Was ist neu

Serie Ein Wochenende in den 90ern I

Mitglied
Beitritt
30.06.2014
Beiträge
198
Zuletzt bearbeitet:

Ein Wochenende in den 90ern I

Freitag

„Igitt, das ziehe ich nicht an, das ist voll 90er“, sprach's und ließ die in spitzen Fingern angeekelt gehaltene Hose auf den Boden fallen und wischte sich die Hand an ihrer Jeans ab, als hätte das Jahrzehnt irgendeinen glibbrigen Stinkeschleim an ihr hinterlassen. Alles mit einem aufsässigen Teenagergesicht, das zumindest hatte sich nicht verändert, die rotzige Überheblichkeit sah in allen mir geläufigen Jahrzehnten ziemlich ähnlich aus.
Ich war einigermaßen perplex. Seit wann sind „die 90er“ plötzlich Synonym der altmodischen Peinlichkeit geworden? Die 80er, okay. Wer schämt sich nicht im Rückblick für seine modischen Extravaganzen dieser Jahre. Taugt gut für „Igitt, voll peinlich.“ Die 70er? Irgendwie cool. Nicht beschämend, eher eine Zeit, die oft kopiert und nachgemacht wird, alle paar Jahre kommt er wieder, der Hippiestyle.
Aber die 90er? Ich fühle mich persönlich beleidigt. Als wäre das Jahrzehnt mein Eigentum, über das man nicht abschätzig die Hände wischt. Es war mein Jahrzehnt. Nichts, über das sich halbwüchsige Kinder lustig machen dürfen.
Verdrossen ließ ich das undankbare Geschöpf des neuen Jahrtausends, welches mein Leib hervorgebracht hatte und jetzt solch unhaltbares Zeug behauptete, in ihrem unaufgeräumten Zimmer zurück und machte mir Altweiberkaffee. Nein, nicht Latte mit Milchschaum. Aufgebrüht. Und fühlte mich out.
Ich verzog mich auf den Balkon und pustete Wölkchen eines alten Relikts vergangener Zeiten in die Luft. Und dachte an meine Haare, oder besser, Nicht-Haare dieser Zeit. Sechs Millimeter über die ganze Kugel, jede Woche in einer anderen Farbe. Blau wie die Matissepferde, Neonrot, das einem die Augen tränen ließ, wenn man die Stoppel zu lange anschaute, das Gelb der Ikone der Zeit, der Sonnenblume. Oder in einem zarten Rosa, mit Prilblumen in Hellblau oder Türkis. Gefühlt habe ich mich mit der Frisur wie eine avantgardistische Rebellin. Vorausschauend, richtungsweisend , trendsetzend. Die Frisur war praktisch. Hatte man sich freitags verkünstelt beim Färben, hielt der Kopfputz bis Montag. Musste er auch, denn bis dahin benutzte man einen Spiegel höchstens noch, um eine Line zu ziehen, wenn es mal stilvoll zuging. Die Schuhe mussten praktisch sein. Sie hatten eine vornehmliche Aufgabe, man musste tanzen können in ihnen. Zwanzig, dreißig Stunden schafft man nicht auf Heels, zumal man eh keine Männerblicke auf sich ziehen wollte, in dieser asexuellen Zeit. Bauchfrei, klar, man konnte es sich erlauben, alle waren Trennköstler. Essen nur von Dienstag bis Freitagmorgen. Dann trennten wir mit drei Tagen Nahrungsfreiheit bei Wasser und Chemie das Wochenende vom Alltag.

Ich stahl mich klammheimlich mit den letzten Schwaden der Zigarette, die sich kräuselnd in die Luft der Gegenwart erhoben, in die Vergangenheit und fand mich dort, noch Innenraum rauchend, in der WG des mittleren Jahrzehnts wieder. Die Zeitmaschine der Erinnerung war gütig, es war just Freitag und das Grün wirkte gerade auf meinem Kopf ein.
„Jo, bringst du noch den Müll runter? Er stinkt erbärmlich.“, sagte Tonja nasal, sie hielt sich demonstrativ die Nase zu.
„Mach doch selber, ich bin nicht dein Bimbo“, motzte er zurück.
„Wer zahlt die Miete für die Scheißwohnung?“
„Deine Mutter.“
„Also“, sagte sie mit ihrer bestechenden Tonjalogik.
Bevor die lauernde emotionale ihr alle lebt auf meine Kosten und könnt ruhig mal was dafür tun - Erpressung, nebst, dann zieht doch alle wieder zu euren Eltern-Drohung kommen konnte, was natürlich vollkommener Quatsch war, da wir alle auf Kosten Tonjas Mutter lebten, unterbrach ich mit einer Thematik, die das Damoklesschwert unter Garantie abwendete.
„Hey, heute Nacht ist die Waldparty. Es besteht Drogengarantie, der DJ vom Parisclub legt auf. Hört auf zu streiten, der Müll stinkt auch Montag noch und wir sind doch jetzt eh erst mal weg.“
„Drogengarantie ist gut. Übrigens, ich ziehe heute die Zebrajacke an, keine Diskussion.“
Die Stimmung war meist etwas angespannt freitags, wenn wir alle drei noch nüchtern waren. Uns steckte noch die Woche in den Gliedern, ich war noch im Arbeits-, die beiden anderen im schlechtes-Gewissens-Modus. Die Realität war grau, grausam und ernüchternd.
„Jetzt hört auf mit dem Scheiß, es ist Freitag! Tonja, okay, zieh das Zebra an, ich nehme die Flokatijacke, Jo, du kannst meine Weste anziehen. Jetzt richten wir uns und fahren los.“

Nachdem wir uns die Augenbrauen hauchdünn rasiert, in dem Kleiderberg das bauchfreie Oberteil im Neon-Camouflage-Look gefunden und darum gestritten hatten, in Jeans, selbst gebastelten Blümchen auf Kunstrasen Handtaschen geschlüpft waren und ich beim Rausgehen aus den Augenwinkeln während des Luftanhaltens zwölf Mülltüten im Gang zählte, stiegen wir in Tonjas grasgrünen Audi 50 Baujahr 75. Bei diesem Auto funktionierten praktisch nur noch die Anlage und die Boxen zuverlässig. Die dafür überproportional gut. Der Bass stand so greifbar im Innenraum, dass er die Trommelfelle rhythmisch eindrückte und zu Herzrhythmusstörungen führte.
„Jo, nö, nicht die Lalakasette mit Melodie und Gesinge. Leg die Bondzio auf. Ich muss noch zur Bank, beten gehen.“
„Bankbeten“ war der unangenehme Teil des Freitags. Während die beiden Wartenden schon knisternde Handschläge von ihren Eltern bekommen hatten, musste ich noch auf ein ganz besonderes Geräusch warten, das praktisch über meine kurzfristige Zukunft entschied. Ich steckte bibbernd die Karte in den Schlitz, gab meine Nummer ein, wählte einen Hunni. Dann kam der schreckliche Moment, der sich wie eine kleine Ewigkeit anfühlte- Warten.
Ratadatadat. Yeah! Das schönste Geräusch auf Erden, gleich spuckte der Automat Geld, blieb er stumm, war die Karte weg. Ich schwor mir mal wieder, sollte ich mal elektronische Musik herstellen, spielte das Geräusch die Hauptrolle. Denn es war Bürge für ein kunterbuntes Schlaraffenland.
Ziellos fuhren wir Waldwege entlang. Ungefähre Weganweisung- Waldenbuch.
Da wir nüchtern waren, was uns davon abhielt, ausnahmsweise nicht permanent im Kreis zu fahren, sahen wir irgendwann die durch die Bäume flimmernden Lichter und fanden zur Party.
Das rhythmische „bidobb bidobb bidobb …“ nahm uns in Empfang und schallte uns den Weg. Etwa hundert Leute zuckten tanzend zur Musik. Da wir noch keine Eintrittskarte in ihre Welt eingenommen hatten, fühlten wir uns nicht direkt zugehörig und machten uns sofort auf die Suche nach Geschmacksverstärkern. Auf privaten Partys war das unproblematisch, man konnte jeden fragen, ohne Angst zu haben, zufällig den Türsteher oder das Sicherheitspersonal zu behelligen. Erst wollte uns ein Typ Blitze andrehen, mit denen hatte ich aber schon schlechte Erfahrungen gemacht, das Symbol war zu einfach in Aspirin einzuritzen. Nach einigen hin und her kauften wir drei Bunnys und zwei Gramm Speed. Schnell schlugen wir uns ins Unterholz, warfen die Pillen ein und bereiteten uns ordentliche Näschen auf einem Flyer vor. Meine Bewegungen waren routiniert, reduziert und effizient. Die Gier beim Geldscheinrollen war unbeschreiblich. Der Magen schien sich umzudrehen. Die Eingeweide brannten. Das Pulver schmeckte scheiße. Schmerzte an den vorgeschädigten Schleimhäuten. Aber die Bitternis des Konsums war nur der Bote des Kicks. Er macht sich mit einer Taubheit der Zunge bemerkbar. Dann fühlten wir gemeinsam, wie das Gehirn überschwemmt wurde. Der Schalter schlug um, wir waren im Wochenende angekommen. Die Waden und Finger, dann die Hände, Handgelenke, Arme, Knie, die Hüfte fingen an den Takt zu materialisieren. Die Musik wurde unwiderstehlich, der Körper reagierte, wie er zu reagieren gewöhnt war und tanzte. Hier, im Wald. Auf dem Laub.
Die Bässe trieben mich. Schoben an. Hielten mich gefangen und beschützt. Solang ich tanzte, war meine Welt in Ordnung. Ich amüsierte mich über die merkwürdigen Geräusche, die mich mal an Matsch, mal an einen Tischtennisball, mal an ein Mofa erinnerten. Die Monotonie machte alles rituell. Man lebte nur noch der Spannung des Rhythmuswechsels entgegen. Ich war sofort alleine in meinem Tanzuniversum. Plötzlich hörte ich ein dröhnendes Mahlen, wie von einem Panzer, der sich irgendwo hinter mir durch das Unterholz fraß. Die Haut im Gesicht begann zu brennen und ich hatte das bekannte Gefühl, ein Nussknacker zu sein, der eine steinharte Nuss im Kiefer zu spalten versuchte. Die Pille klopfte an. Taumelnd lehnte ich mich gegen einen Baum und ließ mich am Stamm auf den Boden gleiten, wartete die Welle der Vergiftung mit verdrehten Augen ab. Wenn man Glück hatte, waren die ersten Strychninvergiftungserscheinungen nur Vorbote eines gelungenen Glücksrausch. Hatte man Pech, war man für die nächsten Stunden ein Kiefer mahlender, mit verdrehten Augen vor sich hin dämmernder Zombie.
Meine Pupillen waren momentan zu groß, um etwas zu erkennen. Da wir uns unter Konsumenten befanden, waren alle mit derartigen Erscheinungen vertraut, so setzte sich bald irgendein glatzköpfiger, pickliger Typ mit einem Synthetik T-Shirt mit einem psychedelischen Muster und einer karierten Hose, deren Farben sich in der kurzen Holzperlenkette am Hals wiederfanden, neben mich ins Laub.
„Komm her, pscht, ist gut, gleich vorbei. Was hast du genommen? Bunnys? Die sind okay, gleich vorbei, gleich vorbei.“, redete er beruhigend auf mich ein und legte brüderlich einen Arm um mich.
Wie oft hatte ich das Mantra schon anderen Gekauerten aufgesagt? Unzähligen. Man kümmert sich eben umeinander. Jedem tat es gut, diese Worte zu hören in dem Moment. Niemand erwartete dann eine Antwort. Mit der Kiefersperre konnte man nicht reden. Ich erinnerte mich an meine erste Pille. Damals versuchte ich noch in Panik „ruf einen Krankenwagen“ aus der Maulsperre zu quetschen. Heute wusste ich, dass es gleich besser würde. Und besser wurde es schlagartig. Vom gefühlt todesnahen Zustand zum ultimativen „Hurra“ in einem Sekundenbruchteil.
Ich drückte dem „gleich vorbei“-Typen einen flüchtigen Kuss auf die Stoppeln und suchte meine zwei Freunde. Ich fand sie bald irgendwo am Rand sitzend, Jo war noch ein Zombie, Tonja ging ihm schon mit „ist das geil, ist das geil“ auf den Wecker. Ich stimmte in ihren Lobgesang mit „geile Teile, geile Teile“, ein und jubilierte schnell noch pflichtbewusst ein paar „gleich vorbei“ Richtung Jo.

Tonja und Jo waren in den Wochenenden immer eine symbiotische Einheit. Jo trug die Handtasche, verwaltete die Chemie, bereitete sie vor. Tonja hatte schon immer gerne einen Menschen an der Seite, der sich um sie kümmerte. So kam Jo in unsere WG. Sie brachte immer Treibholz mit nach Hause, oft seltsame Typen, mit denen sie ein paar Wochen Beziehung spielte um sie dann an irgendeinem Wochenende wieder zu verlieren. Mit Jo war das anders. Er integrierte sich in unseren Wohnbereich, übernahm Verantwortung im Alltag. Früher war er ein dicker, unglücklicher Schwuler. Heute war er schlank und asexuell. Er schlief in Tonjas Bett und sie hielten sich aneinander fest, wie verwirrte Kinder. Tonja kannte ich schon seit der zweiten Klasse, ich zog bei ihr ein, nachdem das Projekt Beziehung und Berlin den Bach runtergegangen war. Wir waren Schwestern auf Metaebene, für enge Verstrickungen war ich zu sehr Einzelkämpferin. Aber unsere Band war durch viel gemeinsam durchlebte Vergangenheit fest und unzerstörbar.
Nun hatte es auch Jo in die Ersatzexistenz geschafft und sprang mit weit aufgerissenen Augen auf. Wir begannen zu feiern. Jeder auf seine Art. Ich tanzte, ohne an Sozialkontakten interessiert zu sein. Farben, Klänge und die Zeit vermischten sich zu einen nicht mehr zu entwirrenden Wollknäuel. Alles vibrierte, Formen zogen sich in die Länge und wirkten wie ein mit der Handkamera fotografiertes Bild, geschossen, während man sich schnell auf der Stelle drehte. Hie und da zog mich die Sucht in den Wald, ich hackte das Pulver mit meiner Bankkarte, ließ sie im Wald liegen, drehte mit Röhrchen aus Geldscheinen, die auch auf dem Moos liegenblieben, stellte irgendwann meine Handtasche ab und vergaß sie sofort.
Bald besaß ich nichts mehr, außer dem, was ich am Leib trug. Tonja und Jo hatten mich in ihrem Film auch vergessen, ich tanzte, tanzte und tanzte. Während sie anderen Abenteuern entgegen fuhren.

Der Veranstalter der Party war im Grunde ein spießiger Schrebergartentyp, dessen Geschick durch unergründliche Wege in das Party- und Drogenuniversum gefunden hatte. So etwas geschah häufig, die Pillen und Pülverchen waren ein fester gemeinsamer Nenner, der alles maskierte, was die Sozialisation, die Werte, die Vorgeschichte oder den gesellschaftlichen Rang anbelangte. Man traf hier in der bunten, lustigen Welt alle Arten von Menschen. Der Rausch ließ einen brüderlich mit Menschen verbinden, die man im nüchternen Zustand nicht mit der Beißzange angefasst hätte. Das führte zu skurrilen Aha-Momenten. Man ging mit Leuten zum Chillen nach Hause, die sich dann durch Hakenkreuze und andere Relikte als Neonazis entpuppen, oder man saß plötzlich auf dem Plüschsofa einer umhegenden Mutter, die nicht den Zugang zu ihrem Kind verlieren wollte und deshalb dröhnenden Techno, Drogenkonsum und ständig wechselnde Irre in der Wohnung tolerierte.

Der Veranstalter gehörte eindeutig zum Typus Vereinsmeier. Anders konnte ich mir nicht erklären, wie man auf die Idee kommen konnte, mir am Ende der Party einen Pokal für die beste Tänzerin zu überreichen. Einen Pokal. Der Gegenstand kam mir ziemlich absonderlich vor. Billig goldschimmernd, mit einem kunsthölzernen Fuß und den Lettern „beste Tänzerin“. Peinlich berührt war ich mir sicher, dass es da mehr um die Quantität, weniger um die Qualität meines Tanzes ging. Denn eines wusste ich. Meine Art, die Musik zu bearbeiten, war individuell, aber nicht schön. Man verglich mich mit einem Aasgeier, den nackten Kopf nach vorne gereckt und mit schwingenden Flügeln. Mir war das rechtschaffen egal, denn ich fühlte mich dabei richtig, kehrte mein Innerstes nach außen. Aber einen Blumentopf damit zu gewinnen kam mir ziemlich verlogen vor.
Dabei hatte ich noch Glück, es gab auch eine Trophäe für „die süßeste Technomaus“ zu gewinnen. Ich schnitt also noch gut ab. Denn damit hätte ich mich endgültig verarscht gefühlt. Ich war nicht süß. Wenn ich ehrlich bin, sah ich eher beängstigend irre aus. Wie Nosferatus Frau. Das Gesicht lang, schmal und ausgemergelt, picklig, vergiftet und mit verwischter Schminke. Ich neigte zu starken Grimassen und überproportional ausgebildeter Kiefermuskulatur, die schnelle Drogen mit der Zeit hervorbringt. Mein Körper war weiß, dünn und sehnig, auf eine ungesunde Art. Die Schenkel und Hüfte abgemagert und knochig, die Waden dick bemuskelt vom ständigen Tanzen. Wer mich als „süße Technomaus“ wahrgenommen hätte, wäre selber sehr tief im Sumpf der Drogensucht gesteckt und hätte sein Augenlicht schon beinahe eingebüßt.
Auf den Schrecken und das ungute Gefühl, bald unangenehm nüchtern zu werden, beschloss ich, mich auf die Suche nach weiteren Pillen zu machen. Erst jetzt bemerkte ich, alles verloren zu haben, und streifte suchend durch das Unterholz. Der Umstand, dass sich der Waldboden wimmelnd bewegte, erleichterte das Finden nicht eben. Als ich die Karte und ein paar Zehner im Laub entdeckt hatte, steckte ich sie in den Pokal, nach der Tasche zu suchen war mir zu umständlich, auch den Flokati schenkte ich dem Wald. Wichtig war es, oben zu bleiben. Nicht aus dem Rausch aufzuwachen. Solange die Drogen in meinem Körper zirkulierten, ging es weiter, war ich Teil der großen Familie. Sie ersetzten alles, was mir an natürlichem Antrieb, Selbstbewusstsein und Sozialkompetenz fehlte.
Ich klemmte meinen Kelch, den ich nicht gesucht hatte, unter den Arm und ging Richtung Ungewiss.

 

Hallo Gretha,

vorweg: ich hab bei Deiner "Rahmenhandlung" Tränen gelacht, am Ende deshalb weil wir der gleich Jahrgang sind? Rahmenhandlung fand ich gut, schlüssig, mit schönen kleinen Wort- Akrobatiken zu lesen.

Das Wochenende selbst ist für mich nachvollzieh/erlebbar, klingt für mich aber eher wie ein Bericht und ist stilistisch (bewusst?) anders geworden als die Rahmenhandlung bzw das Intro. Ich hätte mir gewünscht, daß die Geschichte am Ende die Realität nochmal im gleichen Stil wie das Intro aufgreift.


Persönliches Schmunzel - Highlight: Bauchfrei, klar, man konnte es sich erlauben, alle waren Trennköstler. Essen nur von Dienstag bis Freitagmorgen. Dann trennten wir mit drei Tagen Nahrungsfreiheit bei Wasser und Chemie das Wochenende vom Alltag.


LG Estrella

 

Hallo Gretha,

hab Deine Geschichte sehr gerne gelesen, die fiesen 90er :shy:. Auch mein Jahrzent eigentlich, obwohl die Technowelle und alles, was da so mit dran hing, völlig an mir vorbeigerollt ist;)...
Trotzdem einige Flashbacks, die Sonnenblumen, bauchfrei trug ich auch. Die Buffalo-Plateau-Turnschuhe hast Du vergessen:lol:. Und die hab ich sogar vor kurzem wieder in einem Laden gesehen...

Ein paar Kleinigkeiten hab ich auszusetzen:

...sprach's und ließ die in spitzen Fingern angeekelt gehaltene Hose auf den Boden fallen und wischte sich die Hand an ihrer Jeans ab, als hätte das Jahrzehnt irgendeinen glibbrigen Stinkeschleim an ihr hinterlassen.
Über diesen Satz bin ich gestolpert, das hört sich nicht wirklich rund an.

Nein, nicht Latte mit Milchschaum.
Ist doppelt gemoppelt. Latte ist ja Milch. Also eher Latte mit Schaum.

...in Jeans, selbst gebastelten Blümchen auf Kunstrasen Handtaschen geschlüpft waren...
:shy: in die Handtaschen geschlüpft?

Ein paar Wortwiederholungen:

dass er die Trommelfelle rhythmisch eindrückte und zu Herzrhythmusstörungen führte.
Während die beiden Wartenden schon knisternde Handschläge von ihren Eltern bekommen hatten, musste ich noch auf ein ganz besonderes Geräusch warten...

Das mit dem Drogenrausch beschreibst Du sehr gelungen und authentisch:
Die Gier beim Geldscheinrollen war unbeschreiblich. Der Magen schien sich umzudrehen. Die Eingeweide brannten. Das Pulver schmeckte scheiße. Schmerzte an den vorgeschädigten Schleimhäuten. Aber die Bitternis des Konsums war nur der Bote des Kicks. Er macht sich mit einer Taubheit der Zunge bemerkbar. Dann fühlten wir gemeinsam, wie das Gehirn überschwemmt wurde.
Hie und da zog mich die Sucht in den Wald, ich hackte das Pulver mit meiner Bankkarte, ließ sie im Wald liegen, drehte mit Röhrchen aus Geldscheinen, die auch auf dem Moos liegenblieben, stellte irgendwann meine Handtasche ab und vergaß sie sofort.
Bald besaß ich nichts mehr, außer dem, was ich am Leib trug. Tonja und Jo hatten mich in ihrem Film auch vergessen, ich tanzte, tanzte und tanzte. Während sie anderen Abenteuern entgegen fuhren.

Und auch viele Stellen, die mich zum Lachen gebracht haben...
, auch den Flokati schenkte ich dem Wald.
Wirklich eine gelungene Geschichte, Fortsetzung folgt hoffentlich bald, bin schon gespannt...

Grüße Kerkyra

 

Hallo Estrella,
es freut mich, dass Dir die Geschichte Spaß gemacht hat. Das mit der Trennkost ist auch mein Lieblingssatz.
Der Rahmen ist unten offen, ich weiß. Liegt daran, dass es ein Dreiteiler wird, wir sind ja erst bei Freitag. Den Stil, den Du witzig fandst, liegt mir auch am besten. Man nennt ihn hier mit Ekel "Kolumne".
Ich versuche gerade mir das abzugewöhnen, was nicht einfach ist, mir fällt der Stil automatisch aus der Tastatur, wenn ich nicht sehr diszipliniert dagegen wirke.
Ich bin eine Handlungsniete. Wenn ich so schreiben würde, wie mir der Schnabel gewachsen ist, gäbe es immer nur Kolumnen und Metaphern. Ich versuche das gerade abzuspecken und als Autor zugunsten der Handlung ein bisschen in den Hintergrund zu treten. Ich bin im Experimentierstadium, jetzt las es sich für Dich also als Bericht. Gut zu wissen, danke.
Liebe Grüße von der Gretha

Hallo Kerkyra,
auch Dir vielen dank für Deine Zeilen, ich finde es schön, dass ich Dich ein bisschen in das Jahrzehnt entführen konnte und Du Freue an den Erinnerungen hattest.

Dem Milchschaum einziehe ich gleich mal die doppelte Milch, da hast Du recht.

Die Handtaschen. Nun, Handtaschen in der Zeit und zu dem Zweck waren immer in solch einer Form:
http://www.meinonlinelager.de/images/produktbilder/karneval-feuerwerk:7493-Pluesch-Tasche-gruen.jpg
Und in die schlüpft man eben, die Arme brauchte man ja zum Tanzen.

Die Wiederholungen schaue ich mir gleich noch mal an, danke.

Die Fortsetzungen schwirren gerade noch zusammenhanglos in meinem Kopf herum und warten noch darauf, von mir geordnet zu werden.
Mal sehen, wann mich die Muse küsst. Aber ich weiß schon das Ende, was mich unglaublich beruhigt.
Danke Dir, Gretha.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom