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- Anmerkungen zum Text
Gedanken die mir kommen, in Worte gefasst. Ob es relevant ist oder nicht, ob es Sinn macht oder nicht, ob es gut ist oder nicht, ganz egal. Wenn es jemand liest und darüber nachdenkt hat es sich gelohnt.
Ein Uhrzeiger nicht im Kreis
Er ist in Gedanken versunken, schaut die meiste Zeit gerade aus oder auf den Boden. Vor ihm steht ein Mann, er ist obdachlos. Er kennt den Mann schon, er sieht ihn öfters in der Stadt da er im Inneren wohnt. Er verspürt kein Mitleid mit dem Mann, nicht weil er kein Mitgefühl hat, er hat kein Mitleid mit ihm, weil er zwischen ihnen keinen Unterschied sieht. Der Mann trägt einen Rucksack, an dem eine weiße Decke befestigt ist. Die Decke kommt von Samuel. Er geht auf ihn zu um sich mit ihm zu unterhalten. Sie reden über das Leben und ganz alltägliche Dinge. Sie erzählen sich Kleinigkeiten aus ihren Leben. Sie erzählen sich was sie am Tag erlebt haben, das er in der Uni war und was er Studiert, Kunst und Geographie auf Lehramt. Der Mann erzählt ihm was er früher in Geographie gelernt hat und dass er sich nie die Hauptstädte merken konnte. Sie reden über das Leben und wie alles seinen Lauf nimmt. Beifällig sagt der Mann, dass er auch sterben könnte und dass es keinen Unterschied macht. Es war ein Spaß.
Beide stehen an einem Punkt in ihren Leben, an dem sie Entscheidungen treffen müssen. Schwere Entscheidungen, bei denen ihn niemand helfen kann. Sam gibt ihm noch etwas Kleingeld, eher neben bei, nicht als Geste gemeint, Geld ist ihm in diesem Moment nicht wichtig. Der Mann hält seine Hand auf, er hat nichts erwartet, es ist ihm auch nicht so wichtig. Er steckt das Geld ein, bedankt sich eher beiläufig. Seine Faust geht nach vorn um sich zu verabschieden. Sie wünschen einander eine gute Nacht. Sie sehen sich als Menschen, beide an einem Punkt im Leben, an dem sie Entscheidungen treffen müssen. Sie ziehen beide ihrer Wege. Keiner von beiden dreht sich nochmal um. Es war eine Begegnung ohne Wertung, von außen betrachtet sind sie ganz unterschiedlich, sie sehen es nicht so.
Sam geht weiter, langsam, er schlendert. Der Regen nieselt auf seinen Kopf und seine Schultern, ihm ist warm. Es ist still, vereinzelt kommen ihm Menschen entgegen, er schaut sie nicht an, er wäre lieber ganz alleine. Er spürt die Blicke auf ihm, ein kurzer Gedanke an sein Wirken kommt ihm in den Kopf und geht so gleich. Am liebsten schaut er nach Oben, auf die Fassaden der alten Häuser, durch die Fenster sieht er den Stuck an der Decke. Für Architektur interessiert er sich seit dem Abitur, andere in seinem Alter langweilt das eher. In wenigen Fenstern brennt Licht, es ist dunkel und doch sehr hell. Die Geschäfte sind nie dunkel, in ihnen brennt immer Licht, auch Nachts, er ärgert sich darüber. Er denkt noch immer an den Mann. Nicht was er macht oder wie es ihm wohl die letzten Jahre erging. Er denkt nur so an Ihn, an den Menschen.
Die Straße runter kommt ein alter Marktplatz, er überquert ihn, vorbei an alten Kneipen die modern restauriert wurden. Der Regen lässt den Hafen nebelig wirken, die Lichter der Boote schimmern durch den Dunst des Regens. In einer Bar sitz neben einem Mann eine leichte Dame in einem Weihnachtsmann Kostüm. Er muss schmunzeln. Er glaubt es werde für immer so bleiben. Vorbei an einem Jungen der an der Straße wartet. Beim Vorbeigehen mustern sie sich kurz, nicht interessant, kein zweiter Blick wird sich treffen.
In eine Seitenstraße ohne viel Licht. Er denkt an Angst. Die Menschen haben Angst. Jeden Tag, sie stehen auf und gehen ihren Aufgaben nach. Stetig, präzise wie ein Uhrwerk laufen sie immer weiter. Jedoch sind sie eher wie der Zeiger der Uhr, sie laufen immer im Kreis, vor etwas weg, dass sie nicht sehen, was wohl auch gar nicht da ist. Aber sie müssen weiterlaufen, sie können nicht stehen bleiben. Niemand weiß was passieren würde, wenn sie stehen bleiben, bleibt dann auch das Uhrwerk stehen? Sie haben Angst, vor dem Ungewissen. Sie haben eigentlich vor vielem Angst. Angst krank zu werden. Angst kein Geld mehr zu haben, Angst nicht so schnell wie die anderen Zeiger zu ticken. Aber niemand weiß was passiert, wenn man stehen bleibt, weil sie alle weiterlaufen.
Und so sieht man die, die stehen geblieben sind nur noch ab und zu, wenn sie wieder einmal eine Runde rum sind und an ihnen vorbeiziehen. Aber sie können ja nicht stehen bleiben und fragen was passiert, wenn man stehen bleibt. So bleibt ihnen nichts weiter übrig als sie anzuschauen oder mal eine Münze da zu lassen. Aber wir sind doch alle Zeiger. Du siehst ihn, wie er dasteht, er ist direkt vor dir, er steht, aber er lebt. Hab keine Angst auch einmal stehen zu bleiben und dich umzuschauen. Du musst nicht Ticken nur weil das Uhrwerk läuft. Anscheinend läuft es ja weiter, auch wenn einige Zeiger stehen bleiben. Nimm dir die Zeit, anscheinend geht es ja. Der junge Mann hat keine Angst in diesem Moment, sein Zeiger läuft nicht mehr im Kreis. Sein Zeiger steht auch nicht, er ist abgebrochen und jetzt rutsch er von einem Ort an den anderen. Aber das ist nicht schlimm, da wo er zum Stehen kommt schaut er sich um und er ist glücklich. Er ist glücklich, weil es für ihn okay ist, dass er nicht im Kreis läuft, sondern ohne Kontrolle umher gleitet. Und manchmal bleibt man für eine längere Zeit an einer Stelle liegen und manchmal gleitet man auch nicht sondern man poltert zur nächsten Stelle, aber es geht immer weiter, aber nicht im Kreis.