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Thema des Monats Ein wirklicher Traum

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14.02.2012
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Ein wirklicher Traum

Ich weiß nicht mehr, ob es die Hitze war, die mich in der Nacht in diesen grauenschweren Tag hinein kaum schlafen ließ, oder eine Vorahnung der Ereignisse, die mir begegnen sollten. Doch kann ich wirklich versuchen, eine Erklärung zu finden, für das, was mich nun nie wieder verlassen wird, oder bin ich diesen Erinnerungen ausgeliefert und muss sie gelten lassen als das, was tatsächlich passierte? Die schwere Sonne des gestrigen Tages hatte mich fast erdrückt mit ihrer widerlichen Wärme, die mich in meiner Haut in festem Griff umschlungen hielt und als ich zu Bett ging, brachte auch das silberne Mondlicht keine Erlösung. Wie eine Drohung schien es durch die blauen Vorhänge des Fensters und verspottete meine Hoffnung auf Schlaf, der mir doch Ruhe bringen sollte. Ich erinnere mich noch, dass ich diese Hoffnung hatte. Wie hohl scheint mir dieses Wort nun. Träumte ich? Wer hätte mir eine Vorahnung eingeben sollen, als dieser Tag begann, inmitten der Nacht, die mich in meinem Schweiß das Bett zerwühlen ließ? Erwachte ich am Morgen? Ist es denn nicht wahr, dass den Sinnen eines Übermüdeten der Halt fehlt, den er doch sonst in der Welt um sich herum findet? Wenn ohne den kleinen Bruder des Todes sich die Geräusche zu einem Rausch vervielfältigen, der einen Strudel bildet, um alles auf dieser Welt zu erfassen und in das Hirn zu ziehen, so kann das Wachsein keine Wirklichkeit bedeuten. Wenn im Traum das Gesicht klar ist und am Tag die Augen dasselbe Unmögliche weiterschauen, wo mag dann die Grenze sein, die ich dachte, jede Nacht zu überschreiten? Ist diese Grenze nun dieselbe wie die Linie zwischen Wirklichkeit und Traum?

Nun wird die Sonne bald wieder untergehen, doch diesen Wechsel werde ich nicht mehr wahrnehmen, denn als sie aufging, begann ein Tag, der für mich keine Nacht beendete. Ich stand auf, weil mich die Arbeit ins Büro zwang. Lange Gewohnheit zog mich unter laues Duschwasser, das sich mit meinem Schweiß vermischte und kreiselnd im Abfluss verschwand. Auf dem Frühstückstisch saß eine Fliege. Ihre Flügel schillerten und die Farben zerflossen in meinen Augen, vermischten sich, spalteten sich wieder auf und flimmerten wie heiße Luft über einem Grill davon. Den verschlossenen Kragenknopf meines Hemdes hielt ein weißer Faden. Ich sah ihn im Spiegel, als ich vor meiner Kehle den Krawattenknoten zuzog. Das Garn war aus kleineren Fasern verschlungen, so wie auch das Tau des Henkers gedreht ist aus dünneren Stricken. Vor dem Haus führte mich der Weg zur Straßenbahn. Seine Gehsteigplatten lagen nicht eben, wie mein Verstand es mir vorgeben wollte. Sie waren gegeneinander geneigt, bildeten Schiefen, die meine Knöchel mit jedem Tritt aufs Neue ausgleichen mussten. Mir schwindelte, als ich die Haltestelle erreichte.

Ich gliederte mich in die immergleiche Namenlosigkeit der Wartenden ein und hielt dabei denselben Abstand vom Haltestellenschild wie von dem großen Anzugträger mit der bleichen Strähne. Die Eisenstange und er bildeten zusammen mit dem Mülltonnenschacht der Häuser in meinem Rücken ein Dreieck. Genau im Schwerpunkt dieses Dreiecks stand ich und sah die anderen auch auf ihren Plätzen. Da waren die Dicke und die Schlampige mit dem Kind, die Haltestelle mit ihrer farbverschmierten Kunststoffscheibe, ein Neuer und der Baum, den Stamm eingezwängt in seinen Kragen aus Beton, der ihn zu würgen schien und dem er nicht entkommen konnte. Sie alle bildeten ein Muster, das sie nicht erkannten, so wie sie sich nicht kannten, nicht ansahen und nicht sprachen. Mir wurde ihre Nicht-Zusammengehörigkeit bewusst, und ich wurde wartend Teil von ihr.

Im Takt der verrinnenden Sekunden pulsierte mein Blut durch meine Schläfen und obwohl es in mir rauschte, hörte es doch niemand. Eine Taube landete zwischen den Gleisen und lief auf den Baum zu. Mit jedem Trippeln riss sie ihren Kopf zurück, so dass die roten Augen wie auf ein Metronom montiert erschienen, das die Zeit zu schnell verstreichen ließ. Obwohl der Vogel schnurgerade auf den Baum zueilte, fixierte er mich auf seinem Gang dahin und meine Zeit verging dabei immer langsamer. Somit brauchte er sehr lange für dieses kurze Stück des Weges. Da die Luft völlig regungslos stand, musste es die Bewegung der Taube sein, die ich als Wind hörte. So wie diesen Wind erlebte ich auch die Zeit. Sie galt nicht mehr für mich, ich nahm sie nur noch wahr, wie sie existierte und verging - für die anderen, nicht jedoch für mich.

Die Taube steuerte auf den Rest eines roten Apfels zu, der im dreckigen Gras um den Baum lag. Halb nur war die Frucht gegessen und lag nun da wie aufgeplatzt: das aufgerissene Kerngehäuse gab seine Schützlinge preis, das bleiche Fleisch trocknete in den stechenden Sonnenstrahlen und die rote Schale wirkte wie geschundene Haut, die ihren Zweck nicht mehr erfüllt, sondern nur noch Schmerzen bringt. Was kann aus einer solchen Frucht noch entspringen, die eigentlich dazu bestimmt ist, ihren Samen zu schützen und wieder Leben hervorzubringen? Nun lag sie da und stank, als ob ein Fisch in ihr wohnte, der seinerseits nur existierte, um Ärger und Bissigkeit auszuwürgen.

So wie gestern brannte die Sonne bereits jetzt am Morgen schon heiß und ihr Rund am Himmel sandte Stacheln aus, die in mich eindrangen wie Bajonette in weiches Lendenfleisch. Ich schien zu schweben, aber nicht weit über mir, sondern nur ein wenig meinem Selbst entrückt, ein Schlafender. Ohne Bodenkontakt sah ich mich nackt daliegen, hatte die Handinnenflächen unter dem Hinterkopf verschränkt, war wehrlos ergeben der Zukunft. Doch die Zeit selbst war zerflossen wie ein Camembert, der beim Picknick am Strand vergessen wurde und über den Rand seiner Welt hinaus floss und nun ins Nichts unrettbar hinunter tropfen wird. Zäh und klebrig lag sie formlos vor mir, niemand kann sie erklären, diese Zeit, die es gar nicht geben kann.

Das Vergangene gibt es nicht mehr. Alles, was ich in jedem einzelnen Augenblick meinte zu leben, ist vorüber. Dürfen wir der Erinnerung trauen, dass es dieses Leben wahrhaftig gab? Wer kann sicher sagen, dass diese Erinnerung nicht bloß Träume sind, die wir für vergangene Wirklichkeit halten? Ich konnte im Augenblick des Wachseins nicht gewiss sein, dass ich lebte und nicht etwa träumte. Selbst meine Gegenwart, mein jetziges Leben, ist unendlich kurz. Sie ist eingequetscht zwischen dem Nichts der Vergangenheit und einem anderen herandrängenden Nichts, das nicht da ist, weil es noch gar nicht existiert. Somit bleibt für mein momentanes Leben kein Raum übrig. Und was kommen soll, will ich mir nicht vorstellen. Auch das Zukünftige existiert nicht, denn wäre es bereits real, so könnte es keine Zukunft mehr sein. Nur Narren hoffen auf ein Morgen und erwarten es mit einem Lachen, das die Gesichtszüge aufs Widerlichste entstellt und die Zähne freilegt, die zum Essen bestimmt wurden, zum Zerkleinern der Nahrung, die unser Körper braucht. Solche Dummköpfe zeigen einer kommenden Zeit die Zähne, die aber doch nur in Ihrer Hoffnung existiert. So ist es doch klar, dass die gesamte Vorstellung der Zeit selbst nur eine Illusion ist, da die drei Stücke, aus denen sie angeblich bestehen soll, selbst nur irreale Gespinste sind.

Doch war das dann für ein Gefühl, dieses Pochen und Klopfen und Ticken, das ein Nacheinander hatte? Irgendetwas war für mich da, entweder konkret oder abstrakt, und diese unfassbare Zeit war meine, denn ich hatte wahrgenommen, wie sie langsamer geworden war und nun vollends hielt. Und auch von diesem Gedanken wusste ich, dass er unvernünftig war und bewies, dass es Zeit gar nicht geben konnte. Davon zu sprechen, es gäbe eine fließende Zeit, wäre nur vernünftig, wenn man auch eine stehende Zeit zuließe, denn wer wüsste sonst, dass es eine fließende Zeit geben sollte. Eine stehende Zeit wäre aber vollends wahnsinnig, denn wie lange sollte sie stehen? In einer stehenden Zeit fließt und vergeht ja eben nichts, also existiert auch nichts, das diese stehende Zeit begrenzt. Deswegen kann es auch keine fließende Zeit geben. Alle Zeit ist Traumbild. Ist Bewegung ohne Zeit wirklich? Gibt es mein Leben?

In diesem Zustand war mir, als ob ich träumen könnte, einen endlosen, visionengleichen Traum von der Heimat im freundlichen Sommer, der seine Tage mit jener verheißungsvollen Kühle im Schatten der Bäume beginnt, die sich im Tau auf dem Gras niederschlägt, mit dem glitzernden Versprechen sich in zarten Dunst aufzulösen, damit der Rasen gemäht werden kann und sein Duft sich mit dem des saftigen Pflaumenkuchen mischt – aufgetragen auf dem Terrassentisch, neben dem der Grill auf den Abend wartet, auf das Zischen bratender Würstchen und darauf, gemeinsam mit des Nachbarn Gitarre zu lachen und zu singen bis die Sonne die Wolken rot einfärbt, untergeht und die Hauswand im Rücken ihre Wärme sanft abstrahlt, bis schließlich die Teelichter verlöschen und alle sich eine gute Nacht wünschen, darin ganz gewiss, den neuen Tag geborgen in der Heimat wieder neu mit Leben zu füllen.

Es war das letzte Mal, dass ich dachte, so träumen zu können, denn als die Spirale, deren Anfang sich im Allerkleinsten verliert und deren Ende noch das Größte umfasst, sich langsam wieder um sich selbst zu drehen begann, fühlte ich, dass ich nur ein Punkt im endlosen Nichts zwischen den gekrümmten Linien der Zeit war, gleichzeitig gefangen und getrieben von ihrem Drehen, ihrem Vergehen. Immer schneller kreist sie. Sie beginnt zu summen, zu flirren als hätte sie Flügel wie ein Insekt. Wespengleich dreht sie sich rund um ein Rund, um eine Kugel, eine rote Kugel, die sie stechen will, um ihr Gift einzuspritzen unter die Haut bis zu den Kernen. Sie kommt näher. Das Sirren wird lauter. Die Luft verändert sich, steht nicht mehr still. Ich spürte ihre Bewegung auf dem Schweiß meiner Kehle. Doch all das war die Bahn, deren Bremsen ein summendes Geräusch erzeugte und die noch im Halten die Hitze vor sich hergeschoben hatte.

Mit einem Ruck glitten die Doppeltüren auf, noch bevor ich den Türöffner drückte. Ich stieg vorne ein, direkt hinter der Fahrerkabine, die sich mit einer Milchglastür vom Fahrgastraum abschottete. Als mein rechter Fuß den leichten Schritt nach oben fand und die Muskeln mein Gewicht verlagerten, fiel mir ein leichtes Schwanken auf, als ob der Zug ein Schiff sei, das in einem Meer voll schleimigen Öls schwimmt und das mein Stören mit Abscheu erwiderte und mich loszuwerden versuchte. Ich ignorierte den Fahrkartenautomaten und im Hinsetzen in die vorderste Bank nahm ich wahr, dass die Bahn leer war. Niemand war mit mir eingestiegen, niemand war bei mir, nur die Leere und eine alte Frau im Sitz hinter mir. Mein Blick hatte sie bloß flüchtig gestreift und so hatte ich nur eine Ahnung ihrer ungepflegten Erscheinung erfasst, ihren seltsamen karierten Rock aus dicker Wolle und eine Daunenjacke. Merkwürdig, dass alte Leute sich auch in hochsommerlicher Hitze kleiden, als ob eisiger Winter wäre.

Der Sitz sah gepolstert aus, doch die schreienden Muster seines Stoffes, violett, grün und dunkelblau gefärbt wie ein Bluterguss und der Ruck der anfahrenden Bahn in dem Moment, als ich beinahe saß, schickten mir einen harten Stoß den Rücken hinauf. Er nahm in meinem Kopf sein Ende und ließ mich die Augen einen Moment schließen. Im Dunkel, rot gefärbt durch das Licht, das durch meine Lider auf die Netzhaut fiel, brannte der Umriss der Frau hinter mir in meinem Gehirn zunächst nur als heller, roter Fleck, den ich nicht erkannte, doch dann erschienen die Details ihres Gesichts. Schlaffe Haut, als ob sie viel zu groß geraten sei, um ihren Schädel zu umfassen; die große nach links geneigte Nase mit den ungleichen Nasenflügeln, deren rechter eine Warze brauchte, um ihn mit der Wange zu verbinden; sechs stachelgleiche, schwarze Haare, die aus einem Leberfleck an ihrem Kinn hervorstießen - sie wirkten wie Nadeln, die ein unartiges Kind nur zum bösen Scherz in ein Sofakissen steckt; die kleinen Augen, in viel zu großen, dunklen Höhlen; die lang gewachsenen Ohren, an denen ich ihr Alter eindeutig erkennen mochte, und die mich erinnerten an einen Bericht über kannibalische Urwaldvölker, die solche Ohren zum Schmuck und zum Beweis ihrer Schmerzbereitschaft durchbohren mit hölzernen Splittern. Das sonderbarste an ihrem Gesicht war jedoch ihr Mund, der einen gewaltigen Kontrast zur gesamten Hässlichkeit seiner Umgebung schuf. Er war vollendet geformt: gleichmäßig, doch nicht langweilend; voll, aber nicht aufdringlich oder gar zu groß; sinnlich verlangend, jedoch nicht prostituiert und seine gesunde Röte war natürlich und glänzte, wirkte dennoch nicht lackiert, so dass mich dieser Mund beinahe erregte.

Ich suchte Ablenkung und fand sie, indem mir bewusst wurde, dass die Bahn bis auf die Alte und mich leer war. Ich hatte beim Einsteigen nur die Anonymität mitgenommen – wo mochten wohl die anderen Wartenden eingestiegen sein? Es fuhr doch nur diese eine Linie von der Haltestelle los. Sie konnten nur auf diese Bahn gewartet haben. Sie alle hatten mich alleine gelassen. Hohe Häuserwände links und rechts rauschten vorbei, so als ob sie sich bewegten und nicht etwa wir, die wir unbedeutende Kiesel für sie waren, die sie in der Schlucht zwischen sich durch schleiften, mit dem festen Willen, sie zu zermalmen und zu zermahlen. Ich wurde also in das nächste Stadtviertel gezogen, das ein heruntergekommenes war. Die Häuser rückten näher zur Straße und ihre Seelen blickten bösartig durch zertrümmerte Fensterscheiben, deren Scherben noch in den Rahmen steckten und scharfkantige, spitze Zähne bildeten. An einem dieser Zähne erblickte ich einen Tropfen Blut, grellrot und frisch. Die Vorstellung, dass ein kleines Mädchen seinen fröhlich tänzelnden Luftballon nicht festgehalten hatte und der Wind ihn fortgenommen hatte, bis er in das schiefe Maul getragen und dort zerstochen worden war, zeigte mir Tränen. Es gab keinen Trost über den Verlust der heiteren Freude. So gerne hätte die Kleine diesen Ballon an seinem Bettpfosten festgebunden, als neuen Beschützer für die dunkle Nacht.

In diesem Moment vernahm ich deutlich ein leises Schmatzen hinter mir. Es erinnerte mich an einen Reim aus meiner Kindheit. Eine Familie geht voller Mut auf Bärenjagd und muss durch einen Sumpf waten, sie kann nicht dran vorbei, muss mitten hindurch. Als sie schließlich den Bären findet, ist alle Zuversicht verloren und von da an sind die Jäger die gehetzten, die nur mit Mühe das rettende zu Hause erreichen können, das Untier drohend vor der Tür. Es war hinter ihnen hergekommen, auch durch den Sumpf. In dem Vers wird von den Menschenfüßen erzählt, die der Morast packt und die er nur mit einem nassen Geräusch wieder loslässt. Dieses saugende Schnalzen war nun nicht weit von meinem Nacken entfernt. Hinter mir war nur die alte Frau, nur ihr Mund konnte dieses Geräusch hervorbringen.

Zuerst drehte ich mich nicht um, weil es mir unhöflich erschien. Wenn die Alte ein Gebiss hatte, das ihr wackelig und vermutlich auch schmerzend im Mund saß, wollte ich ihr nicht noch einen peinigenden Blick zuwerfen, nur weil sie sich durch ihr Schmatzen Erleichterung zu verschaffen suchte. Doch nach und nach zweifelte ich daran, dass dies der wahre Grund für mein Zögern war. Vielleicht wollte ich es auch einfach nicht sehen, was da hinter mir passierte.

Ich dachte an diesen hinreißenden Mund, der mich vor Augenblicken noch fast körperlich hatte reagieren lassen und wollte nicht weiterdenken, was wohl hinter diesem schönen Spalt sich zeigen mochte, wenn er sich öffnete. Ich wollte meinem Hirn befehlen, anzuhalten, zu verweilen bei diesen Lippen, die dann aber doch auseinanderklafften und in Gedanken sah ich einen roten Schlund, nass und heiß, darin eine blau geäderte, raue Zunge. Ich vermochte es nicht, mir ihre Zähne vorzustellen. Doch dieser Abscheu in meinen Gedanken konnte nicht tatsächlich hinter solch einem überwältigend schönen Tor hausen, wie es diese Lippen waren, die einluden, näher zu kommen, ganz nah heran, mit der Bitte, sich in ihnen zu versenken. Solch ein Schreckbild durfte nicht dahinter wohnen, ich verbat mir diesen Gedankenspuk mit aller Kraft. Dies kostete mich so viel Anstrengung, dass es mir nicht möglich war, mich einfach umzudrehen und mich mit einem Blick zu vergewissern, dass die Alte zwar ein ungewöhnlich hässliches Gesicht hatte, dass aber dieser Mund es doch schon vermochte, andere Betrachter etwas besser von ihr denken zu lassen, als mich. Mir jedoch verschaffte eben dieser Kontrast ein Unbehagen, das mich abstieß und unruhig werden ließ. Ich sah, wie ich meine Beine nicht still halten konnte. Die Albernheit, in einer ansonsten völlig leeren Bahn den Sitzplatz zu wechseln, verbot ich mir jedoch.

In meinem Kopf pulsiert eine wilde Musik, eine Melodie, die rauscht und pocht wie rasendes Blut in heißen Adern. Sie singt von grässlichen Geschehnissen hinter mir, von Menschenfraß und blutrünstigem Tanz zu einer orchestralen Musik, die ihr geordnetes Nacheinander der Instrumente, die sich zunächst einzeln und dann nach Gruppen vorgestellt hatten, aufgegeben hat. Nun erheben sich diese Instrumente zu einem einzigen Körper, der die erjagte Beute mit Lust auseinander reißt. Flöten, Klarinetten und Oboen vereinigt mit exotischen Blasinstrumenten, deren Namen und Alter weit vor jeder Vorstellung liegt, hacken ein kleines Staccato, um die oberen und die tiefen Hautschichten zu öffnen und mit Widerhaken in kleinen Fetzen wegzureißen. Sie werden unterstützt von Saiten, die in scharfen Schnitten in gegenläufiger Richtung die Körpersäfte des Opfers aus geschlitzten Adern und Bahnen herausspritzen lassen. Darüber machen sich Blasinstrumente aus blendendem Blech ans Werk, die mit groß gespannten Kräften quetschen, würgen und drehen. Darunter bricht Schlagzeug alle Knochen, die es finden kann. Trommelnd zertrümmern die Pauken die einstmals geraden Röhrenknochen; Schellen und Holzschlegel finden auch die kleinsten Knochen, die zu spitzen Splittern werden und jeden Nerv im Gewebe durchtrennen und aufspießen. Doch am grässlichsten tönen leidende Schalmeien durch diese Gewalt, sie schreien das Leiden der Beute heraus, die weder ohnmächtig werden, noch sterben kann, sondern den Schmerz und die Qual bei lebendigem Geiste hilflos erleben muss.

Ich konnte mir sicher sein, dass ich diesen grässlichen Lärm nicht träumte, so sehr fühlte ich den Schmerz, den er mir zufügte. Und so schlich sich der Gedanke in mein Hirn, dass es nicht Höflichkeit war oder konventionelle Peinlichkeit, warum ich mich nicht endlich umdrehte. Meine Nackenmuskeln wurden so unbeweglich wie trockenes Fleisch, das zu lange auf einem zu heißen Grill gebraten wurde. Ich hatte panische Angst, die ich riechen konnte. Sie strömte mir aus den Poren und glich dem Gestank von Erbrochenem in der Sommerhitze, dem man nicht ausweichen kann, wenn man um die nächste Häuserecke biegt und der sich über der trocknenden Lache erhebt.

Die Luft hatte sich mit diesem Gestank verändert. Sie war kalt geworden, doch die Kühle war nicht erfrischend wie die eines Gewitters im Sommer, das die Schwüle vertreibt, sondern die einer nassen Waschküche im Winter, in die man frierend von draußen herein kommt, um sich klamme, schneeverkrustete Kleidung auszuziehen. Es war die Kälte von Eiswasser, das einen Ertrinkenden in die Lunge sticht und ihn erstickt.

Durch die Mühe meines Atmens und den Lärm meiner Gedanken drangen nun von hinten ein unheimliches Knurren, ein Reißen von Fleisch und das Splittern von Knochen. Was war das für ein Fleisch, das hier zerrissen wurde? Warum brüllte der Schmerz in meinem Hirn so laut, dass ich nicht mehr hören konnte, ob ich nicht tatsächlich schrie in meinen Qualen? Es war das Fleisch meines Verstandes, das die Alte in ihren Zähnen zerfetzte. Und jetzt sah ich auch diese Zähne deutlich vor mir, die mir meine Gedanken bislang verweigert hatten, zu zeigen.

Sie waren eben, gleichmäßig und elfenbeinweiß. Wie Perlen an einer Schnur aufgereiht saßen sie perfekt in ihrem Mund, der dadurch unbeschreiblich anziehend wurde und eine Sogkraft ausübte, der ich nicht widerstehen konnte. Es gab für mich nur eine Wahl: ich musste mich durch dieses Tor hindurch begeben, wollte es, musste in dem Raum, den ich finden würde, umhergehen, verweilen und dann staunend dort sterben.

Ohne eine weitere Wahrnehmung, ohne, dass ich wusste, wie es geschah, erreichten wir den Platz, an dem ich die Straßenbahn jeden Morgen wechseln musste. In meinem Körper steckte das Wissen der Gewohnheit, dass ich dort aussteigen wollte und so entfloh er der Barbarei die ich erlebt hatte, diesem Kannibalismus, der mich einer Höllenbrut gleich in Stücke zerfetzt hatte.

Ich stand da und blickte der Bahn nach. Dort drinnen fuhr das Grauen weiter. Mein Körper war zwar draußen, hinaus aus der Bahn, doch mein Verstand blieb drinnen. Er dient nun der Qual als Fraß und wird auf ewig von ihren Geifern zerrissen werden. Er schaute mich noch aus den blutbespritzten Fenstern an, brüllte mir einen Hilfeschrei ins Hirn, doch die Bahn zog ihn in sich fort, um die Kurve davon und ihre Räder knirschten ein höhnisches Lachen in den Schienen, als der Zug ihn endgültig aus mir herausriss und mit sich nahm.

Nun wird die Sonne bald wieder untergehen. Ich sitze auf meinem Bett in der Gewissheit, dass ich dort nicht mehr den Schlaf, sondern seinen Bruder empfangen werde. Er wird dich in einen sicheren Port bringen, so hatte mir mein Verstand immer bewiesen. Nun ist nichts mehr da. Alles ist leer.

 

Hallo Fitsch,

hmm, das war anders, als ich erwartet hatte.
Ich bin zwiegespalten. Einerseits mag ich die Geschichte, weil man merkt, dass da jemand Gedanken und Mühe investiert und dabei schöne und gute Beschreibungen und Bilder geschaffen hat (die musikalischen Qualen, dass sein Verstand mit der Bahn weiterfährt). Auf der anderen Seite habe ich so ein bisschen den roten Faden vermisst (ab und zu hab ich mich gefragt: Was will mir der Autor hier eigentlich erzählen?), und manches war mir zu sehr geschwurbelt (das über die Zeit z.B.) und dazu zähle ich auch den Satzbau, den ich wiederholt umständlich fand.
So bleibt eine surreale Begebenheit, die etwas hat, der aber in meinen Augen eine Straffung gut tun würde, denn so verliert sie sich ab und zu etwas.

Ein bisschen Textkram, der mir aufgefallen ist:

Ich weiß nicht mehr, ob es die Hitze war, die mich in der Nacht in diesen grauenschweren Tag hinein kaum schlafen ließ, oder eine Vorahnung der Ereignisse, die mir begegnen sollten.
Seltsame Wortstellung, gleich im ersten Satz ziemlich ungünstig

Mir wurde ihre Nicht-Zusammengehörigkeit bewusst und wurde wartend Teil von ihr.
und ich wurde

die roten Augen wie auf einen Metronom montiert
das Metronom

das die Gesichtszüge aufs widerlichste entstellt
Widerlichste

dass die Bahn leer war. Niemand war mit mir eingestiegen, niemand war bei mir, nur die Leere und eine alte Frau im Sitz hinter mir.
Also war sie nicht leer..

Viele Grüße,
Maeuser

 

Hallo Fitsch,

klar, Bahnfahrten können einem den letzten Nerv, sogar den Verstand rauben. Aber: Damit deine Geschichte Zug kriegt :D, solltest du schon noch einiges tun.

Ich schreib dir, weil ich die immense Mühe merke, die du dir gemacht hast, den Inhalt durch sprachlich anspruchsvolle Bilder auszubauen. Das ist dir oft auch gelungen, aber insgesamt geht die Sprachbilderei, die du da betreibst, zu Lasten der eigentlichen Geschichte. Da fehlts für mich nämlich.

Ich bleib mal beim Gerüst der story. Wenn ich es richtig verstanden habe, steigt dein Prot in eine Bahn, verliert dort den Verstand und fürchtet sich nun vor dem Tod. Der Verstandesverlust hat sich schon vorher durch unangenehme Gefühle angekündigt, gefressen hat den Verstand ein Wesen mit schönen Lippen. (Ich hoffe, ich habe es überhaupt richtig kapiert, denn zwischendrin bin ich echt ein bisschen vom Pfad abgekommen, weil es schon sehr langatmig ist.)
Als story finde ich das ein bisschen zu wenig, denn dein Prot macht ja gar keinen Versuch zur Gegenwehr, er sitz einfach da, alles ist schon vorher tiefdunkelschwarz und nachher ist es dann immer noch so, vielleicht ein bisschen doller, aber es ist nicht wirklich was passiert in der Bahn, was den Leser antörnen könnte. Die Entrückung oder Verrückung des Mannes solltest du auch steigern, er ist schon von vorneherein nicht ganz klar in der Birne, schöner fände ich es, wenn du das mehr steigern würdest. Also am Anfang alles relativ nomal ist. Du könntest dir vielleiht sogar überlegen, den gesamten ersten Passus zu streichen, denn die Verstandesentrückung kannst du ja trotzdem schildern, du musst sie nicht vorweg andeuten. Machts es einfach etwas langatmiger. Poe macht das oft, aber man muss es ja nicht machen, nur weil man eine Horrorgeschichte schreibt. Dann in der Bahn könntest du auch das zunehmende Entsetzen mehr steigern, du hast auch da sehr tolle Ideen drin, aber gewundert habe ich mich, dass du da keine anderen Fahrgäste einbezogen hast. Warum zeigen die anderen Fahrgäste keine Furcht? Man denkt dadurch von vorneherein, dass der Typ halt wahnsinnig wird und sonst alles normal bleibt, aber damit du den Leser am Kanthaken kriegst, wäre es gut, wenn der sich unsicher wäre, ob sich das Geschehen nur im Inneren oder nicht vielleicht auch real abspielt. Und der Prot selbst: Warum beobachtet er nicht die Fahrgäste und ihre Reaktionen? Warum dreht er sich nicht doch irgendwann um, will das Monster hinter sich erkennen, warum steht er nicht auf und will sich retten? Man bleibt doch nicht einfach hocken, wenn einem ein Vieh den hinteren Teil der Hinschale abknabbert. Und wenn er sich dann umdreht und sieht, das wäre ein Spannungspunkt. Ich weiß es nicht, was er sehen könnte, aber selbst wenn er nichts sähe, das fände ich immer noch besser als das Nichtgeschehen in deiner Geschichte. Warum fände ich es besser? Naja, du könntest den Moment ausbauen, ihn spannend machen, er spürt etwas hinter sich, ängstigt sich, alle Wahrnehmungen verändern sich, das alles hast du ja geschildert und tw. tolle Bilder für gefunden, aber diese Spannung, dass er mit diesem Moment igendwas für sich anfängt, die fehlt einfach. So passiv reagiert kein Schwein.

Der zweite Punkt ist der, dass du deinen Text mit Bildern, Vergleichen etc überladen hast. Das macht den Text über die Maßen langatmig und katapultiert beim Lesen raus. Das ist nicht nur eine Frage von ein paar schiefen Formulierungen, die immer mal passieren können oder ein paar Adjektiven zuviel. Ich hatte den Eindrcuk, dass du hier ein wenig den Stil eines älteren Horrorschriftstellers nachempfinden wolltest. Aber das ist nicht einfach und wenn man das nicht total beherrscht, da die Vergleiche richtig zu setzen, wirkt der Stil eben unnötig aufgebläht. Das ist total schade, deine schönen Formulierungen übersieht man dann völlig.
Ich würde also ganz doll rauskürzen, überarbeiten und zwar mit rigider Feder.

Hier Beispiele

Ich weiß nicht mehr, ob es die Hitze war, die mich in der Nacht in diesen grauenschweren Tag hinein kaum schlafen ließ, oder eine Vorahnung der Ereignisse, die mir begegnen sollten.

Das Fette klingt grammatikalisch komisch ist inhaltlich auch unnötig, ist überflüssig, den schlimmen Tag schilderst du sowieso noch, warum nimmst du es vorweg?


Die schwere Sonne des gestrigen Tages hatte mich fast erdrückt mit ihrer widerlichen Wärme, die mich in meiner Haut in festem Griff umschlungen hielt und als ich zu Bett ging, brachte auch das silberne Mondlicht keine Erlösung.

widerliche weg, denn das weiß man schon durchs erdrückt, dass die Wärme nicht angenehm ist. Erdrückt finde ich nur auch kein angemessenes Verb für das was Hitze macht. Und wo sonst als in deiner Haut soll die Hitze dich denn halten? Läufst du sonst ohne Haut rum?

Wie eine Drohung schien es durch die blauen Vorhänge des Fensters und verspottete meine Hoffnung auf Schlaf, der mir doch Ruhe bringen sollte.
Ist auch übeflüssig, denn Hoffnung auf Schlaf sagts doch schon.

Ich erinnere mich noch, dass ich diese Hoffnung hatte. Wie hohl scheint mir dieses Wort nun. Träumte ich? Wer hätte mir eine Vorahnung eingeben sollen, als dieser Tag begann, inmitten der Nacht, die mich in meinem Schweiß das Bett zerwühlen ließ?
Wie oft denn noch Hoffnung?
Und was für ein Tag, beginnt er doch mitten in der Nacht? Ich weiß, was du meinst, aber es wäre besser anders gestellt, das Fette könntest du der Klarheit halber weglassen. Eigentlich könntest du den gesamten Satz von vorne bis hinten weglassen, denn auch die Vorahnungen hattest du schon mal.

Erwachte ich am Morgen? Sind nicht die Sinne eines Übermüdeten genauso ohne Halt, wie die Welt um ihn herum? Wenn ohne den kleinen Bruder des Todes sich die Geräusche zu einem Rausch vervielfältigen, der einen Strudel bildet, um alles auf dieser Welt zu erfassen und in das Hirn zu ziehen, so kann das Wachsein keine Wirklichkeit bedeuten. Wenn im Traum das Gesicht klar ist und am Tag die Augen dasselbe Unmögliche weiterschauen, wo mag dann die Grenze sein, die ich dachte, jede Nacht zu überschreiten? Ist diese Grenze nun dieselbe wie die Linie zwischen Wirklichkeit und Traum?

Du willst mit diesem Absatz vermutlich das Thema der Saison anbahnen, dass der fehlende Schlaf die Sinne verwirrt, aber es wirkt so furchtbar aufgebläht. Ich würde mich auch das Wichtige konzentrieren.

Nun wird die Sonne bald wieder untergehen, doch diesen Wechsel werde ich nicht mehr wahrnehmen, denn als sie aufging, begann ein Tag, der für mich keine Nacht beendete.
Der letzte Teil, das geht so nicht. Irgendwas stimmt nicht.

Lange Gewohnheit zog mich unter laues Duschwasser, das sich mit meinem Schweiß vermischte und kreiselnd im Abfluss verschwand. Auf dem Frühstückstisch saß eine Fliege. Ihre Flügel schillerten und die Farben zerflossen in meinen Augen, vermischten sich, spalteten sich wieder auf und flimmerten wie heiße Luft über einem Grill davon. Den verschlossenen Kragenknopf meines Hemdes hielt ein weißer Faden. Ich sah ihn im Spiegel, als ich vor meiner Kehle den Krawattenknoten zuzog. Das Garn war aus kleineren Fasern verschlungen, so wie auch das Tau des Henkers gedreht ist aus dünneren Stricken. Vor dem Haus führte mich der Weg zur Straßenbahn. Seine Gehsteigplatten lagen nicht eben, wie mein Verstand es mir vorgeben wollte. Sie waren gegeneinander geneigt, bildeten Schiefen, die meine Knöchel mit jedem Tritt aufs Neue ausgleichen mussten. Mir schwindelte, als ich die Haltestelle erreichte.

Außer dem ersten Satz, den ich weglassen würde, er ist zu sehr mit Schweiß und lauem Wasser aufgebläht, sind sehr schöne Ideen drin, die Fliege, die kleinen Fasern der Krawatte. Gefällt mir sehr vieles. Ein Morgen, der sich ganz übel anfühlt, die Wahrnehmung ist geschärft, man sieht Dinge, die man lieber nicht gesehen hätte. Find ich gut.
Fang doch lieber damit an und spar dir die Abschnitte vorher oder kürze sie total zusammen. Dass er schlecht geschlafen hat und geschwitzt hat, das lässt sich doch auch kürzer beschreiben.
Solche richtig guten Stellen Stellen gibt es in deiner Geschichte noch viele. Auch später das Krachszenario, da gibts auch viel Gutes. Aber es ist leider immer wieder durch redundante Stellen oder durch schiefe Sprachbilder aufgebläht. Ein Beispiel für was völlig Missglücktes, was den Eindruck macht, du möchtest deine Geschichte über die Maßen mit Bedetung aufschwängern, was dann aber nach hinte losgeht, ist die Folgende:

Doch die Zeit selbst war zerflossen wie ein Camembert, der beim Picknick am Strand vergessen wurde und über den Rand seiner Welt hinaus floss und nun ins Nichts unrettbar hinunter tropfen wird.

Soso, der Käse der Zeit? Und dann tropft der Käs auch noch am Strand über den Rand seiner Welt hinaus? Ich wusste es doch, die Welt ist eine Käseglocke. Und klar, sonst bleibt die Zeit immer auf der Platte und bildet kleine Häppchen statt ins Nichts zu tropfen. Vielleicht erfindet jemand eine Käseuhr.

Zäh und klebrig lag sie formlos vor mir, niemand kann sie erklären, diese Zeit, die es gar nicht geben kann.

Dann würd ichs lieber gar nicht erst probieren, wenn mans eh nicht erklären kann. Diese Klebezeit.

Nimms nicht tragisch, Fitsch, aber die beiden Stellen haben mich echt gereizt.

Ich wünsch dir was und ärger dich nicht über mein Kritikertum, bist herzlich eingeladen, bei mir und anderen genauso kritisch zu kontern.
Ich wünsch dir viel Erfolg beim weiteren Schreiben und beim Überarbeiten dieser Geschichte, ich finde es würde sich lohnen.

Viele Grüße Novak

 

Hallo Fitsch

Der Einstieg machte es mir, wie meinen Vorrednern, nicht einfach. Das verknotet Konstruierte des ersten Satzes erzeugte mir als Leser leichtes Grauen. :D Auch im Weiteren, reiht sich überzeichnete Schwülstigkeit aneinander. Gut, es mag die diffuse Wahrnehmung des Prot. sein, ich konzentrierte mich deshalb auf den thematischen Inhalt der Geschichte, dessen Perspektive respektierend.

Doch [was] war das dann für ein Gefühl, dieses Pochen und Klopfen und Ticken, das ein Nacheinander hatte?

Die Bilder sind sehr intensiv gezeichnet, die Umwelt aus dem Lot geraten. In Teilen zeigen sich da Sichtweisen, wie sie in der Wirkung etwa unter Drogeneinfluss beschrieben werden, vermischend mit Fragmenten philosophischer Fragestellungen, doch vereinzelt skurril. In dieser Verdichtung sprengt es sehr wahrscheinlich noch das bildhafte Erleben Schizophrener während eines Schubs. Gaetano Benedetti bezeichnete in seinem Werk [»Todeslandschaften der Seele«, Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen.] die Schizophrenie als ein »überdimensioniertes Mikroskop, das verborgene menschliche Daseinsformen sichtbar macht«. Dieser Fokus wird hier aber noch übertroffen. Die Depersonalisation am Ende fügt noch eine weitere Komponente bei, der Realität sich gänzlich entziehend, es definitiv als Werk menschlichen Denkens markierend, das sich in die Tiefen von Fiktion begab. Auch wenn ich mir die Sicht des Prot. verinnerlichte, ist es zu abhebend, um sich in seiner Tragik entfalten zu können. Denn er erlebt es aus distanzierter Sicht, sein Leiden ist Nicht-Ich, es geschieht um ihn.

In sich geschlossen hat der Text durchaus etwas Phänomenales, wenngleich es für eine Geschichte zu sehr verdichtet ist, die Handlung sich im Erleben des Prot. verliert. Ein Unbehagen, was ich bei den Geschichten in dieser Rubrik erwarte, löste es bei mir nicht aus.

Auch wenn es in seiner Fülle etwas anstrengend zu lesen war, freute ich mich doch in den Sequenzen an den Bildern. Um das Unheimliche herauszuschälen, müsste es aber kürzer ausfallen, Überzeichnetes nicht in solcher Dichte auftreten, die Sprache sich vereinfachter darstellen und die Schlusshandlung noch etwas abgefeimter enden.

Insgesamt nicht ungern gelesen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Fitsch

Ich weiß nicht mehr, ob es die Hitze war, die mich in der Nacht in diesen grauenschweren Tag hinein kaum schlafen ließ, oder eine Vorahnung der Ereignisse, die mir begegnen sollten.

"Begegnen" passt auf die Ereignisse nicht richtig. Besser fände ich: passieren. Generell finde ich einen solchen Einstieg aber problematisch. Zum einen weil er einen ziemlichen Bart hat, zum anderen weil er dem Leser sagt: Achtung, Weiterlesen, da passiert gleich was ganz Schreckliches. Das kommt ein wenig angestaubt daher.

Doch kann ich wirklich versuchen, eine Erklärung zu finden, für das, was mich nun nie wieder verlassen wird, oder bin ich diesen Erinnerungen ausgeliefert und muss sie gelten lassen als das, was tatsächlich passierte?

Ich sags dir ganz ehrlich: Ich verstehe diesen Satz nicht. Diese Trennung mit "oder" wirkt schräg, im normalen Sprachgebrauch ist es ja meist das entweder-oder, aber ich sehe da keinen Widerspruch zwischen beiden Teilen. Warum kann er keine Erklärung finden und sie als das gelten lassen, was passierte? Auch dieses "den Erinnerungen ausgeliefert sein" ... das gibt bei mir kein schlüssiges Bild, auch nicht nach der Lektüre der gesamten Geschichte.

Wer hätte mir eine Vorahnung eingeben sollen, als dieser Tag begann, inmitten der Nacht, die mich in meinem Schweiß das Bett zerwühlen ließ?

Da der Tag immer inmitten der Nacht beginnt ist das hier überflüssig. Wie Novak auch musste ich hier allerdings erst stutzen, habe ich doch den Beginn des Tages (wie viele andere wohl auch) mit dem Aufstehen gleichgesetzt ...

Sind nicht die Sinne eines Übermüdeten genauso ohne Halt, wie die Welt um ihn herum?

Dieser Satz wird mir auch nicht so recht klar. Wie verhalten sich denn "Sinne ohne Halt"? Und warum ist die Welt um einen Übermüdeten herum "ohne Halt"?

Wenn ohne den kleinen Bruder des Todes sich die Geräusche zu einem Rausch vervielfältigen, der einen Strudel bildet, um alles auf dieser Welt zu erfassen und in das Hirn zu ziehen, so kann das Wachsein keine Wirklichkeit bedeuten.

Mal davon abgesehen, dass ich nicht verstehe, warum der Schlaf als "kleiner Bruder des Todes" bezeichnet wird (Schlaf und Tod haben wenig bis gar keine Ähnlichkeiten, finde ich), steht dieser Satz stellvertretend für die Probleme dieses Textes: Da wird eine Aussage genommen, als wahr postuliert und irgendwelche Schlüsse daraus gezogen. Da aber die ursprüngliche Aussage sich meist sehr einfach widerlegen lässt, sind auch die gezogenen Schlüsse falsch. Jetzt kann man natürlich sagen, ok, der Prot. ist verwirrt, kriegt das nicht mehr richtig auf die Reihe, aber wo bleibt dann für mich als Leser der Reiz, diesen offensichtlich falschen (und sehr wirren) Gedanken zu folgen? Es öffnen sich mir dadurch ja keine neuen Perspektiven oder so.

Ich hatte auch schon Zustände extremer Müdigkeit, habe das mit den Geräuschen aber nicht so erfahren. Und selbst wenn es so wäre, warum ist Wachsein dann keine Wirklichkeit? Ich sehe nicht, wie das eine mit dem anderen zusammenhängt.

Hier, das ist auch so ein Beispiel, wo einfach mal eine Aussage gemacht wird:

Davon zu sprechen, es gebe eine fließende Zeit, ist nur vernünftig, wenn man auch eine stehende Zeit zulässt, denn wer wüsste sonst, dass es eine fließende Zeit gibt.

und die Folgerung daraus:

In einer stehenden Zeit fließt und vergeht ja eben nichts, also existiert auch nichts, das diese stehende Zeit begrenzt. Deswegen kann es auch keine fließende Zeit geben.

Das ist schon irgendwie ... an den Haare herbeigezogen, oder? Wenn ich in einem Wettkampf auf eine Stoppuhr drücke, bleibt die Zeit ja stehen, oder? Auch wenn du das hier nicht meinst: Das Vergehen ist ja eine inhärente Eigenschaft der Zeit, also etwa so, wie dass ein Wasserfall immer nach unten fällt (da steckts sogar im Namen drin). Also könnte ich jetzt mit der gleichen Logik argumentieren, dass es auch Wasserfälle nicht geben kann, nur weil es nur fallende Wasserfälle (und keine stehenden) gibt ...?

Nochmal: Dass dein Prot. verwirrt ist, entschuldigt für mich nicht solche Absätze, denn als Leser will ich ja unterhalten werden, auf interessante Gedanken gebracht werden, neue Perspektiven aufgezeigt bekommen ... irgendwas. Das ist mir hier zuviel Pseudo-Philosophie.

Den Höhepunkt bildet dann diese Stelle:

Sie ist eingequetscht zwischen dem Nichts der Vergangenheit und einem anderen herandrängenden Nichts, das nicht da ist, weil es noch gar nicht existiert.

Ein Nichts, das nicht da ist, weil es nicht existiert? Ganz ehrlich, da war ich kurz davor den Text aufzugeben ...

Gut, das entspricht bislang auch etwa dem, was meine Vorredner gesagt haben. Ich würde an deiner Stelle - wenn du an der Geschichte noch arbeiten willst - den kompletten ersten Teil bis zur Bahnfahrt radikal kürzen. Diese ganzen Gedankengänge entweder schlüssig aufziehen oder streichen.

Der zweite Teil der Geschichte ist deutlich besser, wenngleich mir auch da ein wenig die Handlung fehlt. Aber schon klar, du konzentrierst dich auf die Atmosphäre und den inneren Wahnsinn deines Prot. Den beschreibst du dann auch sehr gut in diesem Abschnitt mit der Musik und den Instrumenten. Das hat mir echt gut gefallen, da erzeugst du starke Bilder. Leider geht der gute Absatz in der Geschichte etwas unter, sie kommt mir für das Erzählte einfach zu lang vor. Ich würde versuchen, das alles zu verdichten, dann wirkt auch der zweite, deutlich bessere Teil stärker.

Vom Sprachlichen her finde ich es ganz ordentlich, was mich halt wirklich gestört hat waren diese unsinnigen Gedankengänge im ersten Teil. Mir ist da derselbe Begriff eingefallen, den Maeuser schon geschrieben hat: Geschwurbel. Ich würde dir echt raten, das rauszunehmen, das würde die Geschichte schon deutlich besser machen.

Viele Grüsse.

 

Hallo zusammen,

herzlichen Dank, daß Ihr Euch so intensiv mit meiner kleinen Geschichte auseinandergesetzt habt. Ich weiß, daß der Stil nicht einfach ist, obwohl er durchaus so gewollt ist. Ich bin wirklich sehr berührt von Eurer Mühe und Euren ehrlichen Beobachtungen zu dem Text, den ich über eine sehr lange Zeit hinweg immer wieder weitergefeilt habe. Ich würde mich freuen, wenn Ihr die Geschichte nach dem Folgenden vielleicht nochmal mit anderen Augen lest.

Doch zunächst ein paar direkte Antworten:

Maeuser, es ist schon eine merkwürdige Sache: da liest man einen Text ´zig-Mal und hat immer noch nicht allen „Textkram“ heraus. Danke für Deine lohnende Mühe, ich habe es korrigiert – bis auf die Sache mit der „leeren“ Bahn. Dein Stolpern an genau der Stelle wollte ich haben. Novak hat angemerkt, daß Spannungssteigerungen möglich wären, wenn die Bahn nicht leer wäre und die Geschichte noch mit anderen Fahrgästen spielen könnte. Mir lag aber an der passiven Einsamkeit des Ich-Erzählers. Genau so passiv, wie das „begegnen“ im ersten Satz, Schwups, das ich noch ein wenig beiläufiger finde als „passieren“ (was aber wiederum gut zu „passiv“ passen würde…).

Novak, der Ich-Erzähler ist durchaus zunächst unsicher, ob das alles wirklich passiert in der Bahn, oder ob er es sich nur einbildet. Ich meine, daß hier durchaus ein Fortgang in der Geschichte i.S. eines Plots da ist. Daß ihm physisch die Hirnschale angeknabbert wird, wäre eine Anleihe bei Thomas Harris´„Hannibal“. Das würde auch sehr gut in die Geschichte passen (siehe weiter unten), aber physische Verletzungen sollten nicht vorkommen – auch wenn für die Spannungssteigerung durchaus körperlicher Schmerz eine Rolle spielt. Die Sinn-Häufungen, die Du zu Recht nennst, hängen mit dem beabsichtigten Stil zusammen. Nähme ich sie konsequent heraus, änderte sich der Charakter der Geschichte so sehr, daß vermutlich eine komplett andere entstünde. (Ich würde dann auch noch viele, viele Stellen mehr komplett ändern wollen.)

Wie oft denn noch Hoffnung?
Schön, daß Dir diese Hoffnungs-Häufung ins Auge sticht. Ganz nah neben der Hoffnung ist auch von „Erlösung“ die Rede. Das ist eine Vorausdeutung auf die Anleihe bei der Bach-Kantate im letzten Absatz – Bach hat wie kaum ein anderer den Oster-Gedanken vertont.
Wie eine Drohung schien es durch die blauen Vorhänge des Fensters und verspottete meine Hoffnung auf Schlaf, der mir doch Ruhe bringen sollte.
Ist auch übeflüssig, denn Hoffnung auf Schlaf sagts doch schon.
Ja, dieser Satz ist mit Abstand der schlechteste in der Geschichte. Ich grübele noch immer, wie ich das, was ich meine, besser hinbekomme…
Den Zeit-Käse erklär‘ ich weiter unten…

Anakreon, Deine Analyse lese ich als sehr großes Lob für mich, da Du den Text zunächst nicht als „Horror-Geschichte“ betrachtes und Du so viel von dem, was ich beim Schreiben im Sinn hatte, siehst. Ich habe auch gezweifelt, ob der Text eine „Horror-Geschichte“ für diese Rubrik hier ist. Er muß an der Erwartungshaltung tatsächlich etwas vorbeigehen, da er nicht primär als Horrorgeschichte (in dem Sinn, beim Leser einen wie auch immer gearteten „Grusel“ zu erzeugen) geschrieben war. Ihn gab‘s schon lange vor dem Thema des Monats. Daß ich ihn trotzdem hier eingestellt habe, war eher der Versuch, zu sehen, ob’s vielleicht doch funktioniert, weil das Thema „Traum“ so zentral ist. Wie ich Deiner, Novaks, Maeusers und Schwups'Antwort entnehme, klappt es also wohl nicht so dolle.

Schwups, auch Dir lieben Dank für die ehrlichen Gedanken – keinesfalls wollte ich Dich ermüden!

Doch kann ich wirklich versuchen, eine Erklärung zu finden, für das, was mich nun nie wieder verlassen wird, oder bin ich diesen Erinnerungen ausgeliefert und muss sie gelten lassen als das, was tatsächlich passierte?
Ich sags dir ganz ehrlich: Ich verstehe diesen Satz nicht. Diese Trennung mit "oder" wirkt schräg, im normalen Sprachgebrauch ist es ja meist das entweder-oder, aber ich sehe da keinen Widerspruch zwischen beiden Teilen. Warum kann er keine Erklärung finden und sie als das gelten lassen, was passierte?
„Als das gelten lassen, was passierte“ heißt, daß er das Geschehen ohne Erklärung zu haben, hinnehmen muß. Im Gegensatz dazu steht die Alternative, eine verstandesmäßige, vernünftige Begründung zu finden – nach dem Motto „sehe ich ein echtes Gespenst oder einen Mensch mit Bettlaken über dem Kopf?“

Wer hätte mir eine Vorahnung eingeben sollen, als dieser Tag begann, inmitten der Nacht, die mich in meinem Schweiß das Bett zerwühlen ließ?
Da der Tag immer inmitten der Nacht beginnt ist das hier überflüssig. Wie Novak auch musste ich hier allerdings erst stutzen, habe ich doch den Beginn des Tages (wie viele andere wohl auch) mit dem Aufstehen gleichgesetzt ...
Da ich im allgemeinen Sprachgebrauch auch den Beginn des Tages mit dem Aufstehen gleichsetze, fand ich den Hinweis darauf, daß das in Wirklichkeit nicht so ist, ganz angebracht. Das positive Bild, daß in der „dunkelsten“ Stunde ein jeder neuer Tag beginnt, soll hier anklingen, aber selbst dieses bisschen Positive soll, bevor es lang und breit ausgeführt wird, direkt wieder im Keim ersticken.
Sind nicht die Sinne eines Übermüdeten genauso ohne Halt, wie die Welt um ihn herum?
Dieser Satz wird mir auch nicht so recht klar. Wie verhalten sich denn "Sinne ohne Halt"? Und warum ist die Welt um einen Übermüdeten herum "ohne Halt"?
Dankesehr, das war nicht so gemeint und ich habe es verbessert.

Maeuser, Novak, Anakreon und Schwups, ihr alle findet die Geschichte zu voll gestopft und ratet mir, Sachen ´rauszunehmen und mich mehr auf die (Horror-)geschichte zu konzentrieren. Kann ich durchaus nachvollziehen, wenn auch eine Ebene der Geschichte herausfliegen würde: die Bilder und Gedanken, die ich verwende, sind Zitate, deren Zusammenstellung um die Themen „Traum“ und „Zeit“ kreisen. Ich habe versucht, diese Anleihen lediglich ein wenig zu verfremden, aber gehofft, sie noch erkennbar zu lassen. Quälend vollgestopft sollte es sein, im völligen Kontrast zur Leere des Kopfes des Protagonisten. Und sich dann ein Widerspruch zwischen der Metaebene des Textes und dem Plot auftun: wie kann das, was der Protagonist verstandesberaubt wiedergibt, so gräßlich übervoll sein? Die Erklärung dafür soll im Erlebten des Protagonisten liegen. Der Plot einer Horrorgeschichte / phantastischen Geschichte bot sich hier an. Maeuser, Du benutzt das Wort „surreal“. Danke! Dali malte so. Für sein Bild „Die Beständigkeit der Erinnerung“ ließ er sich von einem Camembert inspirieren, Novak. Als zweites Dali-Gemälde steckt „Traum, verursacht durch den Flug einer Biene um einen Granatapfel, eine Sekunde vor dem Aufwachen“ in der Geschichte (das Bild heißt wirklich so, Dali hatte ein Faible für verrückte Titel, ich bin ganz schlecht im Finden von Titeln). Ich mag Dali-Gemälde, besonders diese beiden. Wie gefallen sie Euch? Schwups, das mit dem „Schlafes Bruder“ stammt zum einen aus dem gleichnamigen Buch von Robert Schneider, zum anderen von Johann Franck aus dem 17. Jhdt; Bach hat den Gedanken in seiner Kantate „Ich will den Kreuzstab gerne tragen“ vertont. Bach mochte Symmetrie, deswegen deute ich mit „Hoffnung“ und „Erlösung“ im ersten Absatz auf den letzen hin. Der eine Gegenbeweis zur Zeit stammt von Augustinus, mit dem anderen hat sich Roger Penrose beschäftigt. Daß „das Vergehen […] eine inhärente Eigenschaft der Zeit [ist]“, da sind sich die heutigen Physiker, nach allem, was ich so lese, nicht mehr so ganz sicher.

Neben den bereits erwähnten Dali, Bach, Augustinus, Penrose und Schneider nehme ich weitere Anleihen bei Eco, Bonhoeffer, Britten, Lovecraft und King. (Nein, einen Doktortitel habe ich nicht, deswegen kann ich auch keinen zurückgeben, hoffe, mit dieser Liste einigermaßen meinen Quellen-Angaben-Pflichen nachgekommen zu sein…)

Ich danke Euch nochmal sehr herzlich! Irgendwie hab‘ ich Lust, mal eine Geschichte zu schreiben, die etwas besser in die Kategorie paßt und die dann nicht so geschwurbelt und vollgestopft sein wird. Darf ich mich jetzt schon auf Eure Kommentare freuen?

Liebe Grüße
Fitsch

 

Hallo Fitsch

Ich habe deine Überarbeitung mir nochmals zu Gemüt geführt. Es wirkt teilweise straffer, ohne dass ich bewusst sagen könnte, dass es kürzer ist. Auch war es mir eindeutig, flüssiger zu lesen. Wie viel Anteil mein Vorwissen des Inhaltes daran leistete, entzieht sich aber dieser Erkenntnis.
Ich habe mir beim erneuten Lesen auch nochmals die Frage gestellt, ob der Inhalt dem zugeordneten Genre gerecht wird, dies nicht als Zensor, sondern als neugieriger Leser. Doch in den fünf letzten Absätzen hat es durchaus spezifische Attribute, die es meiner Meinung nach so Zuordnungsbar erscheinen lassen.

die Bilder und Gedanken, die ich verwende, sind Zitate, deren Zusammenstellung um die Themen „Traum“ und „Zeit“ kreisen. Ich habe versucht, diese Anleihen lediglich ein wenig zu verfremden, aber gehofft, sie noch erkennbar zu lassen.

Dies überraschte mich, da ich nicht auf Indizien von andern Quellen achtete. Ein bekanntes Bild in eine Geschichte einzubeziehen oder über den Ausdruck eines solchen die Geschichte aufzubauen, ist legitim. Es muss jedoch grundlegend zu einem eigenen Werk hinführen. Interpretationen von Dalis Werken sind insofern dankbar, da sie durch Farben und Formen die Fantasie über das hinaus beflügeln, was er selbst ausdrückte.

Neben den bereits erwähnten Dali, Bach, Augustinus, Penrose und Schneider nehme ich weitere Anleihen bei Eco, Bonhoeffer, Britten, Lovecraft und King.

Dies verdeutlichte mir meine eigenen Worte, als ob ich unbewusst die Crux geahnt hätte: In sich geschlossen hat der Text durchaus etwas Phänomenales, wenngleich es für eine Geschichte zu sehr verdichtet ist ...

Du hast mit den Quellangaben deiner Idee, deiner Arbeitstechnik, die Ursache offengelegt, die mir als Leser wie eine zu grosse Bürde erschien. Insofern erklärt es mir mein Unbehagen an der Konstruktion des zu sehr Verdichteten. Für eine Kurzgeschichte wirkt mir ein solcher Ansatz nicht sehr glücklich. Da eignet sich ein einzelnes Objekt, über das man reflektieren kann, aber weniger eine Vielfalt verschiedener Artungen. Wäre es eine Geschichte zu einem Werk von Dali oder Bach geworden, zu einem Gedanken von Augustinus oder Bonhoeffer, könnte ich mir da mehr Leichtigkeit und Tiefe zugleich denken.

Auch wenn ich es gern nochmals gelesen habe, meine vorgehend genannten Bedenken haben sich teilweise geglättet aber nicht aufgelöst, und obenstehend noch ergänzt. Das Lob hat zugleich aber auch etwas an Boden gewonnen. Soweit meine Perspektive.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

»[…] /
Bring doch meinem Kinde was, / Was soll ich ihm bringen? / Rothe Schuh mit Ringen, / Schöne Schuh mit Gold beschlagen, / Die soll unser Kindchen tragen. // […] Wagen und schön Schuh sind fort, / Stecken tief im Sumpfe, / Pferde sind ertrunken, / Hurra, schrei nicht Reitersknecht, / Warum fährst du auch so schlecht!«Aus: Wiegenlied; Ottmars Volkssagen, Bremen1800 S. 43 f., zitiert nach des Knaben Wunderhorn

Hallo Fitsch -

den Ulysses wirstu mit Sicherheit schaffen, selbst ich hab ihn dreimal geschafft (oder war’s umgekehrt?) in der Reihenfolge Goyert – Wollschläger – Joyce (mit freundlicher Unterstützung der genannten Übersetzungen), und dann geht’s an Finnegans Wake, und wenn’s zehn Jahre dauern mag -

und damit erst einmal herzlich willkommen hierselbst!

Schon die Einleitung rät dem Spartengegner von Horror u. a., bei der Stange zu bleiben, verknüpft der erste Satz doch Vergangenheit und Zukunft wie von einem alten Hasen souverän konstruiert, selbst wenn es nicht von jedem so wahrgenommen wird:

Ich weiß nicht mehr, ob es die Hitze war, die mich in der Nacht in diesen grauenschweren Tag hinein kaum schlafen ließ, oder eine Vorahnung der Ereignisse, die mir begegnen sollten,
wobei der Fokus – wie man heut so schön sagt, als wäre ein jeder Optiker, hätt’ aber ansonsten nix mit Pfuisik am Hut – auf der Grauenschwere liegt. Und doch warnt der Titel (dem eigentlich nur noch das Wörtchen "wahre" fehlt) zur Vorsichtig. Der wirklich "wahre" Traum wäre dann schon Münchhausen und das Kreta Lügen-Paradox in einem. Aber kann ja sein, dass Schmatzgeräusche einem Übermüdeten die seltsamsten Bilder erzeugt. Ansonsten halt ich mich gerne an Anakreon.

Aber – was auf jeden Fall feststeht:
Du kannst schreiben!, wenn es auch wie eine Art Hedwig Kurts Mahler in der Gartenlaube, oder moderner Pilcher`s Mother & Son in Horrorland wirkt (Anakreon hat schon Schwulst entdeckt, der eine oder die andere hat schon Rokokoeskes entdeckt). Gut getroffen ist auf jeden Fall, dass Horror i. d. R. im Kopf stattfindet und nicht unbedingt einer bei lebendigem Leibe gehäutet werden muss.

Wenn ohne den kleinen Bruder des Todes sich die Geräusche zu einem Rausch vervielfältigen, der einen Strudel bildet, um alles auf dieser Welt zu erfassen und in das Hirn zu ziehen, so kann das Wachsein keine Wirklichkeit bedeuten.

’n paar Anmerkungen, das Einfache zuerst!

Vermisste Kommas​

Nun lag sie da und stank, als ob ein Fisch in ihr wohnte, der seinerseits nur existierte[,] um Ärger und Bissigkeit auszuwürgen.

Sie beginnt zu summen, zu flirren[,] als habe sie Flügel wie ein Insekt.
Nebenbei wäre der Konjunktiv II „… als hätte sie ….“ Nicht eher angebracht als I?


Rechtschreibung und Übergang zum Modus​

Ist es denn nicht wahr, daß den Sinnen eines Übermüdeten der Halt fehlt, den er doch sonst in der Welt um ihn herum findet?
Das „dass“ (nach neuer Rechtschreibung) gibt mir Gelegenheit, den Konjunktiv zu empfehlen und gleichzeitig auf das Reflexivpronomen hinzuweisen, das in der 3. Person „sich“ ist:
Ist es denn nicht wahr, da[ss] den Sinnen eines Übermüdeten der Halt fehlt[e], den er doch sonst in der Welt um [sich] herum f[ände]?
Der Konjunktiv II äußert Zweifel (die ja in der Frage aufleuchten) und ließe sogar den Gedanken zu, dass das Gegenteil und alles ganz anders sein könnte.

Davon zu sprechen, es gebe eine fließende Zeit, ist nur vernünftig, wenn man auch eine stehende Zeit zulässt, denn wer wüsste sonst, dass es eine fließende Zeit gibt.
Wäre nicht der durchgängige Konjunktiv irrealis besser? Etwa so
Davon zu sprechen, es g[ä]be eine fließende Zeit, [wäre] nur vernünftig, wenn man auch eine stehende Zeit zul[ieße], denn wer wüsste sonst, dass es eine fließende Zeit g[äbe / alternativ: geben sollte].

Fehlerhafte Deutung aus meiner Sicht?​

Sie waren gegeneinander geneigt, bildeten Schiefen, die meine Knöchel mit jedem Tritt aufs Neue ausgleichen mussten.
Interessante Wortschöpfung, die bei einem in den Mittelrhein verträumten alten Romantiker sofort an den Komparativ Schiefer denken lässt: die / das Schiefe – die Schiefen//schief – schiefer – am …? Gibt’s das? Und ist nicht „schief“ vieldeutiger (schiefliegen, „schiefe“ Fresse / Vergleiche ziehen , schief sitzen / stehen, sich schief lachen usw. usf.) als man glaubt. Natürlich steht die Ekliptik schief (man könnte aber auch schräg sagen) und schiefe Ebenen lassen sich nicht leugnen, die dann aber weniger Schiefen als Schrägen sind. Aber die Platten in Deinem Bild bilden keine Ebene, stehn einfach nur „schräg“ gegeneinander … Find' ich.

Im Takt der verrinnenden Sekunden pulsierte mein Blut durch meine Schläfen und obwohl es in mir rauschte, hörte es doch niemand.
Hört nicht wenigstens der Icherzähler das Rauschen und wäre damit nicht das „niemand“ ausgeschlossen oder zumindest einzugrenzen? Oder hält der Icherzähler sich für einen Nieman(n)en? Ist das Selbstbewusstsein schlecht entwickelt?
…, hörte es doch niemand [außer mir / alternativ: - nur ich].

Ich ignorierte den Fahrkartenautomaten und im Hinsetzen in die vorderste Bank nahm ich wahr, dass die Bahn leer war.
Ein Schlingel und Schwarzfahrer, der Icherzähler. Aber ist die Bahn denn leer, wenn Fahrer und alte Frau darinnen sind? Wie voll ist denn der „leere“ (Welt-)Raum? Aber es folgt doch die Revision
Ich suchte Ablenkung und fand sie, indem mir bewusst wurde, dass die Bahn bis auf die Alte und mich leer war.

Merkwürdig, dass alte Leute sich auch in hochsommerlicher Hitze kleiden, als ob eisiger Winter wäre.
Nein, gar nicht merkwürdig: Die Mexikaner leben der Regel, „was gut gegen Kälte ist, ist gut gegen Hitze“. Seit dem Februar 1967 trage ich darum sommers wie winters eine Bundeswehrparka. Natürlich mit Innenfell.

… und die mich erinnerten an einen Bericht über kannibalische Urwaldvölker, die solche Ohren zum Schmuck und zum Beweis ihrer Schmerzbereitschaft durchbohren mit hölzernen Splittern.
Schön, dass wir gepiercten Karnivoren arg fortgeschritten sind und Metall im Ohr tragen, und interessant, dass Naturvölker mit ihren Riten in westliche Horrorszenarien eindringen.

Der Mund der alten Frau

war vollendet geformt: gleichmäßig, doch nicht langweilig; voll, aber nicht aufdringlich oder gar zu groß; sinnlich verlangend, jedoch nicht prostituiert und seine gesunde Röte war natürlich und glänzte, wirkte dennoch nicht lackiert, so dass mich dieser Mund beinahe erregte.
Die Aufzählung lässt mich stocken: Wie könnte ein Mund „prostituiert“ sein oder sich prostituieren? Von seiner Herkunft des Verbs prostituieren als „bloßstellen, entehren“ bis zur „gewerbsmäßigen Ausübung sexueller Handlung(en)“ ist gar kein so langer Weg, wenn man den sozialen Status Prostituierter bedenkt – was dann gleich auf den Anfang der Aufzählung zurückfällt: Kann ein Mund langweilig sein (gut, wenn ein Leben lange dauert, weilt auch der zughörige Mund lange). Der Betrachter kann sich höchstens gelangweilt fühlen. Find ich happig, wo einfach der „Kosemund“ genügte.

Nun aber schlägt die Olympiade zum Gemeinplatz durch zur schönen Stilblüte:

So hatte ich beim Einsteigen die Medaille gewendet: die Anonymität mit der Leere getauscht - …
Der Erzähler wird mir verzeihn, wenn ich ihm vertraulich den Satz übersetze der Art
So hatte ich beim Einsteigen die [(Ge)Denk-/Schaumünze] gewendet: die [Namenlosigkeit] mit der [leeren Menge] getauscht - …,
was keine Besserung erfährt, wenn man statt der Medaille die Volksweisheit, dass jedes Ding zwo Seiten habe, verwendet: Da wird nix getauscht, wer vordem anonym war, bleibt es auch in der Leere oder beim wenden/wechseln der Seiten.

Die Häuser rückten näher zur Straße und ihre Seelen blickten bösartig durch zertrümmerte Fensterscheiben, deren Scherben noch in den Rahmen steckten und scharfkantige, spitze Zähne bildeten.
Zudem verfällstu, indem Du die Dinge personalisierst, dem Pantheismus – wobei mir nicht klar wird, ob eher Panentheismus oder Theopanismus hier durchschlägt.

Die Albernheit, in einer ansonsten völlig leeren Bahn den Sitzplatz zu wechseln, verbot ich mir jedoch.
Wieder das schlechte Fahrgatsaufkommen als "völlige" Leere bezeichnet, um die Bahn leer zu reden (aber ist der Fahrer nicht auch wer?

Ich hatte panische Angst, die ich riechen konnte.
Ja, das ist richtig, dass man Angst riechen kann – Hunde können's sogar in kleinsten Ansätzen.

Es war das Fleisch meines Verstandes, das die Alte in ihren Zähnen zerfetzte.
Das ein schmatzender Mund einen an den Rand bringt, den Verstand zu verlieren spricht für eine beachtliche Geräuschkulisse oder für einen gewaltigen Gehörsinn.

Wie dem auch sei, Deine Auslassungen über die Zeit kommen der Auffassung nahe, wie Gottfried Keller sie formuliert hat (ich zitier nur die ersten zwei Strophen): »Die Zeit geht nicht, sie stehet still, / Wir ziehen durch sie hin; / Sie ist ein Karawanserei, / Wir sind die Pilger drin. // Ein Etwas, form- und farbenlos, / Das nur Gestalt gewinnt, / Wo ihr drin auf und nieder taucht, / Bis wieder ihr zerrinnt. // […]« Gottfried Keller, Die Zeit geht nicht

Trotzdessen micht ungern gelesen vom

Friedel

 
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Hallo Friedrichard,

herzlichen Dank für Deine in jeglicher Hinsicht ermunternden Worte. Sie haben für mich ebenso vielfältigen Wert. Ich habe schon etliche Deiner Anmerkungen zu den unterschiedlichsten Geschichten hier gelesen und wenn es eine Literaturgattung "Kritik" gäbe, so würde ich Deine Antworten auf so manches Geschriebene für die KG-Medaille empfehlen. Nicht nur, daß Du die Texte ernsthaft liest, Du verpackst Deine inhaltlich tiefsinnigen Anmerkungen auch noch so herrlich leicht und humorvoll. (Oha - jetzt werde ich mir womöglich wieder Groll einhandeln, bei dieser Adjektiveritis. Na, in dem Thread hier sei es erlaubt.)

Zum Ulysses per Wollschläger werde ich mir den Kölsch genehmigen - den mit dem Vornamen Hanskarl - und wenn mir die drei zu arg werden, vielleicht auch ein Frühes vorweg :-) Doch genug vorweg geklüngelt.

Deine Anmerkungen zur Orthographie habe ich gerne umgesetzt. Zu den Modi folgendes:

Sie beginnt zu summen, zu flirren[,] als habe sie
Flügel wie ein Insekt.
Nebenbei wäre der Konjunktiv II „… als hätte sie ….“ Nicht eher angebracht als I?
Danke - auch den Modus habe ich korrigiert.


Ist es denn nicht wahr, da[ss] den Sinnen eines Übermüdeten der Halt fehlt[e], den er doch sonst in der Welt um
[sich] herum f[ände]?
Der Konjunktiv II äußert Zweifel (die ja in der Frage aufleuchten) und ließe sogar den Gedanken zu, dass das Gegenteil und alles ganz anders sein könnte.
Da der Ich-Erzähler das eher als rhetorische Frage verstanden haben möchte, belasse ich es beim Konjunktiv I.

Davon zu sprechen, es gebe eine fließende Zeit, ist nur vernünftig, wenn man auch eine stehende Zeit zulässt, denn wer wüsste sonst, dass es eine fließende Zeit gibt.
Wäre nicht der durchgängige Konjunktiv irrealis besser? Etwa so
Danke - ich war so frei, Deinen Vorschlag zu übernehmen. Darf ich Dich damit in die "Quellenangabe" aufnehmen? Müßte aber nicht jetzt eine weitere Anmerkung kommen, daß auch in den nachfolgenden Sätzen der Irrealis zu erscheinen habe? Mal sehen...

Ich habe den Mund von "nicht langweilig" zu "nicht langweilend" geändert, das lang überlegte "prostituiert" so belassen. Ebenso bleibt die "Schiefe" drin - beinahe hätte ich sogar noch ein "willkürlich" davorgesetzt, wenn das nicht ein die Mathematik assoziierendes Adjektiv wäre. Du hast mir mit dem "Schiefer" eine Assoziation zu meiner Heimat untergeschoben. Dort wurde dieses Schichtgestein einstmals abgebaut - ha! da geht mir doch gerade ein möglicher Handlungsort für eine weit weniger komplexe Spukgeschichte durch den Kopf.

Nun aber schlägt die Olympiade zum Gemeinplatz durch zur schönen Stilblüte:

So hatte ich beim Einsteigen die Medaille gewendet: die Anonymität mit der Leere getauscht - …

Der Erzähler wird mir verzeihn, wenn ich ihm vertraulich den Satz übersetze der Art

So hatte ich beim Einsteigen die [(Ge)Denk-/Schaumünze] gewendet: die [Namenlosigkeit] mit der [leeren Menge] getauscht - …,


Ja, ich sehe es ein, wie lächerlich das wirkt. So schön, wie Du mir das zeigst, kann ich gar nicht anders, als es zu verbessern - danke!

Die Häuser rückten näher zur Straße und ihre Seelen blickten bösartig durch zertrümmerte Fensterscheiben...
Zudem verfällstu, indem Du die Dinge personalisierst, dem Pantheismus – wobei mir nicht klar wird, ob eher Panentheismus oder Theopanismus hier durchschlägt.
Diese personalisierten Häuser sind wohl panendämonistisch gemeint. Gibt es das auch in der Geschmacksrichtung "pluralistisch" - ich habe es doch in all dem Übermaß noch nicht einmal bei einer einzelnen armen Häuserseele belassen? (Könnte Heine wohl ironisch versuchen, zwei arme Häuserseelen in ein Dachstublager zu betten? Das wär doch mal was!)

Die Leere, die Leere - die werde ich mir in der Geschichte noch mal genau ansehen, wenn ich sie denn finde. Vielleicht bekomme ich sie etwas weniger störend in die Bahn hinein. In der Tat soll das Herumreiten auf diesem fast schon Ende´schen Nichts zeigen, daß eben die Alte und auch der nicht vorhandene Bahnfahrer -daß Dir dessen Fehlen aufgefallen ist; alle Achtung!- eben nicht mitzählen.

Und zum Schluß nennst Du mir noch einen Gottfried Keller! Als ich der Alten "sechs stachelgleiche, schwarze Haare, die aus einem Leberfleck an ihrem Kinn hervorstießen", mitgab, dachte ich auch daran, diese im Weiteren nicht mit Stecknadeln, sondern mit Spinnenbeinen zu vergleichen. Dann hätte ich aber den Kontrast "böses Kind mit Stecknadeln" und "gutes Kind mit Luftballon" nicht gehabt. Hier habe ich mich also mit der Zitiererei sagar noch zurückgehalten, wie ich meine.

Viele Grüße und
behalte Deine herzliche Wärme im Gemüt
(Sollte ich es wohl auch mal mit einem Parka versuchen?)

Fitsch


P.S.: Herrjeh, Gottfried Keller, Jeremias Gotthelf und die Theis-men - nun habe ich mich verhauen. Wie ich nur von Keller auf "Die schwarze Spinne" von Gotthelf kommen konnte, tsss...

 

Hi Fitsch,

ich hab zu danken für die Salbung, da kann man doch weniger der Adjektivitis als dem Öl grollen, darf ich mich doch wieder duschen ... Ach wat, spül'n wer't mi'm Pilsken oder Kölsch runner. Aber im Ernst: Der Vollzugsmeldung bedarf es nicht unbedingt, ist es doch immer der Text des Autors und wenn Vorschläge angenommen werden, ist das Dank genug. Gut ist, dass Du auch Ablehnungen begründest, wie hier

Da der Ich-Erzähler das eher als rhetorische Frage verstanden haben möchte, belasse ich es beim Konjunktiv I.
Und auch die vielleicht rhetorische Frage
Müßte aber nicht jetzt eine weitere Anmerkung kommen, daß auch in den nachfolgenden Sätzen der Irrealis zu erscheinen habe? Mal sehen...
Was korrekt wäre, doch ist der Autor intelligent genug, das jeweilige Zitat als Modell zu nehmen. Sonst würden die Beiträge oft länger als ihre Muttertexte.

ha! da geht mir doch gerade ein möglicher Handlungsort für eine weit weniger komplexe Spukgeschichte durch den Kopf -
wenn der junge Seyfried die schöne Maid aus den Klauen des bösen Drachens befreit ...
Woll'n wer ma' nich' den ollen Heine in seiner Matratzengruft stören ...

Herrjeh, Gottfried Keller, Jeremias Gotthelf und die Theis-men - nun habe ich mich verhauen. Wie ich nur von Keller auf "Die schwarze Spinne" von Gotthelf kommen konnte,
kann schon ma' vorkommen, solang man da nicht in die Käserei hineingerät.

Solltest Du mal einen Bart mit Parka nebst Aufschriften von Brecht (über die Gefahren des Alkohols) und Villon (Werd ich am Galgen hochgezogen, weiß ich wie schwer mein Arsch gewogen), sprich mich ruhig an.

Gruß

Friedel

 

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