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Eine ganz großartige Nummer
Eine ganz grossartige Nummer
Eine ganz großartige Nummer
Der Bosporus ist die Halsschlagader Istanbuls, eine gesunde, gute Ader. Atilla und sein Vater Bülent Celik sitzen an Deck einer Privatfähre. Sie sind auf dem Weg von Sirkeci nach Galatasaray. Es ist früh morgens. Der Himmel ist grau bewölkt und der Bosporus ist in unruhiger Stimmung.
Außer seinem Vater und Atilla sitzen noch zwei verschleierte Frauen und ein älterer Herr mit seiner Ziege an Deck. Unter Deck befinden sich 40 Personen.
Die Fähre steuert entschlossen den gegenüberliegenden Hafen an. Von rechts nähert sich ein Öltanker aus Lettland. Innerlich berechnet Atilla bereits die Geschwindigkeit der Fähre, und die des Tankers. Er sieht seinen Vater fragend an. Der kaut auf seiner Zunge herum. Atilla denkt, der Kapitän müßte doch klein beigeben und bremsen. An der Nase kommen wir nicht vorbei, denkt er.
Sie können Matrosen auf der Reling des Tankers sehen, die panisch mit den Armen winken. Der ältere Herr versteht das falsch und winkt freundlich zurück. Die beiden Frauen sind auf die Knie gesunken, beten.
Plötzlich stoppen die Motoren. Der Rückwärtsgang wird eingelegt.
„Wenn wir kentern, spring ins Wasser, weg vom Schiff“, schreit Atillas Vater.
Die Fähre berührt das Heck des Tankers, leicht nur. Aber ihr Bug hebt sich bedrohlich in die Luft. Einen Moment sieht es so aus, als würden sie hintenüber kentern.
„Spring“, schreit Atillas Vater und springt ins Wasser. Atilla hingegen ist unfähig, sich zu bewegen.
Die Fähre schlägt auf, der Tanker zieht an ihnen vorbei. Die Russen zeigen den Vogel.
An Bord herrscht Katastrophenstimmung. Erst eine Woche zuvor ist die rumänische Volleyball National – Mannschaft mit Trainer, Masseur und den türkischen Betreuern, mit Mann und Maus also, auf dem Bosporus gekentert und ertrunken. Der Schock sitzt noch tief.
Atillas Vater hängt halb im Wasser. Er klammert sich an einer Boje. Um die Ziege hat sich die Schiffsschraube des Tankers gekümmert. Möwen umkreisen einen Punkt im Wasser. Die Fähre fährt hupend an die Boje. Atilla flucht. Sein Vater zittert und lacht sich halbtot, während er sich an der Boje festhält.
„Es ist Jahre her, dass ich in dieser Brühe geschwommen bin. Zuletzt als Kind. Wobei man ja sagt, dass das Wasser gar nicht so belastet ist. Die Strömung weißt du? Alles schwups ins Schwarze Meer oder schwups ins Mittelmeer, da rechts runter, und da links runter. Ist Istanbul nicht herrlich? Wallahi, billahi!“
Er wird an Bord gehievt.
„Baba, das war ne ganz großartige Nummer, das muß man dir lassen.“
Der Kapitän entschuldigt sich per Lautsprecher von seinen hochverehrten Kunden.
Er musste die sanitären Anlagen besuchen sagte er, und hat nur kurz seinem Gehilfen, dem verfickten Scheißer, dem Sohn einer stinkenden Fotze, das Steuer überlassen.
Der Gehilfe, der arschgefickte Hundesohn, wäre seiner Arbeit nachlässig nachgekommen, was nur daher kommen könne, das er Laze sei und aus der Stadt Hopa komme.
Dort lebten, wie allseits bekannt sei, nur Kinder von räudigen Eseln. Er wünsche noch einen guten Tag und hoffe, uns alle wieder als zufriedene Kunden auf einer anderen Fahrt wiederzusehen. Als Vater und Sohn die Fähre verlassen, können sie sehen, dass mit dem Gehilfen ein einäugiger, 15 jähriger, entwicklungsgestörter Knaben gemeint ist, der debil vor sich her grinst.