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Ein Sommermorgen

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06.07.2017
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Ein Sommermorgen

Sie schlägt die Augen auf. Albin ist nicht mehr da. Sie ist allein.
Er hat ihn aus ihren Armen genommen, seinen letzten Atemzug aus ihm herausgepresst und den leeren Körper ihr überlassen. Sie ist ihm so nah gewesen, dass er im Vorbeistreifen auch einen Teil von ihr mitgenommen hatte. Aber sie muss weiterleben.
Mehr kann sie noch nicht fühlen an diesem Morgen. Ihre Bewegungen sind schlaftrunken, als sie zur Balkontür geht und diese weit öffnet. Die Luft ist mild. Ein lauer Wind verschiebt die zarten Nebelschleier des frühen Morgens hierhin und dorthin, so dass das Licht der Sonne mal gedämpft mal leuchtender zu ihr vordringt.
Wie jeden Morgen brüht sie sich einen Becher Kaffee auf. Sie nimmt den roten Becher mit ins Wohnzimmer. Morgens ist es immer der rote. Er passt genau in ihre Hände und die Farbe dringt über die Augen bis ins Herz. Sie öffnet auch den zweiten Türflügel und schiebt den Sessel davor, setzt sich, zieht die Füße unter sich und schaut über Bäume und Wiesen im Morgendunst. Der Kaffee ist heiß, zu heiß. Trotzdem versucht sie vorsichtig davon zu trinken. Er hilft ihr beim Wachwerden. Der Duft umschmeichelt Nase und Gehirn mit Behaglichkeit und hält die Erinnerung fern.
An diesem frühen Sommermorgen ist es noch still. Draußen zirpt leise ein erster Vogel. Der zarte Ton vertieft die Stille des Morgens. Ebenso wie das Rauschen eines entfernt vorbeifahrenden Autos. Sie schließt die Augen, lässt sich verzaubern und genießt die träge Morgenstunde, die nichts von ihr fordert. Ihre neue Einsamkeit schenkt ihr eine Freiheit, die sie so nie gekannt hat. Sie muss sich nicht mehr kümmern und sorgen. Sie muss nicht mehr bis zur völligen Erschöpfung funktionieren.
"Dolcefarniente", denkt Lena. "Jetzt weiß ich, wie es sich anfühlt, das süße Nichtstun und es gefällt mir."
Langsam schafft es die Sonne den Dunst zu vertreiben. Sanft erwärmt sie ihr die Glieder und die Seele. Sie fühlt die Trauer aus dem Herzen aufsteigen. Noch ist es eine weiche, erlösende Trauer, die ihre Augen überfließen lässt.
Abrupt steht sie auf, mehr als diese weiche Trauer kann sie nicht ertragen, will sie nicht fühlen. Lena geht ins Bad und wäscht die Tränen ab. Den Stein in der Brust kann sie nicht abwaschen, aber zudecken, wegschieben. Sie versucht es jedenfalls. Jetzt könnte sie alles tun, wofür sie vorher nie Zeit hatte, aber sie kann sich nicht aufraffen; sie hat keine Kraft mehr. Sie geht zurück ins Wohnzimmer und lässt sich wieder auf den Sessel fallen.
Die Türglocke schrillt. Sie will niemanden sehen. Aber der drängende Ton der Klingel zwingt sie aufzustehen, drängt sie dazu, die Tür zu öffnen.
Sie blickt in sein altes Gesicht, auf dem sich tausend Lachfältchen ausbreiten, als sie es anschaut. Seine blaugrauen Augen leuchten warm und seine Hand streckt ihr eine Schale mit Erdbeeren entgegen.
"Guten Morgen, ich war auf dem Markt, die sind für dich."
Mit beiden Händen nimmt sie die Schale entgegen und tritt unwillkürlich zurück, als er sich ins Zimmer schiebt.
"Wie geht es dir?"
Seine Stimme ist rau und laut. Viel zu laut. Sie kratzt auf ihrer Seele.
" Das Wetter ist so schön."
Sie kann nur flüstern: "Ja", sagt sie und geht mit den Erdbeeren in die Küche.
"Hoffentlich geht er bald wieder", denkt sie. Ihr Kopf und ihr ganzer Körper sträuben sich gegen sein Drängen.
"Kommst du mit an den Strand?" fragt er.
Langsam steigt ein ärgerliches Gefühl in ihr auf und verdrängt die Melancholie aus ihrem Herzen.
"Ich weiß, nicht", murmelt sie nur und wendet sich ab.
"Komm doch mit. Es wird dir gut tun."
Sie antwortet nicht, zieht sich wieder in Ihren Sessel zurück, aber die Morgenstimmung läßt sich nicht wieder herbeiholen. Die Sonne scheint jetzt grell und heiß auf ihren Lieblingsplatz. Sie schließt die Augen. Wenn er mich bloß in Ruhe lassen würde.
Er zieht sich einen Stuhl heran und legt seine Hand auf ihre. Vorsichtig streicht er mit der anderen über ihr vom Schlaf zerzaustes blondes Haar.
"Nimm den Badeanzug mit, das Wasser ist ganz warm."
"Später", sagt sie "vielleicht."
Er steht auf. "Ich hole dich in einer halben Stunde ab!"
Endlich ist er fort. Sie sitzt in der Sonne, die heiß auf sie herunter brennt. Jetzt ist ihr Körper aus seiner verschlafenen Taubheit erwacht. Sie spürt, wie ihr Blut pulsiert. Sie spürt das Pochen ihres Herzens und ein angenehmes Ziehen in den Lenden. Erstaunt nimmt sie die Regungen ihres Körpers wahr.
Während sie noch bemüht ist die Gefühle ihrer Seele zuzudecken, reagiert ihr Körper schon wieder. Unangebracht, wie sie findet. In ihrem Kopf tauchen bruchstückhafte Erinnerungen auf an die dunklen Stunden, in denen sie über ihn gewacht hatte. Der Sarg, der langsam im Feuer verschwindet. Die Trauerfeier hatte sie überstanden, ohne Gefühle aufkommen zu lassen.
Lena steht auf, eine Abkühlung wäre vielleicht gut. Sie zieht den Badeanzug an und ein Strandkleid darüber, schlüpft in die Sandalen, legt sich ein Handtuch um die Schultern.
Bevor die Türklingel wieder schrillt, geht sie nach draußen. Dort steht sie wartend im Halbschatten, den die kleinen Blätter einer Birke auf den Gehweg werfen. Sie lehnt wartend an dem warmen Stamm, doch am liebsten würde sie wieder umkehren. Sie will diesen Mann nicht. Und sie will nicht erinnert werden. Es ist zu früh. Es geht zu schnell. Sie will alleine sein, ohne Ziel die Zeit verinnen lassen. Unbemerkt hinüber gleiten in ihr neues Leben.
Langsam löst sie sich vom Stamm, den Kopf gesenkt, die Augen schwimmen.
Behutsam nimmt er ihre Hand. Sie schaut ihn nicht an, sie will nicht weinen. Ganz langsam geht er mit ihr den abschüssigen Pfad hinunter. Eine leichte Briese trocknet ihre Augen und spielt mit ihrem Haar. Nicht weit, am Fuße der sanft abfallenden Düne, liegt glitzernd das Meer. Wo der Meeresboden zum flachen Strand ansteigt, bricht sich leise rauschend die flache Dünung. Sie löst ihre Hand aus seiner und geht vorsichtig durch den heißen Sand. Unterwegs streift sie Kleid und Schuhe ab.
Dann taucht sie ein in das blaugrüne, klare Wasser. Sanft, wie mit hundert kleinen Händen berührt es sie, jedes Fleckchen ihrer Haut. Angenehm und kühl. Lena spürt, wie das Meer sie trägt, auch den Stein in ihrem Innern.
Beide, Trauer und Mißmut, sind besänftigt, als sie aus dem Wasser steigt. Er erwartet sie und reicht ihr das Handtuch. Die Geste rührt sie, auch wie er fürsorglich ihre Schuhe aufsammelt und sich auf eine Bank am Rande der Dünen setzt. Mit einer Handbewegung bietet er ihr den Platz neben sich an. Lena streift das Kleid über und setzt sich auf ihr Handtuch. Leise fragt er sie, wie es ihr jetzt gehe. Sie lächelt:
"Viel besser", sagt sie. Dann schweigen beide.
Lena zieht die Beine an, legt die Arme um die Knie. Sie schaut über die weite glitzernde Wasserfläche, spürt die zarte Brise und lässt ihre Gedanken fließen.
Das Schlimmste, was passieren kann, ist schon passiert. Sie hat es erlebt, ohne zu zerbrechen. Sie ist ihm begegnet, dem Tod, er hat ihr viel genommen, ihre Welt verändert. Aber er hat auch etwas gegeben: die Freiheit, einen neuen Weg zu suchen.
Sie seufzt tief auf, nimmt die Füße von der Bank und steht auf.
"Wollen wir dort im Strandpavillon ein Eis essen?", fragt er mit seiner rauhen Stimme. Sie nickt.

 

Anmmerkung des Autors:

Vielleicht mehr lyrischer Text als Kurzgeschichte - aber auf jeden Fall kurz.

 

Hallo Branwen,

das ist meine erste Kritik auf dieser Website. Verzeih, wenn das vermutlich nicht so konstruktiv ist wie hier üblich.

Ich nehme mir mal nur deinen ersten Absatz vor.

Heute lächelt die Sonne mild aus dunstigen Wolkenschleiern, die ein sanfter Wind hierhin und dorthin schiebt. Scheinbar traumloser Schlaf hält mich noch umfangen. Das einzig Reale, der heiße rote Kaffeebecher in meiner Hand. Leben schlürfend erwarte ich meinen Tag.
Leise Töne schieben sich in mein Erwachen. Musik, weit entfernt. Jetzt zwitschert hier und da ein Vogel. Vereinzelt ein Rauschen, von den Reifen eines entfernt vorbeifahrenden Autos, in der Stille des Morgens.

Das sind zu viele Adjektive (Adverben sind auch eine Menge dabei), die überladen den Text mit zahlreichen Beschreibungen, die du meist gar nicht brauchst. Das hemmt den Lesefluss und macht das ganze a bissl zäh. Das musste ich mir auch mal mühsam einprägen. Und deine Beschreibungen sind auch etwas unpräzise. Wie muss ich mir eine Sonne vorstellen, die mild aus dunstigen Wolkenschleiern lächelt? Ist es nicht viel prägnanter für den Leser, wenn man das direkter schreibt? Du sagst zwar selbst, dass es eher ein lyrischer Text ist, aber ich finde es doch recht mühsam, konkret den Inhalt der Sätze wahrzunehmen. Und was ist ein scheinbar traumloser Schlaf? Geht das überhaupt? Entweder man träumt oder nicht, oder?

Also dieser sehr adjektivlastige und schnörkelhafte Stil zieht sich so durch den ganzen Text. Meinen Geschmack trifft es nicht, ich finde das Lesen deines Textes sehr anstrengend, den Inhalt nehme ich kaum wahr, da ich mich zu sehr auf die Syntax konzentriere. Mich konntest du leider nicht mitreißen, aber gut, ist wohl Geschmackssache. Dennoch würde ich empfehlen, diesen Stil hin und wieder etwas zurückzuschrauben, das wirkt vielleicht doch zu abschreckend auf das Gros der Leser, vor allem in einem Forum, das mit Lyrik eher wenig zu tun hat.

Ich hoffe, du konntest mit meiner kurzen Rückmeldung ein bisschen was anfangen.

Grüße vom
Pleitegeier

 
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Danke Pleitegeier, dass Du es versucht hast.

Ich weiß, dass der Text ungewöhnlich ist. Dass er dem Leser einiges abfordert an Geduld und Konzentration. Und ich denke, dass sowohl viel Lebenserfahrung, als auch Erfahrung mit so stark verdichteten Texten (wie in Gedichten) nötig ist, um sich einfühlen zu können.
Ich weiß, dass der Text, obwohl er etwas erzählt, doch keinen üblichen Geschichten-Aufbau oder Spannungsbogen aufweist.
Und dennoch hoffe ich, dass es - gerade in diesem Forum - jemand gibt, der ihn versteht und mir ein paar Tips zu dieser Textform geben kann. Wer Walther von der Vogelweide im Munde führt, kann sich vielleicht auch in diesen Text einarbeiten (?).

Wenn ich die von Dir monierten Worte weglasse, ergibt sich folgender Text:
Heute lächelt die Sonne aus Wolkenschleiern, die der Wind verschiebt. Schlaf hält mich noch umfangen. Real ist der rote Kaffeebecher in meiner Hand. Schlürfend erwarte ich meinen Tag.
Töne schieben sich in mein Erwachen. Musik. Jetzt zwitschert ein Vogel. Vereinzelt ein Rauschen, von den Reifen eines Autos, in der Stille des Morgens.

So wäre der Text sinnlos, er verliert seinen Klang und transportiert nicht mehr das Gefühl, das ich in ihn hineingelegt habe. Wollte ich einen die Außenwelt beschreibenden Text schreiben, würde ich es vielleicht so machen:
Heute ist ein sonniger Tag. Jetzt am Morgen ist der Himmel noch ein wenig dunstig. Eine leichte Brise weht und verspricht einen schönen Tag. Noch etwas Schläfrig tapse ich in die Küche und hole mir einen heißen Kaffee, den ich am liebsten aus meinem roten Becher schlürfe.....

Entweder man träumt oder nicht, oder?
Entweder man weiß, dass man geträumt hat oder man weiß es nicht!

Herzlichst Branwen

 
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Hallo Branwen,
herzlich Willkommen bei den Wortkriegern.
Ich habe eine Frage und zwei Anmerkungen.

Die Frage: Ich habe bei einem solchen Text, der eher lyrische Prosa ist als Kurzprosa, der damit natürlich hier bei uns an Grenzen stößt, natürlich in deinem Profil gestöbert. Und bin dabei auf diese Anmerkung gestoßen:

Ich bin bereits in zwei Autorengruppen, aber die Textarbeit kommt wegen der vielen organisatorischen Arbeit oft zu kurz. Deshalb möchte ich hier an meinen und anderen Texten mitarbeiten.
Das klingt nach viel Arbeit, da hab ich mich natürlich gleich gefragt, was der genaue Hintergrund ist, hier mitzuarbeiten. Da bleibt zum Überarbeiten oder zum Textarbeiten doch nur ganz wenig Zeit. Oder wolltest du nur ein Feedback? Ich hätte dir nämlich sonst den Vorschlag gemacht, ganz einfach solche Texte zu kommentieren, deren Autoren dir geschmacklich nahe kommen (hast ja vielleicht schon jemanden im Auge, wenn du an Walther von der Vogelweide erinnerst). Daraus ergibt sich dann oft ein gegenseitiges Geben und Nehmen und man profitiert für seinen Text.

Das waren schon erste Frage und erste Anmerkung.

Die zweite Anmerkung ist länger und betrifft deinen Text.

Er gefällt mir leider bis auf einen Satz ziemlich wenig. Und das hat natürlich auch was damit zu tun, dass ich mit dieser Art Prosatexten generell wenig am Hut habe. Ich mag allerdings Lyrik. Und da muss ich sagen, dass mir dein Text auch wenn er noch radikaler verdichten würde, auch als Gedicht nicht gefallen würde. Das liegt am Thema.
Ein Protagonist/lyr Ich befindet sich in einer anhaltend melancholischen Stimmung, ein Kummer, von dem man als Leser nichts erfährt, der das Ich aber stagnieren lässt. Es will fühlen, leben, gleichzeitig nicht, sondern in dem Zustand zwischen Traum und Wirklichkeit verharren. Ein Du will das Ich dazu bringen, sich einzulassen. Es "überredet" dieses Ich, sich dem Meer anzuvertrauen. Das Ich erlebt Lösung und Hoffnung.
Natürlich spielt sich viel auf der symbolischen Ebene ab, aber es gibt keine zweite Ebene, die einen Leser von dieser rein selbstreferentiellen Betrachtung eines Kummers abholen würde, hin zu einer Aussage, und damit auch Deutung und Interpretation eines Geschehens, die über das eigentliche Problem hinausweisen würde. Die Literarizität fehlt. Das ist mein Hauptproblem mit diesem Text. Von daher fällt es mir schwer, hier Textarbeit zu leisten.

Ich kann es natürlich verstehen, wenn du dich dem Streichen von Adjektiven und rhythmischen Füllungen entgegenstemmst, der sprachliche Sog wäre weg. Das stimmt natürlich, aber sprachlicher Sog ist nicht alles. Zudem verwendest du hier ziemlich viele sehr allgemeingültige und häufig gebrauchte Formulierungen. Damit wäre ich in solchen Texten sehr vorsichtig. Nicht vergessen will ich auch die inhaltlichen Wiederholungen.

Einfach mal zwei Beispiele, damit du weißt, was ich meine:

Heute lächelt die Sonne mild aus dunstigen Wolkenschleiern, die ein sanfter Wind hierhin und dorthin schiebt.
Scheinbar traumloser Schlaf hält mich umfangen. Das einzig Reale, der heiße rote Kaffeebecher in meiner Hand. Leben schlürfend erwarte ich meinen Tag.
die Sonne lächelt
dunstige Wolkenschleier
sanfter Wind
All das sind sehr gebräuchliche Formulierungen. Ich würde da mutiger werden. Sogar überlegen, ob ich wirklich mit Wetter und auch noch mit dem Aufwachen beginnen würde, um diese Rückkehr ins Leben zu beschreiben. Frag zehn Leute nach ihrer ersten Idee, wie sie eine Rückkehr ins Leben beschreiben würden, und du kriegst elf mal Wetter und fünfzehn mal das Aufwachen.

Leider finden auch auch Formulierungen, die unfreiwillig komisch werden, was du ja sicherlich nicht willst:

Scheinbar traumloser Schlaf hält mich umfangen. Das einzig Reale, der heiße rote Kaffeebecher in meiner Hand. Leben schlürfend erwarte ich meinen Tag.
Der Schlaf hält das ich doch gar nicht mehr umfangen, wie könnte es denn sonst die Kaffeetasse halten. Ich weiß, oder bin sehr sicher, dass du den Schlaf neben dem echten Schlaf als eine symbolische Ebene meinst, aber das kommt hier nicht zum Ausdruck, weil das ganze Szenarium viel zu sehr an den echten Bedeutungen angesiedelt ist. Da kommts schnell zu solchen "Missverständnissen" und Übertragungen.
Auch "Leben schlürfend ..." hat so etwas unfreiwillig Komisches. Sie schlürft den Kaffee, sonst nichts.
Der Grund, warum ich da so drauf rumhacke, ist der gleiche wie der obendrüber. Ich würde mir Gedanken machen über die Verwendung von Symbolen in diesem Text und die Symbolebenen.

Zu Wiederholungen sage ich nur ganz allgemein, dass auch Lyrik oder lyrische Prosa vorangehen, voranschreiten muss, eine immer wieder neue Entwicklung zeigen sollte, sich nicht auf die Wiederholung des immer wieder gleichen beschränken sollte. Du hast zwar eine Conclusio in deinem Text am Ende, aber die Entwicklungsschritte erscheinen mir nichtssagend, viel zu sehr auf derselben Ebene verbleibend. Als Beispiel dieser Absatz:

Mein langsames Auftauchen aus träumerischem Versponnensein wird von zwiespältigen Gefühlen begleitet. Missmut und Verdrossenheit wechseln ab mit Erleichterung. Du sorgst dich liebevoll darum, wie es mir geht und erfüllst kleine nur beiläufig ausgesprochene Wünsche. Doch du redest, du fragst, du willst. Ich will nicht.
Ich will mich nicht einlassen, mich nicht sorgen. Ich bin nicht bereit für Höhen und Tiefen. Jede Berührung schmerzt und droht mich zu ersticken, treibt mir die Tränen aus den Augen, lässt das Herz stille stehen.
Hole mich aus der dunklen Trauerhöhle, gehe mit mir durch einen Blumengarten, aber berühre mich nicht.
Drei Absätze, die immer das gleiche beinhalten: Ambivalenz.
Aber nicht genügend variiert oder konkretisiert oder herausgenommen aus der reinen Benennung. Das Ich bleibt bei seinem Gefühl. Da gibt es keinen Erkenntniswert für den Leser als die pure Wiedererkennun, dass er das auch schon mal erlebt hat, das bleibt aber völlig abstrakt. Es wird nicht zur echten Geschichte (Kurzgeschichte) oder zu einem Kurzprosatext, der das Problem dieses Ich für Leser auf eine neue Ebene heben würde.
Welchen Satz ich in diesem Zusammenhang stark fand - und als Idee oder Ausgangspunkt verwenden würde für etwaige Überarbeitung, ist der hier:
Hole mich aus der dunklen Trauerhöhle, gehe mit mir durch einen Blumengarten, aber berühre mich nicht.
Finde ich einen tollen Satz in seiner Widersprüchlichkeit.
Ich würde sogar noch hinzufügen: nimm meine Hand, aber berühre mich nicht.

Ich weiß nicht, was ich bei einer Überarbeitung machen würde, mir erscheint der Text so, dass er erst mal aus seinem Selbstreferentiellen, das viel zu vordergründig und abstrakt benenned bleibt, herausgeholt werden müsste.

Viele Grüße
Novak

 
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Hallo Nowak,

wundervoll - damit hast Du mir einen Weg eröffnet, wie ich weiter vorgehen kann. Ich muss dazu viel nachdenken, deshalb wird es etwas dauern mit der Überarbeitung.

Ich bin so froh über diese Rückmeldung, weil ich mit dem Text (der mir sehr am Herzen liegt) nicht voran gekommen bin. Nur engste Freunde haben ihn in Ansätzen verstanden (weil sie die Situation kennen, aus der heraus er geschrieben wurde), aber sie haben mir nicht in der literarischen Form weiter helfen können.
Für mich gibt er genau das Gefühl in einer bestimmten Situation wieder, aber sobald man das in in einen Text formen will, der auch anderen zugänglich wird, wird es sehr schwierig. Für mich werde ich diese Textform - wie ein Tagebuch - erhalten, aber für Leser/Hörer werde ich den Text so lange ändern bis er auch ihnen etwas sagt.

Entgegen Deiner Annahme, dass da vieles symbolisch ausgedrückt wird, wird hier ein realer Morgen mit seinen tatsächlichen Gefühlen dargestellt. Nur der Stein ist ein Symbol für einen unvorstellbaren, unausdrückbaren Schmerz. Es ist der Versuch den (wie ich jetzt merke wiederstrebenden) Zuhörer in das Gefühl mit hineinzunehmen.

Ich glaube, ich werde den Text erst einmal in eine Beschreibung umwandeln (?) vielleicht auch nur an einzelnen Stellen. Dann kürzen und verdichten. Dabei wird sich die Frage stellen, ob der Ich-Erzähler bestehen bleiben kann.

Ich danke Dir sehr, dass Du Dir so viel Mühe gegeben hast.

Jetzt zu Deiner anderen Frage/Aussage.

Mit den Möglichkeiten in Foren, kenne ich mich noch nicht so aus. Aber ich werde versuchen auch mal den ein oder anderen persönlich um Hilfe zu bitten.

Die Autorengruppen, in denen ich mitarbeite, sind regionale kleine Gruppen, die sich einmal im Monat treffen, um Lesungen vorzubereiten. Wir veranstalten etwa 10 Lesungen im Jahr mal mit Thema mal ohne. Dazu schreiben wir kleine Kurzgeschichten. In der einen Gruppe werden die Texte besprochen, in der anderen nicht. Daraus haben sich Freundschaften entwickelt. Mit diesen Freunden machen wir ein wenig Textarbeit, wenn Texte anfallen. Ich habe dabei viel gelernt.

Jetzt habe ich das Bedürfnis diesen Kreis zu erweitern. Bei der Suche nach einer Arbeitsgruppe, habe einen Tip für dieses Forum bekommen.

Da ich nicht nicht mehr in ein Berufsleben eingespannt bin, habe ich Zeit mich ein wenig tiefer in die Schreibarbeit einzulassen.

Herzliche Grüße
Branwen

 

@Nowak Pleitegeier

Nachdem ich Eure Kommentare wieder und wieder gelesen habe, versuche ich mal mit einer Art Exposé, eine Linie zu schaffen.

"Nach dem Tod des langjährigen Geliebten erwacht die Protagonistin eines Morgens. Sie ist allein. Sie merkt, dass sie wieder fühlen kann. Es ist für sie wie ein neues Leben. Sie fühlt sich selbst, die Natur und ihre Umgebung, wie sie sie nie vorher gefühlt hat. Sie fühlt sie durch den Schleier der Trauer. Die Trauer und den Grund dafür vermeidet sie in ihren Gedanken. Sie will sie nicht fühlen, sie hat Angst sie könnte überwältigt werden. Sie will auch keine Beziehungen zu anderen Menschen mehr eingehen, um nicht nocheinmal so verletzt zu werden. Aber die Umwelt und die Mitmenschen fragen nicht danach, sie dringen auf sie ein. Und siehe da, es hilft. Zwar wird die Trauer nicht angegangen, aber die Hoffnung, dass sie überwunden werden kann, keimt in ihr auf.

Durch das Erzählen im Präsens und in der ersten Person versucht der Autor die Leser in die Gefühle der Protagonistin mit hineinzunehmen, sie mitfühlen zu lassen."

In beiden Kommentaren wird mir gesagt, dass der Ausdruck überladen ist und dadurch Verdruss statt Mitgefühl erzeugt. Außerdem, dass die Widersprüchlichkeiten (die im Leben so vorkommen mögen) den Leser überfordern, wenn sie nicht erklärt werden. Also entweder man führt den Leser langsam ein und erklärt es ihm so, oder sie müssen weg. Ebenso muß wohl der Tod, als auslösendes Ereignis, eingefügt werden.

Hm, hm, hm, mal sehen wie ich das machen kann. :hmm:

 

Hallo und herzlich willkommen hierorts.

Branwen,

Du wirst Dich nun fragen, "warum gönnt der mir das Attribut 'lieb(e/r)' nicht" - und Du hast selbstverständlich (was ist an Literatur schon "natürlich", außer dass es die Theorie gibt, dass die Kunst (wozu auf jeden Fall Literatur zu zählen ist) der Natur nachgebildet sein solle/wäre. Aber jedem Substantiv ein Adjektiv zu gönnen, wobei manches Hauptwort für sich selber spricht, endet bei Frau Kemper und in der Gartenlaube.

"Heute lächelt die Sonne mild aus dunstigen Wolkenschleiern, die ein sanfter Wind hierhin und dorthin schiebt."
"... mild ... dunstigen ..., ... sanfter ...", klingt nicht nach viel - aber sind Wolken nicht eh Wasserdampf und somit von Natur aus "dunstig", Dunst?, Wasserdampf in der Küche - und sei's die der Hexen. Und ob die Sonne lächelt und nicht grinst - wer mage das zu unterscheiden, nur weil die Temperatur mal nicht Richtung Frost oder Tropen geht. In der Konstellation ist nämlich ein "schwüler" Tag, hinter dem das Ungewitter droht nebst subtropischen Regenschauern. Also bloße Idylle? Und was ist das
Scheinbar traumloser Schlaf ...
zwei Adjektive, um festzustellen, dass es eben kein "traumloser" Schlaf ist. Und dann ein erster echter wirklicher ehrlicher Höhepunkt:
Das einzig Reale, der heiße rote Kaffeebecher in meiner Hand.

"... einzig Reale2 (substantiviertes Adjektiv), "... heiße rote ... meiner ...", nahezu die Hälfte eines Satzes aus Adjektiven, denn selbst das Possessivpronomen gerinnt zum bloßen Adjektiv, um die Frage zu entschärfen, wessen Hand denn sonst? Und um den nächsten Satz vorweg zu kommen: Partizipien, ob I, ob II verwandeln Verben zugleich in Adjektive, sind also auch kein "lohnendes" Geschäft.

Du siehst, die Welt wimmelt von durchaus nützlichen bis zu unnützen Adjektiven und adjektivistisch sich gebenden anderen Wortarten. Und selbstverständlich darf man schreiben

Ich genieße die einsame Müßigkeit der Stunde, ...
obwohl "Muße" schlichter wäre. Und es lauern in der Gartenlaube Fallen, wie spätestens hier
Ich genieße die verlangsamte Zeit, die sanfte Übergänge schafft in ein Leben, ...
wenn dieses unscheinbare, einsilbige "in" den Dativ verlangt.

Natürlich - wer wäre denn davor gefeit - gibt's auch mal Fehler in der Zeichensetzung - jedenfalls nach neuerer deutscher Rechtschreibung - wenn denn nicht die Melancholie überhand nähme

Hole mich aus der dunklen Trauerhöhle, gehe mit mir durch einen Blumengarten, aber berühre mich nicht
und ich nicht weiß, wie nah Deine Schwermut an der Wirklichkeit, statt der Gartenlaube klebt. Und wenn, dann hätt ich schon die Frage: Warum kein klarer Hilferuf?

Als ich 17 war, war ich mit Cohn-Bendit, Dutschke und einigen wenigen tausend Leuten auf der Straße und mit Henry Miller in der Innentasche und Rimbaud im Herzen. Der hat mit 17 perfekte Sonette geschrieben, um kurz darauf die Dichtung hinzuwerfen, um Waffenhändler zu werden. Aber bei ihm weiß man, was die Hölle ist. Und dann wird.

Aber weiß außer mir - und Novak und - natürlich einigen wenigen hierorts - wie ich hier angefangen hab.

Warten wir's ab. Wird schon werden, meint der

Friedel

 

Hey Bas,

ich weiß, dass es nicht einfach ist. Tausendmal Dank dafür, dass Du es dennoch gelesen und Rückmeldung gegebn hast.

Einfache Korrekturen (Kommas etc), mache ich morgen.

Ich weiß nicht, ob Du Beitrag 7 aus diesem Thema gelesen hast, dort habe ich mitgeteilt, wie ich die Korrektur angehen werde. Dabei werde ich deine Anmerkungen zu den Sätzen:
"Leben schlürfend ... ; Ich genieße ... ; Und sanft ... und Ich fühle mich nicht mehr ..."
mit berücksichtigen.

Besonders freue ich mich, dass wenigstens einer, der Lesenden es nicht sooooo schrecklich gefunden hat. Den Versuch es direkter zu machen, habe ich ja bereits angekündigt.

Zu Deinem Nachtrag:
Ich habe bereits viel im Forum gelesen und mich an zwei Kommentaren versucht. Ich bin mir einfach noch ein wenig unsicher mit dem Kommentieren. Aber das wird mehr! In den Gruppengesprächen vor Ort, habe ich bereits erfahren, dass einem bei den Texten der Kollegen manchmal Dinge aufgehen, für die der Blick verstellt ist, wenn man eigene Texte bearbeitet.

Herzlichst Branwen

 
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Branwen schrieb:
Nach dem Tod des langjährigen Geliebten erwacht die Protagonistin eines Morgens. Sie ist allein. Sie merkt, dass sie wieder fühlen kann. Es ist für sie wie ein neues Leben. Sie fühlt sich selbst, die Natur und ihre Umgebung, wie sie sie nie vorher gefühlt hat. Sie fühlt sie durch den Schleier der Trauer. Die Trauer und den Grund dafür vermeidet sie in ihren Gedanken. Sie will sie nicht fühlen, sie hat Angst sie könnte überwältigt werden. Sie will auch keine Beziehungen zu anderen Menschen mehr eingehen, um nicht nocheinmal so verletzt zu werden. Aber die Umwelt und die Mitmenschen fragen nicht danach, sie dringen auf sie ein. Und siehe da, es hilft. Zwar wird die Trauer nicht angegangen, aber die Hoffnung, dass sie überwunden werden kann, keimt in ihr auf.

Liebe Branwen,

ich hatte schon einen Kommentar zu deiner Geschichte fertig, da kam mir Novak zuvor und schrieb ungefähr das, was ich dir auch zu deinem Text gesagt hätte.

Deshalb jetzt nur zu deinem ‚Exposé’:

Ich sehe ein Problem darin, dass du auch dort sehr stark im Bereich der Selbstreflexion deiner Prota verharrst. Im Mittelpunkt stehen wieder ihre Gefühle und Empfindungen. Ich fürchte, dass du aus diesem ‚Kreisen um sich selbst’ nicht herausfinden wirst, wenn du dich nicht grundsätzlich umorientierst und den Fokus deines Textes auf

… die Umwelt und die Mitmenschen …,

die auf sie ‚eindringen’, richtest.
Symbolhaft würde ich durchaus die Begegnung mit dem neuen Tag stehen lassen, aber konkret müsste mMn ihre Verwandlung in der Begegnung und Auseinandersetzung mit einem (oder mehreren) anderen/neuen Menschen dargestellt werden.

Und wie du es schon in deinem ersten Text angedeutet hast, könnte das beispielhaft dieser Mann sein, der sie mit ans Meer nimmt. Dieser Mensch, der sie zurückholt aus ihrer Trauer, müsste dann allerdings Kontur bekommen, müsste sich vom abstrakten ‚Du’ in ein konkretes Individuum verwandeln.
So würde neben die innere Welt deiner Prota ganz allmählich wieder die äußere treten und wichtig werden. Und das wäre dann für mich das eigentliche Erzählpotential. Daraus könnte sich eine ‚echte’ Kurzgeschichte entwickeln und deine Protagonistin aus der Spirale ihrer Selbstreflexion reißen

Wenn du aber, wie es mir dein Exposé vermittelt, weiterhin den Fokus auf der Innensicht deiner Protagonistin belässt, wird sich mMn nicht viel ändern: Das wird keine Geschichte werden, sondern im Wesentlichen reine Innenschau bleiben.

Liebe Branwen, das sind so meine Gedanken zu deinem neuen Ansatz.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Moin barnhelm!

Das Problem daran ist, dass ich gar keine Kurzgeschrichte schreiben wollte.

Ich weiß nur nicht welches Genre oder Format eine solche "Innenschau" haben müßte. Dazu fehlt mir die Erfahrung und die wissenschaftliche Grundlage.
Wie müßte ich den Text umschreiben und benennen, wenn ich nur eine Innenschau machen wollte?
Vielleicht gibt es auch kein Format das eine reine "Innenschau" ermöglicht.

Ganz bestimmt kann ich die Figur, in einer Geschichte verarbeiten.
Vielleicht ist dieser Text einfach nur eine Vorarbeit/Skizze für eine Figur in einer KG oder einem Gedicht?

Ich weiß, dass es ein bisschen unfair ist - so ein Ansinnen an ein Kurzgeschichten-Forum zu stellen, aber ich weiß nicht, wen ich sonst fragen könnte.:confused: Und die "Gespräche" hier, helfen mir dennoch weiter.

Ich verspreche auch - nach einer Phase mit Kommentaren - wieder eine echte Kurzgeschichte einzustellen :D

Herzlichen Dank
Branwen

 
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Liebe Branwen,

zu deinem Text haben einige schon viel Bedenkenswertes geschrieben. Ich möchte hier auf etwas eingehen, was mich selbst sehr beschäftigt hat.

Erstens, warum schreibe ich überhaupt? Zweitens, warum möchte ich das, was ich schreibe, anderen mitteilen?

Selbstverständlich kennst du die positiven Wirkungen der Selbstheilung, die aus der Niederschrift der eigenen Befindlichkeit erwachsen. Dabei ist es gar nicht mal so entscheidend, ob es sich um dramatische oder eher belanglose, für andere langweilige Empfindungen geht. Es geht ja nur um die eigene Innenwelt, in der die sprachliche Gestaltung alles darf, ästhetische ebenso wie ethische. Die klassische Form dafür ist das Tagebuch. Und es kommt sicher nicht von ungefähr, dass berühmte Autoren Tagebücher geführt haben, die sie keinesfalls vor ihrem Ableben veröffentlicht haben wollten.

Und da bin ich bei Überlegung zwei. Habe ich der Welt etwas zu sagen, eine Botschaft, die über das Statement hinausgeht: Seht her, das bin ich, und in meinen Glück oder Unglück bin ich einmalig, basta?

Da kommt nun der Leser ins Spiel. Warum sollte er sich dafür interessieren, wenn er gar nicht oder nur als claqueur gewünscht wird?

Es ist mMn unabdingbar, den potentiellen Leser dadurch zu gewinnen, dass man ihm Gelegenheit gibt, sich anzudocken.
In einem Forum für Kurzgeschichten und Romane ist das in der Regel ein Plot, eine Handlung, die den Leser an der Hand nimmt und ihn miterleben lässt.

In deinem Text sind dafür durchaus Elemente vorhanden, wenn du - wie schon barnhelm formuliert - diesen schemenhaften Menschen ("Du") ins Licht treten lässt, ihm ein Gesicht gibt, kurz gesagt, ein Gegengewicht zur Egozentrik des Autors/Ich-Erzählers bildest.

Die Innenwelt kannst du schon, jetzt brauchst du den Blick auf die Außenwelt, und da gibt es andere Menschen.

Freundliche Grüße
wieselmaus

 
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Hallo nochmal Branwen,

was Bas sagt, nämlich:

Zieh dir aus den (großartigen, sehr hilfreichen, ich will keinen anderen Eindruck erwecken) Kommentaren das raus, was dir für DEIN Schreiben hilft, nicht das, was dir hilft, es massenkompatibel zu machen - dann bleibt dein Zauber, deine eigene Stimme schnell auf der Strecke.

stimmt natürlich. Nicht jeder Stil ist "massentauglich". Bei der vorliegenden Kurzgeschichte ist er es meiner Meinung nach nicht, aber das muss er auch nicht. Dazu sind Foren mitunter da: Um mit dem eigenen Stil experimentieren zu können. Die Frage, die sich hier stellt, ist nur, wie auch wieselmaus schon angedeutet hat, warum du schreibst. Wenn du viele Leser erreichen willst, musst du auch massentauglich schreiben (wofür wissenschaftliche Grundlagen und Exposés unerlässlich sind). Wenn du dir nur was von der Seele schreiben willst, nur für dich, dann brauchst du das natürlich nicht. Die Frage stelle ich mir auch häufig: Warum schreibe ich diesen Text? Will ich wen erreichen, oder möchte ich persönlich etwas aufarbeiten? Ich habe schon eine Weile keine Kurzgeschichte mehr geschrieben, und da ich momentan an einer arbeite, ist diese Auseinandersetzung für mich ebenfalls sehr aktuell, und die kannst du nur für dich selbst beantworten. Dementsprechend würde ich dann dasjenige aus den Kommentaren ziehen, was dir am meisten weiterhilft.

In meinem ersten Post habe ich nichts zu der Handlung gesagt, aber jetzt, nachdem ich dein Exposé und nochmals den Text gelesen habe, finde ich das ein sehr interessantes Thema. Der Tod geliebter Menschen hat vielfältige Auswirkungen auf die Hinterbliebenen; deine Protagonistin fühlt sich wie neu geboren, die Trauer fungiert als Katalysator, der ihr ermöglicht, ihre Umwelt stärker wahrzunehmen, intensiver zu fühlen. Verstehe ich das so richtig? Aber gleichzeitig will sie die Umwelt nicht fühlen? Das ist ein guter Konflikt, finde ich. In gewisser Weise natürlich widersprüchlich, aber nicht unrealistisch. Wenn du die Handlung etwas szenischer inszenierst (wie von den Kommentatoren bereits erörtert durch bspw. Interaktionen mit anderen Menschen), kann sie wirklich mitreißend werden. Vielleicht kann dich das ja motivieren, noch ein bisschen an der Geschichte zu feilen. Ich werde sie dann gerne wieder lesen.

Einen sonnigen Tag wünscht der
Pleitegeier

 
Zuletzt bearbeitet:

Branwen schrieb:
Wie müßte ich den Text umschreiben und benennen, wenn ich nur eine Innenschau machen wollte?
Vielleicht gibt es auch kein Format das eine reine "Innenschau" ermöglicht.

Liebe Branwen
Grundsätzlich solltest du dir mMn die Frage stellen, mit welcher Intention du eigentlich schreibst. Und dann auch: Was möchte ich mit meinem Text vermitteln? Was soll mein Leser aus ihm für sich mitnehmen? *)

Denn so eine Innenschau ist ja in erster Linie etwas, was dem Schreibenden selbst etwas bringt. Er möchte ausdrücken, was sich in seinem Inneren abspielt. Um aber subjektive Empfindungen auch für einen potentiellen Leser interessant zu machen, müsste für mich etwas transportiert werden, was über das rein Subjektive eines solchen Textes hinausgeht: eine allgemeine, vielleicht sogar philosophische Erkenntnis, eine Metaphorik, die das Dargestellte auf eine neue Ebene hebt, eine ganz besondere sprachliche Form oder idealerweise sogar alles zusammen. Und da sind wir dann ganz schnell dort, wo es vorwiegend um die Gefühlsebene geht: bei der Lyrik.
Ich glaube, du hast selber schon gemerkt, dass das der eigentliche Platz für das ist, was du vermitteln möchtest, zumindest, wenn du bei deiner ‚Innenschau’ bleiben willst. Da gibt es ja inzwischen großen Spielraum für den Schreibenden und er muss nicht mehr den alten strengen Regeln folgen. Schau vielleicht mal hier: http://wortwuchs.net/prosagedicht/

Allerdings liegt dann mMn der Schwerpunkt auf der dem Thema angemessenen sprachlichen Gestaltung. Und das halte ich für ein sehr schwieriges Unterfangen. Da spielen Klang, Rhythmus und starke sprachliche Bilder eine wesentliche Rolle. Die Ausstattung des Textes mit vielen Attributen (Adjektiven, Partizipien usw.) hilft da für mein Empfinden nur bedingt.

Keine Ahnung, ob das für dich nun eine Hilfe oder sogar eine Antwort auf deine obige Frage ist.

Liebe Grüße
barnhelm

*) Ps: Gerade sehe ich, dass auch wieselmaus schon ähnliche Überlegungen geäußert hat.

 

"Ich kam gegangen
zuo der ouwe:
dô was mîn friedel komen ê.
Dâ wart ich empfangen,
hêre frouwe,
daz ich bin saelic iemer mê.
Kuster mich? wol tûsentstunt:
tandaradei,
seht wie rôt mir ist der munt."​

Hallo Branwen -

nicht erschrecken, dass ich schon wieder auftauch, eben einer, der schon mal

... Walther von der Vogelweide im Munde führt, ...
(wenn auch nicht nur) und der auch gerne mal gegen den mainstream anschwimmt. Aber Walther anzurufen (oder auch den Kürenberger bis Oswald) wird man schwerlich Fürsprache zu blumigen Formulierungen finden. Ich hab mal zum Beleg die zwote Strophe "under der linden" vorangestellt. Drei Adjektive sind darinnen, wovon das erste, die "hêre" Frau die "heilige" Maria meint und im Hochmittelalter ein fester Begriff war, ansonsten sind es noch selig und rot. Statistisch werden sich auch in anderen Versen kein größerer Anteil an Adjektiven finden lassen.

Um es kurz zu sagen: Die Gefahr ist, dass inflationär verwendete Adjektive jeden noch so guten Text in Kitsch verwandeln, vom inneren Monolog bis hin zum öffentlichen Vortrag. Dass Nachfrage besteht, belegen Bestsellerlisten.

Aber alles kein Beinbruch, findet der

Friedel

 

Moin in die Runde!

Zunächst mal @ Friedel:

Hallo lieber Friedel (wie Du siehst habe ich mit den Adjektiven keine Probleme :lol:). Wie Du sicher schon bemerkt hast, hat meine Antwort auf Deinen Post etwas auf sich warten lassen. Das liegt daran, dass es mir schwerfiel Deine Aussagen zu verstehen. Ich mußte den Eintrag häufiger lesen. Auf jeden Fall hast Du dieselben Stellen angesprochen, wie einige andere und daraus schließe ich erstens (Ich sag es mal salopp) so viele Adjektive für Nix und wieder Nix sind sch....!
Bei den Wolken, muss ich Dir widersprechen: Es gibt "so ´ne und solche" Wolken. (Ich wohne in einem wolkenreichen Gebiet.) Aber ich weiss worauf Du hinaus willst. Dann: Müßigkeit KLINGT anders als Muße und ist irgendwie nicht so behäbig.
Du fragst ( und wenn ich Dich besser kennte, würde ich dazu setzen ALS MANN :D): Warum kein klarer Hilferuf?
Naja, weil der Prota gar nichts klar ist und Hilfe will sie schon mal gar nicht.

Aber vielen Dank für Deine Einlassungen, und dass Du mir am Ende doch noch Mut machst ;) und ... Branwen (...liebe/lieber...)kann man googeln.

@ wieselmaus

Warum schreibe ich? Da gibt es verschiedene Gründe. Ich schreibe einen Roman, weil ich dort ein Thema habe, das ich "der Welt" mitteilen möchte. Die Kurzgeschichten sind für mich die Fingerübungen dazu. Dass sie auch vorgelesen werden, liegt an dem Umfeld in dem das Schreiben passiert. Das Vorlesen zwingt einen dazu noch genauer zu arbeiten, denn der Text muß sozusagen im Vorbeihuschen aufgenommen werden können. Massenkompatibilität, Kürze und Sprechbarkeit sind da Voraussetzung. Bei diesem Lernprozess entwickeln sich dann Fragen zur Literatur, wie zum Beispiel die, die ich hier vorgelegt habe.
Wenn ich Tagebuch schreiben würde, hätte ich (jetzt, wo ich darüber nochmal nachdenke) den Text auch dort nicht angesiedelt.
Ich würde ihn vielleicht als "Ausbruchsversuch" aus dem normalen Schreiben bezeichnen.

@ Bas

Danke - "so tue ich". Und für die "Fingerübungen" wird daraus vielleicht doch eine Geschichte mit viel Innenansicht.

@ Pleitegeier

Warum ich schreibe - siehe @ wieselmaus. Es wird ein wenig dauern, aber wenn ich das Ganze - wie Du so schön sagst - szenischer gemacht habe, freue ich mich auf mindestens einen Leser.;)

Was mir aufgefallen ist: alle Einträge stürzen sich ( in der Frage der Adjektive ...) auf den ersten Abschnitt der Geschichte. Vielleicht, weil es zuerst so abscheulich ungewohnt und konträr zu den gelernten Regeln ist ? Weil man sich aber nachher schon ein bisschen dran gewöhnt hat, können dann auch andere Dinge besprochen werden?
Ich danke Euch allen, dass wir uns am Ende doch noch ganz allgemein über "diese andere Art zu schreiben" unterhalten konnten.

:herz: Branwen

 

Hallo Branwen, in aller Kürze, weil ich keine Zeit habe (Urlaub).

Was mir aufgefallen ist: alle Einträge stürzen sich ( in der Frage der Adjektive ...) auf den ersten Abschnitt der Geschichte.
Vielleicht weil es der erste Abschnitt ist, auf den man trifft? Weiter hinten benutzt du auch Adjektive, deren Verwendung sehr allgemein und dadurch nichtssagend wird.
Ich mach nur mal Beispiele:
zarter Farbton
schwere Tränen
großer Schmerz
sanfte Übergänge
sanft streichelt die Sonne
zarte Schleier

Sanft, ich glaube auch "zart" wird ohnehin recht häufig gebraucht.

Viel besser gefällt mir der Gebrauch der Adj hier: polierter Stein unter webendem Wasser.
(Ab jetzt ist alles selbstverständlich persönlicher Novakgeschmack, das sehen andere vermutlich anders.)
Wobei ich mich hier fragen würde, warum ich webendes Wasser und poliert verwendet habe, es klingt, als hätte das Ich den Schmerz (den Stein) zu oft in Händen gehalten, ihn sozusagen "gepflegt" und sich in ihn hineinversetzt. Das ist übrigens wieder ein Ansatzpunkt in deinem Text: Wie geht das Ich mit dem eigenen Schmerz um? Manchmal hält ein Ich, ein Protagonist an einem Schmerz ja auch fest, weil er das einzige ist, das er kennt. Solch einen Gedanken in eine Kurzprosa mitaufzunehmen, fände ich auch sehr interessant.

Und beim Überarbeiten würde ich aufpassen. Ich würde mehr Handlungs-Elemente einbauen, wie du ja selbst schreibst, z. B. den Anlass des Kummers (den Tod des Geliebten), den Konflikt zwischen Verharren-wollen und wieder leben wollen usw. Du musst halt aufpassen, dass du nicht noch mehr Richtung Lyrik gehst, wir sind ja ein Kurzgeschichtenforum und dein Text ist jetzt schon grenzwertig. barnhelm beschreibt das Problem des Textes noch dazu in einem Kurzgeschichtenforum aus meiner Sicht sehr gut.
Auf jeden Fall aber würde ich mal probieren, sprachlich mutiger zu werden. Das hat mit dem bloßen Adjektivgebrauch nichts zu tun.

Viele Grüße noch mal und erfolgreiches Überlegen.
Novak

 

Hallo Branwen,

dein Text langweilt mich.

Okay, das war übertrieben. Und mach dir bitte, bitte nichts draus: Ich bin ein absoluter Legastheniker, was Lyrik betrifft:
Kann ich nicht, versteh ich nicht, will ich nicht, find ich doof! :lol:

Die Diskussion, die hier unter deinem Text abläuft, und auch was du selbst so dazu schreibst, finde ich aber sehr, sehr spannend.

Und beim Überarbeiten würde ich aufpassen. Ich würde mehr Handlungs-Elemente einbauen, wie du ja selbst schreibst, z. B. den Anlass des Kummers (den Tod des Geliebten), den Konflikt zwischen Verharren-wollen und wieder leben wollen usw. Du musst halt aufpassen, dass du nicht noch mehr Richtung Lyrik gehst, wir sind ja ein Kurzgeschichtenforum und dein Text ist jetzt schon grenzwertig.

Och nee, Novak!

Da hat mir der weise Rat, den dir Bas dir unter Nr. 14 gegeben hat, dass du dir selbst treu bleiben solltest, aber viel besser gefallen!

Hm, ob ich das Exposé als Rechtfertigung sehen würde ... weiß nicht.
Eher als den Plot, den Anne49 gerne IM Text sehen würde. :D

Hast du den Text mal in ein Lyrikforum eingestellt? Was sagen die denn dazu?

Ich denke, in deinem Fall, wo du so in keine Schublade reinpasst, würde ich mir von möglichst vielen Leuten (aber keine Bekannten!) Feedback einholen, um rauszukriegen, wie der Text auf sie wirkt.

Meine persönliche Vermutung ist (ich mag mich irren), dass du dich dann irgendwann aber doch entscheiden musst. Entweder noch lyrischer werden oder doch ein wönziges bisschen Plot einbauen.

Eine von mir sehr geschätzte Autorin hat mal in Interviews gesagt, dass sie Probleme mit dem Plotten hätte, immer ihren Mann deswegen gefragt hätte.
Da wäre ich bei ihr im Leben nicht drauf gekommen! Sie schreibt sehr emotionsbetont, das ja, aber in ihren Romanen gibt es immer einen Plot und der funktioniert auch. Also, anscheinend hat sie ihre "Plotschwäche" selbst erkannt und sich immer entsprechend mit anderen Menschen beraten, so dass es dann ein guter Text wurde.

Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie es mit deinem Text weitergeht und auf den weiteren Austausch mit dir! :thumbsup:

LG, Anne

 

Zitat von Novak
Und beim Überarbeiten würde ich aufpassen. Ich würde mehr Handlungs-Elemente einbauen, wie du ja selbst schreibst, z. B. den Anlass des Kummers (den Tod des Geliebten), den Konflikt zwischen Verharren-wollen und wieder leben wollen usw. Du musst halt aufpassen, dass du nicht noch mehr Richtung Lyrik gehst, wir sind ja ein Kurzgeschichtenforum und dein Text ist jetzt schon grenzwertig.
Och nee, @Novak!

Da hat mir der weise Rat, den dir @Bas dir unter Nr. 14 gegeben hat, dass du dir selbst treu bleiben solltest, aber viel besser gefallen!


So ein Spruch klingt gut und ist leicht gemacht. Die Folgen könnten fatal sein.
Ich möchte in aller Freundlichkeit, aber auch Ernsthaftigkeit daran erinnern, dass dies KEIN Lyrikforum ist. Und wenn der Text bei einer Überarbeitung noch mehr Fahrt in diese Richtung aufnimmt, würde er gelöscht werden müssen.

 

Hallo Novak,

okay, danke, deinen Kommentar verstehe ich!

Das sind ja zwei getrennte Fragen, ob der Text hier etwas zu suchen hat und was der Autor daraus macht - er wird ja noch eine lokale Kopie haben, hoffe ich mal, und möglicherweise daran weiterarbeiten wollen. Wo auch immer.

LG, Anne

 

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