Ein Schlag des Schicksals
„Wir sollten bald wieder in dieses Restaurant gehen“, sagte Vanessa während sie aus dem Fenster des fahrenden Autos in die Dunkelheit sah. „Ja, das sollten wir unbedingt bald wieder tun. Das Essen war einfach nur köstlich. So köstlich, dass ich mir am liebsten meine Zähne nie wieder putzen würde.“ Mark lachte dabei laut auf und Vanessa entgegnete ihm mit einem Lächeln.
„Und die Preise waren auch in Ordnung. Vor allem bei diesem super Service. Ich habe mich fast wie eine Prinzessin gefühlt“, scherzte Vanessa. Aber Mark blickte sie mit ernster Miene an. „Das glaub ich sofort. Der Kellner hat auch ziemlich mit dir geflirtet.“
„Bist du jetzt auf einen fremden Mann eifersüchtig?“, fragte Vanessa. „Nein, wieso sollte ich auf jemanden eifersüchtig sein, der seinen Charme nur spielen lässt um mehr Trinkgeld zu bekommen.“
„Wieso bist du immer so eifersüchtig? Du weißt, dass ich dich liebe und wenn du mich auch liebst, dann könntest du mir endlich mal vertrauen und nicht gleich jeden Mann, mit dem ich rede, als potentiellen Rivalen sehen.“ „Ich liebe dich doch auch. Und ich bin auch nicht eifersüchtig. Sag mal waren Anna und Uwe nicht auch schon einmal hier?“ Vanessa konnte es nicht glauben, dass er schon wieder einem ernsten Thema auswich. Diesmal wollte sie es nicht zulassen. Wenigstens einmal sollten sie ein Thema bis zum Ende diskutieren.
„Nein!“, schrie sie und ihre Stimme überschlug sich fast dabei. Das war die Wut aller nicht beendeten Streitigkeiten. Mark verriss vor lauter Schreck das Lenkrad. Als er den Wagen wieder unter Kontrolle hatte, sah er Vanessa verwundert an: „Wieso schreist du so?“
„Weil wir nie über unsere Probleme reden können. Du wechselst dann immer sofort das Thema oder haust einfach ab. Das reicht mir jetzt. Es ist ja schön, dass wir jetzt fast fünf Jahre zusammen sind und nie gestritten haben, aber man sollte trotzdem über Angelegenheiten reden können, die einem nicht angenehm sind. Auch wenn man dann ab und zu streitet.“ Vanessas Stimme wirkte unglaublich stark. So kannte Mark seine Freundin nicht. Er wusste gar nicht wie er jetzt auf diese Situation reagieren soll. Es war sein erster Streit mit ihr. Oder war es überhaupt schon ein Streit?
Er umklammerte nervös das Lenkrad und bemerkte wie seine Hände anfingen zu schwitzen. „Wenn ich nicht bald eine Antwort finde, wie wird sie damit umgehen? Wird sie mich verlassen, so wie meine Mutter meinen Vater verlassen hatte? Sie hatten sich oft gestritten. Wird Vanessa auch Teller nach mir schmeißen, wenn wir zu Hause sind?“, dachte sich Mark, aber ihm wollte keine passende Antwort einfallen.
Vanessa bemerkte, dass aus ihrer Aussage kein Dialog, sondern ein Monolog werden würde und fuhr fort: „Ich traue mich oft nicht zu sagen, was ich wirklich denke, weil ich Angst habe du haust einfach ab und kommst nicht wieder und lässt mir keine Chance mit dir darüber zu reden.“
Seine Hände schwitzten immer mehr und er konnte sich nicht mehr richtig auf die Straße konzentrieren. Verlässt sie ihn jetzt? Verlässt sie ihn, weil er nicht fähig ist zu streiten? Er hörte in seinem Kopf das Geräusch von Porzellan, das gegen Wände fliegt.
„Etwas worüber ich schon lange mit dir reden wollte, ist mein Traum, eine Schauspielerin zu werden. Ich spiele gerne Theater, aber du wolltest dir nie eine Vorstellung von mir ansehen, weil du immer befürchtest ich würde in jedem Stück einen anderen Mann küssen. Aber jetzt hab ich eine Zusage für München. Mein Traum kann also wahr werden“, sie sah in sein Gesicht und hoffte, dass er sich mit ihr darüber freuen kann. Aber er starrte durch die Windschutzscheibe und umklammerte das Lenkrad.
„Bald sagt sie bestimmt, dass sie keine Zeit mehr für mich hat, wenn sie nach München zieht“, dachte sich Mark. Einige Schweißperlen standen im bereits auf der Stirn. Am liebsten wäre er recht rangefahren, um in den Straßengraben zu kotzen. Und dann wollte er nur noch weglaufen. „Wieso macht sie Schluss? Es war doch alles so perfekt“, er konnte an nichts anderes mehr denken.
„Ich möchte aber auch, dass du mit nach München kommst.“ Mark beruhigte sich etwas, aber er konnte sich nicht vorstellen, wie diese Zukunft aussehen soll. Er ein einfacher Arbeiter zusammen mit einer Schauspielerin. Und er stellte sich vor wie sie andere Männer küsst und er könnte nichts dagegen tun, denn es wäre ja ihre Arbeit. „Wir leben uns bestimmt auseinander in dieser großen Stadt“, befürchtete Mark und seine Hände verkrampften wieder am Lenkrad.
„Was hältst du davon?“, fragte sie ihn und hatte dabei noch einen Funken Hoffnung, dass er mit nach München zieht.
„Ich möchte das nicht. Wir haben hier doch alles“, antwortet Mark und es fiel ihm dabei schwer seine Wut nicht durch zu lassen. „Du hast hier vielleicht alles“, sagte Vanessa,“ aber ich nicht. Ich werde ganz sicher diese Chance nutzten und wegziehen. Du kannst dir überlegen, ob ich dir wichtiger bin, als dein Leben in diesem Vorort.“
Seine linke Hand löste sich vom Lenkrad. Dann raste seine Hand über seinen rechten Arm hinweg und formte sich dabei zu einer Faust. Vanessa drehte unwissend ihren Blick zu ihm, weil sie auf eine Antwort wartete. Seine Antwort traf sie dann genau im Gesicht. Ihr Kopf knallte gegen das Fenster und dann sackte sie zusammen wie ein lebloser Körper. Er hatte sie bewusstlos geschlagen.
Mark fuhr sofort rechts ran. Er konnte es nicht glauben, was er getan hat. Aber wieso hat sie ihn auch so in die Ecke getrieben? Aus lauter Verzweiflung musste er an die frische Luft. Total verwirrt schwankte er aus dem Wagen und schlug die Hände über den Kopf. Erst jetzt bemerkt er den Schmerz an seiner linken Hand. Er musste also ziemlich hart zugeschlagen haben.
Seine Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf: „Was habe ich getan? Sie wird mich hassen. Sie wird mich verlassen. Was mache ich nur ohne sie. Ich kann sie nicht verlieren. Ich kann es mir selbst nicht verzeihen. Ich habe mein Leben zerstört!“ Er konnte sich kaum noch beruhigen. „Was wenn ich sie tot geschlagen habe?“, schoss ihm durch den Kopf. Er stieg wieder in den Wagen um nach ihr zu sehen. Sie atmete noch. Er konnte es nicht fassen, dass er diese bezaubernde Frau geschlagen hatte und streichelte ihr über die Stelle an der er sie getroffen hatte.
Seine Hand zuckte zurück, als sie sich wieder bewegte. Mark schloss sofort die Fahrertür und fuhr langsam wieder los. Er musste es einfach versuchen, vielleicht kann sie diesen Vorfall vergessen. Sie legte ihre Hand an den Kopf und öffnete die Augen. Sie sah sehr mitgenommen aus. Als sie versuchte sich wieder aufzurichten, sah Mark sie an. Vanessa war sehr verwundert, dass er sie anlächelte. „Hast du gut geschlafen mein Schatz?“, fragte er Vanessa, die immer noch etwas verwirrt um sich sah. „Nein, ich glaube ich habe schlecht geträumt.“ „Aber Träume sind doch nur Schäume“, er streichelte über ihre linke Hand, „jetzt kann dir nichts mehr passieren.“
Vanessa sah aus dem Fester in die Dunkelheit und sagte: „Ja, Träume sind nur Schäume.“ Dabei dachte sie nur, dass er ihr den Abschied nicht einfacher machen hätte können.