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Ein Sonnenbad

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21.07.2013
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Ein Sonnenbad

Wenn Alice im Bikini im Garten lag, schützte die Palisade sie vor den neugierigen Blicken der Nachbarin. Sie räkelte sich und turnte, ohne ein lästerliches Gemurmel auszulösen, das zwar nicht hörbar wäre, dessen Inhalt sie aber aus dem flüchtig auftauchenden Stirnrunzelgesicht hätte lesen können. Sie genoss die kleine Geborgenheit auf dem kleinen Rasen vor ihrem kleinen Haus bis zu jenem Augenblick, in dem sie zum ersten Mal spürte, dass ein fremdes Auge auf ihrem Körper ruhte.

Irritiert musterte sie die geflochtene Palisade, um die Schwachstelle zu entdecken, durch die der unerwünschte Blick in ihr Leben eindrang. Da war jedoch kein Loch, keine Ritze zu sehen, nur, sie musste lächeln, ein paar Kurven in der Oberflächenstruktur, die sich zu einem Auge formten. Dieses "Auge" hatte sie wohl beiläufig wahrgenommen und es hatte sich unbeaufsichtigt in ihrem Kopf zu einem Menschen zusammengesetzt. So oder ähnlich mussten jene Naturreligionen entstanden sein, die in allen Dingen eine Seele wähnten.

Erleichtert über ihre Erkenntnis und mit einem Anflug von Übermut ging sie zur Palisade, legte ihre Hände auf den warmen Kunststoff, schloss die Augen und versuchte die "Seele" zu spüren. Würde ein leiser Strom durch ihren Körper wandern, sich im Bewusstsein in ein Wispern wandeln, das von der fremdartigen Befindlichkeit einer Palisade kündete?

Nach einer Zeit, die ihr angemessen erschien, brach sie den Kontakt ergebnislos ab. Wie Alice zurück zu ihrer Liege ging, zurück zu ihrer kleinen Geborgenheit in ihrem kleinen Garten, beschattete sie ein Anflug von Bedauern über das Ende des kleinen Abenteuers.

Da bohrte sich der nächste Blick in ihren Rücken wie ein schwacher Röntgenstrahl, der, weder sicht- noch spürbar, die Haut trotzdem kribbeln liess, weil allein schon die Vorstellung seines zerstörerischen Potenzials einen Effekt erzeugte.

Fest entschlossen, ihre fehlgeleiteten Empfindungen durch eine Begegnung mit der Wirklichkeit zu korrigieren, drehte sie sich um und sah das zweite Auge auf der Palisade.

'Ja klar, auch Palisaden haben zwei Augen', dachte sie lächelnd und versuchte sich einzureden, es vorhin einfach nicht bemerkt zu haben, was ihr nicht gelang, denn die beiden Augen lagen so dicht nebeneinander, dass keines zu übersehen war.

Wäre ihr Blick ein Suchscheinwerfer, er hätte jeden Falter am Nachthimmel aufgespürt, mit solcher Gründlichkeit musterte sie die Palisade, um ja die Geburt des dritten Auges nicht zu verpassen. Doch die Palisade gab sich keine Blösse, was nicht weiter verwunderlich war, da sie wohl nichts besass, was hätte handeln können.

Alice beschlich das unheimliche Gefühl, sich allmählich von ihrem kleinen Alltag zu verabschieden, wenn sie noch lange auf diese Wand starrte. Also beschloss sie, zur Vernunft zurückzukehren, sich auf die Liege zu pflanzen und ihren Geist zu fluten mit dem Gedanken an das Erdbeer-Eis, das sie sich anschliessend gönnen würde.

Als sie nach einem kurzen Schlummer aufwachte, war ihr klar, dass nun ein drittes Auge sie betrachten würde. Sie sah noch nicht hin, versuchte erst den damit verbundenen Schock zu dämpfen, indem sie sich sagte, dass erstaunliche Veränderungen zum Leben gehörten. So entwickelte sich eine kleine, grüne Kugel zu einer grossen, roten Kirsche und ...

Sie ertrug ihr Besänftigungsgeschwätz nicht länger, warf sich herum und empfing den Anblick einer Palisade, die vollständig mit Augen bedeckt war. Während sie sich, aufgespiesst von tausend Blicken, nicht mehr bewegen konnte, schlich das kalte Entsetzen wie eine Schlange in ihren Unterleib.

Ihr Bewusstsein war eingeklemmt zwischen Blöcken aus gefrorener Angst, die jederzeit schmelzen und einen schwärzlichen Fluss bilden konnten, dessen Strömung sie unaufhaltsam dem Strudel des Wahnsinns entgegentreiben würde. Sie atmete flach, damit keine Erschütterung den Schmelzprozess auslösen konnte, und quetschte sich zwischen den Blöcken durch zu einem freien Plätzchen, auf dem bitte irgendein Gedanke wie ein rettendes Floss Gestalt annehmen mochte.

Die Quelle. Das Wort senkte sich wie eine schimmernde Seifenblase auf das freie Plätzchen. Die Quelle, der Ursprung des Übels war diese Palisade. Und dieses Ding war ihr ausgeliefert.

Ihre Beine bewegten sich und trugen sie zum Gerätehäuschen, von wo sie mit einer Säge zurückkehrte, mit der sie die Stützpfosten der Palisade dicht über dem Boden durchtrennte, sodass die dünne Kunststoffwand alsbald vornüber kippte, sozusagen aufs Gesicht, womit den Augen ihre Macht genommen war.

Alice rollte die Palisade ein wie einen Teppich und fesselte sie mit mehreren Schnüren. Sie stellte den rechten Fuss auf ihr Opfer und hoffte, wenigstens ein Echo jenes Triumphes zu spüren, den die Grosswildjäger bei dieser Pose empfinden müssen. Da war jedoch nur ein leichtes Zittern, das ihre Nachbarin zum Glück nicht sehen konnte, wenn auch dieses eine Augenpaar, angesichts der Masse zu ihren Füssen, von geradezu absurder Bedeutungslosigkeit war, sodass Alice ein kurzes Lachen ausstiess, sich aber nicht traute, hinüberzuschauen in jene kleinkarierte Welt aus Missgunst.

Erschöpft von den heftigen Gefühlen, legte Alice sich wieder auf ihre Liege, dieses Mal mit dem Rücken zum Haus. Denn sie hatte dort flüchtig die Form eines Auges wahrgenommen.

 

Hallo Bertram

Hast du gewollt diese Rubrik gewählt? Als Leser rieselte mir kein Schauder über den Rücken, nicht mal das Unbehagen, welches die Protagonistin heimsuchte, wurde mir vertiefter plausibel, da es zu harmlos und abstrakt ist. Ich sah in dem Text mehr eine humorige Sequenz, vermisste dabei jedoch auch Tiefgang. Oder war meine Erwartung zu hoch gesteckt, als ich mich darauf einliess?

Wenn Alice im Bikini im Garten lag, schützte die Palisade sie vor den neugierigen Blicken der Nachbarin. Sie räkelte sich und turnte, ohne ein lästerliches Gemurmel auszulösen, das zwar nicht hörbar wäre, dessen Inhalt sie aber aus dem flüchtig auftauchenden Stirnrunzelgesicht hätte lesen können.

Warum diese passive Erzählform in den einleitenden Sätzen? Hier kommt es darauf an, den Leser in das Geschehen einzubinden, ihn zu fesseln. In aktiver Schreibweise könnte dieser Aspekt m. E. an Glaubwürdigkeit gewinnen. Wenn ihre abwehrenden Gedanken klarer aufträten, es transparent wird, warum es sie stört, wenn die Nachbarin sie im Bikini erblickt, sähe ich darin einen Reiz. Das Stirnrunzelgesicht klingt nach Komik, wenn es eine alte Frau ist, warum nicht einfach runzliges Gesicht. Für paranoide Züge ist ein nicht hörbares lästerliches Gemurmel mir auch zu wenig ausgereift.

Irritiert musterte sie die geflochtene Palisade, um die Schwachstelle zu entdecken, durch die der unerwünschte Blick in ihr Leben eindrang.

Wenn schon, in ihren Lebensraum oder ihre Intimsphäre. Aber sie macht ja nichts, das ihr peinlich sein müsste, wenn jemand sie so erblickte. Ihr Motiv ist mir zu unklar.

Wie Alice zurück zu ihrer Liege ging, zurück zu ihrer kleinen Geborgenheit in ihrem kleinen Garten, beschattete sie ein Anflug von Bedauern über das Ende des kleinen Abenteuers.

Der ganze Satzteil mit den beiden kleinen ist an sich überflüssig, denn sie hat ihren Garten doch nicht verlassen. Das beschattet klingt mir auch etwas zu bemüht. Du versuchst im ganzen Stück eine gehobene Sprache zu vermitteln, doch da es nicht zwingend zum Milieu des Geschehens steht, liest sich dies nicht sehr authentisch.

Da bohrte sich der nächste Blick in ihren Rücken wie ein schwacher Röntgenstrahl, der, weder sicht- noch spürbar, die Haut trotzdem kribbeln liess, weil allein schon die Vorstellung seines zerstörerischen Potenzials einen Effekt erzeugte.

Auch dieser Satz ist mir wie dargestellt zu stark überzeichnet und widersprüchlich. Je realitätsnäher die Beschreibung von solchen Gefühlen auftreten, umso unangenehmer werden sie und würden mich als Leser beeindrucken.

Da es in dieser Art weitergeht, will ich hier nicht mehr ausführen. Die Idee, welche hinter der Geschichte steht, ist gefällig, hat Potenzial, doch in dieser sehr vereinfachten Form ist es mir zu fade. Bringe Spannung hinein, lass etwa ihre Gedanken mit unangenehmen Erinnerungen verbinden. Wäre die Nachbarin etwa ein Mann, wäre da doch schon mehr Brisanz vorhanden. Das Ende verliert sich dann auf höchst simple Weise, einzig ein fiktives Auge ist mir da ein zu glatter Ausgang. Vielleicht gelingt es dir ja da kräftig nachzulegen, wenn du dich getraust, die Gedanken die die Protagonistin plagen, freizügiger und unterschwelliger darzulegen. ;)

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Bertram

Ich glaube, der Text würde gewinnen, wenn du eine wirkliche Geschichte drumherum bastelst.

Im Prinzip hast du eine Figur und diese Augen - mehr nicht. Die Nachbarin wird zwar erwähnt, spielt aber keine Rolle. Das ist ziemlich wenig, um eine spannende oder unheimliche Atmosphäre zu schaffen. Wenn es da jetzt noch einen Ehemann gäbe, dem die Frau von den Augen erzählen könnte, wenn sich die Bedrohung über mehrere Tage stetig steigern würde, wenn die Frau vielleicht auch mal nachts in den Garten ginge, weil sie nicht schlafen kann und sich vergewissern will, ob die Augen noch da sind ... wenn, ja wenn.

Nur Mut. Erzähle doch noch ein bisschen mehr. Spannung entsteht, indem man sich in eine Figur hineinversetzen kann, vielleicht auch, indem man sich mal die Frage stellt - was würde ich in diesem Augenblick tun? Und dazu braucht die Figur etwas Eigenes, Individuelles, muss mehr sein als eine Schablone. Solche Abschnitte hier:

Ihr Bewusstsein war eingeklemmt zwischen Blöcken aus gefrorener Angst, die jederzeit schmelzen und einen schwärzlichen Fluss bilden konnten, dessen Strömung sie unaufhaltsam dem Strudel des Wahnsinns entgegentreiben würde. Sie atmete flach, damit keine Erschütterung den Schmelzprozess auslösen konnte, und quetschte sich zwischen den Blöcken durch zu einem freien Plätzchen, auf dem bitte irgendein Gedanke wie ein rettendes Floss Gestalt annehmen mochte.

klingen nicht spannend, nicht unheimlich - eher überfrachtet. Die Bilder sind zu schwer, die sind auch zu viel hier. Anakreon hat da völlig recht, wenn er schreibt, die Sprache passt nicht so recht in die Zeit und zum Inhalt.

Ich weiß, die Länge einer Geschichte ist kein qualitatives Merkmal, ich will das auch nicht behaupten, aber: mir fällt keine gute Horrorgeschichte ein, die nur aus einer Szene besteht, die so knapp erzählt ist wie in diesem Beispiel hier. Weder hier im Forum noch sonstwo hab ich das jemals gelesen. Wirklich, das Thema hat doch Potential, ich wäre gespannt, wie das ganze klingt, wenn du in die Geschichte noch ein oder zwei neue Figuren bringst, die Frau näher beschreibst, da noch ein paar Details hineinbastelst und die erzählte Zeit ein wenig ausdehnst, das muss ja nicht über Wochen gehen, aber vielleicht zwei oder drei Tage. So ein Wahnsinn schleicht sich ja langsam ins Leben.

Grüsse,
Schwups

 
Zuletzt bearbeitet:

In Absprache mit dem Autor von Horror nach Sonstige.

 

Vielen Dank für euer wertvolles Feedback und eure Verbesserungsvorschläge.

Ich sehe ein, dass diese Geschichte dem Horror-Genre nicht das Wasser reichen kann und ich muss gestehen, dass ich mit Horrorstories auch nie so richtig warm werde. Womöglich liegt es daran, dass meine Geschichte recht fade ausgefallen ist. Ich glaube, meine Idee funktioniert wahrscheinlich grundsätzlich nicht und dass sie trotz Verbesserungen ein Murks bleiben würde. Deswegen habe ich mich entschlossen, sie fallen zu lassen und mich stattdessen einem anderen Thema zu widmen, wobei ich hoffe, dass dieses euch besser gefallen wird ;-)

Dennoch haben mir eure Kommentare sehr weitergeholfen und mir die mangelnde Qualität der Geschichte bewusst gemacht.

 

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