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Ein Stück Fleischwurst für den Kleinen

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04.04.2003
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Ein Stück Fleischwurst für den Kleinen

Eine weitere Kindheitserinnerung

Samstagmittag, gegen 12 Uhr machte meine Mutter mit mir dann noch die Runde. Einkaufen. Der Markt schloss gegen 13 Uhr, da gab es um 12 schon Schnäppchen. Meine Güte, war mir das peinlich. "Der Blumenkohl hier für 90 Pfennige, der ist zu teuer. Den gibt es am Nachbarstand schon für 85 Pfennige!" "Na gut, dann nehmen sie den hier für 85 Pfennige." "Nein, der ist kleiner als der andere."
Beim Eierbauern Vergleichbares. "Die werden sie heute doch nicht mehr los. Legen sie mal 2 Stück dazu. - Nein, nicht die Knickeier! So etwas kommt bei uns nicht auf den Tisch."
Beim Bäcker dann noch ein Brot für das Wochenende. "Das können sie doch auch billiger hergeben. Wenn sie das jetzt nicht mehr verkaufen, dann liegt das doch bis Montag. Da kauft das doch keiner. Und soviel Paniermehl, wer braucht das denn schon!"
Peinlich! Und mich beachtete am Samstag niemand. In der Woche gab es mal ein Plätzchen oder so, oder eine Möhre, einen Apfel, aber am Samstag – nix. Sauer war ich und peinlich war es mir. Ich schwor mir damals, nie, aber auch nie samstags kurz vor dem Schließen der Geschäfte einkaufen zu gehen. Nie. Aber dann heiratet man und wann geht man Einkaufen? Eben.

Nun zurück. Die Markteinkäufe und der Bäcker waren erledigt.

Jetzt ging es zum Metzger. Fleischereifachgeschäft Klotz. Der Herr Fleischereimeister stand selbstverständlich selbst in blutverschmierter Schürze hinter der Fleischtheke. Seine ständig schnaufende, tonnenförmige Fleischermeistergattin war immer nur hinter der Fleischtheke zu finden. Meine Augen ruhten derweil in der Auslage, in gleicher Höhe mit den ausgelegten Schweinsfüßen und glotzenden Schweineköpfen. "Drei Schnitzel bitte, aber eines ganz klein. Ein ganzes schafft unser Willi ja noch nicht," wobei mir eine Hand liebevoll über die Mecki-Frisur fuhr. Im Boden versinken hätte ich können! Ich und kein ganzes Schnitzel schaffen? Drei hätte ich geschafft! Aber ich hatte ja nie die Gelegenheit dazu. Außerdem hatte ich immer so lange damit zu tun, die Panade vom Fleisch zu kratzen. Die habe ich dann immer mit der Soße vermischt und als erstes gegessen. Und wenn ich dann mit dem Fleisch anfing, dann waren meine Eltern schon fast fertig. Da hätte ich tatsächlich schon rein zeitlich keine drei Schnitzel geschafft.
So, nach den Schnitzeln und dem Schnitzelchen für den lieben Kleinen "Liebe Frau, ganz so klein darf das aber nicht sein, sonst bleibt der Willi ja immer nur ein kleines Williken und wird nie einer von den großen Willis" (Originalton Fleischermeister Klotz), "noch ein Pfund Gehacktes, halb und halb, aber frisch durchgedreht, nicht das aus der Schale da vorn, das ist ja schon grau vom Liegen." "Haha," schallte es regelmäßig aus der Wurstecke, grau vom Liegen, das finde ich gut, dann wäre mein Mann ja auch grau...", allerdings habe ich das nie verstanden, warum die gute Frau dabei gelacht hat. Der Fleischermeister blickte dann allerdings immer recht betroffen. Das war aber so ein richtiger Teddybär, der keiner Fliege etwas zu Leide hätte tun können, geschweige denn, seiner Frau.
Meine Mutter hat mir dann verraten, dass die Klotzens das nicht verkaufte Hackfleisch vom Samstag am Montag in die Bratwurst füllten. Deshalb würde sie nie am Montag Bratwurst kaufen. Aber egal. Etwas Cervelatwurst, eine halbe Schinkenwurst ohne Knoblauch, etwas westfälischen Schinken für Pappa, das war es dann. Und dann kam eigentlich immer die Rettung des Wochenendes. Die gute Frau Klotz beugte sich, soweit es ihr Leibesumfang möglich machte, über die Theke und reichte mir eine dicke Scheibe Fleischwurst.

"Wenn das Schnitzelchen schon so klein ist, dann darf die Fleischwurst etwas größer sein. Nicht war Willi?" Und da hättet ihr mal jemanden Nicken sehen sollen. "Sag aber jetzt danke," ermahnte mich meine Mutter von oben herab, aber mit vollem Mund sollte ich doch nicht sprechen. Das war der Moment, in dem ich erkannte, was ein klassisches Dilemma war. Normalerweise. Das war mir aber egal. So ein Mund voller kalter Fleischwurst, das war mehr als der Himmel auf Erden. Vor Allem nach der Tortour des Markteinkaufs zuvor.
Nun beugte sie sich also an diesem besagten Samstag wieder vor und schob etwas über die Theke.
"Hier Willi, du magst doch bestimmt auch mal etwas Süßes. Immer Fleischwurst, das ist doch bestimmt langweilig." Und da reichten mir die Wurstfinger der Frau Klotz einen kleinen, kirschroten Zuckerklotz an einem Kunststoffstiel herüber. Ich dachte noch an einen Scherz oder daran, dass dieser Lutscher nur die Vorspeise sein sollte, aber nix da. Von dem Tag an wurde vom Fleischermeister Klotz und seiner Gattin die Fleischwurst gegen diese unverträglichen, harten Lutscher ausgetauscht. Den ersten bekam ich ja noch irgendwie runter. In der Woche darauf auch noch einen. Aber dann war Schluss.
Und da stieg meine Mutter, trotz der Demütigungen beim vorhergegangenen Einkauf in meiner Achtung. "Jetzt steigen die auch schon auf so ein billiges Zuckerzeug um. Die sparen jetzt schon an der Fleischwurst für die Kinder. Aber einen dicken Mercedes unterm Arsch." Allein durch das Wort, das meiner Mutter so raus gerutscht war, wurde sie mir trotz der Einkäufe zuvor sehr, sehr sympathisch. Meine Mutter, und die sagt Arsch!! Toll. Das musste ich weiter erzählen!
"Komm, gib her," sagte sie, nahm den von mir bereitwillig hingehaltenen roten, schmierigen Klumpen mit zwei spitzen Fingern, ging mit mir einen kleinen Schlenker zum gelben Briefkasten, öffnete die Einwurfsklappe und warf den Lutscher hinein.
"Für die armen Kinder in Afrika," sagte sie, ohne mit einem Auge zu zwinkern oder zu schmunzeln. Und nur ein halbes Jahr später war ich so gewachsen, dass ich den Briefkastenschlitz schon selbst erreichen konnte. Und es war mir jedes Mal eine Genugtuung, wenn ich den Lutscher mit einem leisen Plopp auf die Briefe fallen hörte. Und damals fand ich es auch gut, dass die Post wusste, wo diese Lutscher hingeschickt werden mussten, ohne das wir eine Adresse drauf schreiben mussten.

 

Hallo toll.er,

eine mit schönen Worten verpackte Kindheitserinnerung.
Der Text ist gut formuliert und gekonnt aus der Sicht des kleinen Willi erzählt.
Das mit den Lutschern nach Afrika und dem Postkasten finde ich genial.

Amüsante, gute Geschichte.

Liebe Grüße - Aqua

 

Hallo toll.er!

erstmal herzlich Willkommen! :)

so, und jetzt zur Geschichte. Die hat es nämlich gar nicht verdient, mit einer einzigen Kritik zu versinken...
Abgesehen von einigen Schreibfehlern eine sehr gelungen, lustige Geschichte! Irgendwie so... aus dem Leben, nicht gekünstelt sondern echt.

"Aber dann heiratet man und wann geht man Einkaufen? Eben." - :lol:

"Der Blumenkohl hier für 90 Pfennige, der ist zu teuer. den gibt es am Nachbarstand schon für 85 Pfennige!" "Na gut, dann nehmen sie den hier für 85 Pfennige." "Nein, der ist kleiner als der andere." :rotfl:


Einfach nur zum LAchen, wie Du die Einkaufstour geschreibst - und der Schluiss mit den Lutscher, ja, der ist auch klasse. Eine absolut gelungene Geschichte in meinen Augen (bis auf die Rechtschreibung)!

schöne Grüße, Anne

 

Hallo toll.er,
es macht einfach Spaß, die Geschichten vom "kleinen Willi" zu lesen, ich fühlte mich beim "Fassonschnitt" schon in meine Kindheit zurückversetzt!
Echt, unverfälscht, ohne reißerisches Drumrum - und trotzdem absolut unterhaltsam!

"Und damals fand ich es auch gut, dass die Post wusste, wo diese Lutscher hingeschickt werden mussten, ohne das wir eine Adresse drauf schreiben mussten."

Super!

Liebe Grüße
Genesis

 

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.
Die Rechtschreibung werde ich noch einmal überprüfen. Am Bildschirm geht mir eine Menge durch.
Grüße
Toll.er

 

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