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Ein schöner Abend
Ich lehnte mich entspannt in den hellbeigen Ledersitzen des Luxusautos zurück, registrierte das leise Surren des Motors und betrachtete aufmerksam das Gesicht des Mannes den ich erst einige Minuten kannte. Er wirkte hektisch, nestelte nach den Zigaretten und sprach schnell und aufgeregt in das Mobil-Telefon. Seine Hände waren erstaunlich kräftig, wie sein ganzer Körper. Er hatte gepflegte, glatt nach hinten gekämmte blonde Haare und sein Profil erinnerte mich an Napoleon Bonaparte. Überhaupt schien er ständig den Bauch einzuziehen und sich zu recken, um größer zu erscheinen. Den Blick angestrengt auf die Straße gerichtet beteuerte er mir, dass es ihm peinlich sei, dass seine Mutter eben jetzt angerufen habe. Er sei gewiss kein Muttersöhnchen, aber kurz vor Weihnachten würden Mütter eben sentimental.
Vor dem Restaurant schritt er voran, öffnete mir galant die Tür und taxierte im Vorübergehen meinen Körper. Der Blick war mir nicht unangenehm. Die Lampen hingen tief über den Tischen und strahlten helle Lichtinseln auf die Holztische. Die wenigen Menschen die im Gastraum saßen konnte man nur schwer erkennen. Der Mann half mir aus dem Mantel, rückte mir den Stuhl zurecht und überreichte mir die Speisekarte. Über den Ledereinband hinweg sagte er leise und eindringlich: “Sie gefallen mir. Ich glaube, Sie sind die Frau die ich suche. Ich muss alles über Sie wissen!“
Lächelnd rührte ich in meinem Teeglas und schaute zu, wie sich der Zucker langsam auflöste. Der Mann trank seine Cola in großen Schlucken, stellte das Glas ab und rief energisch nach einem neuen Glas. Er wirkte angespannt. Ich fühlte mich wie ein Zuschauer in einem bequemen Kinosessel, hörte seiner Geschichte zu und nickte nur hin und wieder aufmunternd, wenn der Redefluss zu versiegen drohte. Der Mann war mir sympathisch, aber ich fühlte kein Verlangen ihn zu berühren oder mich ihm zu nähern.
Er schien meine Ablehnung instinktiv zu fühlen, denn er verstärkte sein Imponiergehabe. Er wies die Kellnerin wegen eines kleinen Versehens scharf zurecht, bestellte teuren Wein und erzählte von seinen beruflichen Erfolgen. Mit meinem Lächeln schien ich ihn jedoch zunehmend zu verunsichern.
Wieder vor der Haustür angekommen, fragte mich der Mann fast schüchtern: „Willst du mich wiedersehen ?“
Hastig kritzelte er seine Telefonnummer auf einen Zettel. Ich verabschiedete mich kühl und bedankte mich artig für den schönen Abend.
Dann winkte ich noch einmal kurz in das bläuliche Scheinwerferlicht und knüllte den Zettel zu einer winzigen Papierkugel.