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Ein Tag einer Elfjährigen
Es ist Montag morgen sieben Uhr früh. Langsam öffnet Kristin ihre Augen. Es ist verdammt kalt in ihrem Zimmer, da die Fensterscheibe einen langen Riß hat und es keine Heizung gibt. Aber zum Glück hat ihre Mutter ihr drei Decken gegeben, so dass sie nachts nicht friert. Nur das Aufstehen ist ein wenig ungemütlich.
Schnell rennt sie in die Küche, wo es warm ist. Sie zieht sich an, denn sie muß ja gleich in die Schule. Ihre Mutter schläft noch mit ihrem neuen Mann im Wohnzimmer. Ein paar Bierdosen stehen noch auf dem Tisch, von gestern Abend. Kristin mag es nicht wenn sie trinken. Sie werden dann immer so komisch und streiten laut.
Alles ist so komisch seit sie umgezogen sind. Sie findet keine Freunde, weil alle sagen sie seien eine "Assifamilie". Einmal hat sie ihre große Schwester gefragt, warum das alle sagen. Sie konnte ihr keine Antwort geben. Ihre Schwester und ihren Vater sieht sie nicht mehr so oft. Sie arbeiten halt viel und haben kaum Zeit. Und telefonieren können sie auch nicht, weil ihre Mutter kein Telefon hat. Ihr Vater hat ja ein Geschäft. Manchmal holt er sie ab und sie unternehmen was zusammen. Aber er ist oft so gereizt, weil er viel Streß hat. Dann bringt er sie wieder nach Hause.
Es ist dunkel und kalt draußen, aber die Schule ist ja nicht weit weg. Kristin fährt mit ihrem neuen Fahrrad das sie gestern zum elften Geburtstag von ihrem Vater bekommen hat. Er kauft ihr immer viele schöne Sachen, wenn sie bei ihm ist. Von ihrer Mutter hat sie nichts bekommen. Sie hat ja noch kein Geld vom Arbeitsamt gekriegt. Aber am ersten hat sie gesagt, bekommt sie noch ein Geschenk.
Auf dem Schulhof ist Kristin immer ganz allein. Die anderen sagen sie stinkt und lügt. Und sie klaut. Ja, sie hat einmal die Spardose ihrer Freundin geklaut. Sie wollte ihrem Vater was zum Vatertag kaufen, was richtig teures, er macht ihr ja auch immer so teure Geschenke.Vielleicht hat er sie dann viel lieber und hat mehr Zeit für sie. Seit dem Tag hat sie keine Freundin mehr. Kinder können grausam sein, das bekommt Kristin auch zu spüren. Ihre Schwester hat mal gesagt, wenn sie sechzehn ist, darf sie bei ihr wohnen. Da freut sie sich schon drauf.
Nach der Schule fährt Kristin direkt nach Hause, weil ihre Mutter gesagt hat,sie soll auf dem direkten Weg nach Hause kommen. Doch eigentlich hätte sie sich gar nicht so beeilen müssen. Es ist eh keiner zu Hause. Ihre Mutter arbeitet in einem Sonnenstudio als Aushilfe und ihr Stiefvater ist wahrscheinlich wieder im Wald. Er ist oft im Wald. Früher ist er LKW gefahren und hat Bäume gefällt. Aber als er den Führerschein abgeben musste, weil er betrunken gefahren ist, hat er seinen Job verloren. Ihre Mutter sagt immer, wenn er den Führerschein wieder bekommt, gehts ihnen besser. Dann haben sie ganz viel Geld. Manchmal fragt Kristin sich,warum sie Geld für Alkohol und Zigaretten haben, aber nicht für was zu Essen.
Heute kommt wieder die nette Frau vom Jugendamt. Die zeigt ihrer Mutter, wie man den Haushalt macht und wie sie mit Kristin besser klar kommt. Kristin freut sich, wenn die Frau kommt. Dann machen sie immer so schöne Sachen wie Pizza backen oder schwimmen gehen. Das macht ihr viel Spaß und dann trinkt ihre Mutter auch nicht. Leider vergeht die Zeit immer so schnell.
Heute Abend kriegen sie Besuch von Bekannten ihrer Mutter. Deswegen muß Kristin früh ins Bett. Aber sie geht dann gerne schlafen, weil sie weiß wenn Besuch da ist,wieder Alkohol getrunken wird. Letztes Mal als Besuch da war, hat ihre Mutter zu ihr gesagt, dass sie schuld ist dass sie trinkt. Weil sie immer Schwierigkeiten macht. Deswegen geht sie lieber schlafen. Leider hat sie kein Fernseher im Zimmer, den hat ihre Mutter raus genommen, weil der im Wohnzimmer kaputt gegangen ist. Dabei hat sie den von ihrer Schwester geschenkt bekommen. Aber eigentlich braucht sie ihn ja auch nicht. Abends kommen ja keine Kinderfilme mehr.
Und wenn sie erstmal sechzehn ist, hat sie bei ihrer Schwester ein ganz großes Zimmer, mit heilen Fenstern, Heizung und es immer jemand da wenn sie nach Hause kommt. Das hat ihre Schwester ihr versprochen.