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Eine Chance für eu?
Das kleine e saß etwas in einer Ecke. Zu gerne hätte es mit dem u gespielt. Doch das u schien seit der Geschichte von Theodor Tinte so mit dem a verbunden zu sein, dass es seiner Pflicht, dem e ab und zu zur Seite zu stehen, nicht mehr nachkam.
„Das musste sich ändern und zwar augenblicklich.“ Da, schon wieder gebrauchte e ein Wort, das die Verbindung zwischen a und u benötigte.
„Ich werde nur noch Worte verwenden, die kein au beinhalten“, gab e mit trotziger Stimme bekannt, so dass es auch die anderen Buchstaben hören mussten.
„Da hast du dir ja ganz schön was vorgenommen“, bemerkte i, der sich schnell bei dem Wort „kein“ an die Seite des „e“ geschlichen hatte.
„Du wirst schon sehen, ich brau… , oh Gott schon wieder ein „au“ im Wort!“ e hielt sich mit der Hand den Mund zu, um nicht das ganze Wort aussprechen zu müssen.
„Da siehst du es“, sagte l, „du brauchst das au täglich, um Worte bilden zu können. Du kannst es nicht einfach außer Acht lassen.“
„Und was soll ich machen. A und u hängen doch wie die Kletten aneinander. Ich bin schon ganz eifersüchtig. Wie kann ich sie nur trennen?“, fragte e verzweifelt.
„Vor allen Dingen darfst du nicht neidisch sein“, antwortete l. „Du musst vorsichtig versuchen, das u auf deine Seite zu ziehen. Es muss doch möglich sein, dass u sowohl bei dir als auch beim a stehen kann.“
Die Buchstaben stellten sich zusammen und suchten eine Antwort auf die Frage. Doch so einfach war das nicht.
Da kam l ein genialer Einfall. „Wir müssen Worte finden, in denen sowohl ein au als auch ein eu vorkommt. So ist u gezwungen, einmal zum a und einmal zum e zu gehen.“
„Und vor allem hat er am Anfang nicht so einen langen Weg“, bemerkte e. „Das könnte sogar klappen.“
„Nun brauchen …, oh, benötigen wir nur noch solche Worte.“ L legte die Stirn in Falten und dachte angestrengt nach.
„Wie wäre es mit ‚Autoscheune’?“, warf i ein.
„Was soll denn das sein?“ l bog sich zu einem Fragezeichen zusammen.
„Na ja, eine Scheune, in der ein Auto steht“, erklärte i.
„Ist aber blöd. So etwas gibt es doch gar nicht. Fällt niemanden ein anderes Wort ein?“ E war keineswegs mit dem Vorschlag zufrieden.
Da niemand etwas Besseres wusste, liefen er und l in die Bibliothek, in der Theodor Tinte ein riesiges Regal mit vielen, vielen Büchern stehend hatte.
„Schauen wir doch mal, ob wir hier etwas Passendes finden.“
Zuversichtlich kletterte l die Leiter hinauf, die an einem der Schränke lehnte.
„Hier, ein Rechtschreibduden“, rief er und mit einem lauten Knall flog das Buch auf den Fußboden, wo e gerade noch zur Seite springen konnte, um nicht erschlagen zu werden.
„Pass doch auf, nein gib Obacht!“, schrie e auf. „Beinah hätte es mich erwischt und wir müssten keine Worte mehr finden.“
Inzwischen war l wieder heruntergeklettert und ohne näher auf die Bemerkung von e einzugehen, schlug er das dicke Buch auf.
„Also, was haben wir denn da“, murmelte er. L blätterte eine Seite nach der anderen um.
Plötzlich schrie er: „Da ich habe eins. AUFHEULEN! Merk dir das mal.“
Wieder hörte man in der Bibliothek nur das Umblättern von Buchseiten. L kam allmählich ins Schwitzen. Es war nicht einfach solche Worte zu finden.
E saß ruhig auf der untersten Sprosse der Leiter und dachte angestrengt nach.
Auf einmal hüfte er herunter und lief auf l zu.
„Ich habe eine Idee, l. Du kannst ruhig das Buch wieder zu schlagen. Ich weiß, wie ich u dazu bekomme, auch manchmal zu mir zu kommen.“
„Und wie willst du das anstellen?“, fragte l erstaunt.
„Vielleicht reicht es ganz einfach, wenn ich ihn frage, ob er ab und zu bei mir aushelfen könnte? Oder ich heule einfach ein bisschen. Kann sein, dass er sich erweichen lässt.“ E war so von seiner Idee überzeugt, dass ihm gar nicht auffiel, dass er ein au in „aushelfen“ benutzt hatte.
„Einen Versuch ist es wert“, stimmte l zu und beide Buchstaben verließen eilig den Raum, ohne das schwere Buch wieder ins Regal zurückzustellen.
Als Theodor Tinte am Abend in seine Bibliothek kam, war er erstaunt, als er den Duden auf dem Boden vorfand. Kopfschüttelnd legte er ihn ins Regal zurück. Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch und begann eine neue Geschichte zu schreiben.
Doch jedes Mal, wenn er die Buchstabenverbindung eu schreiben wollte, erschien ein au im Wort. Es entstand statt „Scheune“ das Wort „Schaune“, „Leute“ wurde zu „Laute“ und der Satz bekam einen ganz anderen Sinn.
Verwirrt legte der Dichter den Federhalter aus der Hand und fasste sich grübelnd an sein Kinn.
Plötzlich hörte er ein leises Jammern, das immer lauter wurde. Doch er konnte nicht entdecken, woher es kam. Dass es e war, der zusammengekauert neben dem Wort „Laute“ saß, das eigentlich Leute heißen sollte, konnte er ja nicht ahnen.
„U, bitte komm zu mir herüber. Ich kann ohne dich keine richtigen Worte bilden“, schluchzte e. „Sieh dir doch an, was Theodor hier geschrieben hat. Das kann ja kein Mensch lesen. Bitte, hilf mir!“
Auf einmal kam Unruhe in die Buchstaben und u rief: „Lasst mich durch und zwar sofort!“
„Nein, du bleibst bei mir“, ertönte die Stimme von a. „Du kannst mich doch nicht alleine lassen und einfach zum e gehen. Das dulde ich nicht!“
„Reg dich nicht so auf, a!“, fuhr ihn u an. „Es ist nun mal so eingerichtet, dass ich für dich und auch für e da sein muss. Leider habe ich das die ganze Zeit aus lauter Verliebtheit total vergessen. Ich bin nun mal verpflichtet euch beiden zu dienen. Also, Platz da!“
Mit einem Schwupps postierte sich u neben e, der nun wieder strahlte.
„Danke, dass du mir hilfst. Nun können wir Theodor Tinte endlich seine eu-Verbindungen zurückgeben.“
„Entschuldige e, dass ich dich in letzter Zeit so vernachlässigt habe. Ab heute herrscht wieder Ordnung im Buchstabenrevier.“
So hatte es u erreicht, dass aus den geschriebenen Worten „Schaune“ und „Laute“, die richtigen Worte „Scheune“ und „Leute“wurden.
„Ich hoffe, du bist mir nicht böse, wenn ich ab und zu mal zu i verschwinde, denn dort habe ich noch eine weitere Arbeitsstelle“, bemerkte e zu u und grinste schelmisch.