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Ein Wolf rechnet ab

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27.01.2004
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Ein Wolf rechnet ab

Edward, der Wirt einer mittelmäßigen, aber dennoch im gewissen Sinn besonderen und zurzeit vor allem mit Stammgästen halb gefüllten Gaststätte namens „Moonlight Tavern“ schaute zur Tür und wunderte sich. Wer gerade durch die Schwingtür der Gaststätte kam, die übrigens nicht dem Wirt gehörte, was aber nicht das Besondere an ihr war, hatte an seiner Seite eine abgesägte Schrotflinte Marke Winchester und unter dem großen, halb zerrissen wirkendem Mantel deuteten einige Wölbungen auf weitere Waffen hin.

Der sehr ernst dreinschauende Unbekannte hatte helles, brünettes Haar, einen Bart und einen Kopf der irgendwie „dick“ oder wuchtig aussah. Seine Statur war groß und muskulös. Er schien einer der Archetypischen Männer zu sein die wohl aufgrund eines Fehlers im Kopf wie mangelndes Denkvermögen zuerst drauf los schlugen oder feuerten und danach fragten was eigentlich Sache sei. Und er sah wirklich schussbereit aus obwohl die Winchester in einem lockeren Griff weiterhin an seiner Seite blieb. Der Wirt war aufs Schlimmste gefasst und blieb an einer Stelle der Bar stehen an der unter der Theke ebenfalls eine Schrotflinte war. Zwar einer anderen Marke und auch nicht abgesägt, aber dennoch tödlich falls er sie brauchen würde.

Der Fremde in der Tür sah sich um, wie als suche er etwas oder jemanden, und drehte sich nach einigen raschen Blicken wieder zu Edward um, der nur hoffen konnte, dass der Fremde nicht wusste, dass diese Gaststätte eine besondere war. Nur vier Meter trennten die beiden und der Wirt konnte nicht an dem Fremden vorbei zur Tür hinaus eilen, falls es nötig wurde. Der Fremde begann zu sprechen und die Art wie er es tat bestätigte dem Wirt, dass der Mann wirklich was über diesen Ort wusste. „Wo ist er? Der Besitzer!“ fragte der Mann mit unverhohlenem Zorn.

Edward tastete unter der Theke nach seiner kleinen Rettungsinsel in Form der versteckten Schrotflinte und entgegnete „Warum? Wer will das wissen?“. Der Fremde hob langsam und schon betont ausführend die Rechte in der die Abgesägte schussbereit war und deutete damit wie mit einem verlängertem Finger auf den Wirt. „Ich weiß, dass Du weißt, dass ich nicht zögern werde Dich umzubringen, solltest Du eine falsche Bewegung machen. Also: versuche nichts Dummes anzustellen und sag mir WO ER IST!“ brüllte der Mann. Der arme, sich selbst ob der Situation bemitleidende Wirt musste seine Meinung über den Fremden ändern. Er war nicht dumm.

Doch scheinbar waren es einige andere, denn kaum war das Brüllen des Fremden Mannes verstummt als auch schon drei, vier Stammgäste von der linken Seite ihre Waffen zückten und auf den Fremden schossen. Doch nicht schnell genug. Der Mann im Eingangsbereich bewegte sich geschwind wie ein Falke im Sturzflug, schoss mit der Flinte, lud in atemberaubendem Tempo nach und schoss erneut. Bevor ihn überhaupt die Kugeln der Waffen bedrohlich nahe kommen konnten, begriffen die Besitzer der abgefeuerten Waffen dass sie tot waren. Doch selbst wenn sie es nicht begriffen haben sollten, änderte es nichts daran, dass ihre Körper, aus denen langsam jede Art von Leben wich, dem Boden entgegen fielen. Der Fremde drehte sich und blieb einfach einen Meter vor den hinter ihm vorbeisausenden Kugeln stehen. Die Kugeln trafen die gegenüber liegende Hauswand. Jedenfalls bis auf zwei, denn eine Kugel durchbrach ein Fenster und verletzte einen Passanten am rechten Arm, als dieser gerade nichts ahnend vorbei ging, und die andere traf einen Mann am Fenster sitzend in den Hals. Er brach mit einem gurgelnden Laut über den Tisch zusammen und Blut verteilte sich darauf.

„WO IST ER? WO IST GRAZIANO? REDE!“ schrie der immer wütender werdende Mann den Wirt an. Edward war kurze Zeit darüber erstaunt dass der fremde Mann den Namen Gracianos überhaupt kannte. Zeigte sich dieser doch nur selten und noch seltener gab er seinen Namen preis.

Dem Fremden war es scheinbar egal, dass Geschrei und Hektik in der Gaststätte aufkamen. Er stand wie angewurzelt da, blickte zornig und wartete auf eine Antwort des Wirtes. Alle anderen Leute wollten entweder schnell raus hier, wenn’s sein musste auch durch ein Fenster, oder sich für die Schiesserei und den daraus resultierenden Toten rächen. Zu letzterem Zweck zogen sie beinahe aus dem Nichts ebenfalls wie die vier Männer zuvor Pistolen und Gewehre hervor. Stühle flogen zur Seite, Tische kippten um. Warum sie überhaupt Waffen in einer Gaststätte wie dieser dabei hatten war scheinbar ein offenes Geheimnis, das wohl auch mit dem Fremden zusammen hing.

Der Mann, der gerade noch ungerührt dastand, vollführte plötzlich einen schnellen Tanz als Versuch zwischen den vorbei fliegenden Kugeln wohlbehalten zu bestehen und schoss um sich. Er zielte jedoch sicher und traf immer das, was er treffen wollte. Hier traf er einen Waffenarm, dort traf er einen Kopf und woanders ein Bein. Man sah ihm nun im Gegensatz zu vorher seine Mühe an, die er dabei hatte nicht getroffen zu werden, aber dennoch selbst zu treffen. Er bewegte sich mit einer übernatürlichen Geschwindigkeit und Eleganz. Es stand fest, dass ihm die Menschen an diesem Ort wohl eher nicht gefährlich werden konnten.

Der Mann duckte sich unter fünf weiterfliegenden Kugeln weg, sprang über einige weitere hinüber oder drehte sich aus der Schussbahn mit geradezu lässigen Bewegungen, als könnte er sehen wohin jede einzelne Kugel hinzielen würde, schoss ein paar mal selbst und drehte sich wieder weg, wenn es nötig wurde. Dann schoss er abermals zurück. Zunächst schien er die Personen im Raum nur kampfunfähig machen zu wollen, denn er traf mit Vorliebe die Waffenarme. Als dann aber der ein oder andere bereits Getroffene trotzdem weiterhin versuchte den Fremden irgendwie zu erledigen und auch mehrere Messer durch den Raum flogen, entschied sich dieser dazu, alle Gegner, denn nichts anderes waren sie momentan, einfach zu erschießen. Oder eher gesagt hin zu richten. Es glich einer Schlacht, bei der jeder drauf ging, bis auf den Fremden und den Wirt. Bereits nach einer Minute war die Schlacht vorbei.

Der Wirt Edward starrte ungläubig um sich. In Windeseile wurde aus der mäßig gefüllten Schänke ein ramponierter Ort toter Menschen. Leichen lagen überall und die Einrichtung war hoffnungslos zerstört. Er selbst war wie der Mann mit der Flinte unverletzt geblieben. Ein Wunder, dachte er noch bei sich als der Mann ihm befahl „Komm auf der Stelle mit mir mit und führe mich endlich zu Graciano. Oder ich sehe mich gezwungen Dich ebenfalls ins Reich allen Endes zu schicken!“

Edward, dessen Hand immer noch auf der Schrotflinte ruhte, hatte wohl keine Wahl. Er war zu schockiert um irgendwas zu sagen, also nahm er die Hand von der Waffe, drehte sich langsam und kam um die Theke herum. Am liebsten hätte er seine Augen geschlossen, denn was er in seiner Gaststätte sah war das reinste Grauen. Nie hätte er gedacht, dass seiner Bar so etwas zustoßen würde. Er sah die zerstörten Flaschen hinter und über der Theke, die durch Querschläger zerschossen wurden, sah die zerstörte Inneneinrichtung, die unter dem Gewicht der Toten zusammengebrochenen Tische und Stühle und das Blut dass als Spritzer oder Lachen überall verteilt war. Es roch nach Schusspulver und der Lärm der Schüsse hallte immer noch in seinen Ohren wider.

„Beeil Dich! Hier wirst Du eh niemanden mehr bewirten können.“ sagte der Mann als er bemerkte wie langsam der geschockte Wirt um die Theke herum ging. Man merkte dass der Fremde Mühe hatte sich zu beherrschen. Er schaute, nein, stierte nur den Wirt an ohne nach rechts oder links zu sehen, schnaufte hörbar und schien leicht zu zittern. Einige Muskeln zuckten, z. B. unter dem linken Auge, und er schien dauernd zu schnüffeln. Seine Ohren bewegten sich ständig leicht. Er schien das Gemurmel von draußen mit zu verfolgen. Der Edward bekam es nicht mit oder es war ihm zu nebensächlich. Stattdessen kam er näher, einen Schritt vorsichtig vor den anderen setzend.

Der Fremde hatte schon längst wieder seine Schrotflinte unter dem Mantel versteckt und packte den Wirt grob am Arm als dieser nur noch ein paar Schritte entfernt war. „Komm schon! BEEIL DICH!“ sagte er wütend und zog ihn neben sich her. Sie verließen die Gaststätte und der Mann schmiss Edward geradezu auf den Beifahrersitz eines Pickups, nahm selbst Platz auf der Fahrerseite und fuhr in einem atemberaubenden Tempo davon. Das Letzte, was die schockierten und ängstlichen Passanten in der Nähe der Gaststätte sahen, war ein sich rasch entfernender Pickup und die Wolke aus Staub, die er hinter sich her zog.

# # #

Der Pickup wackelte und schüttelte seine Insassen durch, als er dazu genötigt wurde, mit beinahe Höchstgeschwindigkeit durch den an manchen Stellen lichten Wald zu fahren. Am Steuer saß ein rachsüchtiger Mann, der mit Graciano noch eine Rechnung offen hatte. Und heute würde der ortsfremde Mann sie begleichen. Zu diesem Zweck hat er den Wirt Edward der Kaschemme namens „Moonlight Tavern“ gekidnappt. Ja, eine Kaschemme war es zweifellos, denn alle Stammgäste hatten Waffen bei sich. Mit diesen Waffen versuchten sie den Fremden zu töten. Doch zum Bedauern des Wirts hatte es nicht geklappt.

Der Wirt saß ängstlich auf dem Beifahrersitz. Er wollte am liebsten raus springen, doch bei diesem Tempo hätte er sich wohl sämtliche Knochen gebrochen. Also musste er mit diesem Irren Mann, der noch dazu weder Schmerzen spürte, noch erschossen werden konnte, weiterhin durch den Wald zu Graciano fahren.

Dass der Fremde keine Schmerzen empfand, konnte der Wirt an dessen rechten Körperseite sehen. Blut war an zwei zerfetzten Stellen der Kleidung zu sehen. Dieses stammt höchstwahrscheinlich von irgendwelchen Wunden, die sich der Fremde bei der wilden Schiesserei in dem Lokal zugezogen hatte. Doch weder schien er die Wunden zu spüren, noch verzog er ein einziges Mal die Miene. Er schien den Schmerz zu verdrängen, denn selbst ein Streifschuss konnte höllisch schmerzen. Das wusste Edward sogar aus eigener Erfahrung, denn er wurde einst bei einer Schiesserei am linken Arm gestreift. Die Kugel hatte einige Zentimeter Haut einfach weggefetzt. Es waren Schmerzen, die erst nach Wochen vergingen. Außerdem behielt er eine helle Narbe zurück.

Der Fremde, der sich bislang nur auf den Verkehr konzentrierte, sah Edward an.
„Versuche bei deiner Angst nicht so zu schwitzen. Dein Schweißgeruch ist ja Ekel erregend.“
Edward stutzte und antwortete „I-Ich… ich bin mir dessen nicht bewusst!“
„Deswegen sage ich es ja!“ sagte der Mann, als er den Kopf wieder drehte, um die Straße im Blick zu haben.

Der Wirt sah die zwitschernden Vögel auf einigen Baumästen, die über der Waldstrasse hingen. Diese Vögel schauten und pfiffen lebhaft und unbekümmert, kurz bevor sie, aufgeschreckt durch den Raser, davon flogen. Er dachte, die Vögel wussten oder ahnten wohl auch, dass dieser Pickup nicht in den Wald gehörte und ihn schon gar nicht mit solch einer Geschwindigkeit durchfahren und den Wald somit in Unruhe versetzen sollte.

Er überlegte, seine Gedanken rasten förmlich. Entweder der Mann würde ihn töten, nachdem Edward ihn zu Graciano führte, oder Graciano würde Edward für seine Unfähigkeit und seinen Verrat bestrafen. Letzteres hatte wahrscheinlich auch seinen Tod zur Folge. Er hatte keine Bedenken, dass Graciano alleine mit dem Fremden fertig werden würde. Graciano hatte ähnliche Fertigkeiten wie dieser Mann, war jedoch einen Tick schneller, wie Edward sich erinnerte. Er hatte Graciano bereits zweimal „in Aktion“ erlebt. Immer wenn es brenzlig wurde, es zu Schiessereien kam oder er rennen musste, um rechtzeitig jemanden einzuholen oder etwas zu erledigen, mobilisierte Graciano unvorstellbare, unmenschliche Kräfte. Nur ein Teil dessen sah er von dem Mann in der Gaststätte. Er hatte gegen Graciano, oder „den Boss“, wie Edward ihn nannte, keine Chance.

Aber Edward würde noch eine haben, wenn er so schnell wie möglich aus diesem Auto kam, um den Boss zu warnen. Bei dieser Geschwindigkeit ein schweres Unterfangen. Außerdem gab es hier im Wald kein Telefon. Doch die Zeit drängelte. In zehn weiteren Fahrminuten würde der Fremde Gracianos Haus anfahren. Wenn Graciano dann herausfand, dass der Fremde nur durch Edwards Feigheit und Todesangst ihn fand, wäre er so oder so geliefert worden.

„Denk nicht mal daran!“ sagte der Mann am Lenkrad plötzlich und holte Edward so aus seinen Überlegungen. Der Wirt bekam Angst, denn der Mann wusste wohl dass er flüchten wollte. Er hatte jetzt noch keine Chance zu fliehen. Der Fremde würde ihn wohl noch im Auto davon abhalten, die Tür zu öffnen. Edward musste auf einen günstigen Moment warten. Er hoffte, dass dieser Moment bald kam. Lange hatte er keine Geduld mehr. Er spürte auch immer wieder den Blick des Fahrers im Nacken. Er war extrem nervös. So erginge es wohl jedem, der begriff, dass der letzte Tag seines Lebens bereits angebrochen war.

# # #

Graciano, ein schwarzhaariger Mann der aussah als wäre er im Alter von zweiundvierzig Jahren, aber in Wirklichkeit viel älter war, lag im zweiten Stock seines Hauses im Bett und schaute zur großen, geöffneten Balkontür hinaus. Er sah die helle Mittagssonne und einige Bäume des nahe gelegenen Waldes. Er genoss die einsamen Sonnenstrahlen, die vereinzelt ihren Weg durch Baumwipfel und andere Hindernisse zu seinem Bett und seinen Körper fanden. Er konnte die Wärme und die Energie des Tages spüren.

Er wollte jedoch noch nicht aufstehen. Geschäftlich hatte er nämlich bis in die Nacht zu tun gehabt. Dann besuchte er die Stadt, feierte ein wenig mit Freunden, fuhr mit einer Frau wieder hier her, trank einiges an guten Wein mit ihr, liebte sie, und winkte ihr, als sie wieder davon fuhr, zum Abschied vom Balkon zu. Er fühlte sich gut heute. Er liebte das Leben, denn mit genügend Fleiß und Aufmerksamkeit konnte man jedem Moment und jeder Arbeit etwas Gutes abgewinnen, wie er fand. Er fühlte sich befreit von allen Sorgen. Auch seine Geschäfte, seine Läden und Kneipen, liefen endlich wieder so, wie es nötig war. Mehr noch: er erlebte in den letzten Tagen einen neuen Aufschwung.

In Gedanken vertieft, hörte er, wie sich ein Auto dem Haus näherte. Es musste ein Auto sein, dem Geräusch zu urteilen. Er ging, nur mit Unterwäsche bekleidet, langsam auf den Balkon hinaus und sah herunter. Tatsächlich, ein Wagen, genauer: ein Pickup, fuhr geradewegs auf das Haus zu und war noch etwa 100 Meter davon entfernt. Seine übermenschlichen Ohren hatten sich nicht getäuscht. Er kannte den Wagen jedoch nicht, und so wie der Fahrer fuhr, wusste Graciano auf Anhieb dass Ärger auf dem Weg war. Etwas stimmte nicht an der aggressiven Fahrweise, an den sich schüttelnden, auf dem Schotter rutschenden Wagen, den hoch aufgewirbelten Staub und dem Lärm des ganzen Vorgangs.

Der Wagen wurde langsamer und Graciano sah, wie Edward, der Wirt einer seiner Gaststätten, zur Beifahrerseite hinaus sprang und auf das Haus zu rannte. Panik war in dessen Gesicht abzulesen. Doch bevor Graciano etwas tun konnte, sah er wie der Fahrer ebenfalls aus den noch fahrenden Wagen hinaus hechtete, Edward einholte und diesen am Nacken festhielt. Ein all zu deutliches und bekanntes knacken war zu hören, als Graciano bereits vom Balkon sprang. Er machte sich kampfbereit.

Graciano landete sicher auf zwei Beinen, als er den über sieben Meter hohen Sprung vom Balkon herunter auf dem Waldboden vollendete. Obwohl er mit bloßen Füßen auf den schotterübersäten Boden aufkam, merkte er jedoch keinerlei Schmerz und keine einzige Wunde wurde in seine Fußsohle geschnitten. Er sah, wie sein Wirt und noch dazu Freund Edward mit gebrochenem Knick auf den mit Gras, Blättern und Schotter bedeckten Boden fiel. Wut überkam Graciano. Der fremde Eindringling würde dafür mit seinem Tod zahlen, beschloss Graciano, der Boss.

Graciano stutzte. Er kannte den Fremden von irgendwoher. Dieser roch außerdem bekannt, beinahe familiär, fand der Boss als er die Witterung des unbekannten Mannes aufnahm. Die beiden Männer standen nun zehn Meter voneinander entfernt und sahen sich an. Beide schienen sich zu beobachten und zu schnüffeln, sich zu beschnuppern. Dann begriff Graciano endlich wer der Fremde war.

„Warum bist du hier, David? Nach so langer Zeit?“ fragte er.
„Warum nicht? Ich wollte mich schon immer für den Tod meines Bruders rächen. Damals konnte ich es vielleicht noch nicht, aber heute werde ich es tun!“

Graciano stutzte. Was sagte David da? Er wollte sich rächen? Aber es war damals alles ganz anders. Graciano selbst brachte David seinen toten Bruder Rupert, als dieser während eines Angriffs von feindlichen Wesen, von Vampiren, ums Leben kam. Damals trauerten beide um Rupert. Doch einige Wochen darauf gingen beide getrennte Wege. Sie waren erstens zu unterschiedlich und zweitens beide Einzelgänger, die sich mehr auf sich selbst als auf andere oder gar auf ein ganzes „Rudel“, wie sie ihre Gemeinschaft nannten, verlassen konnten.

Außerdem bekam Graciano, der nun ein Geschäftsmann, immer wieder zu spüren, wie enttäuscht David war. Enttäuscht, weil Graciano die anderen Wesen verscheuchte und einen von ihnen sogar tötete, Rupert jedoch nicht vor dem Tod bewahren konnte. Ruperts Kopf wurde von einem mehr oder weniger einfachen Schwert im Kampf abgeschlagen. Seit den Geschehnissen hatten sich beide nicht mehr gesehen. Dies war bestimmt schon über zweihundert Jahre her. Und jetzt wollte sich David rächen, weil Graciano Rupert im Kampf beistand, jedoch das Schlimmste nicht verhindern konnte? Das konnte doch nicht allen Ernstes war sein.

„Ja, jetzt begreifst du endlich, dass es ernst ist. Du wirst sterben, heute. Durch mich. Deine Lügen haben ein Ende, BOSS!“ betonte David ernst, noch dazu mit einem grummelnden Unterton. Die Bitterkeit war deutlich zu hören. Er begann sich zu verwandeln. Innerhalb einer Minute wechselte sein Erscheinungsbild von dem eines Menschen zu dem eines Wolfwesens, eines Werwolfs. Zähne und Mund wurden zum Maul eines Wolfes, die Augen wurden rundlich und dunkler, das Kopfhaar und die Haut wurden zum dichtgewachsenen Fell, Hände wurden zu Pranken, Füße zu Tatzen, Nägel zu Klauen, Kleidung riss entzwei und plumpste nutzlos zu Boden, Muskelmasse verdoppelte sich und die Gestalt wuchs zur Breite während dessen Höhe sich ein wenig verringerte.

Der Boss und Geschäftsmann hatte keine Wahl, er musste sich auch verwandeln, wenn er in diesem Kampf eine Chance haben wollte. Auch er wurde zum Werwolf. David reckte seinen Kopf in den Mittagshimmel und heulte kurz, aber laut. Er atmete zischend und schnaubend ein. Seine Wut war Feuer und Ansporn für den nun folgenden Kampf zugleich. Graciano ging einige Schritte hin und her, versuchte Davids Absicht nächsten Schritt zu deuten. Unvermittelt sprangen beide aufeinander los.

In etwa zwei Meter Höhe trafen sie aufeinander. Klauen rissen Fleisch und Muskeln entzwei, Fänge aus weit geöffneten Lefzen trafen kurz auf Schulter und Hals und durch den Ruck drehten sich beide noch im Flug. Kurz darauf kamen sie wieder zwei Meter voneinander entfernt zum stehen. Doch nur um sich daraufhin erneut anzuspringen. Sie kämpften um Ihr Leben, gruben ihre Klauen ineinander, zerfetzten ihre Muskeln, verbissen sich wie rivalisierende Hunde. Nein, wie große, hungrige Wölfe harmlose Lämmer reißen würden. Ab und zu jaulte einer unter Schmerzen. Dieser Schmerz war es auch, was sie noch wütender aufeinander machte und ihnen neue Kraft gab.

Einige Wunden, die am Anfang des Kampfs entstanden, begannen sich wieder zu schließen, als sie erneut auseinander gerissen wurden. Ein beinah sinnloser und minutenlanger Kampf war im Gange. Sie zogen einander die Beine weg, rollten übereinander auf den Boden, schlugen sich mit Kopf und Fäusten, benutzten dann wieder ihre messerscharfen Klauen und stießen sich voneinander ab. Dann begann das Ganze von vorne.

Bis nach ein paar Minuten Graciano als einziger wieder aufstand. Er hatte es bald geschafft. Er wollte David nur eine Lektion in Respekt erteilen, ihn jedoch nicht töten. Und nun war David am Boden, kam noch dazu fähig zu stehen. Graciano heulte siegessicher dem Himmel entgegen, als David sich eine Wunde leckte und ratlos um sich blickte. Dann sah er seine Kleidung und zog etwas daraus hervor. Dazu verwandelte er innerhalb einer Sekunde seinen rechten Arm zu einem halbwegs menschlichen zurück.

Graciano wollte David zeigen, dass er ihm nicht gewachsen sei, dass er mit diesem sinnlosen Kampf, in dem er der Unterlegene war, aufhören sollte und sprang wieder auf David zu, doch ein lauter Knall ertönte plötzlich aus dem Gegenstand in Davids Rechten. David drehte sich zur Seite, als der überraschte Graciano auf der Stelle auf dem Boden aufkam, an der eben noch David lag. Dieser Stand auf und richtete den Gegenstand in seiner Hand auf Graciano. Es war die Schrotflinte, die noch ein wenig aufgrund des Schusses rauchte. David grinste überlegen und wandelte sich zurück in die Gestalt eines Menschen.

„Da staunst du wohl, was?“ fragte er den auf dem Bauch liegenden Graciano. Graciano drehte langsam den Kopf und blickte wirklich erstaunt auf David und dessen Waffe. Es sah so aus als wollte Graciano sich ruckartig erheben oder springen, doch sein Körper versagte ihm den Dienst. In der Stirn war ein daumengroßes, dunkles Loch, aus dem Blut sich spinnennetzförmig auf der Stirn verteilte. Ein satter, roter Bluttropfen verfärbte Gracianos´ linke Augenbraue. Er verwandelte sich zurück zum Menschen, während er dalag und David ungläubig anstarrte.

„Silber, in Form von Kugeln. Interessant, nicht war? Das Silber reinigt den Körper von schädlichen Einflüssen. Entzündungen und Viren werden aus dem Körper vertrieben, wie manch ein Heilkundiger sagen würde. Ich habe die Kugeln von meiner lieben Sarah bekommen. Ich hatte sie die ganze Zeit bei mir und hatte sie kurz vor meinem Eintreffen in die Schrotflinte gepackt. Nun stehe ich hier und betrachte wie dein Körper sich „reinigt“ und du stirbst. Meine Rache ist endlich gekommen! Es erfüllt mich mit Freude, mein Lieber!“ sprach David wie ein wahnsinniger, dessen Stimme sich vor Erregung überschlug.

„Wer ist Sarah?“ war Gracianos letzter Gedanke, den er mit dem Mund nur noch in lautlose Worte formen konnte, denn seine Stimmbänder versagten ihm. Dann erschlaffte sein Körper schließlich.

David, zufrieden mit sich selbst, überblickte das Terrain. Seine Wunden heilten in unmöglicher Geschwindigkeit, während er einfach nur dastand und den Kopf drehte. Es war windstill und kein Laut war zu hören. Als ob alle Vögel, alle Tiere sich scheuten zu nahe an diese Lichtung im Wald heran zu kommen und Angst hatten, gehört zu werden.

Dieses Haus und das Gelände hatten was. Er würde wiederkommen und es für sich beanspruchen. Den ganzen Müll, den Graciano all die Jahre hier aufgesammelt hatte, würde er aussortieren und größtenteils entsorgen. Immerhin klebten daran ein unerwünschter Geruch und die damit verbundene Erinnerung an Graciano. Oder vielleicht würde er es einfach nur niederbrennen und sich ein neues Haus errichten, nach seinen Vorstellungen.

Nach einer weiteren Minute, drehte er sich um und ging zum Wagen. Aus einem Kleidersack, der auf der Laderampe des Pickups lag, zog er einiges an Kleidung heraus und bekleidete sich. Dann stieg er ein und startete den Motor des Wagens. Er würde nun losfahren müssen, denn der Weg war noch weit und in ein paar Stunden würde es dunkel werden. Dann würde seine geliebte Sarah aufwachen und er konnte ihr die frohe Botschaft verkünden. Ja, er freute sich darauf diese liebreizende, mit rotgoldenem Haar bedeckte Frau seines Lebens wieder zu sehen. Er drehte den Pickup zur Straße und fuhr davon.

 

Herzlich willkommen auf kg.de!

Anmerkungen zum Text bitte in ein neues Posting unter die Geschichte setzen. Dankeschön :)

Geschrieben von Zothos
Vorweg: Diese Kurzgeschichte ist Teil von mehreren Kurzgeschichten und Romanen aus meiner eigenen Welt über Vampire, Werwölfe, Hexen, Druiden und Magie.

Wer meinen Kurzroman "Die Erben der verfinsterten Sonne" kennt, wird auch wissen, wer "Sarah" ist. Sarah wiederum hat mir Anstoß zu noch mehr Ideen zu einer ganz ungewöhnlichen Vampirbraut gegeben, die keine Sünde ausläßt und selbst ihre eigene Art verrät. Ich werde in nächster Zeit die Kurzgeschichte über Sarah und den Erben der verfinsterten Sonne überarbeiten und hier auf kurzgeschichten.de online stellen. Später einmal (weiß noch nicht wann) werden dann auch mehr Geschichten über Sarah, Framon, Graciano und andere Figuren aus meiner Romanwelt folgen.

 

Hi Zothos,

Wer gerade durch die Schwingtür der Gaststätte kam, die übrigens nicht dem Wirt gehörte, was aber nicht das Besondere an ihr war, hatte an seiner Seite eine abgesägte Schrotflinte Marke Winchester und unter dem großen, halb zerrissen wirkendem Mantel deuteten einige Wölbungen auf weitere Waffen hin.

Dieser Satz ist mir eindeutig zu lang. Er verwirrt mehr, als das er ein flüssiges Lesen zuläst.

Bevor ihn überhaupt die Kugeln der Waffen bedrohlich nahe kommen konnten, begriffen die Besitzer der abgefeuerten Waffen dass sie tot waren. Doch selbst wenn sie es nicht begriffen haben sollten, änderte es nichts daran, dass ihre Körper, aus denen langsam jede Art von Leben wich, dem Boden entgegen fielen.

:confused: Wenn sie tot sind, können sie doch nichts mehr begreifen.Oder?:cool:

Der Fremde in der Tür sah sich um, wie als suche er etwas oder jemanden, und drehte sich nach einigen raschen Blicken wieder zu Edward um, der nur hoffen konnte, dass der Fremde nicht wusste, dass diese Gaststätte eine besondere war.

"wie als suche er etwas" klingt irgendwie komisch. Vorschlag "wie" streichen.
"Sah sich um; drehte sich um"
Vorschlag: anstelle von sah sich um "und lies seinen Blick durch den Gastraum schweifen"


Der Mann duckte sich unter fünf weiterfliegenden Kugeln weg, sprang über einige weitere hinüber oder drehte sich aus der Schussbahn mit geradezu lässigen Bewegungen,

Findest Du das nicht auch ein ganz kleines bischen übertrieben.:D

Insgesamt bin ich der Meinung, dass viele Sätze deutlich zu lang sind, und der Story den Fluss nehmen.

Inhaltlich hat mir Deine Geschichte gefallen. Sie ist spannend aufgebaut, und die Handlung läuft ohne große Ausschweifungen ab.

Gruß
Jörg

 

Hi,

ich bin dieses Mal nicht hundertprozentig Jörgs Meinung. Die ganzen, widerlich langen Kettensätze nehmen der Story jeden Fluss. Der Plot ist vorhersehbar, und als Anmerkung druterzuschreiben "wer den zwölfbändigen Romanzyklus von John Smith gelesen hat, wird wissen, dass die Prot soundso, die in diesem Roman als Statistin auftaucht..." macht es auch nicht viel besser.
Der Stil ist durch die vielen Kettensätze geschraubt und überladen, und die Dialoge wirken dermaßen gestelzt und geschraubt, dass ich an einigen Stellen laut loslachen musste. Du solltest die Geschichte dringend auf ihre Satzlänge und die Dialoge überprüfen. Auch einige Beschreibungen und Übergänge wirken unglaubwürdig.
Bei der Bar-Szene am Anfang musste ich an "Desperados" denken. Habe die Story deswegen fast nicht gelesen. Sorry, aber mir hat sie nicht gefallen. Liest sich zu künstlich.

cherry

 

Hi nochmal,

wenn Du noch mehr Storys zu diesem Thema hast, wäre das ganze etwas für den Bereich Fantasy-Serien.

Ansonsten sollten die Storys hier in sich abgeschlossen sein und für sich alleine stehen können.

Gruß
Jörg

 

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