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Ein Mann in Eile

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18.08.2003
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Ein Mann in Eile

Ein Mann in Eile. Die Haare, das Gesicht, der ganze Körper, die Kleidung von Schweiß durchnässt. Panische Blicke nach allen Seiten. Angstzustände. Die schmale Gasse scheint sich endlos hinzuziehen. Schon seit langem entbehrt sie zivilisiertes Leben. Ausgestorben. Zerstörte Fassaden, übersät von Graffiti. Funktionsuntüchtige Laternen, deren Stromversorgung offensichtlich dennoch nicht unterbrochen ist. Funken sprühen in Pfützen, die durch das Überlaufen der Kanalisation entstanden. Fahles Mondlicht spiegelt sich im trüben Wasser. Der Gestank erregt den Brechreiz, das Atmen durch die gebrochene Nase ist sowieso nicht mehr möglich. Das Nasenbein zertrümmert, fast ins Gehirn gestoßen, dem Tod knapp entronnen. Dem Kiefer erging es nicht besser. Bis auf Schluchzen und unverständliches Flüstern ist die sprachliche Kommunikation unterbunden. Der blutgetränkte Rachen schmerzt bei jedem Atemzug. Da spürt er sie wieder. Die Blicke seiner Verfolger. Entsetzliche Angst lähmt seine Muskeln. Der Sturz auf das gebrochene Schulterblatt ließ ihn aufheulen. Welch ein furchtbares Werkzeug der Vernichtung ein Baseballschläger sein kann. Qualen. Der Mann richtet sich auf, behutsam auf die verletzte Schulter achtend. Ein flüchtiges Umschauen. Leere. Mut gefasst. Weitergegangen. Die Schrittfrequenz erhöht sich. Die Geschwindigkeit nimmt zu. Keuchen. Das Ende der Gasse in Sicht. Glücksgefühl. Doch es wird jäh unterbrochen. Schatten nähern sich von hinten. Er vermag Schritte zu hören. Angetrieben von der aufkeimenden Verzweiflung beginnt er zu rennen. Aber die Schatten nahen mit bedrohlichem Tempo. Er traut sich nicht, sich umzublicken, fürchtend, in ein wutverzerrtes Gesicht zu blicken, das erbarmungslose Härte ausdrückt. Panik. Sein Herz droht, seinen Brustkorb zu sprengen. Die Gasse nimmt plötzlich kein Ende mehr, als liefe er auf der Stelle. Schmerz. Verschwommene Wahrnehmung. Stolpernd mit der linken Wange auf dem Kopfsteinpflaster aufgeschlagen. Ende.

Schweißgebadet aufgewacht. Voller Entsetzen auf die Zimmerdecke starrend. Es war nur ein Albtraum. Zur Beruhigung stellt er sich erst einmal unter die Dusche. In seinem Schlafzimmer dringt die Morgendämmerung durch die Jalousien. Mit einem Handtuch um die Hüfte öffnet er das Badezimmerfenster. Es ist ein wundervoller Ausblick über die von der aufgehenden Sonne rot gefärbten Dächer der Stadt. Das gesamte Viertel erstrahlt in einem freundlichen Orange. Der Mann hebt die Hand zum Gruß an den Führer. Währenddessen ist der Raum bei Frosttemperaturen schnell gelüftet. Kälte macht sich bemerkbar. Um sich nicht zu erkälten, schließt er das Fenster wieder. Daraufhin zieht er sich an. Nach einem ausgedehnten Frühstück und etwas Fernsehen fällt ihm auf, dass es bis zu einem Treffen mit seinen Freunden nicht mehr lang hin ist. Also schlüpft er in seine Springerstiefel, zieht die Bomberjacke an und eine Mütze für das kahlrasierte Haupt über. Schließlich verlässt er seine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung und geht die etlichen Stufen des Mietshauses hinunter.

Belebte Straßen. Unwohlsein. Das Treffen mit den Freunden beginnt gleich. In Gesellschaft fühlt er sich immer besser als alleine. Zügiger Schritt, die Häuserblocks und Geschäfte wollen alsbald wie im Fluge vorbeirauschen. Hektik. Die Pulsfrequenz erhöht sich. Da ist es wieder. Sie sind einfach überall. Sie sind in der Überzahl. Ihre feindlichen Blicke machen ihm zuschaffen. Er rennt. Er rennt immer schneller. Sie verfolgen ihn. Er weiß es, denn er ist alleine und so völlig chancenlos. Er wird sterben. Er weiß es. Blankes Entsetzen packt ihn. Sein Blut gefriert. Seine Beine geben nach. Er fällt hin. Vollkommen verängstigt ruft er um Hilfe. Sie bleiben stehen. Sie bleiben alle stehen und reden auf ihn ein. Er solle doch aufhören zu schreien. Sie wüssten gar nicht, was in ihn gefahren sei. Verwirrung. Nach wenigen Minuten kommt ein Krankenwagen. Sie haben ihn kommen lassen. Er ist doch gar nicht krank. Beruhigungsspritze.

Später in einem Klinikbett aufgewacht. Männer in weißen Kitteln. Sie reden von paranoider Schizophrenie. Aber er weiß nicht, was das ist. Er nimmt einfach immer seine Medikamente und spricht mit den Leuten. Sie werden ihn bestimmt sehr bald wieder entlassen, weil er ja gar nicht krank ist. Der Irrtum muss sich doch aufklären lassen. Entgegen seiner Annahme glauben die Ärzte ihm aber nicht. Sie müssen auf ihrer Seite sein. Sie sind gegen ihn und für seine Verfolger. Er ist verloren. Wahnsinn.

 

Auf Wunsch des Autors von "Experimente" nach "Seltsam" verschoben.

 

Hi,

Deine Geschichte ist gar nicht mal übel, vor allem sprachlich und durch den angedeuteten Telegrammstil. Aber sie bleibt im Ansatz stecken, geht nicht viel über eine Situationsbeschreibung hinaus. Der Prot scheint ein Neonazi zu sein, er ist paranoid und kommt ins Krankenhaus. Wer hat ihn eigentlich eingewiesen?
Alles in allem brauchbare Ansätze, aber mir fehlt Handlung. Dafür könnte man den ersten Absatz drastisch kürzen, zumal man als Leser zu gähnen neigt, wenn einem die Hälfte einer Geschichte im Nachhinein als Traum verkauft wird. Das ist doch schon lange out, mindestens seit Bobby Ewing plötzlich unter Pams Dusche stand...

Übrigens finde ich, dass auch "Seltsam" nicht die richtige Kategorie für diese Geschichte ist. Es geht um eine Psychose, das ist Alltag oder Gesellschaft. Seltsam ist nix an der Story.

Fazit: Sprachlich gut, erzählerisch aber im Ansatz stecken geblieben.

Uwe
:cool:

 

Erst einmal danke für deinen Kommentar!

Wer hat ihn eigentlich eingewiesen?

Sie wüssten gar nicht, was in ihn gefahren sei. Verwirrung. Nach wenigen Minuten kommt ein Krankenwagen. Sie haben ihn kommen lassen.
Die Passanten riefen einen Krankenwagen, da ihnen der geistig verwirrte Mann aufgefaLLen war.

Übrigens finde ich, dass auch "Seltsam" nicht die richtige Kategorie für diese Geschichte ist. Es geht um eine Psychose, das ist Alltag oder Gesellschaft. Seltsam ist nix an der Story.
Ich veröffentlichte sie unter "Experimente", weil ich eben diesen parataktischen Schreibstil zur Erzeugung der passenden Atmosphäre versucht hatte.
Der Moderator sah dies merkwürdigerweise nicht so und fragte mich, ob die Geschichte in die Rubrik "Seltsam" oder "Sonstige" verschoben werden soLL.

Es geht in der Geschichte nicht so sehr um Handlung als eher um das Beschreiben des Gemüts des Protagonisten und den oben erwähnten Schreibstil.


MfG
GeX

 

Hallo Gexter,

die gehetzte Atmosphäre hast du gut getroffen, inhaltlich habe ich allerdings ein paar Probleme.

Wie Uwe Post schon anmerkte, nimmt der Albtraum zu viel Raum ein. Ich moniere das weniger wegen der Modernität, das hieße ja nicht automatisch, dass man es heute nicht mehr verwenden könnte. Mich hat es wegen der zweiten Hälfte der Geschichte gestört, in der die emotionale Wiederholung des Traumes in die Nervenklinik führt.

Die paranoide Schizophrenie ist mir in ihrer Symptomatik nicht ausreichend ausgeleuchtet, ds Verhalten auf der Straße könnte durchaus noch auf Panikattacken zurückzuführen sein.
Sicherlich hat dein Prot Wahrnehmungsstörungen, denn die Verfolger, die er sieht sind offensichtlich nicht da. Verglichen mit der Länge des Traums besteht hier aber mE der Bedarf, seine Realität länger und ausführlicher zu beschreiben.
Ein inhaltliches Problem habe ich mit der Verquickung "Skinhead/Geisteskrank". Das plättet mir das Thema des Neonazitums zu sehr ab. Es ist eben nciht der Verfolgungswah, der diese Menschen zu ihrer Überzeugung bringt. Natürlich grenzt das Ausländerbild dieser Herrschaften an einer Realitätsverzerrung, also an Wahrnehmungsstörungen, aber durch die von dir assoziativ erstellte Gleichung wird die Gefahr meines Erachtens bagatellisiert, auch wenn du die Gleichung zum Ende wieder zu einer gelungenen Analogie zusammen führst, wenn er seine Krankheit/seinen Irrweg als solche(n) nicht sieht.

Lieben Gruß, sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hm, seltsam ist an der Story nur, daß man sich am Ende fragt: ist das jetzt nun wichtig für die Aussage des Textes ob er Neonazi war oder nicht? Ein Experiment kann ich aber auch nicht entdecken. Da gehe ich mit dem zuständigen Mod konform.
Die ganze Handlung erscheint mir nicht sonderlich schlüssig. Auch finde ich, wie Sim, den Krankheitszustand nicht deutlich genug beschrieben. So einfach ist es damit definitiv nicht. Es ist sehr schwer, nachzuvollziehen, was sich in kranken Köpfen abspielt. Gerade deshalb sind bei sowas gute Recherchen und ausfühliche Durchleutung des Charakters wichtig. Ich finde, du hast es dir ne Spur zu einfach gemacht.
Die Assoziation, die Sim schon ansprach finde, ich sehr irreführend, um nicht zu sagen gefährlich.
Ich hoffe, daß das nicht in deiner Intention lag.
Den Stil fand ich soweit ganz gut, nur läßt mich deine Story ratlos zurück.

 

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