ich weiß dass sie warten...

 

Hallo Coffeeking,

willkommen hier im Forum und in der dunklen Rubrik.
Dein Text hatte einige gelungene Stellen. Das alles hat mich etwas an die alten Meister erinnert, so vom Stil her. Ist natürlich sehr klassisch der Stoff. Ein altes Spukhaus, in dem ein kleiner Junge umherirrt. Die Geschichte lebt von der unheimlichen Atmosphäre. So, für den ersten Schreibversuch ist das ganz gut gelungen. In den nächsten Geschichten solltest du dich allerdings auch darauf konzentrieren, dem Leser den Charakter näher zu bringen. Im nachhinein kenne ich den Jungen kaum, weshalb mich sein Schicksal ziemlich kalt lässt.
Es bleiben halt so fragen offen. Warum lebt der Junge da allein in dem Haus. Natürlich kann man sich vieles selbst erschließen. Dass der Junge bei den Großeltern wohnte, die dann gestorben sind und ...
Aber da hätte ich schon gern etwas mehr Informationen gehabt. Du solltest den Charakter auch immer mit ein paar besonderen Eigenschaften ausstatten, sodass der Leser ihn besser in Erinnerung behält. Das macht die Figuren einfach authentischer. Also man könnte diese Spukhausgeschichte noch um einige Aspekte erweitern, finde ich.

So, sehen wir uns das mal genauer an:

Wer glaubt Stille sei ein Zustand ohne Geräusche, war noch nie im Haus meiner Großeltern.
Wer glaubt [Komma] Stille

gewissenhaft unsarniert
Das passt einfach nicht zusammen. Jemand hat das Haus pflichtbewusst und ordentlich nicht saniert. Will mir einfach nicht einleuchten, und wirft mich natürlich direkt aus der Geschichte.

„Stille“ war in ebendiesem Gebäude alles andere als still. Stille war nur das Fehlen bekannter menschlicher Laute. Wenn dies Erwachsene nervös machen konnte, so ängstigte es Kinder fast zu Tode. Mich zum Beispiel.
Diesen letzten Abschnitt der Einleitung fand ich gut. Das weckt auf jeden Fall Neugier.

Ich erinnere mich nicht dunkel und nicht klar, wie durch leichten Nebel
Und hier wirft es mich schon wieder raus. Das ist doch wieder ein Widerspruch in sich, irgendwie. Nicht dunkel und nicht klar? Ja, was denn dann? Irgendwas dazwischen?
Ich erinnere mich dunkel wie durch leichten Nebel. Das Komma habe ich bewusst weggelassen.

der Boden knarrt, wie immer an dieser Stelle, ich zucke zusammen, wie immer an dieser Stelle.
Ich weiß, diese Wiederholung hast du bewusst als Stilmittel gesetzt, aber ich finde, es würde besser klingen, wenn du "der Boden knarrt, und ich zucke zusammen wie immer an dieser Stelle" schreibst.

Schatten voll monströsem Leben mit sich bringend.
Das ist wunderbar schaurig.

wenn ich mich beeile kann mich diese unangenehme Angst nicht übermannen.
beeile[Komma]kann; Außerdem sollte man mit Adjektiven eher sparsam umgehen. Und in diesem Fall kann man das "unangenehme" streichen. Es erschließt sich den Leser doch von selbst, dass Angst nicht gerade ein angenehmes Gefühl ist. Schreib einfach "kann mich die Angst nicht übermannen."

Zu dieser Zeit verwandelt er sich in einen gespenstischen Schlauch voll silbernem Zwielicht. Nächste Tür.
Das behagliche Wohnzimmer mit seinem Blick zum Garten. Wind heult leise, wie ein Flüstern. Bäume, oder was sie nun sind, starren mich bewegungslos aus finsteren Augen, durch die große Fensterfront an.
Da schaffst du es wieder diese düstere Atmosphäre aufzufangen, sehr schön!

Eisige Schauer laufen mir über den Rücken.
Ja, dieser Satz ist irgendwie ausgelutscht. Vielleicht fällt dir da was besseres ein, um die Unbehaglichkeit des Jungen zu präsentieren.

fordernder, wie das gequälte Jaulen einer Kreatur aus den tiefen der Unterwelt.
Komma weg.

Eine schwarze Halle, altes Holz das arbeitet knackt aus der Finsternis.
Eine schwarze Halle, altes Holz, das arbeitet, knackt aus der Finsternis.

atmen!
Groß.

schaue... es ist nur der Hund.
schaue ... es ist nur der Hund.
Immer ein Leerzeichen vor die Auslassungspunkte, außer ein Wort wird mittendrin abgeschnitten: Bohnenein...

Doch ich weiß dass sie warten...
Doch ich weiß, dass sie warten.
Hier kann man auch einen Punkt setzten, finde ich. Die Geschichte hat ein korrektes Ende verdient mit Punkt und so.

Das klingt jetzt alles nach viel Kritik, aber eigentlich habe ich mich ganz gut unterhalten mit deiner Geschichte. Da stecken ein paar schöne Formulierungen drin, auf die man aufbauen kann. Klopf deine zukünftigen Texte noch etwas mehr auf Kommafehler ab.
Ansonsten bleibt mir nur noch zu sagen: Viel Spaß hier! Hau rein!

Hacke

 

Hallo Hacke,

vielen Dank für dein auführliches Feedback. Feedback kommentiert man an sich nicht, aber ich mache es mal trotzdem. ;)
Dass ich dem Jungen keine Geschichte verpasst habe war tatsächlich Absicht, wie der Titel ja schon sagt soll es eine verzerrte Kindheitserinnerung sein und mal so die Welt aus den Augen eines Kindes zeigen.

Ich weiß nicht recht ob ich mich irgendwie geschmeichelt fühlen soll oder nicht weil du es als erste Schreibversuche bezeichnest, ich schreib schon seit einigen Jahren, aber ich finde es jetzt nicht schlimm dass man das anscheinend nicht sieht, schreib ja auch immer nur sporadisch zwischendurch mal.

Vielen, vielen Dank auf jeden Fall dafür dass du dir Zeit genomen hast mir ein so tolles Feedback zu geben, ich werde da gewiss etwas von beherzigen!

Ja die Kommasetzung... das ist das einzige das ich wirklich noch nie beherrschte, da haben auch 14 Jahre Schule, Berufsschule und Studium nicht so recht etwas daran ändern können, aber ich werde mir Mühe geben!

Grüße, Coffeeking85

 

Hallo Coffeeking,

ich kann mich Hacke nicht ganz anschließen. Mir ist bei der Geschichte viel zu wenig "Fleisch" dran.
Das liegt nicht nur an der nicht vorhandenen Charakterisierung (Und zumindest ein Hauptcharakter braucht eine solche, auch bei einer Kurzgeschichte), sondern auch am fehlenden Spannungsbogen.

Du schreibst selbst, es soll eine verzerrte Kindheitserinnerung sein. Schön und gut, aber wo ist dann die Geschichte? Du beschreibst nämlich nur eine einzige Szene: Wie ein Kind auf die Toilette geht, und sich vor dem unheimlichen Haus fürchtet.

Dein Stil ist etwas gestelzt, er soll wohl die klassischen Schauerautoren nachahmen. Das gelingt dir im großen und ganzen auch einigermaßen. Aber da sind wir schon wieder beim Ausgangsproblem, dass es mit der Charakterisierung nicht zusammenpasst.

Beispiele:

Das Mondlicht scheint fahl zum Fenster herein, Schatten voll monströsem Leben mit sich bringend.

Sie quietscht wie immer, doch in dieser Szenerie erscheint es mir lauter, fordernder, wie das gequälte Jaulen einer Kreatur aus den tiefen der Unterwelt.

So denkt/spricht doch kein Kind! Das klingt eher nach Lovecraft. Und der ist leider kein gutes Vorbild, wenn man mit dem Schreiben beginnt. Er hat zwar mit seinen Mythosgeschichten viel Pionierarbeit geleistet, aber spannende Geschichten erzählen, das konnte er nicht unbedingt.

Es tut mir leid, wenn ich hier so negativ rummeckere. Aber wenn man wirklich schreiben will, geht es nicht ohne Kritik. Wie gesagt, so schlecht geschrieben ist es nicht, aber da muss dringend mehr Substanz mit rein. Charakterisierung, Spannungsbogen etc.

Dran bleiben! ;)

Und btw: Wir antworten hier sehr wohl auf Feedback. Das ist gewünscht. Genauso wie das lesen/kommentieren/korrigieren von anderen Geschichten. Hier herrrscht im Normalfall ein Geben und Nehmen.

Liebe Grüße
Unbeliever

 

Hi!
Ja, mir ist die Geschichte auch zu mager. Dein Stil ist zwar gut - aber komme ich nicht so recht rein; in die Geschichte. Wenig Gruselfaktor, fehlender Spannungsbogen. Ich hab zwar noch nichts anderes von dir gelesen, aber ich denke, das geht auch noch besser. Bitte nicht böse sein. Bin mir sicher, dass du eine gute Ausgangslage hast, um eine Geschichte zu schreiben, die mich fortzerren kann. Schreiben und formulieren kannst du ja - auch die Ideen scheinen da zu sein. Nur noch besser aufbauen. Ist freilich auch Geschmackssache. Und bei mir hats eben nicht ganz funktioniert. LG und bis hoffentlich bald ;)

 

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