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Ein perfekter Tag
Es war ein wundervoller Tag gewesen. Das Wetter war traumhaft. Blauer Himmel, Sonne und ein leichter Wind hatten ihr drittes Date zu einem Erlebnis werden lassen. Sie waren durch den Park gewandert, Hand in Hand, hatten sich geküsst und unterhalten, herum gealbert, gelacht, sich umarmt und verliebt in die Augen geschaut.
Dann waren sie in einem süßen, kleinen Lokal Essen gegangen und hatten eine Flasche Wein getrunken. Im Anschluss hatten sie ein Konzert besucht, miteinander getanzt und das Leben in vollen Zügen genossen.
Als sie schließlich bei ihr Zuhause angekommen waren, hatten sie miteinander geschlafen. Nicht das erste Mal, aber dieses Mal war es anders gewesen. Schöner als das erste Mal. Es schien, als würden sie zueinander gehören.
Ein perfekter Tag.
Genau das hatte er ihr in das Ohr geflüstert. Das es ein perfekter Tag gewesen war. Sie saßen Arm in Arm auf dem Bett, ihre nackten Körpern aneinander gepresst, sich bei den Händen haltend. Das Mondlicht schien herein und mit dem flackernden Licht der Kerzen wurde alles, was sonst alltäglich war, zu einem Traum. Das zerwühlte Bett war der beste Ort der Welt, losgelöst von alle Sorgen, weit fort gezaubert von den Umtrieben der Gesellschaft.
In diesem Moment der Perfektion, als absolute Stille herrschte und das Universum neidisch auf sie herabblickte, tat sie es.
Sie zog ihn zu sich heran. Ohne zu zögern rutschte er heran und legte seine Arme um sie, schmiegte sein Gesicht an ihres. Sein Atem war ganz ruhig. Seine Haltung blieb entspannt. Harmonisch.
Das Messer hatte offen auf dem Nachttisch gelegen und mal silbern im Mondlicht, mal rötlich im Kerzenschein geschimmert. Sie nahm die lange Klinge am Griff, versicherte sich eines festen Haltes und stieß ihm die Spitze unterhalb des Brustbeines langsam in Richtung Herzen.
Doch statt sich zu lösen, hielt er sich weiter an ihr fest, unverkrampft und entspannt. Sie spürte, wie seine Tränen warm über ihr Gesicht liefen, ehe sie auf ihre Schulter tropften. Sein Atem war ruhig und er gab keinen Ton von sich.
Sein Blut lief über ihre Hand und weiter auf das reinweiße Laken. Im Licht des Mondes wirkte es fast schwarz, ehe es den Stoff berührte und dort in roter Pracht erstrahlte. Seine Tränen liefen als warmer Strom ihre Wange hinab, über ihre Brust, silbern schimmernd, um sich schließlich mit dem Blut zu vereinen und dieses mit schillernden Flecken zu überziehen.
Dann hörte es auf, jenes herrlich warme Gefühl seines Atems auf ihrer Haut. Mit einem letzten, leisen Hauch wisperte er ihr ein „Danke“ zu, ehe der Lebensfunke in ihm erstarrte und seine Hände von ihrem Rücken herab glitten. Sie ließ den Griff des Messers los und sein nun von aller Pein befreiter Körper sank neben ihr auf das Bett. Sie saß einfach da und starrte ins Leere.
Ein perfekter Tag war sein letzter Wunsch gewesen.
Denn das Leben war ihm zu einer einzigen Qual geworden. Sein Herz von nichts mehr erfüllt als Trauer und Vermissen, ohne zu wissen, was ihm fehlte. Ein unstillbarer Hunger nach Lieben und Leben trieb ihn an und schließlich in ihre Arme.
So liebevoll war er gewesen, zart und gleichzeitig doch ein Mann. Stark und beschützend, und doch auf brutale Art vom Leben gezeichnet, mit Narben, die niemand sehen konnte. Denn sein Herz, nun durchbohrt von kaltem Stahl, war schon lange von dem Hunger gebrochen worden.
Niemals zuhause, keine Liebe stark genug, kein Lachen von Dauern, keine Freundschaft tief genug.
Sie blickte immer noch ins Leere. Und das war es, was in den Tiefen seiner Augen gewesen war. Eine endlose Leere. Ja, er hatte sie geliebt, heiß und innig. Hatte ihr alles versprochen und es zutiefst ernst gemeint, doch dahinter war immer der Schatten der Leere gewesen. Er war tot. Seine Seele war aus Gründen, die niemand verstand, gestorben. Und weiter leben konnte er so nicht mehr. Doch war er zu stark, es selbst zu tun. Alles an ihm war Widerspruch, unpassend, verworren. Sie hatte sich in ihn verliebt, binnen Stunden hatte sie ihn geliebt und erkannt, dass sein einziger Ausweg der Tod war.
Ein perfekter Tag war sein letzter Wunsch gewesen.