Mitglied
- Beitritt
- 19.08.2015
- Beiträge
- 270
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 9
Ein Weihnachtsgeschenk für Anne
Vor langer Zeit lebte die kleine Anne mit ihren Eltern in einem winzigen Haus am Rande eines Waldes. Als es am Tag vor Heiligabend angefangen hatte kräftig zu schneien, konnte man das Häuschen kaum unter den schneebedeckten Tannen erkennen. Dem Kamin entstieg dunkler Rauch, der versuchte, sich seinen Weg durch die Schneeflocken zu bahnen. Es sah aus, als würde er tanzen.
Im Haus stand Anne vor dem Stubenfenster und drückte ihre Nase gegen die Scheibe. Interessiert sah sie dabei zu, wie ihr Atem an dem dünnen Glas zu einer wunderschönen Eisblume gefror. Trotz des Feuers im Kamin, war es Anne schrecklich kalt. Zu ihren Füßen lag kläglich maunzend Mieze, das magere, graue Kätzchen. Fröstelnd rieb sich Anne die Hände, hob das Tier hoch und ging zum Kamin, in dem die Flammen munter zuckten. Hier war die wärmste Stelle im Haus und Anne ließ sich neben ihren Eltern an dem hölzernen Tisch nieder. Mieze machte es sich auf ihrem Schoß gemütlich und als das Mädchen begann, es zart hinter den Ohren zu kraulen, schnurrte das Kätzchen leise. Der Vater war mit einer Schnitzarbeit beschäftigt. Kraftvoll und sicher führte er das Messer. Anne staunte immer wieder wie es ihm gelang, aus einem rohen Stück Holz so wundervolle Dinge wie die Jungfrau Maria, das Jesuskindlein oder die Heiligen Drei Könige herauszuarbeiten.
"Was wünschst du dir vom Weihnachtsmann?", fragte die Mutter, die Annes Sonntagskleid mit einem neuen Kragen verschönerte.
"Ein Paar Schuhe", sagte Anne ohne nachzudenken.
"Schuhe?", wunderte sich der Vater und strich ihr über die langen Zöpfe. "Du wünschst dir keine Puppe oder andere Spielsachen?"
"Nein", sagte Anne bestimmt und sah auf die alten Schuhe an ihren Füßen, die unter dem Tisch baumelten. Das Leder war dünn und abgewetzt und da wo ihre Zehen waren, klaffte ein riesiges Loch. Die Eltern waren arm und konnten kein Leder für neue Schuhe kaufen. "Nein", sagte sie noch einmal, "ich wünsche mir Schuhe."
Zur selben Zeit, an einem fernen Ort, lief der Weihnachtsmann mit großen Schritten über den Hof, wobei seine Stiefel tiefe Abdrücke im pulvrigen Schnee hinterließen. Am Tag vor Weihnachten gab es immer noch sehr viel zu tun, bevor er sich auf seine lange Reise zu den Kindern machen konnte. Vor der Werkstatt warteten schon aufgeregt die Rentiere. Sie waren stolz auf ihre Aufgabe, den Kindern Geschenke bringen zu dürfen. Freundlich begrüßte der Weihnachtsmann jedes einzelne der acht Tiere.
"Bald wird es losgehen", flüsterte er in ihre flauschigen Ohren, "hab noch ein wenig Geduld."
Beim Betreten der Werkstatt blieb er, überwältigt von dem geschäftigen und bunten Treiben, stehen. Der Raum war voll von Tische, an denen seine fleißigen Helfer auf die unterschiedlichste Weise bei der Arbeit waren: mal hochkonzentriert mit der Zunge zwischen den Lippen, mal lachend und scherzend. Flink liefen Wiesel zwischen den Tischen hin und her und verteilten Arbeitsmaterial. Hier fehlte ein Pinsel, dort ein Stück Stoff, ein anderer bat um Papierbögen. Im Raum duftete es angenehm nach Wald, denn überall standen bunt geschmückte Weihnachtsbäume. Umherfliegende und herumkrabbelnde Glühwürmchen sorgten zudem für stimmungsvolles Licht.
"Hallo Luci", begrüßte der Weihnachtsmann eines der Käferchen und winkte ihm zu. Luci grüßte zurück und krabbelte eilig weiter. Zu ihren Aufgaben gehörte es, sich Geschenke für die Kinder auszudenken, die keine Wünsche geäußert hatten. Darin waren Glühwürmchen große Klasse, denn ihnen ging immer ein Licht auf. Der Weihnachtsmann sah Luci nach, wie sie zu dem Tisch mit den anderen hellen Köpfen verschwand.
Die Werkstatt hatte vier mächtige Fenster, eines in jede Himmelsrichtung, vor denen die "Lauscher" saßen. Das waren Häslein, die mit ihren riesigen Ohren in der Lage waren, die Wünsche der Kinder zu hören.
"Hui", lachte der Weihnachtsmann und zog den Kopf zwischen die Schultern. Zwei große Krähen kamen im Tiefflug durch Öffnungen im Dach und ließen sich an den Tischen nieder; sie überbrachten die Wünsche in die Halle.
"Für Daniel eine Holz-Eisenbahn, bitte", krächzte eine und fuhr sich mit dem Schnabel durch ihr glänzend schwarzes Gefieder, bevor sie sich wieder auf den Weg nach draußen machte.
"Emilia wünscht sich eine Puppe mit langem braunen Haar", rief die andere und flog ebenfalls zurück zu den Hasen. Sofort machten sich die Biber, die sehr geschickte Baumeister sind, am Arbeitstisch ans Werk. Mit ihren scharfen Zähnen konnten sie wunderschöne Spielsachen aus Holz anfertigen. An einem anderen Tisch begannen geschickte Mäuse, aus Watte, Filz und brauner Wolle, mit der Arbeit an Emilias Puppe. "Stille Nacht, heilige Nacht", sangen sie mit piepsigen Stimmchen, als der Weihnachtsmann an ihnen vorbeischritt. Er sah noch an den Tischen der Bienen vorbei, deren Arbeit es war, die Geschenke hübsch zu verpacken.
"Sehr schön macht ihr das", sagte der Weihnachtsmann erfreut und verließ zufrieden die Werkstatt um in das Büro zu gehen. "Ich werde pünktlich losfahren können", dachte er dabei, "den fleißigen Arbeitern sei gedankt." Er öffnete die Tür und stand vor einem wuchtigen Schreibtisch, auf dem ordentlich sortiert die Weihnachtspost lag. Hier war das Reich seiner Frau. Sie war es, die die Briefe der Kinder beantwortete, dafür sorgte, dass ihre Wünsche in Erfüllung gehen und auch ja kein Wunsch vergessen wird.
"So, das war es", sagte sie und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Dabei schob sie die Brille von der Nase und rieb sich ihre müden Augen. "Alle Wünsche sind erfüllt."
"Prima", lobte der Weihnachtsmann, nahm sie an der Hand und zusammen gingen sie ins Freie. Hier stand der große Schlitten. Die Esel hatten inzwischen alle Geschenke aus der Werkstatt geholt und aufgeladen. Gerade waren viele kleine Spinnen dabei, ein großes, kräftiges Netz über die gesamte Ladung zu weben, welches dafür sorgen sollte, dass keines der Päckchen unterwegs verloren ging. Die Rentiere waren bereits eingespannt und trippelten unruhig auf ihren dünnen Beinen, als die Krähe Corvida schwungvoll auf der Schulter des Weihnachtsmannes landete.
"Halt! Halt!", krächzte sie aufgeregt. "Die kleine Anne aus dem Haus am Wald wünscht sich neue Schuhe." Nervös zwirbelte sich der Weihnachtsmann den weißen Bart.
"Haben wir noch genug Leder für ein Paar Schuhe?", fragte er die Eichhörnchen, die für die Lagerhaltung zuständig waren.
"Jede Menge, Chef", sagte Sciuri, der Kleinste aus der Truppe und rannte sofort zu dem Schuppen, in dem sämtliche Materialien aufbewahrt wurden. Wenig später ertönte ein Schrei:
"Es ist weg! Das Leder ist weg!" Kreischend kam er zurück.
"Weg?", fragte der Weihnachtsmann irritiert.
"Heute Mittag war noch eine ganze Rolle feinstes Leder da", berichtete Sciuri außer Atem, "das ist jetzt weg."
"Aber wie kann das sein?", wunderte sich der Weihnachtsmann und kratzte sich nachdenklich an der Nase.
"Vielleicht wurde es gestohlen", vermutete Sciuri.
"Der Weihnachtsmann wurde bestohlen!", sagte eine Biene zur Anderen, die gab es der Nächsten weiter und so machte es die Runde, bis es auch die Letzten vernommen hatten. Binnen kurzer Zeit summte, piepste, trillerte, krächzte und brummte es:
"Der Weihnachtsmann wurde bestohlen!"
"Still!", rief der und seine Stimme klang wie ein Gewittergrollen, so dass die Sensibelsten unter den Tieren zusammenzuckten. "Niemand bestiehlt mich, das Leder wurde sicher nur verlegt", sagte er. "Lasst uns auf die Suche gehen. Ich reise nicht ab, bevor wir Schuhe für Anne haben."
Sie teilten sich in Gruppen auf. Eine davon suchte den verschneiten Hof ab, schaute unter den Schlitten, sauste zwischen den Beinen der Rentiere hindurch, inspizierte deren Tränke, umgekippte Schubkarren und auch in den Brunnen schauten sie. Doch nichts, kein Leder. Eine andere Gruppe nahm sich die Werkstatt vor, sah unter den Tischen und auf den Regalen nach. Die Mäuse flitzten durch die Ställe, wühlten dort im Stroh, in Eimern und Säcken. Aber auch hier war kein Leder.
Sie versammelten sich alle wieder im Hof und berichteten wild durcheinander, als Luci plötzlich rief:
"Wo ist eigentlich Marta? Hat jemand Marta gesehen?"
Sofort trat Stille ein. Jeder dachte nach, wann und wo er das Murmeltier zuletzt gesehen hatte. Dann ging es erneut los:
"Ich habe Marta heute noch gar nicht gesehen", sagte eines der Häslein.
"Wie auch? Du hockst ja nur vor dem Fenster", rief die Krähe. "Ich sah sie heute morgen.
"Und ich beim Mittagessen", behauptete Finki, "danach wollte sie sich ausruhen."
"Aha", sagte der Weihnachtsmann, "das Leder ist weg und Marta ist weg."
"Marta hat das Leder geklaut", rief eine der geschwätzigen Bienen sehr zum Missfallen des Weihnachtsmannes.
"Ruhe!", donnerte er. "Ich habe da so eine Idee. Alle mir nach", sagte er nach kurzem Überlegen und lief zum Vorratsschuppen. Aufgeregt folgten sie ihm. Hüpfend, fliegend, laufend. Bevor der Weihnachtsmann die Tür des Schuppens öffnete drehte er sich zu seinen Helfern und legte den Zeigefinger auf die Lippen. "Jetzt aber mal ganz leise sein", flüsterte er und schlich hinein.
"Psst", machte der Weihnachtsmann und alle spitzen die Ohren. Nein, es war ruhig, keiner hörte einen Laut. Der Weihnachtsmann lief weiter ins Innere und jetzt hörten sie es:
"Rrrrr Ssssssch. Rrrrr Ssssssch." Es klang, als schliefe jemand tief und fest. Alle lauschten gespannt und versuchten, die Stelle auszumachen, von der das Schnarchen kam. Ganz hinten an der Wand des Schuppens, lagen einige leere Kartons zu denen der Weihnachtsmann auf Zehenspitzen lief. Vorsichtig räumte er sie zur Seite und als er sah, was darunter zum Vorschein kam, konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen. Zu seinen Füßen lag, eingekuschelt in das feine, weiche Leder, Marta, das Murmeltier und schlief selig.
"Das gibt es doch nicht", rief Sciuri, der als Erster an der Stelle war, laut aus. "Liegt einfach da und pennt. He, aufwachen." Er rammte seine Pfote dem Murmeltier in die Seite, so dass dieses erschreckt auffuhr.
"Wa, wa, was ist los?", stotterte Marta, "warum werde ich geweckt?"
"Wir brauchen das Leder auf dem du schläfst", sagte der Weihnachtsmann lachend, "es gibt noch etwas zu tun."
Dann scheuchte er alle aus dem Schuppen zurück in die Werkstatt.
"An die Arbeit." Aufmunternd klatschte der Weihnachtsmann in die Hände. Krustizius, der Krebs, kam angerannt und machte sich sofort mit seinen gewaltigen Scheren daran, das Leder auf die passende Größe zurechtzuschneiden. Danach übergab er die Teile den Spechten, die mit ihren kräftigen Schnäbeln Löcher hinein pickten. "Tock Tock Tock" machte es dabei und war so laut, dass sich alle in der Nähe die Ohren zuhalten mussten. Als Letztes waren die kleineren Vögel gefragt. Sie fädelten geschickt Schnüre durch die Löcher, um das Leder zu vernähen.
"Fertig", piepste Finki und gab die inzwischen mit goldenem Papier und roter Schleife verpackten Schuhe an den Esel weiter. Wie es die Art der Esel ist, trottete der graue Gesell gemächlich hinaus und schleuderte mit einem Ruck seines Kopfes das Päckchen zum Weihnachtsmann. Der saß schon abfahrbereit auf seinem Schlitten.
"Dankeschön!", rief er, als Annes Geschenk neben ihm auf den Sitz plumpste, "Danke euch allen." Dann schnalzte er laut mit der Zunge, die Rentiere zogen an und rannten mit klingenden Glöckchen los.
Gelangweilt lag Mama Fuchs im unterirdischen Bau und sah ihren beiden aufgeweckten Kindern beim Herumtollen zu. Ihr Zuhause war sehr eng und immer wieder passierte es, dass eines der Kleinen ihr mit der Pfote auf die Nase schlug oder versehentlich in den Schwanz biss. "Autsch!", rief sie dann und rückte ein Stück weg. Es war spät am Abend und gerade als sie am Einschlafen war, gab es ein leises, dumpfes Geräusch über ihrem Kopf. Mama Fuchs zuckte erschrocken zusammen.
"Was kann das gewesen sein?", dachte sie und stand auf, um nachsehen zu gehen. Vorsichtig streckte sie ihre lange Schnauze aus dem Bau, schnupperte ein wenig im Schnee und lief dann geduckt hinaus. Die Kinder sprangen übermütig hinterher, doch sie schickte die beiden wieder zurück und gebot ihnen, im Bau zu bleiben. Vorsichtig sah sich Mama Fuchs um. Als sie im Schnee lange, schmale Spuren entdeckte, dazu Fußabdrücke, wie Rentiere sie hinterlassen, war ihr klar: "Der Weihnachtsschlitten ist hier vorbeigefahren." Hell und rund stand der Mond am Himmel. In seinem Licht folgte sie den Spuren ein paar Schritte und sah sich ein weiteres Mal um.
"Was ist denn das?", wunderte sich Mama Fuchs, als sie in einiger Entfernung etwas Glänzendes im Schnee liegen sah. Mit einem großen Sprung war sie an der Stelle. "Ein Geschenk", freute sie sich, "morgen ist doch Weihnachten." Sie beäugte das goldene Papier, beschnupperte die rote Schleife und da der Fuchs ein besonders schlaues Tier ist, war Mama Fuchs sofort klar, dass dem Weihnachtsmann ein Geschenk vom Schlitten gefallen sein muss. "Hmm", dachte sie und sah im Geiste ein Kind, das sehr traurig darüber war, kein Weihnachtsgeschenk bekommen zu haben. "Das darf nicht sein", beschloss sie, nahm das Päckchen an der Schleife in ihr Maul und machte sich schnell auf den Weg, dem Weihnachtsmann hinterher zu eilen.
Sie war schon ein ganzes Stück den Spuren gefolgt, als sie ein Rehlein traf. Auf der Suche nach Futter hatte sich das scheue Tier aus dem Schutz des Waldes heraus gewagt.
"Hast du den Weihnachtsmann mit seinem Schlitten gesehen?", fragte Mama Fuchs das Reh.
"Nein", antwortete es. "Warum suchst du den Weihnachtsmann und was hast du da in deinem Maul?", wollte es noch wissen und Mama Fuchs erzählte ihm hastig ihre Geschichte. "Soll ich dich ein Stück des Weges begleiten?", fragte das Reh freundlich. Mama Fuchs winkte dankend ab und eilte weiter, wobei sie die Spuren des Weihnachtsschlittens nicht aus den Augen ließ. Endlich hörte sie die Glöckchen der Rentiere. "Es ist nicht mehr weit, altes Mädchen", feuerte sie sich an, als ihr die Puste ausging, "gleich hast du es geschafft." Der Weg führte sie ein Stück durch den Wald und als sie sah, dass der Weihnachtsmann eine Rast einlegte, sprang sie mit letzter Kraft weiter.
"Weihnachtsmann! Weihnachtsmann!", schrie sie so laut sie konnte, "du hast etwas verloren!" Der Weihnachtsmann hörte den Ruf von Mama Fuchs und lief ihr entgegen. "Hier Weihnachtsmann", keuchte sie, übergab ihm das Päckchen und fiel vor Erschöpfung in den weichen Schnee.
"Ich danke dir, meine liebe Freundin", sagte der Weihnachtsmann gerührt, kniete sich nieder und streichelte das erschöpfte Tier. Bevor sich ihre Wege trennten, versprach er Mama Fuchs, auf dem Rückweg an ihrem Zuhause vorbeizukommen, um ihr etwas von den süßen Leckereien abzugeben, die die Kinder ihm vors Haus stellten. Sie verabschiedeten sich wie zwei gute Freunde und Mama Fuchs machte sich auf den Weg zurück zu ihren Kindern. Das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben, zauberte ein Lächeln in ihr Gesicht.
Am nächsten Morgen hatten Anne und ihr Vater im nahegelegenen Wald für Heiligabend ein Bäumchen gefällt. Zum Schutz gegen Schnee und Kälte musste sich das Mädchen Lappen um die kaputten Schuhe binden.
In der Zwischenzeit hatte die Mutter aus dem Wenigen, das sie besaßen gebacken und nach ihrer Rückkehr duftete es verführerisch nach Lebkuchen, Äpfeln und Honig.
"Ich werde dem Weihnachtsmann später Kuchen vor die Tür stellen", rief Anne erfreut.
Am Abend saß sie mit den Eltern in der Stube. Im Kamin brannte ein Feuer, in dessen wohltuender Wärme die Mutter eine Weihnachtsgeschichte vorlas. Die kleinen Tanne, geschmückt mit den vom Vater geschnitzten Sternen und Engeln, stand in der Ecke. Mieze saß davor, betrachtete neugierig die an dünnen Schnüren aufgehängten Figuren und fand Gefallen daran, immer wieder mit der Pfote dagegen zu schlagen.
"Nein, nein, nein", sagte Anne, sprang auf und trug aus Sorge um die zierlichen Arbeiten des Vaters das verspielte Kätzchen hinaus in die Küche. "Hier hast du es gemütlich", tröstete das Mädchen und zog Miezes mit Stroh gefüllten Sack näher an den Herd. Die Katze ließ sich darauf nieder, rollte sich zusammen und zeigte Anne den Rücken. Schmunzelnd ging das Mädchen zurück in die Stube.
"Ob mir der Weihnachtsmann neue Schuhe bringen wird?", fragte sie und betrachtete die durchnässten Lappen, welche zum Trocknen am Kamin hingen.
"Wir werden sehen", sagte der Vater, "du musst dich in Geduld üben."
Die Mutter bat Anne das Gedicht vom Knecht Ruprecht vorzutragen. Ohne zu zögern begann sie und war bereits bei der zweiten Strophe angelangt:
"Die Kerzen fangen zu brennen an, das Himmelstor ist aufgetan. Alt und Jung sollen nun, von der Jagd des Lebens einmal ruh´n ", als ein zartes Kratzen zu hören war.
"Das ist der Weihnachtsmann", rief Anne erfreut und öffnete die Tür. Doch es war nur Mieze die geduckt hereingerannt kam. Beleidigt darüber, dass man es ausgesperrt hatte, suchte sich das Kätzchen einen sicheren Platz unter der Eckbank.
Mit der Dämmerung kam auch der Weihnachtsmann zu dem kleinen Haus am Wald. Leise, damit ihn die Bewohner nicht bemerkten, zügelte er die Rentiere bereits an den letzten Bäumen. Als er zur Haustür schlich konnte er hören, dass im Inneren des Hauses gesungen wurde.
"Ihr Kinderlein kommet, oh kommet doch all", summte der Weihnachtsmann mit und legte Annes Geschenk ab. Als er nach dem Teller mit Kuchen und Obst griff, erinnerte er sich lächelnd an seine Begegnung mit Mama Fuchs und an die Aufregung, die es um Annes Weihnachtsgeschenk gegeben hatte.
Noch am selben Abend fand Anne ein goldenes Päckchen mit roter Schleife vor. Aufgeregt packte sie es auf und mit einem Freudenschrei zog sie die neuen Schuhe hervor. Noch lange sah man sie bei Mondschein im Schnee tanzen; froh darüber, keine nassen und kalten Füße zu bekommen.