Was ist neu

Ein Schritt

Mitglied
Beitritt
27.06.2007
Beiträge
27
Zuletzt bearbeitet:

Ein Schritt

Tiefschwarze Dunkelheit. Der Wind pfeift und lässt sie schwanken, bevor sie die Schwelle überhaupt erreicht hat.
Regen peitscht ihr ins Gesicht und in ihre durchnässten, viel zu dünnen Kleider.
Sie kämpft an, gegen den Sturm. Beugt sich dem Heulen entgegen, das ihr fast den Atem nimmt.

Ein Schritt.

Fest steht sie da. Die Beine in den Stein gestemmt. Fels.
Haare reißen, steigen empor, wie Drachenflügel.
Trotzig schaut Sie hinab, wischt sich das Wasser aus dem Gesicht, das salzig schmeckt.
Sie kann nichts sehen im Hinab, nur hören.
Tiefes Grollen. Das Meer kämpft mit der Himmelsmacht.
Der Fels erträgt die Massen mit stoischer Gelassenheit.
Kulisse. Die Richtige. Die Falsche.

Nur ein Schritt.

Das innere Toben hat dem Äußeren nichts entgegenzusetzen.
Schuld und Unschuld tragen bald die Anderen. Zweifel werden sie plagen. Ewig.
Gehetzt, fragend, sich eingestehend, trauernd.
Was? Wann? Wieso? Und jetzt?
Sie aber wird es überwinden. Den Schmerz, die Flucht, das Klammern.

Ein Schritt.

Stille wird die Dominierende sein. Schwerelose Hülle.
Nichts, was reibt, einengt, vorgibt, erstickt.
Steter Vorwurf wird der Weite weichen. Große unendliche Ruhe.
Sie wird bleiben. Als Erinnerung, flüchtiger Moment, für immer in die Welt geschrieben.

Ein Schritt.

Hallo? Kannst du mich hören?
Hier stehe ich. Inmitten der Gezeiten. Nackt.
Habe nichts und doch so viel zu sagen.
Wann ist Zeit, zuzuhören?
Wann ist Zeit, aufzupassen?
Wann ist Zeit, festzuhalten?

Ein Schritt.
Nur ein verdammter Schritt.

Die Luft in ihrer Lunge brennt. Erstickt jeden Schrei. Zieht ihr kalt hinter die Stirn.
Sie hat dem Sturm noch etwas zu entgegnen. Lässt nicht zu, dass er entscheidet.
Gibt all ihre Kraft. Jetzt nicht. Jetzt noch nicht.
Du wirst es nicht übernehmen.

Das hier gehört mir.

Der Fels wirft sich vor sie. Schützend. Tapfer. Freund im Kampf.
Woran hält sich der Frierende?
Woran hält sich der Ängstliche?
Woran hält sich der Stürzende?
Woran hält sich der Kranke?
Woran hält sich der Sterbende?
Das Leben. Ich entscheide mich für das Leben.
Nur ein Schritt.
Zurück.
Noch einmal auf Anfang. Augenöffnen.

Licht.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Aprilhexe,

von mir ein Herzlich Willkommen, wir hatten noch nicht das Vergnügen.

Wollte erst einmal fragen, ob du uns das Aprilwetter geschickt hast, ich frag nur, wegen deines Namens?

Also zu deiner Geschichte, die ich schon als sehr lyrisch empfinde und nicht nur deswegen finde ich sie sehr schön, sondern auch weil das Ende, worüber ich hier lieber schweige:sealed:, um die anderen Leser, dass nicht vorweg zu nehmen, sehr anmutig und leise, Schritt für Schritt daher kommt.

Sehr gerne gelesen.:)

Liebe Grüße Weltflucht

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo aprilhexe,

anfangs dachte ich mir: oh gott, bitte keine suizidgeschichte, die thematik ist ziemlich ausgelutscht! Es blieb jedoch dabei, da hat einer vor zu springen, tut es dann aber wohl doch nicht. man kann allerdings auch davon ausgehen, dass sie sprang, die augen öffnete und nun im jenseits ist, beim licht, der schützende felsen, der sich vor sie wirft, den aufschlag darstellt.

sprachlich ambitioniert und ausdrucksstark, doch die thematik ist nen ziemlich alter hut...

Was? Wann? Wiso? Und jetzt?
Wieso?

Waran hält sich der Stürzende?
Woran

Zudem, wo ist hier der philosophische hintergrund?

Grüße,

Subart

 

@subart
Da hast du mich falsch verstanden.Ich stelle mir eher Folgendes vor: Die Protagonistin könnte schwer krank sein und/oder einen langen Leidensweg hinter sich haben. Der Text handelt vom inneren Kampf mit sich selbst. Der Entscheidung zwischen Aufgabe und erneutem Kämpfen. Der Entscheidung zwischen Leben und Tod.
Auch die Klippe steht hier eher als Metapher.
Letztendlich entscheidet sie sich für das Leben, bietet der Krankheit die Stirn. Z.B.:
"Das hier gehört mir."
"Du wirst es nicht übernehmen"
Alles in Allem also ein sehr lebensbejahender Text.
Aber ok. Du hast es anders interpretiert. - mein Fehler.
Wegen der Rechtschreibfehler- Danke! Ich korrigiere sie sofort.
LG, a

 

@Weltflucht
Hola! Vielen Dank! Mich freut es sehr, dass dir mein Text gefallen hat! - und offensichtlich hast du ihn auch verstanden... Schön!

 

Hallo nochmal,

schon klar, man kann das ganze ding als metapher sehen, dafür fehlten mir aber genug hinweise, tendierte also eher zur suizidsache.

auch wenns lebensbejahend ist kanns ne suizidgeschichte sein.

naja, wie gesagt, war mir nicht so sicher, lag dann doch falsch und gut geschrieben ist es allemal :)

grüße,

subart

 

Hi Aprilhexe,

auch von mir erst mal ein herzliches Willkommen auf kg.de

Dein Text hat was Lyrisches, finde ich. Aber er geht auf jeden Fall als Kurzgeschichte durch. Was mir gefallen hat war deine klare bildhafte Sprache. Es sind ein paar sehr schöne Formulierungen dabei. Du arbeistest viel mit kurzen Sätzen und schreibst, wie schon gesagt, sehr metaphorisch. Da ist es um so wichtiger das die einzelnen Sätze sitzten, da, wenn sie es nicht tun würden, die Geschichte sehr darunter leiden würden.

Doch im Normalfall sitzen sie. Deshalb lest sich deine Geschichte auch sehr schön lesen.

Hier aber mal ein paar Formulierungen, die mir nicht gefallen haben:

Tiefes Grollen. Das Meer kämpft mit der Himmelsmacht.
Darunter kann ich mir nun wirklich nichts vorstellen...

Woran hält sich der Frierende?
Woran hält sich der Ängstliche?
Woran hält sich der Stürzende?
Woran hält sich der Kranke?
Woran hält sich der Sterbende?
Das hier hätte ich auch anders geschrieben... warum immer "halten"? Der Frierende will doch gewärmt und der Ängstliche beschützt werden.

Ich würde schreiben:
Was wärmt den Frierenden?
Was beschützt den Ängstlichen?
Woran hält sich der Stürzende?
Was heilt den Kranken?
Woran klammtert sich der Sterbernde?

Das Leben.

Das es um den Todeskampf eines Kranken gehn solle, hätte ich nicht sofort erraten, erst nach deinem Kommentar. Hätte auch er darauf getippt, dass der Protagonist mit dem Gedanken spielt sich umzubringen. Vielleicht könntest du da noch ein zwei Hinweise einbauen.

Insgesamt fand ich deiner Geschichte gut.

lg neukerchemer


Die Luft in ihrer Lunge brennt. Erstickt jeden Schrei. Zieht ihr kalt hinter die Stirn.
Zieht kalt hinter die Stirn, finde ich auch sehr seltsam. Würde ich weglassen.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom