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Eine Frage der Liebe
Er schlug die Augen auf. Es war still im Zimmer und dunkel. Zu still, zu dunkel. Der Mond war wohl hinter Wolken versteckt. Aber diese Stille. Er tastete nach rechts und fühlte – nichts. Nichts, außer einem Hauch von Wärme, die sich langsam in der Zimmerluft verliert. Das war es also. Sie war weg und mit ihr der Atem.
Dann hörte er ein Geräusch. Es mochte von unten kommen, aus der Küche. Langsam stand er auf und ging, bedacht darauf, so leise wie möglich zu sein (es konnte sonst wer in der Küche sein), die Treppe hinunter.
Die Tür stand einen Spalt weit auf und aus der Küche kam ein trübes Licht, als wenn nur eine Kerzenflamme tanzen würde.
Er öffnete die Tür und sah seine Frau am Tisch stehen.
„Liebling, was machst du denn so spät noch hier?“, fragte er besorgt. Die Uhr zeigte halb vier.
„Ich dachte, ich hätte etwas gehört, Schatz. Deswegen bin ich nachschauen gegangen. Mach dir keine Sorgen, leg dich wieder hin. Ich komme gleich nach.“ Dabei drehte sie sich nicht um.
„Ist wirklich alles in Ordnung, Liebling?“ Er sah sie mit nackten Füßen auf dem Fliesenboden stehen. Es musste kalt, sehr kalt sein. Die Heizung war wohl ausgefallen. Er sollte sie reparieren.
„Ja, Schatz. Geh nur. Geh nur unbesorgt.“
Er erblickte ein Glas auf dem Küchentisch, als er knapp an ihrer Hüfte vorbei sah. Gestern Abend hatte er die Küche aufgeräumt. Ganz sicher.
„Gibst du mir auch einen Schluck Mineralwasser?“, fragte er seine Frau.
„Es war der letzte Schluck.“, antwortete sie. „Du wirst Morgen neues holen müssen.“
Er ging zur Tür und sagte: „Bis gleich.“, ging hinaus, schloss die Tür soweit, bis nur noch ein Spalt offen war, durch den er sehen konnte. Dann schlich er zur Treppe und tat so, als ginge er wieder nach oben.
Er sah noch, wie seine Frau den Küchenschrank schloss und das Glas auswusch.
Als sie sich wieder ins Bett legte, atmete er tief und gleichmäßig, so, als schliefe er bereits wieder.
Den Geruch, den er bald darauf wahrnahm, schmerzte sein Herz.
Am nächsten Abend, als er von der Arbeit wiederkam, setzte er sich zu seiner Frau an den Küchentisch. „Hör, Betty, wenn es irgendetwas gibt, worüber du mit mir reden willst, dann bin ich für dich da.“
„Ich weiß, Richard, ich weiß. Aber es ist nichts. Keine Sorge.“, sagte sie, während sie aufstand und zum Brotkasten ging. Die Träne in ihren Augen konnte er so nicht sehen.
„Betty, ich liebe dich. Immer noch liebe ich dich von ganzem Herzen.“
„Ich liebe dich auch, Richard.“
Es schmerzte ihn: da waren sie seit zehn Jahren verheiratet, und er hatte den Verdacht, dass sie ihm nicht mehr vertraue.
„Sollen wir heute Abend wieder einmal ausgehen, so wie früher?“, fragte er sie.
„Nein, ich bin müde, Schatz.“ war ihre kurze Antwort. „Außerdem kommt heute >Wer wird Millionär<.“
Während sie Günther Jauch guckte, ging er in die Küche, ging zum Schrank, öffnete ihn, sah hinein und fand hinter Tüten von Mehl und Zucker, was er vermutet, was er befürchtet hatte.
Was sollte er nun tun?
Eine Frage der Liebe musste beantwortet werden...