Ein perfekter Tag
Ein perfekter Tag
Carolin hatte diese Idee! Eigentlich schon seit längerer Zeit, aber um sie umzusetzen bedurfte es noch etwas der Vorbereitung. Sie war noch nie der Typ gewesen der kopflos und unüberlegt etwas tat und gerade bei dieser speziellen Sache musste sie sehr überlegt handeln. Aber heute war der Tag wo sie alle Zweifel und Probleme ausräumen und klären würde. Sie schlug die Augen auf. Es war sehr früh am morgen, doch die ersten zarten Sonnenstrahlen verhießen einen schönen sonnigen Tag. Perfekt! Mit viel Sorgfalt deckte sie den Frühstückstisch zündete eine Kerze an und genoss einfach nur. Die Ruhe, die leckeren Brötchen, die sie frisch aufgebacken hatte, den schein der Kerze, der soviel Ruhe ausstrahlte. Fast einen Hauch Romantik verspüren ließ. Sie lächelte. Ja, das war schon mal ein guter Tagesbeginn. Nach dem Frühstück, dessen Überreste sie achtlos auf dem Tisch stehen ließ, ging sie ins Bad. Sie duschte mit der teuren Duschlotion, die Marcel ihr geschenkt hatte und mit der sie sonst sehr sparsam umging. Sie schminkte sich sehr dezent bis auf die feuerroten Lippen und beschloss ihr langes, glänzendes Haar offen zu tragen.
Aus ihrem unübersichtlichen Kleiderschrank, der bis in die letzte Ecke ausgelastet war, wählte sie gezielt ihr Lieblingsoutfit. Eine teure Jeans und ein etwas verbleichtes Top. Zusammen sah es sehr sexy aus und sie fühlte sich unglaublich wohl darin. Ein kurzer Blick in den Spiegel bestätigte sie. Sie war sehr schlank was durch den Schnitt der Hose gut zur Geltung kam. Manche Frau hätte sie um ihre Maße beneidet. Aber das war nicht wichtig. Nicht heute.
Sie schlüpfte in ihre bequemen Turnschuhe, griff nach dem Schlüssel und verließ die Wohnung.
Sie hatte Urlaub genommen, in der Agentur würde man heute auf sie verzichten müssen.
Carolin hatte kein bestimmtes Ziel, sie schlenderte durch die Strassen, durch die sie schon als Kind geschlendert war. Im nahe gelegenen Park setzte sie sich auf eine Bank, genoss die warmen Sonnenstrahlen und hing einfach ihren Gedanken nach. Den Gedanken um die Sache. Aber irgendwie war sie sich schon sehr sicher, dass sie es tun würde. Ein letzter Zweifel war noch auszuräumen. Heute Abend mit Marcel. Sie war gespannt.
Sie schien den ganzen Tag über kein direktes Ziel zu haben und doch suchte sie bestimmte Orte und Plätze auf, die ihr gefielen, an denen sie sich wohl fühlte. Alles in allem ein schöner Tag, der sie unglaublich befriedigte und entspannte. Sie war glücklich! Oh ja, sie machte es genau richtig.
Vor so einer Entscheidung!
Ausgeglichenheit und Wohlbefinden schienen ihr das wichtigste dafür zu sein. Man durfte nicht traurig oder deprimiert sein, das ergab keinen Sinn. Für die Sache!
Langsam näherte sich der Abend und es wurde Zeit sich zu dem kleinen gemütlichen Bistro zu begeben, in dem sie mit Marcel verabredet war. Es war ihr Bistro! Dort hatten sie sich kennen gelernt und dort hatte ihr gemeinsamer Weg begonnen.
Marcel war schon dort und wartete. Als er sie erblickte, erhob er sich freudig, kam ihr entgegen und nahm sie fest und innig in den Arm. Sein Kuss war lang und zärtlich, ja fast ein wenig begierig, sie musste lächeln. Auch jetzt nach fast zwei Jahren hatte ihre Liebe nichts eingebüsst. Sie war immer noch stark und unbelastet. Perfekt, wenn es die perfekte Liebe gab.
Sie verbrachten einen romantischen Abend, Carolin trank nur Wasser. Sie wollte einen klaren Kopf behalten. Es war besser. Gegen 22 Uhr verabschiedete sie sich von Marcel. Er wäre gerne mit ihr gegangen, aber das war unmöglich. Für sie unmöglich. Sie verließ ihn mit einem liebevollen Kuss und ging dann fort, ohne sich noch mal nach ihm umzudrehen. Sie hatte es eilig. Es blieben ihr nur noch knapp zwei Stunden. Zuhause legte sie sich auf ihr Bett, satt von den Eindrücken des heutigen Tages. Sie brauchte nicht mehr zu überlegen, sie hatte sich entschieden. Ihre Idee war richtig und der Zeitpunkt war jetzt. Langsam erhob sie sich, ging zur Balkontür und öffnete sie. Die schwarze Nacht umfing sie. Es war kühl geworden und sie spürte eine zarte Gänsehaut. Sie atmete tief durch, lächelte und ging die letzten Schritte bis zur Brüstung. Carolin verharrte einen letzten Moment, spürte einen letzten Moment, dann sprang sie.
Man fand sie auf dem Asphalt, ihr blondes langes Haar umfloss ihr schönes Gesicht, ihre Augen waren friedvoll geschlossen und ihr Mund, aus dem dunkles Blut rann, lächelte.