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Eine Frage des Charakters

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07.08.2002
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Eine Frage des Charakters

Ich stand vor der Tür des Personalbüros und vergewisserte mich ein letztesmal meiner tadellosen Erscheinung. Nachdem ich keinen Makel an mir bemerkte, klopfte ich an, wartete einen Augenblick und trat ein.
Nichts wollte ich dem Zufall überlassen. Gewissenhaft hatte ich mich auf Fragen bezüglich meiner Person, meiner fachlichen Kompetenz und meiner beruflichen Qualifikation vorbereitet.
Eine hagere Gestalt, weiche Gesichtszüge, warf mir freundliche Blicke zu und forderte mich auf Platz zu nehmen.
„Guten Morgen“ sagte ich freundlich und erwähnte meinen Namen.
„Guten Morgen, mein Name ist Maibaum, mir ist es überlassen worden, Mitarbeiter für die Firma einzustellen."
Sein herzhaftes freundliches Lächeln gefiel mir und ich glaube, daß ich schon in diesem Augenblick wusste, daß ich sein Wohlwollen hatte.
„Ich werde Ihnen sagen, worauf es in unserer Firma bei“ Ihren Mitarbeitern ankommt, welche Personen wir für uns in Betracht ziehen.
Maibaum fingerte einen Putzlappen aus einer seiner Schubladen und warf ihn mir zu.
„Währenddessen wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie schon einmal Ihren Fleiß unter Beweis stellen und ein wenig meine Fensterscheiben
reinigen würden“
Ich war ein etwas verdutzt, wollte aber diesen Arbeitsplatz um nichts auf der Welt gefährden.
Ich sprang auf und machte mich an die Arbeit.
„Selbstbehauptung und Souveränität sind
Eigenschaften, die jeder Arbeitnehmer, sozusagen als Grundausstattung mitbringen sollte. Duckmäuser brauchen wir nicht!“
Eifrig befreite ich seine vom Schmutz und Nikotin verunreinigten Scheiben.
„Selbstwertgefühl und Selbstachtung sollten Teil Ihrer Persönlichkeit sein!“
Ich nickte und entfernte die Schlieren.
„Hier zu arbeiten, ist eine Frage des Charakters, verstehen Sie?
Maibaum deutete mit einer Handbewegung auf den halbvollen Aschenbecher und forderte mich auf ihn zu leeren.
Ein wenig verwundert war ich schon darüber, aber ich spürte, wie ich den Personalchef auf meiner Seite hatte, stellte keine Fragen und erledigte die Sache.
„Wie steht es mir Ihrer Menschenkenntnis?“ wollte er wissen.
„Bestens, Herr Maibaum, bestens!“
Ich fühlte mich sicher und ging in die Offensive.
„Ich weiß, was sie meinen Herr Maibaum, sie wollen einen Menschen, der sich nicht unter Wert verkauft, nicht klein beigibt und jemanden, der in der entscheidenden Situation, das richtige tut?“
Er nickte und gab mir zu verstehen, daß das Gespräch beendet sei und ich bald von ihm hören werde.
Ich war froh.
Daß es so hervorragend läuft, hätte ich nicht erwartet. Erleichtert atmete ich auf und verließ das Gebäude.
Wie Maibaum schon sagte: „Alles eine Frage des Charakters".

 

Mich lässt die Geschichte etwas ratlos zurück. :confused:
Vielleicht hab sie auch nicht verstanden. :D

Sie lässt sich flüssig lesen, ist kurz und ziemlich flott geschrieben.

Aber irgendwie habe ich eine besondere Pointe erwartet, etwa, dass der Erzähler am Ende für einen ganz anderen Job eingestellt wird als er sich beworben hat oder etwas in der Richtung.
So wie ich sie jetzt verstanden habe hat er dem Personalchef einfach gut gefallen, erfüllt die - vor allem charakterlichen - Bedingungen und wird den Job eventuell bekommen, oder?

 

Nochmal, ich hoffe wirklich, daß sie jetzt verstanden wird

Bitte Bitte Bitte!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

 

Hey Archetyp, nach Deiner Erklärung hab ichs nun endlich kapiert ... *hüstel*
Ich glaube, das Missverständnis ist auch nicht auf Deine Story zurückzuführen, es ist schon offensichtlich genug für den Leser, ich war nur zu blöd dazu. :rolleyes: :D

 

Lieber Archetyp!
Da ist dir ein witziger Zusammenprall zweiter Perspektiven gelungen. Man sieht regelrecht die zugeworfenen Blicke und die Gedanken hinter den Stirnen - lieben Gruß schnee.eule

 

Hi Archetyp,

es lief so, wie es der Personalchef wollte. Der Protagonist hat null Charakter gezeigt, nur gebuckelt und Anweisungen befolgt. Er wird den Job bekommen. Liege ich richtig?
Übrigens eine sehr gut geschriebene Geschichte mit viel Tiefgang.

Liebe Grüße - Aqualung

 

hallo archetyp, warum steht diese geschichte eigentlich in der rubrik "satiren"? die kluft zwischen dem, was gesagt, bzw. gedacht wird und dem, was getan wird ist ja riesig. hat mir gut gefallen. die story noch weiter auszubauen, wäre wahrscheinlich nicht hilfreich. in der kürze liegt die würze. beste grüße. ernst

 

Hallo Archetyp !!

Mit hat die Geschichte sehr gut gefallen !!
Ich mag diesen tiefsinnigen, leisen Humor, der unter der Oberfläche schlummert und zum nachdenken anregt.

Merci

:smokin: Grasi

 

@Aqualung ... So hatte ichs nach dem Lesen auch verstanden, ehe Archetyp mich aufgeklärt hat. :D

Der Personalchef hat den Bewerber getestet, hat die ganze Zeit von Selbstachtung etc geredet und ihn gleichzeitig für sich arbeiten lassen. Der Bewerber wird den Job also nicht bekommen weil er sich zu widerstandslos und einschleimend verhalten hat.

Richtig, Arche...? :rolleyes: :shy:

 

Ja, das ist eine kurze und treffende Satire, finde ich auch. Am besten ist die letzte Stelle, an der er voller Überzeugung davon spricht, sich nicht unter Wert verkaufen zu müssen. Hätte er noch den Lappen in der Hand gehabt und die Scheibe geschrubbt, wäre sie sicherlich vor ehrlicher Enregie zerbrochen...
Gut geschrieben und mit wenigen Worten das Ziel erreicht.

Gruß, baddax

 

Hallo, ich hätte nicht gedacht, daß die Geschichte soviel Resonanz erfährt.

Ginny Du hast recht.
Ernst hat aber auch recht. Satire ist angebracht. Habt Geduld mit mir. Bin neu.

Baddax danke ich ebenfalls. Es ist möglich das ich jemanden vergesse.

Und Aqualung: Du bist einen Gedankenschritt zu weit gegangen, aber so wie Du es siehst, wäre es auch möglich. Erst jetzt fällt mir auf, daß die Story offen für Interpretationen ist.

Also: der Chef testet ihn, stellt ihn nicht ein.

'Grasi, herzlichen dank, es tut gut, wenn man anfangs erfährt, daß das mal jemand liest.

 

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