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Ein Tag vor Weihnachten
Version 2:
Ein Tag vor Weihnachten
Der Schnee fällt in die Augenhöhlen und färbt sich rot, bevor er schmilzt. So hatte ich es mir immer vorgestellt. Wie in dem Buch der Sagen und Mythen, aus dem mir mein Vater öfter vorgelesen hatte. Siegfried lag in seinem Blut und über ihm stand Hagen. Es kommt mir so vor, als würde ich ein Teil dieser Geschichte sein.
Jede Schneeflocke fühlt sich wie eine hauchdünne, glühende Nadel an, die mir ins Gehirn sticht. Der dumpfe Schmerz in meiner Brust, der sich bis in den Rücken zieht, nimmt mir den Atem, den ich zum Schreien bräuchte. Ich bleibe also still und lausche der zunehmenden Kälte. Die neu erworbene Blindheit faucht wie ein wildes Tier, Ich spüre heiße Rinnsale auf meinen Wangen: ich weine in blassrot. Doch die Flut versiegt schon bald und mein Kopf möchte nach innen hin ausdörren und einschrumpfen, wie eine Rosine.
Meine tauben Finger greifen blind nach einem Ast und spüren das Tannengrün, wie durch ein dickes Laken. Ein warmes Gefühl steigt in mir auf, jetzt da der Schmerz sich in Freiheit verwandelt. Die Wunden sind ein wunderbares Ventil, all das Gewicht, das mich bisher am Boden hielt, verlässt meinen Körper. Nichts kann den eiligen Strom stoppen, nicht einmal die letzten Zweifel, die wie kleine Kiesel im Flussbett meiner Seele liegen und fortgespült werden. Es gibt nun kein Nachdenken mehr, nur noch dieses Gefühl von Schwerelosigkeit. Ein schöneres Gefühl kann es nicht geben. Ich möchte die Arme ausbreiten, doch dazu fehlt mir nun mehr die Kraft. Die rechte Wange kribbelt, der Schnee sticht nicht mehr, ich möchte lächeln, da er mich zu streicheln scheint, mein Mund erstarrt bei dem Versuch: Ob er zurück gelächelt hat? Mein Hemd ist schon ganz durchgeweicht. Noch einmal tun die Lungen ihre Pflicht. Ich muss mich anstrengen: Ich rieche dich, ich rieche all deine Kleinigkeiten. Die Geschenke, die schönen Abende mit meinen Freunden und die langen Nächte. Ich fragte einmal meine Mutter, ob man im Winter länger träumen würde als im Sommer. Der Winter - die Jahreszeit der Träume.
Meine Sinne verlieren sich in dieser letzten Erinnerung, bevor sie verklingen und die silbrigweiße Stille mich bedeckt.
(9.12.2007)
Version 1
Ein Tag vor Weihnachten
Der Schnee fällt in die Augenhöhlen und färbt sich rot, bevor er schmilzt. So hatte ich es mir immer vorgestellt, wie ein Bilderbuch das nun Gestalt annimmt.
Jede Schneeflocke fühlt sich wie eine hauchdünne, glühende Nadel an, die mir ins Gehirn sticht. Der dumpfe Schmerz, der von meinem Gesicht rinnt, lässt jeden Nerv vibrieren.
Meine tauben Finger greifen blind nach einem Ast und spüren das Tannengrün, wie durch ein dickes Laken. Ein warmes Gefühl steigt in mir auf, jetzt da der Schmerz sich in Freiheit verwandelt. Die Wunden sind ein wunderbares Ventil, all das Gewicht, das mich bisher am Boden hielt, verlässt meinen Körper. Nichts kann den eiligen Strom stoppen. Zweifel sind zwar da, aber schnell vergessen, es gibt nun kein Nachdenken mehr, nur noch dieses Gefühl von Schwerelosigkeit. Ein schöneres Gefühl kann es nicht geben. Ich möchte die Arme ausbreiten, doch dazu fehlt mir nun mehr die Kraft. Die rechte Wange kribbelt, der Schnee sticht mich nicht mehr, ich möchte lächeln, da er mich zu streicheln scheint, mein Mund erstarrt bei dem Versuch: Ob er zurück gelächelt hat? Mein Hemd ist schon ganz durchgeweicht. Noch einmal tun die Lungen ihre Pflicht. Ich muss mich anstrengen: Ich rieche dich, ich rieche all deine Kleinigkeiten. Die Geschenke, die schönen Abende mit meinen Freunden und die langen Nächte. Ich fragte einmal meine Mutter, ob man im Winter länger träumen würde als im Sommer. Der Winter - die Jahreszeit der Träume.
Meine Sinne verlieren sich in dieser letzten Erinnerung, bevor sie verklingen und die silbrigweiße Stille mich bedeckt.
(5.12.2007)