Ein seltsamer Ort
(keine Absätze beabsichtigt)
Wo bin ich?, war nur eine der vielen Fragen, die mir durch den Kopf zischten. Wie kam ich hier hin? Bin ich allein? Ich konnte nichts verspüren. Alles war wie taub. Nur in Gesichtsnähe waren gewisse Empfindungen spürbar. Aus Angst ließ ich meine Augen geschlossen, aus Angst, was mich wohl erwartete. Ich begnügte mich mit dem schwarzen Bild, das ich vor mir hatte und legte in meiner Fantasie meine Umgebung so zurecht wie ich es wollte. Ich legte meine Gedanken voll auf das, was mich umgab. Und es war nicht viel, was ich verspürte. Was war es, das ich spürte? Meine Gesichtshaut biss mich ein wenig. Doch weswegen? Umgab mich Kälte oder Wärme? Ich konnte es nicht unterscheiden. Schmerz? Nein, Schmerz war nicht wirklich zu spüren. Doch ein fast unbeschreibbares Gefühl, als ob mein Kopf in einem Schraubstock stecken würde, kam fast dem Schmerz gleich. Ich versuchte meinen Kopf ein wenig zu bewegen, doch es gelang mir nicht. Oder gelang es mir, doch ich spürte es nicht? Was war mit meinen anderen Körperteilen? Es änderte sich nichts. Ich wusste nicht einmal, ob ich sie noch besaß. Betäubt, gelähmt, einfach außer Gefecht gesetzt. Ich versuchte mich zu erinnern. Nahm ich ein Betäubungsmittel? Wenn ja, wozu? Werde oder wurde ich operiert? Lasse ich irgendwelche Tests über mich ergehen? Doch ich fand keine Antwort. Nun versuchte ich meinen linken Fuß ein wenig zu heben, doch ohne scheinbaren Erfolg. Was war nur mit mir geschehen? Die Spannung stieg in mir. Sollte ich meine Augen nun öffnen? Was sollte denn schon passieren? Es könnte ein Bild sein, das ich mein ganzes Leben nie wieder vergessen sollte. Grausam, katastrophal. Ich sah mich in einem Bett unter der Bettdecke, geborgen warm. Vielleicht war noch jemand hier? Sollte ich „Hallo!“ rufen? Sollte ich es wirklich tun? Langsam öffnete ich meinen Mund. Doch auch er ließ sich nicht bewegen. Es blieb beim Versuch. Panisch stieß ich ein paar Murmellaute aus. Erleichterung kehrte ein. Ich hörte sie sehr verschwommen. Ich fuhr fort. Vielleicht war jemand hier. Doch ich vernahm keine Reaktion. Ist das gut oder schlecht? Soll ich mich nun freuen oder nicht? Auf jeden Fall kann ich beruhigter daran gehen, meine Augen zu öffnen. Ich ging zurück zu meiner Fantasie; ich bin unter der Sonnenbank eingeschlafen. Nahm ich ein Sedativum, das die motorischen Fähigkeiten lähmte, mich jedoch bei vollem Bewusstsein ließ? Hörte sich sehr unwahrscheinlich an. Dass ich noch hören konnte, war auch ein Beweis dafür, dass es um mich herum still war. Wo konnte ich nur sein? Ein Hungergefühl übermannte mich. Ich bin wohl schon länger ohne Essen verblieben. Ich muss mir dringend etwas besorgen. Doch dazu sollte ich vorher wissen, wo ich bin. Ein weiterer Grund meine Augen nun zu öffnen. Ich bin im unendlichen Weltraum und schwebe durch die Lüfte. Meine Gesichtshaut biss weiterhin. Ich war mir langsam immer sicherer, dass es Gefühl der Temperatur war. Doch war es nun warm oder kalt? Oder war es doch ein anderes Gefühl? Auch mein Kopf steckte noch im Schraubstock, oder was auch immer. Wie kam ich hierher? Ich weiß nichts mehr. Doch ich weiß, ich bin ein Mann, lebe im 21. Jahrhundert und bin Deutscher. Ich heiße Dieter. Oder Dirk? Was war das Letzte, an das ich mich erinnern kann? Ich musste meine Augen öffnen, mir blieb keine andere Wahl mehr. Mir musste etwas schreckliches zugestoßen sein. Doch was sollte auch passiert sein? Ich mache mir sicherlich umsonst Sorgen. Ich zählte innerlich bis null. ... eins, null. Augen auf! Waren sie nun offen? Ich sah genauso schwarz vor Augen wie zuvor. Ich flüchtete in die Fantasie. Ich bin tot und weiß es nicht; ich lebe im 27. Jahrhundert und mein Kopf wird in einem Gefrierschrank konserviert; einer meiner Freunde spielt mit mir einen blöden Streich; ich bin schon in einer Fantasie, die Fantasie meiner Träume. Was auch immer es war, es beunruhigte mich sehr. Ich musste mir nun überlegen, wie ich schnell wie möglich herausbekomme, was hier los ist. Ist es hier wirklich dunkel, sind meine Augen noch zu oder habe ich etwas über meine Augen geschoben? Solange ich mich nicht bewegen kann, kann ich nichts unternehmen; und solange ich nichts unternehmen kann, werde ich so sterben. Außer jemand Fremdes wird mir helfen. Ich bete noch zu Gott. Vielleicht ist das meine letzte Hoffnung. Gott, mögest du mir bitte helfen, mir jemand senden, damit ich aus dieser außergewöhnlich prekären Lage befreit werde. Oder sende mir ein Zeichen, einen Hinweis, dass es doch nicht so schlimm ist, wie es doch scheint. Oder gib mir die Erkenntnis, meine verlorengegangene Erinnerung zurück, dass ich mich auch vielleicht selbst befreien kann. Dafür werde ich dir ewig dankbar sein. Sind das Stimmen, die ich höre? Wurde mein Gebet schon erhört? Was ist das, das ich zu hören glaube? Es hört sich so an, als würde jemand sagen: „Hopp, beeilt euch. Schneller, schneller, schneller.“ Bilde ich mir das nur ein? Doch jetzt die Bestätigung. Ein Licht, das immer heller und heller wurde. Meine Augen sind offen. Das Licht schien immer heller und heller, greller und greller. Wo bin ich? Des Rätsels Lösung ist scheinbar nahe. Dieser Helligkeitswechsel tat in den Augen weh. Ich musste sie wieder schließen. Dies nutzte ich, um mich noch zu bedanken. Lieber Gott, das werde ich dir nie vergessen. Du hilfst wirklich Menschen, die dich ernsthaft darum bitten. Ich öffnete wieder meine Augen. Was sah ich? Es sah aus wie ein Hundekopf, der sich wild hin und herbewegte. Ist er der, der mich befreit? Ist es mein Hund? Immer mehr tat sich vor mir auf. Ich sah den Himmel, die grelle Sonne, die mir in die Augen schien, diesen Hund, der mich zu befreien schien und alles andere waren weiße Flächen. „Keine Angst, wir haben Sie gleich hier raus“, hörte ich eine Männerstimme rufen. „Halten Sie durch. Die Schneemassen haben wir gleich weggeräumt.“ Da kam es mir wieder. Erinnerungsfetzen. Urlaub, Alpen, Skifahren. Gott, ich danke dir.