- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 2
Ein Verhängnis names Martias
Martias war seit einem halben Jahr in meiner Klasse. Für mich war er eigentlich nie was Besonderes gewesen. Aber als ich dann mit meiner Familie für sechs Wochen, während der Sommerferien nach Amerika flog vermisste ich ihn so sehr, dass ich alles getan hätte um ihn wieder zu sehen. Wahrscheinlich hätte ich sogar meine Seele
an den Teufel verkauft um Martias anschauen zu dürfen. Wie naiv ich doch war!
Nach den Sommerferien war ich so glücklich endlich wieder in die Schule gehen zu dürfen, denn dort konnte ich meinen Liebling Martias umschwärmen.
So verliebte ich mich Stück für Stück in ihn. Mal mochte ich ihn mehr mal weniger.
Er beachtete mich kaum und redete sowieso nicht mit mir. Irgendwann nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und gestand ihm meine Liebe. Doch er lachte mich nur aus und fragte: „Soll das ein Witz sein? Ich gehe doch nicht mit so einer wie dir. Ich habe eine echt coole Freundin. Das weißt du genau, Jennifer.“
Ich war so geschockt so was hatte ich echt nicht erwartet! Mir hatte jemand erzählt: „Jenny, du magst doch Marty?“ so wurde Martias Namen unter Freunden abgekürzt. „Jedenfalls hat Marty mit seiner Freundin Schluss gemacht. Vielleicht hast du ja eine Chance bei ihm...“
Trotz, dass mich Marty tief gekränkt hatte war es das erste mal, dass er mich bei meinem Namen genannt hatte. Ab diesem Tag musste ich mir oft solche Beleidigungen von ihm an hören. Irgendwann hörte ich einfach weg. Ein ganzes Jahr ging das ganze so weiter. Ich hoffte, dass meine Zuneigung zu ihm nach einiger Zeit nachlassen würde, denn ich liebte ihn noch immer. Er konnte so mies zu mir sein wie er wollte. Der Hass auf ihn dauerte nie länger als ein Tag. Dann sah ich ihn wieder und verzieh ihm alles, denn ich fand er sei der süßeste Typ auf der ganzen Welt. Irgendwann fragte er mich: „Willst du mit mir gehen?“ Ich fiel aus allen Wolken.
Klar wollte ich. Er sah ja nach wie vor super süß aus und ich war nicht mehr das einzige Mädchen, dass ganz wild darauf war mit ihm zu gehen. Ich antwortete ihm,
trotz allem, was er mir angetan hatte mit: „Ja Marty!“ Ich war im 7. Himmel, war nicht mehr in der Lage zu überlegen. Doch leider stellte sich heraus, dass die ganze
Aktion nur ein: „Witz“ war, wie Marty sagte.
Mit der Zeit lernte ich meine Gefühle in den Griff zu bekommen. Marty war zwar süß
aber bald fand ich auch in anderen Freundeskreisen nette Jungen. Doch Marty blieb auch da meine Nummer 1. Ich schaffte es sogar ihn soweit aus meinem Kopf zu verbannen, dass ich nur noch sein Aussehen cool fand.
So ging das 9.Schuljahr zu Ende ohne das sich die Situation zwischen uns bedeutend geändert hatte. Es gab ein paar seltene Momente, wo ich das Gefühl hatte, dass zwischen uns doch etwas war. Denn einmal stand ich durch Zufall 15cm vor ihm und er schaute mir direkt in die Augen. Für ein paar Sekunden spürte ich so ein warmes Kribbeln, als ob ein kleines Feuerwerk zwischen uns beiden brennen würde.
Ich wusste genau, dass er dasselbe gespürt haben muss, denn er drehte sich
peinlich berührt weg. So was passierte uns öfters, aber nie sagte einer von uns etwas dazu.
Unsere Sommerferien waren schon zum Greifen nah als bekannt gegeben wurde, dass unsere Stufe eine Party feiern würde. Alle 90 Schüler und sogar ein echter DJ sollten kommen. Die Vorbereitungen liefen wie am Schnürchen und der besagte Abend rückte immer näher. Längst waren die Kleider von uns Mädchen gekauft und geplant wer mit wem auf den Party geht. Meine Freundin und ich trafen uns vorher mit ein paar Mädchen aus unserer Klasse und gingen dort gemeinsam hin.
Martias kam natürlich auch. Allerdings war nicht klar mit wem er hingehen würde, da er keine feste Freundin hatte.
Ich war total aufgeregt und erwartete sehnsüchtig den Moment in dem Marty auftaucht und mich in meinem neuen Kleid sehen würde. Ich würde ihm bestimmt gefallen und vielleicht hätte ich ja dann eine Chance bei ihm...
Die Stimmung war gut und es gab schon einige Mädchen und Jungs die zu tanzen begonnen hatten. Wir standen bei den Getränken, von denen man prima die Tür und jeden der rein kam erkennen konnte.
Da kam Marty!
Sein rotblondes Haar glitzerte im Licht der Diskokugel und seine blauen Augen strahlten wie eh und je. Er hatte ein dunkelrotes Hemd an und dazu eine passende Hose. Er kam auf mich zu und ich wollte ihn gerade fragen, ob er mit mir tanzen will, als Susanna an mir vorbeilief und mir zuvor kam.
Also beschloss ich noch eine Weile zu warten und ihn später noch mal zu fragen. Meine Freundinnen gingen tanzen, aber ich lehnte ab und beobachte ihn. Er lächelte mir die ganze Zeit zu. Hatte ich doch noch eine Chance bei ihm?
Thomas, Martys Freund, kam zu mir und fragte mich, wie wahrscheinlich es wäre, dass Susanna mit Marty zusammen kommen möchte. Schließlich müsste ich mich bei so einem Mädchenkram ja auskennen. Ich war total schockiert! Was sollte diese Frage? Dann erklärte mir Thomas, dass Marty in Susanna schon ungefähr seit längerem, genauer konnte er sich nicht ausdrücken, verliebt ist. Bis jetzt hatte er aber keine Chance bei ihr.
Klasse, dieses Gespräch verdarb mir den ganzen Abend. Aber irgendwie schaffte ich es noch diese Situation zu verschlimmern.
Unabhängig davon, dass ich Marty aus der Sicht verloren, hatte rannte ich auf den Flur und ihm dort direkt in die Arme. Na prima! Das hatte mir gerade gefehlt. Ich vergaß die Welt um mich herum und starrte ihn völlig geistesabwesend an, worauf er nur nachfragte was los sei. Also gestand ich ihm zum zweiten Mal, dass ich ihn liebte. Mit einem perfekten Timing kam Susanna angelaufen und küsste Marty auf den Mund. Danach erklärte sie uns beide, dass Marty jetzt ihr Freund wäre.
Für mich war das zu viel. Besinnungslos rannte ich in meinem tollen Kleid, das keinen interessiert hatte einfach davon. Als ich wieder zu mir kam, saß ich auf dieser riesengroßen Holzbrücke, die bei uns im Wald ist. Genauer saß ich direkt auf dem Brückengeländer. Es war ein warmer Frühlingsabend und um mich herum grünte und blühten die Bäume und Blumen im goldenen Abendlicht. Doch in mir drin waren alle Gefühle wie eingefroren. Ich konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Das einzige was ich genau wusste war, dass ich Martias niemals für mich gewinnen konnte und dieser einzige Gedanke brach mir das Herz.
Die Sommerfreien am Ende der 9.Klasse verliefen dann wieder ganz geruhsam. Ich vermisste Martias kein bisschen. Ich freute mich sogar darauf, dass ich von ihm getrennt war.
Während der Ferien durfte ich für zwei Wochen zu meiner Freundin Sophia fahren. Sie lebte in Italien mit ihren Eltern in Piombino und dort fühlte ich mich verdammt wohl. Ihr Dorf lag an der Küste der Toskana ca. 100km von Pisa entfernt. Sie war ein Jahr älter als ich, 17. Wir beide hatten so ziemlich dieselben Interessen und den gleichen Geschmack in Sachen Jungs.
Wir hatten uns schon im Kindergartenalter kennen gelernt, als ihre Eltern die Eisdiele bei uns im Nachbarhaus, von wiederum ihren Eltern übernommen hatten. Mittlerweile waren sie wieder nach Italien zurückgekehrt. Ihnen hatte das schöne trocken-warme Klima, die Sonne und natürlich die Mentalität ihres Landes gefehlt. Aber dennoch kamen sie öfters nach Deutschland zu Besuch, da auch das eine Heimat für sie ist. Ihre deutsche Eisdiele ‚Vivola’ blieb selbstverständlich in der Familie und wurde nur von einem anderem Familienmitglied geleitet. Sophias Eltern hatten in Italien ‚Vivola’ neu eröffnet, denn Eis war ihr Leben und ihre Spezialität.
Als Sophia und ich in die Eisdiele gingen trafen wir Sophias Freund, Mario. Er war 18 Jahre und hatte einen 17jährigen Bruder. Ich lernte diesen supersüßen Italiener kennen und hatte auch bald mein erstes Date mit ihm. Er hieß Filippo und hatte fast Ebenholz schwarze, kurze, lockige Haare. Filippos Augen waren so braun, dass man vollkommen darin versinken konnte. Groß, stark und gut gebräunt war er sowieso. Typisch italienisch.
Ich kannte ihn erst seit einer Woche, aber Filippo schien rund um beliebt zu sein. Meiner Freundin und mir gegenüber verhielt er sich äußerst lieb und offen.
Seit langer Zeit war er der erste Junge mit dem ich mich ziemlich ehrlich und toll unterhalten konnte. Zwischen uns war aber nicht dieses prickelnde, feurige Knistern
der wirklich großen Liebe, wie man das oft in Büchern ließt: „... und sie sahen sich verliebt in die Augen, alle Umstehenden konnten das Band der wahren Liebe in der zwischen den zwei Liebenden spüren...“
So umwerfend war mein Date mit Filippo leider doch nicht. Nachmittags trafen wir zwei uns vor seinem Lieblingscafè. Als ich dort ankam begrüßte er mich mit:„Ciao Bella, hast du Lust auf einen Cappuccino mit einer extra Portion Liebe zubereitet?“ So ein Angebot konnte ich nicht abschlagen also meinte ich mit übertriebenen Ernst: „Bei so einem Typ wie dir kann mal doch nie nein sagen...“ Filippo schaute mich an und wir mussten beide laut loslachen. Zu zweit immer noch kichernd betraten wir das Café und setzten uns auf seinen Stammplatz. Natürlich spendierte Filippo mir auch den Kaffee. Er fragte mich: „Ist deine Freundin jetzt nicht sauer auf dich? Ich meine, immerhin bist du bei ihr zu Besuch...“ Ich lachte ihn an und sagte: „Ne die ist nicht sauer auf mich. Sie ist mit deinem Bruder Mario unterwegs. Ich glaube, die wollten nach Elba. Wusstest du das nicht?“ Filippo grinste und meinte: „Solange Mario dich nicht irgendwohin verschleppt ist es mir egal, was er macht.“ Ab dann unterhielten wir uns über andere Themen. Wir quatschten übers Skifahren, über das Mittelmeer, über Vulkane und über Gott und die Welt. Jedes noch so langweilige Thema wie das Wetter oder Insekten wurde mit Filippo zu einem hochinteressanten Gespräch. Nach etwa 2½ Stunden kam uns dann doch die Idee am Strand spazieren zu gehen. Wir zogen unsere Jacken an und verließen das Cafe. Arm in Arm schlenderten wir durch den Sand ans Meer hinunter. Die ganze Landschaft wurde von der untergehenden Sonne in ein warmes orange getaucht. Schweigend und von dem Sonnenuntergang fasziniert schaute ich zu ihm auf. Als er meinen Blick mit seinen Augen auffing, spürte ich so ein leichtes Kribbeln in meinem Bauch. Doch da war noch mehr, der Wunsch ihn zu berühren.
Filippo nahm seine Hand und strich mir sacht über die Wange. Ich legte ihm meinen Arm um den Hals. Er zog mich an sich. Jetzt standen wir voreinander und schauten uns tief in die Augen. Ich strich ihm mit meiner freien Hand durchs Haar, während Filippo beide Hände auf meine Wangen legte und mich ganz lieb auf den
Mund küsste. Dann geschah das, worauf ich Jahre lang gewartet hatte und es hatte sich gelohnt.
Wir lösten uns aus der Umarmung und ich schaute auf meine Uhr.
„Oh Shit“ rief ich „Filippo wir haben 22Uhr. Ich sollte vor einer halben Stunde bei Sophia sein und ich brauch, für den Weg mindestens 25 Minuten!“ Filippo sagte: „Keine Panik, Ich kann dich mit dem Roller nach Hause bringen, okay?“ „Hab ich ne andere Möglichkeit?!“
Filippo huscht ein lächeln übers Gesicht. Ich lief ihm hinter her und wir beeilten uns so schnell wie Möglich da zu sein.
10 Minuten später stand ich vor der Haustür meiner Freundin. Als ich klingelte machte mir eine echt besorgte Mutter auf und fragte mich: „Jennifer wo ist Sophia? Ist sie nicht mit dir weggegangen?“ Ich antwortete: „Mir hat sie gesagt, dass sie mit Mario weg wollte wusstest du das nicht?“ „Oh mein guter Gott!“ rief Eva, Sophias Mutter. „Mario! Warum ausgerechnet mit Mario?“ Dann meldete sich Filippo zu Wort, der immer noch da stand: „Ehm ich glaube, ich weiß sie hingefahren sind. Dort ist er fast jedes Mal, wenn er mit einem Girl unterwegs ist.“ Eva schrie fast: „Wo ist mein Kind?“ Danach schluchzte sie auf. Ihr Mann, Marco erschien in der Tür und fragte Filippo: „Hast du ein Handy?“ „Ja wieso ?“ Antwortete Filippo. „Dann fahr jetzt los und such bitte deinen Bruder mit meiner Tochter. Du kannst dich ja dann melden.“ Also gab Filippo Marco seine Handynummer und wollte losfahren. Doch ich protestierte: „ Hey Filippo nimm mich mit! Das ist meine Freundin und du bist mein Freund! Bitte!“ Er konnte mir nicht widersprechen und Sophias Eltern auch nicht. Also gab Filippo mir den Helm und wir fuhren mit seinem Roller los.
Es war mittlerweile so dunkel, dass ich nur noch auf der Straße den Lichtkegel von der Lampe sehen konnte. Doch Filippo fuhr vorsichtig und vielleicht nur ein klein bisschen zu schnell.
Gegen viertel nach 11Uhr durchquerten wir einen kleinen Ort. Dann fuhren wir an riesigen Sonnenblumenfeldern vorbei und weiter auf einen Berg von wo aus man über ganz Piombino sehen konnte. Dort stellte Filippo seinen Roller ab und sagte zu mir: „Hier treffen sich die Pärchen, na ja und Lumpen, jeder der ungestört sein will. Deswegen sollten wir den Roller stehen lassen!“ Ich konnte nicht anders als ihm zu vertrauen. Also ging ich neben ihm her. Schon bald darauf kamen uns merkwürdige Gestalten entgegen. Die meisten von ihnen waren besoffen oder sahen mindestens heruntergekommen aus. Jedenfalls stanken sie fürchterlich. Dann kam einer von denen auf mich zu und nuschelte etwas in undeutlichem italienisch. Weiter kam der Kerl glücklicherweise nicht, denn Filippo zog mich aus seiner Reichweite. Von Liebespärchen war nicht die Spur zu sehen. Filippo nahm mich beschützend in den Arm. Das war sehr nett gemeint aber bei diesen Kreaturen fürchtete ich mich dennoch. Also, zu gegeben, ein bisschen wohler fühlte ich mich schon.
Filippo schaute mich an: „Hast du immer noch Angst?“ Ich nickte und wieder sahen uns ein paar Typen schief an. „Es tut mir Leid, dass ich dich hier mit rein gezogen habe.“ sagte Filippo nach einer kleinen Schweigeminute. Meine Antwort war: „Hey das ist meine Freundin. Ich habe dich da mit rein gezogen!!!“ „Aber es ist mein Bruder der diesen Mist gemacht hat, also...!“ Als wir uns ansahen mussten wir loslachen. Es war ja auch zu dumm, dass wir beide versuchten die Schuld auf uns zu nehmen.
So gingen wir noch ungefähr eine ¼ Stunde über diesen Berg. Aber dann sahen wir wie Sophia und Mario mit verschränken Armen nebeneinander standen.
Sophia weinte! Ihr liefen dicke Tränen die Wangen runter. Das jagte mir einen riesen Schrecken ein. Ich lief auf sie zu: „Sohpi was ist los?“ Sie fiel mir in die Arme und schluchzte los. Als sie Filippo sah wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und meinte: „Hi danke, dass du vorbeigekommen bist. Dein Bruder hält mich nicht für reif genug um mit ihm...“ Sie kämpfte mit den Tränen und zog an meinem Arm um hier wegzukommen. Mario rief: „Hey was ist?? Du kannst mich doch nicht einfach hier so sitzen lassen!?“ Die einzige Antwort, die er bekam war: „Du Arsch!! Ich will dich nie wieder sehen!!!“ Dann heulte sie wieder auf und rannte weg.
Nach ein paar Metern konnte ich sie festhalten. Ich beruhigte sie. Filippo kam auf uns zu und meinte: „Sophia du kannst doch Roller fahren?“ „ Ja wieso ?“ „Hier ist der Schlüssel. Jenny weiß wo er steht. Ich fahre dann mit meinem Bruder nach Hause.“
Sophia sagte nur: „Ok. Danke.“ „Filippo! Aber wir...“ rief ich ihm hinterher.
„Wir sehen uns morgen, Jenny! Fahr nur mit deiner Freundin...Ciao“
Mehr hörte ich nicht, dann Sophia zog mir am Arm und fragte: „Wo steht der Roller?“
Wir kamen im Stockdusterem, total übermüdet bei Sophia zu Hause an. Ihre Eltern waren dermaßen nervös, dass sie uns fast umgerannt hätten, als wir das groß gebaute Haus heftig zitternd betraten. Sofort wurden wir mit Fragen überhäuft, die uns alle durcheinander gestellt wurden. Als es klingelte brach der Redefluss vorerst ab. Es war Filippo, der wissen wollte, ob wir gut Daheim angekommen sind.
Natürlich waren wir das, also gab ich meinem Schatz seinen Rollerschlüssel zurück und erntete dafür einen dicken Schmatzer. Sophia und ich verabschiedeten ihn und verabredeten uns mit ihm für morgen.
An diesem Abend redeten Sophia und ich nicht mehr so viel vorm Einschlafen, wie die langen Nächte zuvor. Das lag erstens daran, dass Sophia immer noch ziemlich enttäuscht von Mario war und zweitens daran, dass wir hundemüde waren.
Am nächsten Tag bekam ich von Sophias Eltern eine Karte, die gerade mit der Post gekommen war. Sie war mit dunkelblauem Meer bedruckt und kam, wie ich jetzt erst bemerkte aus Korsika von meiner Freundin Marie.
Sie schrieb:
Hallihallo Jenny!
Ich bin sicher, dass du irre Spaß hast in der Toskana. Deine Mutter hat mir die Adresse gegeben und ich muss dir das unbedingt schreiben!!
Bei uns ist es nicht so toll. Marti war in letzter Zeit öfters bei mir.
Er sagt er hat irre Liebeskummer nach dir und will dich sofort wieder sehen. Woher sein Sinneswandel kommt hat er nicht erklärt.
Na ja. Meine Ferien auf Korsika waren echt superklasse! Mehr erzähle ich dir, wenn wir wieder da sind.
Bis bald, deine Marie.
Nach dem Brief waren meine Gefühle völlig aufgemischt. Mein Traumboy verzehrt sich in Liebeskummer nach mir. Das gefiel mir wirklich. Aber ich befürchtete, ich könnte die restliche Zeit mit Filippo nicht mehr genießen, denn ich dachte nur noch an Marty. An ihm hatte ich was festes, ich wusste wie er reagiert, was er sagt. Eigentlich wusste ich alles über hin. Das war für mich nicht verwunderlich. Schließlich kannten wir uns schon ewig. Er war eben meine große Liebe.
Mein erster Gedanke beim Lesen des Briefes war, sofort aufzuspringen und Martias anzurufen. Das wäre allerdings viel zu überstürzt und um nicht wieder so grausam enttäuscht zu werden rang ich mich durch es nicht zu tun. Ob es mir passte oder nicht, ich musste warten, bis wir uns wieder sehen würden.
Mir blieben noch ein paar Tage im schönen Italien, die wir auch gut nutzten. Wir fuhren am Wochenende mit Sophias Familie nach Elba rüber und verbrachten dort den ganzen Samstag. Filippo konnte glücklicherweise auch mitkommen.
Die Insel gefiel mir richtig gut! Zwischen den herrlichen Wein- und Olivenplantagen spazierten wir lang und kamen zum Mittag bei Sophias Oma an. Die hatte bereits gekocht und es gab Spaghetti a la Großmama für alle. Sie wohnte am östlichen Rande von Portoferraio, dem „größten“ Ort auf Elba. Zu Beginn der Dämmerung, als die Sonne sich langsam orange färbte, verließen wir die Insel wieder. Mit einem Seufzer auf den Lippen stieg ich auf das Schiff und genoss, den letzten Anblick dieses wunderschönen Insel Italiens.
Abends fuhren Sophia und ich noch mit zu Filippo nach Hause. Sie wollte noch mal mit Mario reden. Davon waren ihre Eltern gar nicht begeistert, aber sie ließen uns ziehen. Als bei den beiden dann auf italienischer Art und Weise die Fetzen flogen meinte Filippo: „Na, schau mal. Es läuft doch wieder.“ Dabei grinste er und wir gingen in sein Zimmer. Es war relativ klein und überall an der Wand hingen Bilder von verschiedenen Sonnenuntergängen. Ich denke, die meisten waren aus Italien, allerdings hatte er auch einen, der wohl an einem der beiden Polkappen entstanden seien musste. Mein absoluter Favorit war ein Sonnenuntergang, den man aus dem Weltall fotografiert hatte. Die Erde strahlte als Blauer Planet voller Kraft und Schönheit, was manchmal auf der Erde selbst nur noch schwerlich zu erkennen ist. Sein Bett stand vor Kopf an der Wand und über ihm hing die italienische Flagge. Filippo schloss hinter sich die Türe und auch die Stimmen von Sophia und Mario waren verklungen. Er nahm mich in den Arm, küsste mich und langsam versanken wir in den Kissen seines Bettes.
Als auch dieses Wochenende um war, hieß es für mich die Heimfahrt anzutreten. Natürlich war auch Filippo zu meinem Abschied gekommen. Sophia und Mario hatten sich wieder versöhnt und winkten mir, ebenso wie Sophias Familie, zum Abschied.
Zuhause angekommen hatte ich viel zu erzählen und so saß ich noch lange mit meiner Mutter in der Küche bei einer heißen Schokolade und wir redeten bis lange in die Nacht hinein.
Mit Sophia und Filippo telefonierte ich in den letzten Wochen von den Sommerferien noch ein paar mal. Sophia versprach ich, dass sie uns nächstes Jahr besuchen kommen könnte. Danach tauschten wir per E-Mail noch die schönsten Urlaubsfotos aus und vereinbarten, wie die letzten Jahre auch, in Kontakt zu bleiben. Filippo sagte mir, dass ich bei ihm genauso willkommen sei wie bei Sophias Familie und dass er mich für immer in Gedanken behält. Uns war beiden klar, dass unser Zusammensein nur auf meinen Urlaub begrenzt war, allerdings wollten wir uns nicht die Hoffnung nehmen uns irgendwann wieder zu sehen.
Nachdem ich wieder eine Woche in die Schule gegangen war, sagte meine Mutter mir, dass ein Martias für mich angerufen habe und ich ihn doch bitte zurückrufen sollte. In der Schule hatte er kein Wort mit mir geredet, aber ich rief trotzdem mit ängstlich pochendem Herz bei ihm an. Wir beschlossen uns im Dorf an der Holzbrücke zu treffen. Darauf, mich mit Marty zu treffen, hatte ich ungefähr mein halbes Leben lang gewartet. Und nun endlich war mein großer Tag gekommen. Meine große Chance!
So aufgeregt wie lange nicht mehr ging ich zu unserem Treffpunkt. Ich war zu früh dort und wanderte auf der Holzbrücke nervös auf und ab. Ja, hier hatte ich mich wegen Marty schon mal wieder gefunden. Es war damals nach dem verunglückten Tanzabend gewesen. Wenn das nicht mal ein schlechtes Omen war. Das machte mich richtig nervös.
Marty tauchte auf. Er kam langsam auf mich zu, lächelte in einer fast göttlichen Weise und küsste mich auf die Wange. Ich dachte ich würde schmelzen. „Hi“ hauchte ich und war mir im selben Moment schon nicht mehr sicher, ob ich es überhaupt gesagt hatte. „Hey Jenny, wie geht’s dir denn? Schönen Urlaub gehabt. Na ja, ich wollte dich mal wieder sehen und reden und so. Du siehst ja heute richtig gut aus. Hast dich anscheinend gut erholt.“ Endlich fand ich wieder Worte. Bis jetzt hatte ich ihn nur angestarrt und befürchtet, er wäre nicht wirklich da. „Ja, ich war in Italien bei...“ Weiter kam ich nicht. „Italien, schönes Land. Wirklich! Ich war auch schon mal da. Pisa, Florenz, Rom. Schön, schön.“ Redete Marty drauf los. Da kamen all die schönen Erinnerungen wieder in mir hoch. „Marty, warst du auch auf Elba?“ „Nö, viel zu unspektakulär, viel zu klein die Insel. Was soll man denn da? Nur wandern oder was?“ Er griff nach meiner Hand, streichelte sie, ließ sie wieder los und fing dann neu an zu reden. „Du ich war ja mit Susanna zusammen. Na ja, sie ist jetzt jedenfalls mit meinem, na ja du weißt, schon mit Thomas zusammen.“ Innerlich musste ich lachen. Irgendwie kam mir die Situation absurd vor. All dieses hin und her, was hier ablief. Ja, ich war da auch nicht anders, schließlich saß ich doch mit ihm hier. „Also, was ich sagen wollte. Susanna und ich passen einfach nicht zusammen. Es tut mir leid, dass ich nicht sofort gemerkt hab, was für eine tolle Freundin du wärst. Und was ich halt so gesagt hab und das alles.“ Er schaute mich an und mir war es plötzlich völlig egal, was er da quatschte. Es interessierte mich nicht mehr. Marty hatte ich schon lange hinter mir gelassen, doch das wurde mir erst jetzt richtig bewusst. Als er dann an seine schräge Entschuldigung noch dran hängte: „Willst du dann jetzt meine Freundin sein? Wir können uns ja dann mit Thomas und Susanna treffen?“ Da musste ich herzhaft lachen. Ich hatte noch nie eine plumpere Anmache bekommen als diese hier. Lachend meinte ich dann zu ihm: „Du Marty, lass mal gut sein. Ich denke, dass ich als Single schon überleben werde und wenn es mehr Jungs von deiner Art gibt, dann werde ich dabei auch weiterhin richtig viel Spaß haben. Aber danke, dass du wenigstens gefragt hast und das nicht schon bekannt gegeben hast.“ Er schaute mich mit großen Augen an, räusperte sich, verschluckte sich daran und musste husten. „Nein, du hast es... Ist nicht wahr, oder? Du hast es tatsächlich schon rum erzählt, dass wir zusammen wären, bevor du mich auch nur gefragt hast?“ Aus dem Lachkrampf kam ich nur noch schwerlich heraus. Das würde in der Tat noch lustig werden, wenn er seinen Fehler in der Schule klarstellen musste.
Wie wenig er doch von mir wusste! „Es war eine schöne Zeit mit dir.“ Sagte ich ihm zum Abschied und spazierte zwischen den saftiggrünen Obstbäumen entlang, während ich verträumt den Arbeitern beim Äpfel pflücken zuschaute.
Plötzlich stieß ich gegen jemand, der auf meinem Wege stand. Er war jung. Mein Alter vielleicht ein bisschen älter. Er gab mir einen Apfel in die Hand und sagte mit einem leichten, italienischen Akzent: „Den schönsten Apfel für die schönste Lady!“ Als ich meinen Blick vom Apfel löste und zu ihm hoch schaute, blickte ich in wunderschöne braune Augen, in denen man stundenlang versinken konnte.
Und da war auch ein altbekanntes Kribbeln in meinem Bauch.