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Ein Stück Persönlichkeit
Sie sitzt am Tisch über einen Block gebeugt, ihre Hände fliegen über das Papier und erschaffen ein kleines Kunstwerk, das Lob anderer wertet sie durch ein leichtes Kopfschütteln ab. Nur eine kleine Lampe brennt und es ist zu dunkel, denn die Künstlerin arbeitet seit Stunden und merkt nicht, dass sie immer weniger Lichtstrahlen durch das winzige Fenster erreichen. Ihre Haare sind unordentlich hochgesteckt. Ihre Augen leuchten und die Wangen glühen. Sie lebt. Ihr ist heiß, aber sie malt. Ihr Bleistift huscht über das Papier und kurz denkt sie darüber nach, wie erstaunlich es ist, dass durch diese Bewegungen ein Bild, ein Werk entsteht. Wieder ein neues Stück Persönlichkeit. Sie hält kurz inne, sieht ihr Bild an und arbeitet dann mit neuer Begeisterung weiter. In der dämmrigen Dachkammer kann man leiser, klassischer Musik lauschen, die im Hintergrund spielt. Und da sitzt sie und malt, als gäbe es nichts Böses auf dieser Welt. Nur sie und das Bild, ihre Gedanken, ihre Gefühle, die Musik und der Geruch aus Farbe, Papier und Holz und die Katze. Die sitzt auf dem kaputten Sessel in der Ecke und schnurrt zufrieden. Sie spürt die Wärme und die Ruhe, die von der Künstlerin ausgeht. Und diese Innere Aufruhr. Diese Gefühle, die langsam Gestalt annehmen. Sie streckt sich, die Katze, gähnt und rollt sich zusammen. Schließich steht die junge Frau auf, betrachtet das Bild noch einmal, rollt es dann zusammen und verstaut es in einer Schublade des einfachen Schreibtisches. Sie geht die Wendeltreppe hinunter. Zurück bleibt die offene Schublade, in der ein dutzend Bilder warten entdeckt, betrachtet und verstanden zu werden. Alle erzählen eine Geschichte. Das Stück einer Persönlichkeit. Die Katze reckt sich, springt auf den Tisch, durch das halboffene Fenster und ist dann auch verschwunden.