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Eine Geschichte wie viele andere

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09.04.2002
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Eine Geschichte wie viele andere

Das Fernsehen war es. Mein Herz pocht immer noch wie wild... ich kann es einfach nicht vergessen... man lässt mich nicht. Sogar das Fernsehen ist gegen mich und erinnert mich an das, das ich so gerne vergessen würde. Es waren die Nachrichten. Ein junger Mann... er hat drei Menschen getötet. In Notwehr, sagte er. Sie hätten eine Freundin von ihm bedroht, sagte er. Und es erinnert mich an ihn. Schon wieder...

Es war vor 10 Jahren als er sich mir anvertraut hatte. Ich war damals gerade 18 geworden und er war 20. Ich hatte ihn schon lange gekannt. Seit der ersten Klasse. Umso mehr war ich geschockt und betroffen darüber, was er mir erzählte. Ich selber hatte ihn immer als etwas dümmlichen und naiven, dafür aber umso netteren Menschen gekannt. In der Grundschule war er sich stets der Aufmerksamkeit der Klassenraudies gewiss. Er war aufgrund einer Behinderung, die er von Geburt an trug ein so leichtes Ziel. Für sein alter war er bestimmt kräftig, doch Kraft ist nun mal nichts ohne Kontrolle. Und Kontrolle ist nichts ohne den Willen. Und denn Willen jemandem zu schaden hatte er nicht. Nicht einmal um sich selber zu schützen. Freunde hatte er genügend. Immer dann, wenn es ihnen genehm war mit ihm zu spielen. Sei es aus Langeweile oder aus Gründen, die ihm nicht wirklich klar zu sein schienen. Sein Selbstwertgefühl muss sich, wenn ich heute darüber nachdenke, auf einem Niveau befunden haben, das es einer Schnecke nicht sonderlich schwer gemacht hätte sie zu überwinden.

Dann kam die Mittelstufe. Naiv und unbeholfen versuchte er sich Freunde zu machen, indem er zur Seite stand und ihnen Dienste erwies, ohne auch nur einmal nach einer Belohnung zu fragen. Und wieder wurde seine Freundlichkeit schamlos ausgenutzt. Keiner hatte etwas für ihn übrig. Klar, seine Hilfsbereitschaft mochte keiner missen, aber ihn einmal zu sich nach Hause einzuladen viel keinem ein.

In der Oberstufe dann schwor er sich, dass es nun anders werden würde. Doch auch hier wollte es ihm nicht gelingen. Nur ein einziger wurde sein Freund und jener war nicht weniger ein Aussenseiter. Sie verstanden sich gut, keine Frage, jedoch kann ein Blinder dem anderen selten von grossem Nutzen sein. Und so musste er sich auch durch diese Zeit hindurchmühen mit der Hoffnung, dass es eines Tages besser werden würde. Seine Schulzeit rückte irgendwann ihrem Ende entgegen. Geändert hatte sich noch nichts. Man machte sich lustig über die Dinge, die er sagte, über die Dinge die er tat. Niemand nahm sich die Zeit zu bemerken, dass er sich vornehmlich darum zum Affen machte, weil er immerhin das Lachen seiner "Kameraden" als positiv empfand. Man machte sich lustig über die Fernsehsendungen, die er sich ansah. Keiner verstand, dass der Fernseher nun mal das einzige war, was ihm zur Abwechslung Freude bereitete.
Die Pubertät machte ihm das Leben nun auch nicht gerade leichter. Übergewichtige, picklige Aussenseiter sind selten beliebt bei Mädchen und schon gar nicht in diesem Alter. Aber dieses Problem sollte ihn noch lange verfolgen.

Die Schulzeit war zu Ende... oder doch nicht? Nein... Er hatte zwar bestanden, aber für seinen Traumberuf als Techniker im Bereich Unterhaltungselektronik wollte man ihn nicht haben und für eine weiterführende Schule reichten seine Noten einfach nicht. Er war nicht dumm, aber die Schule gehörte einfach nicht zu seinen Interessengebieten. Allerdings war er einer der ersten in seiner Klasse, die Internet besassen... und da hing er gerne herum. Er hatte ein grosses Interesse für die Astrologie entwickelt. Zwar war er mit diesem neuen Hobby immer noch allein... aber eben doch nicht. Auch wenn sich nie jemand mit ihm aufs Dach gesellte um die Sterne zu bewundern, so fand er im Internet Gleichgesinnte. In seiner Heimat hatte er niemanden gefunden, also weitete er sein Suchgebiet auf die Welt aus. Und siehe da... niemand konnte ihn nach seinem Aussehen oder seiner Ungeschicklichkeit beurteilen. Alles, was man von ihm sah war sein Spitzname und seine Nachrichten. Und der Sprache war er mächtig. Hier, wo er Zeit hatte sich seine Antworten zu überlegen und zur Not abzuändern, hier trat ein freieres Wesen zu Tage. Ein Wesen, das nicht Angst haben musste vor peinlichen Ereignissen, Missgeschicken und dem Spott anderer. Hier war er mächtig. Hier war er jemand. Jedoch so schön dies klingen mag. Die Wärme, die die Anwesenheit gleichgesinnter mit sich bringt, kann das Internet nicht simulieren. Er wünschte sich einen vertrauten Geist in seiner Nähe.

So kam es, dass er das letzte Schuljahr wiederholte. Eine neue Klasse, ein neuer Anfang. Nur war diese Klasse anders. Die meisten machten sich zum Affen und Blödsinn war an der Tagesordnung. Man sollte meinen, das hätte ihn gefreut, aber all jene, die das nun denken sollten wissen, dass er ein so simpler Geist nicht war. Er konnte sehr offen und intelligent über allerlei Themen diskutieren und tat dies mit grosser Lust. Doch in seiner alten Klasse wurde er für seine oft radikalen Ideen und Ansichten nur belächelt. Man hielt es für eine weitere unterhaltsame Narretei. Doch hier stiess er mit Diskussionen nur auf taube Ohren. keiner schaffte es auch nur fünf Minuten Aufmerksamkeit zu erübrigen. Sobald sie den Braten, bzw. eine ernste Diskussion, rochen fielen sie zurück in ihr kindliches und albernes Getue.

Hier errettete ihn das Schicksal. Ein grosser Elektronikkonzern bot ihm eine Lehrstelle in seinem Traumberuf an. Doch dafür brauchte er eine spezielle Vorbildung, die ein halbes Jahr dauern würde. Ohne zu zögern nahm er an. Besagte Vorbildung fand allerdings im Ausland statt. So packte er schweren Herzens die Koffer und machte sich auf dieses ihm doch fremde Land zu entdecken. Er konnte zwar bei einem Freund der Familie unterkommen, aber im Grunde genommen war er auf sich alleine gestellt. Mit 17 alleine für sich verantwortlich. Frei zu tun was er wollte, wenn er nicht grade lernen musste. Und Freizeit hatte er viel. Eine riesige Stadt stand ihm offen und er zögerte nicht sie zu erkunden. Hier war er alleine, aber die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit gaben ihm viel Kraft. Kraft, die nicht lange anhalten sollte...

Denn bald schon begann seine Ausbildung und mindestens ebenso bald stand fest: Die neu gewonnene Selbstsicherheit sollte ihm zum Verhängnis werden. Wieder war er ein Aussenseiter, aber nur, weil er zuviel von dem hatte, was ihm vorher fehlte. Auch seine eigenen Ansichten hegte er noch und auch Ungeschicktheit, sei es nun in der Sprache oder in der Bewegung, verfliegt nicht schnell. Auch nicht in einem halben Jahr. So wurde ihm nun auch der Arbeitsplatz zum Kräftezehrer und nicht zur erhofften Erlösung. Eines allerdings hatte sich geändert. Er hatte Freunde gefunden. Und auch der Mit-Aussenseiter aus der Schulzeit schien ihm ans Herz gewachsen zu sein. Doch nicht einmal im Freundeskreis riss der Rote Faden aus Spott ab. Was als freundschaftliche Sticheleien begann endete in immer persönlichen Beleidigungen, die mit einem Lächeln quittiert und darum nicht übel genommen wurden. Nicht übel genommen werden durften, wollte man nicht als humorlos da stehen. Auch seine Hinweise, dass man sich bewusst machen sollte, dass man unter Umständen vielleicht zu weit ginge stiessen auf taube Ohren. Niemand realisierte, wie sehr man ihm weh tat. Immer wieder kam es im Rahmen solcher "freundschaftlichen Hänseleien" zu Vorwürfen, die ihn tief trafen. Nicht wegen der Tatsache, dass er genau das Gegenteil davon als eine seiner wenigen Stärken sah, sondern weil er bemerken musste, dass seine besten und einzigen Freunde in etwa so viel von ihm verstanden, wie ein Stein. Alle schätzten sie ihn ein. Alle machten ihm Vorwürfe. Doch wie einer seiner Lehrer gerne sagte: Man kann eine Kuh nicht nur melken. Ab und zu muss man sie auch füttern. Doch Futter im Sinne von Zuspruch oder einem netten Schulterklopfen ohne zweideutige Bemerkung erhielt er höchst selten. Langsam aber sicher nagten Freund wie Feind an seinem letzten Bisschen Kraft und Selbstwertgefühl. Nun war er schon bald 18 Jahre auf dieser Welt gewesen... und noch immer hatte sich niemand gefunden, dem er sich öffnen konnte. Der Wunsch nach einer Freundin, wie er in diesem Alter nur allzu normal ist, war in ihm gewachsen. Doch es fand sich niemand. Obwohl er sein äusseres nun mit viel Bedacht pflegte, um dem anderen Geschlecht wenigstens ein Bisschen gefallen zu können, inzwischen war sein Anspruch zu hoch gewachsen, um von einem fehlbaren Menschen noch erfüllt werden zu können. Durch seine vielen Enttäuschungen, die er über die Jahre einstecken musste, waren seine Ansprüche an Treue, Zärtlichkeit und Geborgenheit einfach nicht mehr realistisch. Nicht gerade hilfreich war, dass ihm nun der Narzissmus am Rücken klebte. Und das, obwohl er das alles doch nicht für sich selber auf sich nahm. Dies war wohl auch der Wendepunkt. Er begann sich in seine eigene Welt zurück zu ziehen. Menschen... von denen wollte er nichts mehr erwarten. Zu oft wurde er enttäuscht und zu selten positiv überrascht. Für sein eigenes Wohlbefinden wollte er in erster Linie sorgen. Nach all den Jahren sich selbst an die Spitze stellen und zuerst, vor allen anderen an sich selber denken. Dies brachte ihm neben dem Narzissmus einen weiteren Zettel auf seinem zwar breiten, aber schon lange nicht mehr stabilen Rücken ein. Egoismus. Er war ein Einzelkind und hatte viele Freiheiten diesbezüglich genossen. Aber egoistisch? War er es nicht, der sich Nächte um die Ohren schlug, um sich die Klagen seiner Freunde anzuhören? Ihren Liebeskummer? War er es nicht, der sich geduldig anhörte, wie Freunde und Bekannte über Beziehungsprobleme klagten, wo es ihm doch noch nicht einmal vergönnt war überhaupt eine Beziehung zu führen?

Immer ungerechter schien ihm das Leben. Immer ungerechter und herablassender schienen ihm die Menschen um ihn herum. Er glaubte zu spüren, wie man ihn als minderwertig, als unwichtig ansah. Doch er drehte den Spiess um und setzte seinen Plan in die Tat um: Er setzte sich selber an die Spitze der Menschheit. In seinen Augen war er der Beste. Nicht weil er das glaubte, sondern weil es die einzige Möglichkeit schien Rache zu nehmen. Doch obschon er von anderen niemals Selbstkritik erwartete, er übte sie. Ausgiebig. Wo immer er bei sich Fehler sah versuchte er sie zu beseitigen und scheiterte doch immer an seinem Unvermögen sich selber zu ändern. Er verfiel in tiefe Depressionen darüber. Wenn er selber doch der Beste war... und so viele Fehler hatte. Wie schlecht musste dann erst die Menschheit sein? Und es dauerte nicht lange, bis nur noch die Selbstkritik übrig blieb. Er konnte in allem, was in seinem Leben nicht stimmte die Schuld bei sich selber finden. Und wieder musste er sich fragen, ob er denn wirklich so wenig Wert hatte, dass nicht einmal er selber noch Wert in sich fand. Was man wissen sollte ist, dass er immer noch sehr beherrscht war. Niemals stritt er offen und hitzig mit einem Kontrahenten. Immer versuchte er sachlich seine Argumente darzulegen, jedoch redete er immer gegen Wände. Er sah sich immer wieder gezwungen Argumente der Gegenpartei anzuerkennen ohne dies jemals auch für sich selber beanspruchen zu können. Und seine Wut wuchs. Unverstanden fühlte er sich. Intoleranz sah er an allen Ecken und das vielleicht nicht mal zu Unrecht. Und der Hass brachte ihn zum Kochen. drastisch änderte sich sein Musikgeschmack. Wo er früher gerne einfühlsamen Liebesliedern gelauscht hatte, so bevorzugte er jetzt von Wut, Hass und Schmerz bestimmte Musik. Dies gab ihm endlich das Gefühl einen Ort gefunden zu haben, an dem die Stimmung seinem Gefühl entspricht. Zwischen seinen Kopfhörern wurden seine Gedanken endlich bejaht anstatt ignoriert. Seine Wut fand einen Ausdruck, jedoch keinen Auslass. Wie ein Krebs wuchs sie weiter.

Keiner hatte Angst vor ihm. Auch wenn seine Kleidung immer dunkler, sein Blick immer härter und kälter wurde. Niemand hatte Respekt vor ihm. Wie einem kleinen Kind dass in seiner Wut einem Erwachsenen ans Bein boxt tätschelte man ihm mal mit Worten mal mit der blossen Hand den Kopf. Und wenn er warnte, ihn nicht so weit zu treiben, dass er die Beherrschung verlieren könnte, so belächelte man ihn und verlor bald das Interesse. Er wusste er wäre fähig zu töten, wenn seine volle Wut geweckt würde. Er hatte Angst davor. Angst vor sich selber. Nicht weil er dann die Konsequenzen des Gesetzes alleine fürchten müsste... nein er müsste Leben. Leben in dem Wissen einen Menschen getötet zu haben.

Seit Jahren hatte sein hoffnungsloser Hang zu Romantik gegen seine Wut angekämpft. Doch eines Tages war er da. Der Tag, an dem sich beide zusammenschlossen und Terror und Angst über den brachten, der dies heraufbeschworen hatte. Es war ein Tag wie manch anderer. In der Berufsschule hatte er eine unerwartet niedrige Note erhalten und das auch nur, weil der Lehrer, wie ihm schien, willkürlich den Würfel zur Notengestaltung benutzt hatte. Ausserdem bestand ein anderer darauf seine Lektion auch nach Ertönen der Glocke weiterführen zu müssen. Dies führte unweigerlich dazu, dass er seinen Zug verpasste. 'Herrlich' muss er sich gedacht haben. Der letzte Zug mit einigermassen brauchbarem Anschluss... Nun denn. Solange der Tag nur zu Ende geht, meinte er und stellte sich auf seine Heimreise ein. Im Zug nun schlief er ein, weil ihn das Schaukeln und die Musik in seinen Ohren immer beruhigten. Doch seine Ruhe wurde jäh gestört, als der Schaffner dem Herrn im Nebenabteil eine Busse erteilen wollte. Dieser beharrte darauf es eilig gehabt zu haben. 'Typische Ausrede' dachte er sich. Vor allem, da er ihn faul herumsitzen gesehen hatte. Und wie es so seine Art war liess er einen Kommentar darüber fallen. Die anschliessenden Beschimpfungen, die sich nach dem Schaffner nun auf ihn bezogen, taten den Rest und senkten seine Laune auf Null.
Er verliess den Zug. Das zweite Mal umsteigen. Und ein Aufenthalt von 30 Minuten. Wunderbar. Um die Zeit zu überbrücken wollte er sich etwas Essbares besorgen. Es war immerhin schon 20 Uhr und Winter. Er fror, hatte Hunger und eine ungeheuer schlechte Laune. Als er sich nun aufmachte in Richtung Unterführung, um den Genuss verheissenden Selecta Automaten aufzusuchen, hörte er aus eben jener Richtung lautes Rufen von mehreren Stimmen und ein leises Wimmern und Schreien. Er beschleunigte seinen Schritt und war in Windeseile unten angelangt, als er die Ursache des Lärmes sah: Drei stämmige Kerle, um ein zierliches Mädchen postiert. Jeder von ihnen hätte ihn im Kampf Mann gegen Mann locker in kürzerster Zeit flachgelegt. Doch das Ziel war nicht er und der Angreifer war nicht alleine. Zu zweit hielten sie es für nötig das Mädchen, sie konnte kaum älter als 17 gewesen sein, festzuhalten, sodass der dritte genüsslich Ohrfeigen verteilen konnte. Äusserst praktisch fand er wohl auch ihre Haare an denen er einen fest sitzenden Halt für seinen Griff fand. Warum sie das taten wusste er nicht. Auch dann nicht, als er mir berichtet. Aber er sah was sie taten und seine Wut schoss hervor, geleitet von der Romantik seines Herzens. Mädchen mussten beschützt werden, nicht angegriffen. Seine Hand gegen einen Schwächeren zu erheben wäre ehrlos und gegen ein so zierliches Ding ist es eine Sünde. Nicht dass er an Gott glaubte, aber Sünde war es desto trotz. Er spürte seine Wut in allen Gliedern. Er konnte seinen Puls in seinen Ohren fühlen. Vergessen war die zerbrechliche Brille in seinem Gesicht, vergessen waren die Möglichen Schmerzen, die zu erwarten wären. Alles was in seinem Kopf noch die Form eines Gedankens annehmen konnte war dieser Kerl und seine gerechte Straffe. Ohne das er es bemerkte oder veranlasste setzte sich sein Körper in Bewegung. Er schnaufte, als wäre er gerade 10 Kilometer gerannt und dennoch bemerkte er nichts davon. Durch seinen Kopf schienen nur noch Gedanken des Zorns einen Platz zu finden. Seine zu Fäusten geballten Hände waren Steinhart. Der sichere Griss eines Toten hätte nicht schwerer zu läsen sein können. Seine Fingernägel bohrten sich in das Fleisch seiner Handflächen, doch er war schon weit über die Empfindung von Schmerz hinaus in Rage. Sein geistiges Auge sah Rot und sein Körper würde erst dann zufrieden sein, wenn auch sein Auge Rot sehen würde. Langsam kam er näher. Der Kerl hatte ihn bemerkt. Auch seine zwei Kumpane. Einer hielt das Mädchen unsanft fest, während sich der andere zwischen ihn und sein Ziel stellte. Fehler. Sie schienen mit ihm zu sprechen. er verstand kein Wort. Er wollte nicht hören. Langsam bewegte er seine rechte Faust in Richtung seiner linken und liess dann die Rückseite seiner Faust mit aller Macht, die er hatte auf den Kopf des Hindernisses niederfahren. Das Hindernis war weg. Sein Ziel schien erst geschockt zu sein, dann aber verzerrte sich sein Gesicht in eine Fratze aus Wut. Ihm war das egal. Er kam dem Ziel näher. Immer näher. Dieses holte gerade zu einem Schlag aus doch er war schneller. Und schon hatte er die Gurgel seines Ziels fest im Griff. Er liess seine ganze Anspannung in einem mächtigen und hallenden Schrei entweichen, während er sein Ziel mit aller Gewallt und immer schneller gegen die nächste Wand schob. Wie eine Lokomotive, die einen Kleinwagen erfasst hat. Und mit einem lauten Knall schmetterte er sein Ziel gegen die Wand. Zwei, drei, vier mal mit aller Macht. Und im Moment hatte er Kräfte für vier Männer. Sein Rausch war befriedigt. Das Rot erstreckte sich über die Wand, sein Auge hatte gesehen, was es musste. Er drehte sich zu dem dritten Kerl um. Dieser brauchte nicht lange, um aus seinem Schock aufzuwachen und zu merken, dass er nun das Ziel war. Und zu seinem Glück tat er das einzig richtige... er rannte. Er allerdings musste die Situation erst einmal verarbeiten. Er ging auf sein Geleise. Sein Zug stand da und wartete auf ihn. Wo waren die 30 Minuten geblieben? Hatte er nun etwas gegessen? Er wusste es nicht. Die Bilder, die er in der nun besudelten Unterführung gesehen hatte verstand er nicht. Noch nicht.

Als er seinerzeit ganz aufgelöst bei mir geklingelt hat, ahnte ich nicht, was er durchgemacht hatte. Doch während er mir diese ganze Geschichte erzählte, konnte ich nicht anders, als zu weinen. Als er mir an diesem Abend von all dem berichtete sah ich ihn auch das letzte Mal. Sein Ziel war während des Angriffs gestorben. Die Polizei meinte, es wäre beim zweiten Aufschlag zu Ende gewesen. Das Hindernis hat durch seinen Aufprall auf den Boden schwere Hirnverletzungen davon getragen. Er wird nie wieder über seine volle geistige Kapazität verfügen. Den Dritten allerdings. Den hat man nie wieder gesehen. Es wurde zwar ein Phantombild erstellt, doch gefunden wurde er nie. Das Mädchen berichtete nur, dass ein schwarzer Schatten den Mann getötet hatte. An mehr konnte oder wollte sie sich bis heute nicht erinnern. Er aber ist fort. In diesem Land, in einem anderen, ich weiss es nicht. Vielleicht ist er auch schon tot. Aber wo immer er ist, er hat mich eine Lektion gelehrt: Auch beim nettesten Menschen kann man es irgendwann zu weit treiben, wenn man ihn für selbstverständlich erachtet. Und gerade in denen, die die grössten Aussenseiter sind, kann man oft die besten Freunde finden, wenn man wahre Freundschaft sucht...

 

Hallo Kokuyo,

angesichts des Titels dachte ich zuerst, es handle sich bei deiner Geschichte wieder einmal um eine vor Liebeskummer in Trauer gestürzte Teenagerin, stellte sich doch die Situation als anders heraus.
Aber die Tatsache, dass der Hauptaspekt deines Textes in der "Berichterstattung" über den charakteristischen Werdegang deines Außenseiterfreundes liegt, macht die Erscheinungsform nicht interessanter.
Könnte sein, dass es an der Länge deiner Geschichte liegt, aber die ganze Niederschrift wirkt monoton, simpel und ohne großen Ehrgeiz aneinandergereiht. Fraglich ist natürlich, ob jener Zustand in direktem Zusammenhang mit dem Titel steht. Oder ob sie auf deiner Intention basiert.
Auf jeden Fall wäre es erwünschenswert, der situativen Atmosphäre und dem Verhalten deines Außenseiterfreundes mehr emotionalen Ausdruck zu verleihen und darüber hinaus eine (mehr) gefühls- und spannungsbetonte Erzählweise zu versuchen.

Gruß, Hendek

 

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