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Ein Vater

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15.02.2019
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Ein Vater

Mit verquollenen Augen sitzt er an dem klapprigen Esstisch, die Tasse Kaffee steht unberührt und kalt vor ihm und der Aschenbecher ist halb voll.
Was war nur passiert? Mit seinen Kumpels und Bier und Schnaps ist alles immer so leicht und er liebt ja seine Familie. Er liebt seine Frau und natürlich liebt er seine Tochter. Aber er hat das Gefühl, er kommt einfach an beide nicht heran, als lebten sie in einer anderen Welt oder sprächen eine andere Sprache. Und das Schlimmste ist, die beiden scheinen zu denken, er würde sie nicht lieben. Und doch liebt er sie ja über alles. Aber das ist irgendwie nur in ihm.
Seine Tochter versteckt sich hinter dem Sofa, wenn er sich mit seinen Eltern streitet oder mit seinem Bruder. Manchmal denkt er, sie sei gar nicht da. Und doch merkt er, dass sie versucht an ihn heranzukommen, ihn aufzumuntern. Aber meistens ist er zu kaputt oder zu gestresst, um darauf einzugehen. Aber das heißt doch nicht, dass er sie nicht lieb hat. Und seine Frau, in ihren Augen scheint er alles falsch zu machen, sie sieht ihn nicht. Wahrscheinlich sieht er sie auch nicht, aber er liebt sie doch, er will sie ja sehen, aber wie geht das denn?
Zwei Plastikstühle. Eigentlich sollten es drei sein und eigentlich sollte der Tisch der Holztisch in der Küche der Wohnung seiner Familie sein. Aber es ist ein wackeliger Plastiktisch mit einer rotweißkarierten schmuddeligen Tischdecke in einer kleinen kahlen Küche, der Küche seines Freundes. Bei ihm fühlt er sich verstanden, bei ihm fühlt er sich aufgehoben. Warum nicht bei seiner Familie? Ein Spatz landet auf dem Fensterbrett, kurz schaut er ihn an und sein Blick scheint zu sagen: „Ich verstehe nichts.“ Die Sonne geht unter.
Er hat keine Kraft mehr, nicht zum Aushalten und erst gar nicht zum Kämpfen. Er zerknüllt die leere Zigarettenpackung in seiner Hand und in diesem Moment fasst er einen Entschluss, er wird fliehen. Aber wohin? In die nächste Flasche? Aber das ist zu kurz. Vielleicht in den Tod? Aber das ist sehr endgültig. Vielleicht in den Westen, in den unerreichbaren Westen? Aber da verliert er auch seine Freunde. Vielleicht in die Arme seiner Frau? Aber die sind so kühl und hart. Er möchte so gern ankommen, aber er weiß nicht wo oder nicht wie. Sein Kopf sinkt auf seine Unterarme, niemand dürfte ihn so sehen, so schwach. Er muss ja stark sein, das versucht er auch. Es fühlt sich auch so an, aber nur nach außen hin. Innen drin fühlt es sich manchmal schwach an, in dem Moment, in dem er vergisst, sein Inneres zu verdrängen, in dem Moment, in dem er vergisst, sich abzuschotten. Das sind wenige Momente, aber die sind stark, sehr stark. Wann war er nur das letzte Mal glücklich oder wenigstens zufrieden? Er kann sich nicht erinnern und macht doch noch die Flasche auf. Und dann geht er nach Hause.
Leise öffnet er die Tür, geht in das Zimmer seiner Tochter, nimmt ihren Geruch in sich auf, fühlt eine Wärme im Brustkorb, lächelt sogar und will zu seiner Frau ins Bett gehen. Rückwärts schleicht er sich aus dem Zimmer und stolpert über eine Puppe, kracht gegen das Regal und seine Tochter sitzt plötzlich weinend im Bett. Vom Schlafzimmer her kommen Schritte, dann hört er nur laute Worte, die so etwas sagen wie: „Kannst du nicht wenigstens leise sein, wenn du dich schon wieder besaufen musstest? Warum kannst du kein guter Vater sein? Deine Tochter hat Angst bekommen, wegen dir.“

 

Hallo @smokeybrain,
Die Idee deiner Geschichte finde ich interessant, allerdings hatte ich Schwierigkeiten mich in den Vater hineinzuversetzen, weil du alle seine Gefühle und die Situation erzählst, anstatt sie zu zeigen. Es gibt da dieses bekannte Sprichwort „show, don‘t tell“.

Ich hätte es gut gefunden, wenn du seine Zwickmühle besser verdeutlicht hättest, da ich mich generell nicht so Recht in einen versoffenen Vater hineinfühlen kann. Wenn du jetzt aber seine Situation mehr verdeutlichst, z.B. Dass er an seine Tochter und Frau nicht richtig rankommt, oder dass er den Alkohol braucht, um aus seinem schief gelaufenem Leben zu flüchten, dann versteh ich seine Situation mehr. Das Ende finde ich gut, weil es verdeutlicht wie sich sein Leben und seine Misere immer wiederholen.

Ich hoffe ich konnte dir etwas helfen.
Lg, Lorenz

 

Hey @smokeybrain,

Ich schreibe einfach mal mit, was ich beim ersten Durchlesen so bemerke:

Mit verquollenen Augen sitzt er an dem klapprigen Esstisch, die Tasse Kaffee steht unberührt und kalt vor ihm und der Aschenbecher ist halb voll.
Den ersten Satz finde ich wirklich gut gelungen.

Was war nur passiert? Mit seinen Kumpels und Bier und Schnaps ist alles immer so leicht und er liebt ja seine Familie. Er liebt seine Frau und natürlich liebt er seine Tochter. Aber er hat das Gefühl, er kommt einfach an beide nicht heran, als lebten sie in einer anderen Welt oder sprächen eine andere Sprache. Und das Schlimmste ist, die beiden scheinen zu denken, er würde sie nicht lieben. Und doch liebt er sie ja über alles. Aber das ist irgendwie nur in ihm.
So über die Gefühle einer Person zu sprechen, die ich überhaupt nicht kenne und für die ich mich folglich auch kaum interessiere, ist an sich nicht wirklich spannend.
Hast du schonmal von "Show, Don't tell" gehört? An dieser Stelle solltest du es aber auf jeden Fall anwenden, denn "Er liebt seine Frau und natürlich liebt er seine Tochter" ist so eher uninteressant, würdest du aber interaktionen mit den beiden besagten Personen wirklich zeigen, in denen dann auch deutlich wird, dass er sie eben beide liebt, dann wäre das ganze für den Leser schon viel interessanter und die Charaktere, vor allem der Hauptcharakter, wären für den Leser direkt viel greifbarer.

Seine Tochter versteckt sich hinter dem Sofa, wenn er sich mit seinen Eltern streitet oder mit seinem Bruder. Manchmal denkt er, sie sei gar nicht da. Und doch merkt er, dass sie versucht an ihn heranzukommen, ihn aufzumuntern. Aber meistens ist er zu kaputt oder zu gestresst, um darauf einzugehen. Aber das heißt doch nicht, dass er sie nicht lieb hat. Und seine Frau, in ihren Augen scheint er alles falsch zu machen, sie sieht ihn nicht. Wahrscheinlich sieht er sie auch nicht, aber er liebt sie doch, er will sie ja sehen, aber wie geht das denn?
Hier setzt sich das Problem leider fort.

Er hat keine Kraft mehr, nicht zum Aushalten und erst gar nicht zum Kämpfen. Er zerknüllt die leere Zigarettenpackung in seiner Hand und in diesem Moment fasst er einen Entschluss, er wird fliehen. Aber wohin? In die nächste Flasche? Aber das ist zu kurz. Vielleicht in den Tod? Aber das ist sehr endgültig. Vielleicht in den Westen, in den unerreichbaren Westen? Aber da verliert er auch seine Freunde. Vielleicht in die Arme seiner Frau? Aber die sind so kühl und hart. Er möchte so gern ankommen, aber er weiß nicht wo oder nicht wie. Sein Kopf sinkt auf seine Unterarme, niemand dürfte ihn so sehen, so schwach. Er muss ja stark sein, das versucht er auch. Es fühlt sich auch so an, aber nur nach außen hin. Innen drin fühlt es sich manchmal schwach an, in dem Moment, in dem er vergisst, sein Inneres zu verdrängen, in dem Moment, in dem er vergisst, sich abzuschotten. Das sind wenige Momente, aber die sind stark, sehr stark. Wann war er nur das letzte Mal glücklich oder wenigstens zufrieden? Er kann sich nicht erinnern und macht doch noch die Flasche auf. Und dann geht er nach Hause.
Leise öffnet er die Tür, geht in das Zimmer seiner Tochter, nimmt ihren Geruch in sich a
Ich denke dieser Absatz ist eigentlich wirklich stark. Könnte der Leser an dieser Stelle mit den Charakteren mitfühlen, wäre er aber noch viel stärker. So verliert er einfach viel von seiner Wirkung und berührt mich als Leser kaum bis gar nicht.

Leise öffnet er die Tür, geht in das Zimmer seiner Tochter, nimmt ihren Geruch in sich auf, fühlt eine Wärme im Brustkorb, lächelt sogar und will zu seiner Frau ins Bett gehen. Rückwärts schleicht er sich aus dem Zimmer und stolpert über eine Puppe, kracht gegen das Regal und seine Tochter sitzt plötzlich weinend im Bett. Vom Schlafzimmer her kommen Schritte, dann hört er nur laute Worte, die so etwas sagen wie: „Kannst du nicht wenigstens leise sein, wenn du dich schon wieder besaufen musstest? Warum kannst du kein guter Vater sein? Deine Tochter hat Angst bekommen, wegen dir.“
Irgendwie kommt mir der Absatz ein wenig hastig erzählt vor, grundsätzlich finde ich das Ende aber sehr gut gelungen. Es wirkt halt nur nicht richtig, warum habe ich ja bereits gesagt.

Ich denke insgesamt, dass der Text wirklich richtig gut werden könnte, wenn du ihn nur noch ein bisschen überarbeitest. Ich hoffe also darauf, dass du das tust und werde die weiteren Entwicklungen gespannt verfolgen.

Mit vielen Grüßen,
Manfred

 
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Hallo Lorenz (@lorenzf.), Hallo Manfred (@Manfred Deppi), lieben Dank für die richtig schnellen Antworten :)
Ich werde euren Rat gern beherzigen und den Text überarbeiten. Eure Meinung ähnelt sich ja, das macht es mir leichter, doch etwas mehr auszuschweifen, denn der Text wir dadurch ja automatisch länger. Also lieben Dank und bis bald!

 
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Hola @smokeybrain,

Dein erster Satz zieht rein. Nichts Revolutionäres, aber voll im Leben. Der ganze Text wirkt auf mich echt – und verdammt ja, der hat wirklich mit dem Leben zu tun.

... er hat das Gefühl, er kommt einfach an beide nicht heran, als lebten sie in einer anderen Welt oder sprächen eine andere Sprache. Und das Schlimmste ist, die beiden scheinen zu denken, er würde sie nicht lieben. Und doch liebt er sie ja über alles. Aber das ist irgendwie nur in ihm.
Dieses ‚irgend ...’ ist meist negativ im Text, weil es der Autor nicht vermag, seine Sprache zu konkretisieren, doch hier passt es haargenau – nicht greifbar eben. Ein Scheißgefühl.
Vater wird man in jungen Jahren. Da fehlt es an Lebenserfahrung, und eine 'Höhere Väterschule' gibt es nicht:sconf:. Seine Frau scheint ähnliche Probleme zu haben - sie gehört nicht zu den Naturtalenten, die es verstehen, mit weiblichen Eigenschaften (im Sinne von Vorzügen) ihre Männer zu steuern. Und Alkohol ist an jeder Ecke wohlfeil.

Dein Text packt mich, der ist echt, weil auch das Problem echt ist. Was für kapitale Böcke schießt man in jungen Jahren! Was für eine Misere, nicht die richtigen Worte finden zu können, in kniffligen Situationen falsch zu reagieren, Andeutungen nicht zu kapieren, Möglichkeiten wegen Hangover nicht wahrnehmen zu können. Mister smokeybrain, Dein Prot ist mein Bruder.

Ich bin erst bei der Hälfte Deines nicht allzu langen Textes, und trotzdem hat er mich schon total. Was für eine verdammte Tragödie, so unauffällig im unauffälligen Alltag, diese Normalfamilie, millionenfach gelebt, gelitten – was weiß ich. Ich habe dieses Gefühl immer, wenn ich von oben einen Panoramablick über eine Stadt habe, Milliarden Löcher in der Wand, die sie Fenster nennen, wo sie leben müssen.

Dass Du gut schreiben kannst, sollte Dir bekannt sein. Und weil Du dicht am Thema bleibst, wird der Text noch eindringlicher.
Dramatisch wie ein Naturgesetz, beinahe philosophisch – so läuft’s auf der Welt, wir können weder sie noch uns ändern.

... geht in das Zimmer seiner Tochter, nimmt ihren Geruch in sich auf, fühlt eine Wärme im Brustkorb, lächelt sogar und will zu seiner Frau ins Bett gehen.

O Mensch! Was für eine Szene!

Vielleicht in den Tod? Aber das ist sehr endgültig. Vielleicht in den Westen, in den unerreichbaren Westen?

Hoppala. Ist das ein älterer Text, gar schon vor der Wende geschrieben? Diese West- Problematik ist mMn entbehrlich. Ist aber mein einziger Kritikpunkt an Deiner für meinen Geschmack äußerst gelungenen Geschichte. Seit langer Zeit hat mich kein Text so angerührt wie dieser. Kompliment
und beste Grüße!

José

 
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Danke José (@josefelipe)! Der Text ist neu, aber spielt in der Vergangenheit. Muss aber vielleicht nicht unbedingt so erwähnt werden im Text, denn er ist sicher allgegenwärtig. Wobei die inneren Zwickmühlen in der DDR wahrscheinlich doch noch ganz andere Dimensionen hatten. Ganz lieben Dank auch für dein Kompliment!

 

Danke @AWM! Ja, er ist hin und her gerissen, da er seine Familie ja liebt und deshalb die Arme seiner Frau doch in Erwägung zieht. Aber er weiß einfach nicht wie er dort hin gelangen kann, also so, dass es sich auch gut anfühlt, weil beide in ihrer Unzulänglichkeit und in ihren Mustern gefangen sind. Und deshalb liebäugelt er mit der Flucht. Aber auch in diesen Gedanken tauchen doch wieder die Arme seiner Frau auf, weil es letztendlich das ist, wonach er sich am meisten sehnt, dort anzukommen.
Das mit Show kommt noch, dafür brauch ich noch bissel Zeit, mach ich aber sehr gern, der Hinweis kam auch bereits in zwei Kommentaren :) Bin gespannt, wie die beiden Texte dann wirken, wenn sie sich gegenüber stehen. Liebe Grüße und bis demnächst.

 

Hey @smokeybrain ,

von mir nur ein kleiner Hinweis. Eigentlich ist es hier üblich, überarbeitete Versionen nicht neu zu posten, sondern den bestehenden Text zu überschreiben. Was will man denn mit Kommentaren, die das bemängeln, was bereits schon umgesetzt ist? Das mal für die Zukunft ;). Herzlich Willkommen bei uns!
Beste Grüße, Fliege

 

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