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Ein unglaubliches Telefonat
Ein unglaubliches Telefonat
Was ich mitteile, geschah vor mehr als 65 Jahren. Ich war damals sehr jung, mein Bruder noch jünger. Ich zählte 4 Jahre, er eins.
Adolf Hitler war zu der Zeit wesentlich älter. Er hatte bereits 53 Lebensjahre hinter sich gebracht und schon Millionen Menschen umgebracht. Nicht er persönlich, wohlgemerkt. Dazu ist ein einzelner Mensch, auch wenn er den Status eines Massenmörders besitzt, gar nicht in der Lage.
Adolf wohnte vor mehr als 65 Jahren, ebenso wie mein Bruder und ich, in Berlin. Seine Wohnung, die Neue Reichskanzlei, war wesentlich größer als die unsrige. Die neidete ihm unsere Mutter nicht, denn er war schließlich der Führer und sie nur Hausfrau. Wer führt, benötigt genügend Auslauf.
Wir wohnten nicht weit weg von ihm, nur einige hundert Meter. Er wusste nicht, dass wir in seiner Nachbarschaft lebten. Er konnte das auch nicht wissen, weil ihm niemand gesagt hatte, dass Frau Schumacher mit ihren Söhnen Rainer und Detlef in der Tiergartenstraße Nr. Sound-so zu Hause ist.
Vater Karl war nicht zu Hause. Er befand sich an der Ostfront, um mit anderen deutschen Soldaten gegen die bösen Russen zu kämpfen.
Weder meinen Bruder Rainer noch mich interessierte, was da draußen vor sich ging. Auch war uns schnuppe, wer die Männer in den Krieg beordert hatte. D.h., wir kannten weder den Führer, noch seinen Namen.
Hätte Mutti uns gesagt, dass ein guter Onkel namens Adolf unseren Vati in ein fremdes Land geschickt hat, damit er uns dort vor Ungeheuern schützt, dann wäre zumindest mein Interesse geweckt worden.
Mutti verschwieg das aber, und so lebte ich völlig desorientiert in den Tag hinein. Mein Bruder ebenso, der es als seine wichtigste Tagesaufgabe betrachtete, die Windeln zu beschmutzen. Der Leidtragende dieser seiner Lieblingsbeschäftigung war ich. Jedenfalls an einem Sommertag des Jahres 1942.
Während die deutschen Mannen an den Fronten nach vorn oder nach hinten drängten, je nach Lage der Dinge, ging Mutti wieder einmal außer Haus, um mit irgendwelchen Freundinnen ein Schwätzchen zu halten. Mir hatte sie aufgetragen, auf Rainerle aufzupassen, dass er nicht aus dem Kinderbettchen fällt.
Vielleicht vertraute Mutti meiner Aufsichtspflicht nicht besonders, denn sie verließ uns bangen Herzens. Sie werde bald wieder da sein, versprach sie.
Die Nachmittagssonne schickte einige Strahlen durch die Gardine ins Zimmer, und Rainerle bemühte sich, sie mit seinen Händchen zu erhaschen. Weil ihm das nicht gelang, patschte er an die Wand, um sie festzuhalten.
Sonnenstrahlen lassen sich aber nicht fangen. Das wusste Rainerle nicht, weshalb er zu brüllen begann, und zwar so laut, dass der Führer hätte neidisch werden können.
Mir ging der Lärm auf die Nerven. Entschlossen tapste ich deshalb zum Telefon, das auf dem Vertiko stand. Zu hoch jedoch, um es zu erreichen.
Ich zog einen Stuhl heran, erklomm dessen Sitzfläche und konnte den Apparat nun bequem bedienen.
Rainerle hatte für den Moment meines Stuhlgangs das Plärren eingestellt, hub mit diesem aber wieder an, noch lauter als zuvor, als er mich in majestätischer Größe stehen sah.
Da sein Geschrei das zu führende Telefonat stören würde, krabbelte ich vom Stuhl, um ihn zur Ruhe zu bringen. Aus Erfahrung wusste ich, dass ihm mit guten Worten nicht beizukommen war. Deshalb griff ich sofort zur bewährten Methode und drosch ihm auf den windelgepolsterten Hintern.
Obwohl er keinen Schmerz fühlte, brüllte er dennoch wie am Spieß. Ihn quälte die Demütigung, die ihm durch mich widerfuhr.
Seine Gefühlslage war mir wurscht, nicht aber sein ohrenbetäubendes Getöne. Deshalb malträtierte ich sein textilumhülltes Gesäß noch heftiger.
Durch den Schlag meiner kleinen Hände wurde sein Windelinhalt breit geklopft. Ich ekelte mich, denn an meinen Händchen haftete nun Kacke, die nicht nur scheußlich aussah, sondern auch so roch.
Weil Rainerles Kehlchen durch das Gebrüll geschwächt war, drang aus diesem nur noch ein leises Wimmern. Sein Trotz blieb jedoch ungebrochen, und so sprang er im Bettchen wie ein Gummiball auf und ab, dabei rachsüchtig nach mir schlagend.
Diese Hopserei veranlasste die Windelkacke, an seinen Beinchen bis zu den Füßchen hinabzurutschen. Der Strampelanzug, der seinen Unterleib zuvor reinweiß umfangen hatte, war jetzt nur noch eine braune, klebrige Masse.
Da mich weitere Handgreiflichkeiten anwiderten, wischte ich meine kleinen Hände an seinem Betttuch etwas sauber und bestieg wieder den Stuhl vor dem Vertiko.
Ich nahm den Hörer vom Telefon, drehte die Wählscheibe einige Male und vernahm nach geraumer Zeit eine Frauenstimme. Im guten Glauben, Mutti sei es, vermeldete ich, dass Rainer sich bekackt habe. Sie solle schnell nach Hause kommen, denn er bemale mit der Scheiße bereits die Wand hinter seinem Bett.
Die Frauenstimme im Telefon tat kund, dass Mutti gleich kommen werde. Ich solle ausharren und Rainerle besänftigen.
Diese Botschaft beruhigte mich. Zufrieden legte ich den Hörer auf die Gabel.
Rainer, der seinen Bock austoben wollte, stellte seine Wandmalerei ein und setzte die Bettgymnastik fort. Nun verfärbte sich auch das Laken. Schließlich gefiel es ihm, von seinem Mastdarmprodukt zu kosten. Weil ihm das nicht schmeckte, strapazierte er seine Stimmbänder erneut.
Mich überkam Wut. Meine Bruderliebe ging nun restlos flöten.
Erneut bediente ich die Wählscheibe des Telefons.
Rainerle, neugierig geworden, mit wem ich wieder telefoniere, stellte seine Intonation erneut ein.
Vom anderen Ende der Leitung vernahm ich diesmal eine männliche Stimme. Weil ich glaubte, sie gehöre Vati, sprach ich: „Vati, komm nach Hause, Rainer hat in die Hosen gekackt.“
Der Mann am anderen Ende lachte. Das klang so, als hätte er eine leere Blechbüchse im Hals.
„Wie sieht denn die Kacke aus?“ fragte er.
Weil ich die Grundfarben schon bestimmen konnte, antwortete ich: „Braun.“
„Das ist gut so“, ließ sich der Mann vernehmen und lachte wieder blechern.
„Ist dein Vati zu Hause?“ wollte er wissen. Jetzt lag etwas Lauerndes in seiner Stimme.
„Nein! Du bist doch mein Vati.“
„Nein, dein Vati bin ich nicht. Ich bin dein Führer.“ Die Stimme klang jetzt erhaben.
„Was ist ein Führer?“ wollte ich wissen, denn mit diesem Bergriff war ich noch nie konfrontiert worden.
„Ein Führer ist“, versuchte der Nicht-Vati kindgerecht zu erklären, „ein Schäfer, der seine Schafe hinaus führt, damit sie etwas fressen können. Du weißt doch, was ein Schäfer ist?“
Ich verneinte. Wie sollte ich als Großstadtkind wissen, was ein Schäfer ist.
„Aber du weißt natürlich, was Schafe sind?“
„Das weiß ich“, verkündete ich stolz, „das sind die lieben Wolken am lieben Himmel.“
Mutti hatte mir von ihnen erzählt, als ich wissen wollte, wer die weißen Dinger dort oben angeklebt hatte.
Mein Gesprächspartner war mit meiner Auslegung nicht ganz zufrieden, und so drang er tiefer in mein Wissen.
„Wie alt bist du?“
„Vier!“ gab ich kurz und knapp zu verstehen.
Das gefiel ihm. Forsch fragte er deshalb weiter:
„Wo wohnst du?“
„Hier!“ erwiderte ich ebenso bemessen.
„Ich wohne auch hier. Hier heißt eigentlich Berlin. Wer wohnt außer dir und mir noch in Berlin?“
„Mutti, Vati und Rainer, der in die Hosen gekackt hat. Kennst du Rainer?“
„Natürlich kenne ich Rainer. Ich kenne alle Rainer.“
Der Mann log unverschämt, denn es gab nur einen Rainer.
„Kennst du Vati?“ hakte ich nach, um ihn zu überführen.
„Ich kenne alle Vatis.“
Das war mir zuviel. Mit verhaltenem Zorn sprach ich: „Dann sage mir, wo mein Vati ist, du Schwindelmeier?“
Der Blechbüchse gefiel die Anrede nicht, und so wurde auch sie unfreundlich.
„Dein Vati ist an der Front, wie alle Vatis.“
„Du schwindelst schon wieder! Mein Vati ist im Krieg!“
„Du hast recht!“ hörte ich, und das beruhigte mich ein wenig.
„Was macht dein Vati im Krieg?“
„Er schießt mit dem Gewehr.“
„Bravo! Du weißt aber viel. Auf wen schießt er denn?“
„Auf Drachen, böse Riesen und schlimme Hexen“, gab ich stolz von mir, denn das Lob des Mannes tat mir gut.
„Du bist ja ein ganz Schlauer! Wer hat dir das gesagt?“
„Meine Mutti..“
„Wo ist deine Mutti?“
„Meine Mutti ist mal weg. Sie kommt aber bald wieder, hat sie gesagt. Kennst du meine Mutti?“ stellte ich ihn erneut auf die Probe.
„Deine Mutti kenne ich nicht“, äußerte er listig, weil es ihm unangenehm war, wieder der Lüge bezichtigt zu werden.
„Wie sieht deine Mutti denn aus?“
„Sie sieht schön aus.“
„Aha! Hat sie blonde Haare?“
„Hat sie!“
„Hat sie blaue Augen?“
„Hat sie!“
Mich störte seine blöde Fragerei; deshalb provozierte ich ihn mit der Gegenfrage: „Hast du blonde Haare und blaue Augen?“
„Habe ich nicht!“
„Dann siehst du auch nicht schön aus! – Wie siehst du eigentlich aus? Bist du ein Gespenst oder ein hässlicher Zwerg?“
Mit solch unverhohlener Kinderoffenheit hatte er nicht gerechnet. Er rächte sich deshalb mit Fragen, deren Beantwortung mir aber nicht schwer fiel.
„Kackst du noch in die Hosen?“
„Nein!“
„Willst du Soldat werden?“
„Nein!“
„Weshalb nicht?“
„Weil ich dann erschossen werde.“
„Wer hat das gesagt?“
„Vati!“
„Wie heißt dein Vati?“
„Das sage ich nicht!“
„Warum nicht?“
„Weil du ihm dann petzt, dass ich es dir gesagt habe.“
„Hat dein Vati blonde Haare?“
„Er hat keine Haare.“
„Hat er einen Schnurrbart?“
„Was ist ein Schnurrbart?“
„Ein Schnurrbart sind kurze Haare unter der Nase.“
„Den hat mein Vati nicht. Hast du einen Schnurrbart?“
„Den habe ich. Der ist berühmt, den kennt jeder Mensch.“
Mir ging ein Licht auf.
„Dann bist du der Mann, der immer so brüllt wie Rainerle, wenn er in die Hose gekackt hat.“
„Wer hat dir das gesagt?“
„Das verrate ich nicht.“
„Wie heißt die Straße, in der du wohnst?“
„Dreimal darfst du raten!“
Vom anderen Ende der Leitung hörte ich ein Knacken. Dann blieb es still.
Ich war dem Mann mit dem Schnurbart und der Blechbüchse im Hals sehr böse, weil er Mutti nicht gesagt hatte, dass sie nach Hause kommen solle, weil Rainerle sich bekackt habe.
Als Mutti gegen Abend endlich eintraf, berichtete ich ihr von meinem Telefonat mit dem Schnurrbärtigen.
„Um Gottes Willen“, rief sie entsetzt, „du hast mit dem Führer gesprochen!“
„Ja“, betonte ich stolz, „mit dem Schäfer, der die Schafe zum Fressen führt.“
Nächsten Tags war in Deutschlands auflagenstärkster Tageszeitung, dem „Völkischen Beobachter“, zu lesen, dass der von uns allen geliebte Führer Adolf Hitler einem kleinen Berliner Jungen ein Interview gegeben hatte. Damit beweise sich erneut, wie tief verwurzelt des Führers Glaube an die Kraft der deutschen Volksgemeinschaft ist.