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Ein Videoabend mit Freddy, Susan und Rennie
»Ich hab uns n Film mitgebracht«, sagte meine Freundin lächelnd und schwenkte die flache Packung, auf der »Atlantis Video« stand.
Ich war bereits im Nachtdesign – formlose Baumwollhose und imitierte Antalya - Nike - Schlappen-, und dachte, ich hätte den erforderlichen Entspannungsgrad erreicht, um aller Unbillen Herr zu werden, aber: weit gefehlt.
»Atlantis Video« war die von meiner Freundin bevorzugt frequentierte Ausleihe, vermutlich wegen des Namens, und der passte: sie brachte stets Filme mit, die meiner Meinung nach besser auf den Meeresgrund gehörten.
Wähnte ich mich noch eben als unbehelligter Restposten eines mittelprächtigen Arbeitstages, zuckte jetzt leise Panik in mein Nervensystem.
»Was denn«, fragte ich, bemüht, unbeteiligt zu wirken.
Innerlich hingegen war ich kurz vorm Bersten, obwohl wir fast alle Disneyfilme durchhatten; im Prinzip hatte ich nicht allzu viel zu befürchten.
»Das errätst du nie«, flötete sie.
Das ist mal sicher, dachte ich. Sie sah zauberhaft aus, aber sie war der Engel des Verderbens.
Ich schaute in mein Nokia, Option Kalender.
Fehlanzeige... sie war weder kurz vor, noch mitten in ihrer Periode.
Letzteres wäre mir im Rahmen üblicher Inspektionsmaßnahmen sowieso aufgefallen.
Unterm Strich bedeutete dies, das weder »Legenden der Leidenschaft«, noch »Der englische Patient« zu befürchten waren.
Fein.
»Stimmt... das errate ich nie«, erwiderte ich lauernd.
Mein innerer Beziehungsscanner sprang leise summend an:
Müll runtergebracht - positiv.
Wenigstens zwanzig von siebenhundertzwanzig Netto –Tagesminuten charmant und einigermaßen umgänglich gewesen - positiv.
Gesagt, dass ich sie liebe – negativer Quittungston.
»Ich liebe Dich«, sagte ich.
Sie zog die Stirn in Falten; ich konnte diesen Punkt abhaken.
Dumm nur, das ihre Mine ins Grüblerische spielte.
Wenn sie schlecht gelaunt war, konnte das locker »Der König der Löwen« bedeuten.
Offensichtlich haben putzig gezeichnete Löwenbabys eine stimmungsaufhellende Wirkung bei Frauen - bei Männern hingegen wird der gleiche Effekt durch den Film »Der blutige Pfad Gottes« ausgelöst, in welchem allerdings eine alarmierende Unterzahl von Wildkatzenjungen vorherrscht.
Der Scan lief weiter, und prüfte mein Verhalten auf ghK`s.
Ganz herber Kardinalsfehler 1: Messer in gewagtem Winkel im Nuttelaglas stecken lassen – negativ.
Ganz herber Kardinalsfehler 2:Gefesselt durch anspruchsvolle Toilettenlektüre (Lassiter, Batman- der Tag der Narren) versehentlich monströses Souvenir in der Schüssel hinterlassen - negativ.
Ganz herber Kardinalsfehler 3: durch Anschluss der Playstation2 zum Zwecke unreflektierten Tötens von Aliens so konsequent den Fernseher verstellt, dass der Genuss von »Gute Zeiten, Schlechte Zeiten« nur durch enervierendes fummeln an kleinen Rädchen zu bewerkstelligen ist - negativ.
Scan abgeschlossen. Klicken Sie auf »weiter«.
Ergebnis: ziemlich lieber Junge.
Ich hatte nichts zu befürchten.
»Was haste denn da«, fragte ich scheinbar desinteressiert, einen von diesen Filmen?«
»Diese« Filme waren Werke folgenden Inhalts:
Mittelalter Mann, der beruflich etwas unter Druck steht, was ihn zu einem menschenverachtenden Monstrum macht, verliebt sich in eine fahle Nachwuchsschauspielerin mit kleinen Brüsten, die originell, aber unheilbar krank ist.
Sie stirbt, er trägt ab diesem Zeitpunkt »Miami Dodgers« Baseballkappen, ist geläutert und wird so lässig, das es wehtut.
Abspann, ein Rennie, dankesehr.
»Nee«, sagt sie, »rat noch mal.«
Ich darf noch mal raten?
Hab ich Geburtstag?
»Doch nicht etwas mit Freddy Prinze?«
Nicht, wenn es einen Gott gibt.
Der gute Freddy hat ausschließlich Filme gemacht, in denen er den ultimativen College - Supertypen spielt, und zwar wie dieser aussehen würde, wenn Calvin Klein ihn aus Lavendelseife geschnitzt hätte.
Irgendein unscheinbares Huhn liegt ihm zu Füßen, er jedoch beachtet sie nicht, bis sie sich mit einigen kleinen Modifikationen als sexy Neutronenbombe in schwarzem Chiffon zu erkennen gibt, was dazu führt, das er ihr geläutert verfällt.
Diese Filme heißen stets »Eine wie keine«, »der Eine oder Keiner«, »Einer wie Keiner« oder »Keiner außer Meiner«.
Soviel Rennie hab ich in der Regel gar nicht im Haus.
»Nö«, flötete sie, und ich erkannte mit Schrecken, dass sie Spaß hatte.
Warte, Luder, bis ich heute abend im Bett meine alten Hui - Buh Kassetten rauskrame, dachte ich. Das wird dich lehren, Weib...
»Ich gebs auf. Was ist es?«
»Thelma & Louise«, lächelt sie.
Ich sage nichts; der Film ist zu brisant.
Er enthält eine Sexszene mit Brad Pitt, von dem wir Männer damals noch verächtlich sagen konnten, er sei ein (Nase rümpfen, jetzt das Wort bitte geradezu ausrotzen) »JEANSMODEL«, eine furchtbar kompetente Geena Davis und eine gutmütterliche Susan Sarandon, die über sich hinauswächst.
Dann fällt mir der Schluss ein; eine aus weiblicher Sicht realistische Einparksequenz auf einem ziemlich großen, recht steil abfallenden Stück Land ohne große Bebauung, und ich lächele sanft.
»Toll«, sagte ich. »Ich muss nur rasch an den Medizinschrank.«
Noch vier Rennie.
Könnte reichen.
»Der Schluss ist das Beste«, sagte ich noch und machte es mir auf der Couch gemütlich.
Klasse, wenn man sich auf was freuen kann.