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Eine Frage der Liebe

jbk

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17.06.2003
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Eine Frage der Liebe

Er schlug die Augen auf. Es war still im Zimmer und dunkel. Zu still, zu dunkel. Der Mond war wohl hinter Wolken versteckt. Aber diese Stille. Er tastete nach rechts und fühlte – nichts. Nichts, außer einem Hauch von Wärme, die sich langsam in der Zimmerluft verliert. Das war es also. Sie war weg und mit ihr der Atem.
Dann hörte er ein Geräusch. Es mochte von unten kommen, aus der Küche. Langsam stand er auf und ging, bedacht darauf, so leise wie möglich zu sein (es konnte sonst wer in der Küche sein), die Treppe hinunter.
Die Tür stand einen Spalt weit auf und aus der Küche kam ein trübes Licht, als wenn nur eine Kerzenflamme tanzen würde.
Er öffnete die Tür und sah seine Frau am Tisch stehen.
„Liebling, was machst du denn so spät noch hier?“, fragte er besorgt. Die Uhr zeigte halb vier.
„Ich dachte, ich hätte etwas gehört, Schatz. Deswegen bin ich nachschauen gegangen. Mach dir keine Sorgen, leg dich wieder hin. Ich komme gleich nach.“ Dabei drehte sie sich nicht um.
„Ist wirklich alles in Ordnung, Liebling?“ Er sah sie mit nackten Füßen auf dem Fliesenboden stehen. Es musste kalt, sehr kalt sein. Die Heizung war wohl ausgefallen. Er sollte sie reparieren.
„Ja, Schatz. Geh nur. Geh nur unbesorgt.“
Er erblickte ein Glas auf dem Küchentisch, als er knapp an ihrer Hüfte vorbei sah. Gestern Abend hatte er die Küche aufgeräumt. Ganz sicher.
„Gibst du mir auch einen Schluck Mineralwasser?“, fragte er seine Frau.
„Es war der letzte Schluck.“, antwortete sie. „Du wirst Morgen neues holen müssen.“
Er ging zur Tür und sagte: „Bis gleich.“, ging hinaus, schloss die Tür soweit, bis nur noch ein Spalt offen war, durch den er sehen konnte. Dann schlich er zur Treppe und tat so, als ginge er wieder nach oben.
Er sah noch, wie seine Frau den Küchenschrank schloss und das Glas auswusch.
Als sie sich wieder ins Bett legte, atmete er tief und gleichmäßig, so, als schliefe er bereits wieder.
Den Geruch, den er bald darauf wahrnahm, schmerzte sein Herz.

Am nächsten Abend, als er von der Arbeit wiederkam, setzte er sich zu seiner Frau an den Küchentisch. „Hör, Betty, wenn es irgendetwas gibt, worüber du mit mir reden willst, dann bin ich für dich da.“
„Ich weiß, Richard, ich weiß. Aber es ist nichts. Keine Sorge.“, sagte sie, während sie aufstand und zum Brotkasten ging. Die Träne in ihren Augen konnte er so nicht sehen.
„Betty, ich liebe dich. Immer noch liebe ich dich von ganzem Herzen.“
„Ich liebe dich auch, Richard.“
Es schmerzte ihn: da waren sie seit zehn Jahren verheiratet, und er hatte den Verdacht, dass sie ihm nicht mehr vertraue.
„Sollen wir heute Abend wieder einmal ausgehen, so wie früher?“, fragte er sie.
„Nein, ich bin müde, Schatz.“ war ihre kurze Antwort. „Außerdem kommt heute >Wer wird Millionär<.“
Während sie Günther Jauch guckte, ging er in die Küche, ging zum Schrank, öffnete ihn, sah hinein und fand hinter Tüten von Mehl und Zucker, was er vermutet, was er befürchtet hatte.

Was sollte er nun tun?
Eine Frage der Liebe musste beantwortet werden...

 

Hallo,
mMn eher eine Geschichte für die Rubrik Alltag. Du beschreibst größtenteils recht gut, man kann sich trotz der spärlichen Informationen gut in den Prot hineinversetzen und das Geschehen aus seiner Perspektive mitverfolgen. Einige sprachliche Ungeschicklichkeiten habe ich mal aufgelistet:

Er streckte die Hand rechts neben sich und fühlte
du willst wohl sagen, dass er die Hand "nach rechts" streckt, und nicht, dass er eine Dehnübung mit der rechts befindlichen Hand durchführt, oder?
(es konnte sonst wer in der Küche sein)
die Klammer finde ich unpassend, du solltest nicht sagen, warum er leise ist, das sollte der Leser sich selbst ausdenken
etwas gehört zu haben
"ich hätte etwas gehört" ist realistischer, das andere würde wohl kaum jemand morgens um halb vier sagen
Die Heizung mochte ausgefallen sein
das klingt ebenfalls merkwürdig, "Die Heizung war wohl ausgefallen" ist besser
Die Eine- Millionen- Euro- Frage
doch recht kitschig und unangemessen

Insgesamt gut zu lesen und auch inhaltlich gut, nicht zuviel und nicht zuwenig.

Gruß
Arthuriel

 

Ich finde schon, dass die Geschichte in die Rubrik "Gesellschaft" passt, denn Alkoholismus ist von den Ursachen und Folgen her immer auch ein soziales Problem, nicht nur ein individuelles.

JBK, du machst es schon spannend: So eine alltägliche Szene, beschrieben wie ein Drehbucheintrag, da ist der Leser gespannt, wann der Clou kommt.

Was mir aufgefallen ist, das ist der gespreizte, künstliche Ton, den das Paar im Gespräch miteinander hat. Wenn du damit eine innere Distanz andeuten willst, die der Grund für das heimliche Trinken ist, dann ist das in Ordnung. Wenn nicht, würde ich den Dialog etwas salopper gestalten.

 

@Rubinstein:
Freue mich ja immer, deine Kommentare in letzter Zeit vermehrt zu lesen. Aber diese ellenlangen Listen :(
Schick sie mir doch per PM... ;)

@Chica:
a) genau deshalb hab ich sie unter Gesellschaft gepostet. :)

b)Hoffe, den Klimax noch nicht überschritten zu haben. Das soll nämlich der Leser tun, indem er die Frage für sich beantwortet.

c) Der nächtliche Dialog ist bewusst so angesetzt. Da die Frau schon getrunken hat, ist ihre Sprache dementsprechend keine Alltagssprache: "Geh nur. Geh nur unbesorgt." - wenn man sich diesen Satz aus dem Mund einer alkoholisierten Person vorstellt, wird hoffentlich klar, was ich meine.

@tagträumer:
Dass keine dirkete Beschreibung der Prots erfolgt, also weder aufs Aussehen noch ihre gesellschaftliche Zugehörigkeit näher eingegangen wird, soll einer Spezifizierung der Situation auf eine bestimmte Art von Mensch entgegen wirken. Alkoholismus kann überall vorkommen.
Lediglich die Andeutung des Alters - 10 Jahre verheiratet - gibt einen kleinen Hinweis auf die Ursache: Eheprobleme, etc --> ist allerdings nur ein möglicher Interpretationsansatz.

grüßt
Jan

 

Einfach im Kommentar anmerken: "Fehlerliste per PM an den Autor geschickt."
Dann ist auch mehr Platz für eine Interpretation. ;)

 

Ich kann nur mehr ein paar Details anmerken, das Wichtigste wurde schon zu dieser Geschichte gesagt.

"Langsam stand er auf und ging, bedacht darauf, so leise wie möglich zu sein (es konnte sonst wer in der Küche sein), die Treppe hinunter."

==> Die Klammer würde ich entfernen und den Satz neu gestalten. MM nach sollten in Erzählungen keine Klammern eingebaut werden.

„Ja, Schatz. Geh nur. Geh nur unbesorgt.“

==> Das klingt wirklich etwas gekünstelt. Ich würde so etwas nicht zu meinem Partner sagen ;), aber wie Chicka bereits erwähnte: Wenn dies innere Distanz zum Partner verdeutlichen soll, geht dieses Element völlig in Ordnung und ist dann somit auch wichtiger Bestandteil der Geschichte...

"Während sie Günther Jauch guckte, ging er in die Küche, ging zum Schrank, öffnete den Schrank, sah hinein und fand hinter Tüten von Mehl und Zucker, was er vermutet, was er befürchtet hatte."

==> Hier ist mir eine Wortwiederholung aufgefallen. Zweimal "Schrank" in einem Satz ist zuviel

Gruß,
jingles

 

Jo Jingles,

ganz kurz:
Die Klammer lass ich stehen. Mir gefällt sie irgendwie.

Auch der Diaolog in der Küche wird so bleiben. Warum, wurde von euch schon gesagt.

Die Wiederholung habe ich geändert.

grüßt Jan

 

:teach:Eine Frage: hast du eine andere Kurzgeschichte als Anregung gnommen? (das Brot?) :sealed:

 

Hi!

Also, mich erinnert die Geschichte auch sehr an Borcherts "Das Brot". Sollte keine Unterstellung sein! Es gibt halt Parallelen.

Lg, kardia

 

Ja, in der Tat ist es eine Übertragung in die heutige Zeit, thematisch sicherlich variiert, inspiriert aber von einem Autor, der in unser heutigen Zeit viel zu wenig Beachtung bekommt. Borchert war in seinem Millieu mit einfacher Sprache und tiefer Bedeutung meisterlich, wie ich finde.
Und Übertragungen sind ja nicht verboten.
Selbst Goethe hat sich bei Shakespeare, sagen wir, anregen lassen :)

Dass ihr es herausgefunden habt, hätte euch ne 1 in der Schule eingebracht ;)

 

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