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Ein Tag im Leben eines Mobbingopfers
Ein Tag, im Leben eines Mobbingopfers
Ein Tag, im Leben eines Mobbingopfers
I. Die Grundrechte
Artikel 1
[Menschenwürde ;Grundrechtsbindung der staatlichen Gewalt]
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Schon das geräuschvolle aufziehen der Zimmertür weckte ihn für gewöhnlich aus seinen Träumen. Wie auch nicht, bei einem labilen Schlaf wie er ihn hatte? Daraufhin öffnete er verschreckt die Augen, welche schmerzhaft unter der Sonneneinwirkung der Lichtstrahlen aus seinem Fenster weh taten. Erst jetzt sagte seine Mutter „Guten Morgen“, süffisant und überspielend gut gelaunt wie jeden Tag. Dabei mochten sie beide Tag für Tag am liebsten liegen bleiben und bis zum Ende seiner Schulpflichtigenjahre schlafen. Der erwachte Junge, Jens, weil er am eigenen Leib tagtäglich zu spüren bekam, was es hieß gemobbt zu werden; seine Mutter, weil sie sein Leid zu Hundertprozent auf sich transferierte. Sabine ertrug den Schmerz etwas leichter, was allerdings durch die Tatsache ausglichen wurde, dass sie - im Gegensatz zu ihrem Sohn - immer alles positiv zu sehen hatte. Cool bleiben, war die Devise, „Sich nichts anmerken lassen“, sagte sie sich immer. Sonst würde womöglich etwas geschehen, wie es nach einer Woche Schulbesuch auf der Willy-Brandt-Gesamtschule geschah. Am ersten Wochenende, nach fünf Tagen voller ausweinen am Schoß der Mutter und strapazierenden Gesprächen mit Lehrern und Eltern der Schüler, die Jens provozierten und mobbten, hatten ihre Tränendrüsen kapituliert und sie weinte sich auf der Couch der 60 m² Wohnung aus. Ihr Sohn reagierte so empfindlich auf diesen Umstand, dass er selber noch sensitiver wurde und das Wochenende kaum der Erholung diente. Er fühlte sich schuldig für die miese Laune seiner Mutter. Also „cool bleiben“!
Nun ja, wenigstens waren die schlimmen ersten Wochen vorbei und der ewige Schmerz war etwas Alltägliches geworden. Besänftigend und deprimierend zu gleich. Jetzt war es an der Zeit, dem schrecklichen Mittwoch erneut ins Gesicht zu blicken und die 5 Stunden Mathe, Englisch, Religion und Sport hinter sich bringen. Aber nein, heute war ja noch nicht mal mehr ein „normaler“ Mittwoch. Heute fanden die Bundesjugendspiele statt, ein Ereignis, auf dass sich Jens früher immer so gefreut hatte. Doch gestern heulte er sich aus. Ein Umstand, über den man vor nur vier oder fünf Jahren, in der Grundschule, in Anbetracht der nahen sportlichen Großveranstaltung, nur hätte Schmunzeln können. Seine Angst bestand darin, alleine stundenlang auf den kalten Tribünenbänken zu sitzen. Er hasste es allein zu sein, er empfand es als Demütigung und versuchte vor Fremden immer eine gewisse Normalität vorzuspielen.
Jedenfalls trabte Jens ins Badezimmer, wusch sich ungründlich und bemühte sich nicht seine relativ lang gewordenen Haare zu kämmen. „Für wen denn“, sagte er sich immer. Sie würden ihn sowieso fertig machen, auch wenn er wie der angesagte Eminem persönlich in die Schule kommen würde. Vor den Sommerferien hatte er sich seine Haare noch umständlich zur Scheitelfrisur stylen lassen. Da sie noch viel zu kurz waren, benötigten sie extra viel Gel, um nicht permanent ins Gesicht zu rutschen. Es würde noch Monate dauern, bevor er sich die Haare hinter die Ohren legen könnte. Während er so grübelte versuchte er sich einmal mehr zu erinnern, wie sein Leben einen derartigen Knicks erleiden konnte:
Jens war immer ein aufgeweckter Junge gewesen. Er lebte in einer Kinderreichen Siedlung, in der niemand mit Luxus übersäht, der Zusammenhalt unter den Familien dafür umso größer war. Und er hatte viele Freunde gehabt, verdammt viele. Sie konnten problemlos 2 Fußball- oder 4 Volleyballteams füllen. Vorausgesetzt, sie versammelten sich an einem Fleck (vorzugsweise die gigantisch große, unbenutzte Wiese vor dem Fluss, die einen halben Quadratkilometer groß war und nicht nur zum Spielen einlud). Zunächst war da seine Stammclique... Nur um das vorauszuschicken, mit 7 bis 12 Jahren hält man das Wort „Clique“ noch für einen anderen Begriff anstelle von „Murmel“, aber so lässt es sich am ehesten beschreiben. Da war der Anführer der Gruppe, Felix. Er war 1 ½ Jahre älter als er und wirklich stark. Dazu gehört seine Schwester, die wiederum 1 ½ Jahre jünger war als Jens. Ihr Name war Katharina. Hinzugesellten sich noch die beiden Schwestern Hilda und Renga. Die letztere war in Katharinas Alter, während Renga nur ein halbes Jahr jünger war als Jens. Man war er verliebt, es war nicht zu fassen. Überhaupt interessierte er sich schon überraschend früh für das weibliche Geschlecht. Davon war Momentan nicht mehr so viel übrig geblieben. Jedenfalls waren alle unzertrennlich, ein richtig kitschiges Szenario eben. Alles hätte durchaus normal verlaufen können: Die fünf hätten nacheinander Discos und Kneipen für sich entdeckt, vielleicht wären Liebeleien entstanden. Schließlich kamen sie auch mit den ca. 15 anderen Kids in der Siedlung übermäßig gut zurecht. Aber dies sind alles nur Mutmaßungen, denn eine wahre Verkettung von Zufällen erlaubte es, dass fast alle nacheinander wegzogen. Die hübsche Jasmin, die ältesten Mädels in der Siedlung, Daniela und Erika sowie eine ganze Reihe anderer. Hinzugesellten sich noch interne Streitigkeiten in der engsten Clique: Felix gestand Jens in einer dieser Nächte in denen man sich alles erzählt, was er für Renga empfand. Das ganze konnte nur Konflikte entstehen lassen. Aber das Mädel war auch zu schön...
Während der vielen unbeschwerten Jahre hatte es vor allen Dingen Jens versäumt, Kontakte in der Schule aufzubauen. Seine eigenwillige, recht überdrehte oder auch alberne Art, ließen ihn in den ersten fünf Schuljahren zwar nicht zum Außenseiter mutieren, von Klasse zu Klasse jedoch fiel sein Verhalten mehr aus dem Rahmen und machte es ihm schwerer. Als er dann plötzlich fast alleine in der schönen großen Siedlung, mit dem Park, den zwei Spielplätzen und dem Fußballrasen in der Nähe stand, schien er der Gelackmeierte zu sein. Zur Einschulung von der Grundschule in die Gesamtschule war es nun also mehr als notwendig, anderweitig Freunde kennen zu lernen. Und tatsächlich befreundete er sich ziemlich schnell mit seinem zufälligen Sitznachbarn, Dennis. Überdrüssig des Begriffes "Zufall" möchte man fast höheren Mächten dafür die Schuld geben, aber ausgerechnet dieser Dennis wurde zum Gespött der Klasse. Vielleicht habt ihr schon mal etwas von Lernschwäche gehört, denn für ihn war es fast unmöglich sich etwas länger als 10 Minuten zu behalten. Die schlechten Noten machten ihm zum Außenseiter und Jens wurde zu seinem einzigen Verbündeten. Schmerzhaft hat er heute das Bild eines traurig dreinblickenden Dennis vor den Augen, der auf den kalten Treppen des Schuleingangs sitzt, während die anderen Jungs begeistert einem gelb-roten Tennisball hinterher jagten: Fußball. Auch Jens gehörte zu ihnen, zumindest damals noch.
Denn als Dennis am Ende der fünften Klasse beschloss das Schuljahr zu wiederholen, stand Jens erneut alleine da. Und als wenn es nicht schon schwer genug gewesen wäre den Anschluss erneut zu finden, hinderten ihn einige so richtig fiese Mitschüler an diesem Vorhaben: Immerhin brauchte es nach Dennis einen neuen Idioten für die Klasse. Ausgerechnet sein Namensvetter Jens Koperlik sieht er heute gerne als Drahtzieher hinter dem Hass, der ihm die nächsten zwei Jahre entgegenschlagen sollte. Das auswringen eines nassen Tafelschwamms über seinem Gesicht, Zerstörung seiner Schulsachen und die Umfunktionierung seines Körpers in ein Sofa gehörten dazu. Doch am demütigsten war der Geburtstag seines Namenvetters: Er war der Einzige, der nicht zu der Party eingeladen war. In der ganzen Klasse! In diesem Alter gibt es wohl nichts schlimmeres, für einen vorpubertierenden Jungen. Hinzu kam sein Leistungsabfall in einigen Fächern. Vor allen Dingen in der Siebten Klasse, als seine zweite Fremdsprache Latein und Physik hinzukamen, war es um ihn geschehen. Die erste fünf in Mathematik, furchtbare Vorwürfe und Selbstmitleid... Ein Hass auf Gott! Seine Oma hatte ihn sehr christlich erzogen, doch er konnte nicht verstehen, warum um alles in der Welt ein Ekel wie Koperlik reich geboren werde konnte, Freunde hatte und Schwarm der Mädchen war. Eine Ungerechtigkeit sonders Gleichen, will man meinen.
Was dann Geschah? Am Ende der siebten Klasse beschlossen Jens und seine Eltern, dass nur noch ein Schulwechsel die Wende bringen könnte. Der folgende Tag spielt wie gesagt, einige Wochen nach seiner Einschulung in jener neuen Schule, auf der es nicht wirklich besser zu werden schien.
Um 6:50 verließen sie das Haus. Dieses Ritual diente, um die „5-Vor-Nachrichten“ im Radio hören zu können, während sie das kurze Stück zum Bäcker und schließlich zur Bushaltestelle fuhren. 7:12 fuhr der schwerfällige Bus auf der Haltestelle „Postamt“ vor. „Wenigstens sitzen keine bekannten Gesichter im Bus“, dachte sich Jens. Das Wort „Klassenkamerad“ vermied er großspurig, da er die Ironie des Ausdrucks „Kamerad“ irgendwie nicht ertrug. Nur zehn Minuten später hielt der Wagen: Haltestelle „Brühlsbacherstraße“ – Nur 2 Minuten vom Stadion entfernt. Die Angst, oder eher die blanke Panik, welche sich kurzseitig gelegt hatte, kam nun in furchtbarem Maße wieder hervor. Das Stadion, die hundert Jugendlichen der 8. und 9. Klassen aus 2 Schulen, war schon in Sicht weite. Nur noch den Berg herunter, an den hübschen Birken vorbei, die langsam ihre Blätter abgaben oder zumindest gelblich wurden. Während er seine Gedanken mit dem aufzählen von Unterschieden zwischen Fichten und Tannen verdrängte, stand er schon vor dem eisernen Tor, welches normalerweise verschlossen war. Eine kleine Seitentür, zwischen Metallstäben und Kartenhäuschen, war wie immer geöffnet. Als er noch viele Freunde hatte, waren sie lachend den Wettkämpfen entgegen fiebernd durch diese Öffnung hindurchgeeilt. Was würde er dafür geben, 5 Jahre in der Zeit zurück reisen zu können...?
Ausgerechnet dem Großkotz Marcel, begegnete er als erstes. „Hey, Dessler, wir haben schon auf dich gewartet, warum kommst du erst so spät?“. Sein Gesicht mit den Sommersprossen und den kurzen roten Haare schaute ihn strafend an. Jens, den sie aus unnachvollziehbaren Gründen Lehmann nannten (immerhin wurde ausgerechnet er, mit einem Top-Fußballer verglichen, und das nur weil er den gleichen Vornamen hatte), wollte sich schon rechtfertigen, als Marcel mit seinem übergroß erscheinenden Mund hinterher setzte: „Du Idiot, glaubst wirklich, dass wir dich vermissen würden?“. Fast gleichzeitig boxte er ihm ins Gesicht, oder eher gesagt, Zentimeter vor Jenss Kopf. Dieser zog erschreckt den Kopf zurück und schloss hastig die Augenlieder. Diese „Schreckhaftigkeit“ hatten sie schon nach wenigen Tagen ausfindig gemacht und nutzten es mit einer unglaublichen Ausdauer seit Wochen und Monaten aus. Jene kleine Schwäche hatte er schon, so lange er denken konnte. „Ein normaler Mensch“, so dachte sich Jens oft, „würde es vielleicht einige Tage witzig finden: Aber doch nicht über zwei Monate hinweg!“. Als er die Augen öffnete, war nur noch Marcels Rücken zu sehen, woraufhin er sich erst mal niedersetzen musste. Dies würde ein harter Tag werden.
Bei ihrem Klassenlehrer versammelte sich die 8a und besprach den Ablauf der Disziplinen. Auf der Startbahn, vor den relativ großen Tribünen, welche in Südrichtung immer gegen die stechende Sonne standen, trafen sich die meisten Klassen zum erstenmal vollzählig. Jens erblickte hierbei seine wunderschöne Klassenkameradin Mona, in welche er sich schon am ersten Tag unsterblich verguckt hatte. Leider war sie von ihm so weit entfernt, wie eine Reise des Menschen zum Jupiter. Ihre langen braunen Haare hingen ihr die Schultern herab, über ihren Busen hinweg bis in Höhe des Bauchnabels. Doch im gleichen Moment wie Jens sie musterte, zog sie ihre Haare in schnellen Bewegungen zu einem strengen Zopf zusammen. „Beim Sport bestimmt störend, so lange Haare“, dachte er sich.
Nun schritt der Tag voran, wie man es von diesem „besonderen“ Tag erwartete. Die Schüler liefen ihre 75 Meter, versuchten in drei Versuchen inklusive Probelauf möglichst weit zu springen und warfen den kleinen, unsynthetisch wirkenden Sandsack soweit sie konnten. Der sportliche Dominik, Dodo genannt, erreichte bei allen Disziplinen Topwerte. Sein makelloses Aussehen, die sportlichen Leistungen und seine unangefochtene Vorherrschaft in der Klasse, hätten Jens wahnsinnig machen können. Gab es nicht mal Zeiten, in den all das egal gewesen war? Und an welche Gestalt aus seiner alten Klasse erinnerte Dodo ihn nur? In den langen Zeiträumen zwischen den Disziplinen setzte er sich auf die Tribüne, las in irgendeiner billigen Zeitschrift, die er zuhause hatte mitgehen lassen und aß seine beiden Brote. Konzentriert in einen Artikel über die Auswirkungen des Auslands auf den hiesigen Arbeitsmarkt, riss im jemand das Papier kraftvoll aus der Hand und sagte im lauten Tonfall: „’Gay-Line, wenn du Lust auf harte Boys hast wähle–‚ Hahaha, ich sag’s doch, Lehmann ist ‚ne Schwuchtel“. Die Sex-Werbung musste ja auch ausgerechnet auf der anderen Seite stehen. Kein geringerer als Dodo selbst, stand vor Jens und machte ihn vor seinen „Handlangern“ Tobi und Johannes nach allen Regeln der Kunst fertig. „Ich habe den Artikel über den Arbeitsmarkt auf der anderen-„, doch er konnte den Satz nicht beenden, da ihm Tobi, ein schlaksiger, großer Junge mit blonden Haaren dazwischenfuhr: „Halts Maul, Homo“! Während er ihn beschimpfte, schlug er Jens wieder in die Richtung seines Gesichtes, worauf dieser zusammenzuckte. „Mann du Schleimscheißer, warum zuckst du immer zusammen?“, fragte ihn Johannes. Bevor er sich rechtfertigen konnte, zogen sie ab. Zurück blieb eine weitere Wunde, die aber zum erstenmal in grenzenlose Wut zu mutieren schien.
Der Höhepunkt der Wettkämpfe stand bevor. Im Gegensatz zu den bisherigen Jahren, hatten sich die Veranstalter darauf geeinigt einen Staffellauf zu veranstalten. Dieser sollte über strapazierende drei Runden gehen. 12 Jungen und Mädchen aus den je vier Klassen der beiden Schulen mussten hierbei den Stab über jeweils eine Viertelrunde transportieren. Die beste Klasse aus Willy-Brandt und Erich-Kästner Gesamtschule durften dann im Finale antreten. In der Gewissheit sowieso nicht auserwählt zu werden und für die 8a zu starten, machte er sich überhaupt nicht erst die Mühe die rote Bahn unterhalb der grauen steinernen Tribünen zu betreten. Doch plötzlich rief Marcel „Komm schon, Lehmann, du musst auch starten!“. Erschreckt zog sich Jens die Jeans aus, unter der er noch die Sporthose trug. Es war ein warmer Tag, aber er würde auch diese Hürde noch nehmen.
Auf dem Fußballfeld in der Mitte des Stadions, um das herum die Aschebahn verlief, sammelten sich die zwölf auserwählten Schüler der 8a und Jens begann zum erstenmal ein Dazugehörigkeitsgefühl zu verspüren. Klar, er war nur ins "Team" gewählt worden, da zu viele der Mädels das Weite gesucht hatten, um dem Hobby des "Rauches" frönen zu können. Jäh wurde sein Traum von Johannes Schattenboxübungen anhand seines Gesichts gestört. Er zuckte, nicht zuletzt weil er noch überraschter als normalerweise war, erschreckt zurück und fiel fast auf's Gras. Unter großem stolpern stieß er heftig gegen Dodo, der ihm wiederrum unsanft zu verstehen gab, dass dies kein guter Ort war um sich abzufangen. Durch den heftigen Anstoß knallte er mit aller Wucht auf den Boden. Johannes begann zu lachen und irgendwelche Beschimpfungen auf den wehrlosen Jens loszulassen. Das war zuviel! Er stieß sich wieder in eine aufrechte Position und bevor sein Kreislauf sich beruhigen konnte trat er dem relativ kleinwüchsigen Johannes ins Gesicht. Der wich natürlich aus und die Schuhe des cholerischen Jungen trafen den auf dem Boden hockenden Marcel, der ausnahmsweise nichts getan hatte. Direkt in die Rippen getroffen wurde der rothaarige Achtklässler wütend und schlug Jens in den Magen, während er noch halb auf dem Boden saß. Dieser Schlag hatte das Fass nicht zum überlaufen gebracht, sondern zum eindrucksvollen zerbersten angeregt! Jens trat und trat Marcel, zehn oder zwölfmal hintereinander, gegen Beine, Arme und Brustkorb.
Unter den wüstesten Beschimpfungen die es jemals gegen ihn hagelte verließ er das Stadion, ca. eine halbe Stunde bevor es ihm erlaubt war. Sie hatten ihn nicht nur durch die vielen Schläge in Magen und Gesicht die Würde genommen und ihm aus dem Team geworfen, sondern drei Jahre Terror in der Schule versprochen. Denn solange müsste Jens noch mindestens auf der Willy-Brandt bleiben: Mindestens!
„Noch zwei Tage bis zum Wochenende“, dachte er während er auf den Bus wartete, „und drei Jahre bis der Dreck vorüber ist“. Nur schwer konnte er sich eine Träne wegdrücken. Zuhause, dass wusste er, würde er wieder einmal heulen wie ein Wasserfall. Und Sabine würde all dies wieder schlucken müssen.
Doch wie soll die Zukunft eines solchen Jungen verlaufen? Normale Achtklässer knüpfe erste besondere Kontakte, treffen sich mit Mädchen und Jungs Abends am Wochenende... Es würde eines Tages enden und Jens könnte schon nach zwei Jahren bspw. auf eine Berufsfachschule wechseln. Aber den Anschluss zu einem normalen Leben wie wir es uns heute von einem Jugendlichen vorstellen, wird er nur sehr schwerlich finden können.