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Ein letztes Mal am Meer
Ein letztes Mal am Meer
Eines Morgens stand ich auf der Veranda eines Hauses. Es lag in mitten einer leicht hügeligen Landschaft und die noch leicht neblige Morgenluft um fing mich mit belebender Frische.
Ich war etwas verwirrt. Ich konnte mich nicht entsinnen wie ich an diesen Ort gelangt bin. Es fröstelte mich leicht, als eine leichte Briese den Duft von feuchtem Gras und Meersalz herüberwehte.
Es waren nur die nächsten Hügel zu sehen, die anderen verbargen sich in dem wattigen Mantel aus Bodennebel. Ich stand nur in meinem Schlafanzug und Morgenmantel auf der hölzernen Veranda und blickte, wie mir schien, auf eine mir sehr vertraute Landschaft.
Ich beschloss in die Sonnenstrahlen hinein zuspazieren, die über die Hügel strichen. Ich stieg hinab in die Morgentau benetzte Wildwiese. Das Gras machte meine Hose schon nach den ersten Schritten klatschnass. Der Boden war sehr weich und federte unter meinen Füßen.
Gerade mal zwei Meter vom Haus entfernt, verlor ich meinen linken Hausschuh und ich suchte vergeblich in dem dichten, hohen Gras nach ihm. Er war weg.
Die Sonne begann allmählich ihre Kraft zu entfalten und wärmte meinen Rücken, während ich in dem Meer aus grünen Stängel nach meinem Schuh tauchte. Ich gab auf. Er war weg. Nichts zu machen. Ich ließ den anderen Schuh auch ins Gras plumpsen und wandte mich der nächsten Erhöhung zu.
Die Sonne erhob sich über den Horizont. Der Nebel war nun gewichen und die Wiesen begannen zu dampfen. Es erhob sich ein Stimmengewirr aus Zikaden, Hummeln und Schmetterlingen aus dem tiefen Grün. Ich konnte nun einen grauen Felsen ausmachen, der im Hang lag. Die Gräser waren so hoch gewachsen, das man ihn von unten kaum sehen konnte.
Kurz vor dem Felsen wurde es richtig steil. In dem hohen Gras aber war die Steigung nicht zu erkennen und so schlug ich der Länge nach hin. Ich drehte mich auf den Rücken und blickte in den blauen Himmel hinein, der umrandet von den langen Grashalmen, Kindheitserinnerungen in mir wach rief.
Ich blieb noch eine ganze Weile liegen und genoss den Duft des feuchten Grases und schaute ein paar kleinen weißen Schäfchenwolken zu wie sie dahin schmolzen. Langsam wurde es mir zu kalt und ich nahm das restliche Stück Weg in Angriff.
Ich breitete meinen Morgenmantel auf dem Felsen aus und blickte zurück auf den kleinen Pfad, den ich in des Gras getreten hatte. Das Haus kam mir sehr vertraut vor, auch wenn es mich mit ein wenig Abscheu erfüllte. Der Anblick war irgendwie seltsam, so als ob das Haus nicht richtig in die Landschaft passen wollte. Dennoch sah es sehr friedlich und heimelig aus, bis auf dieses seltsame Gefühl.
Nach einer Weile erkannte ich was mich an dem Haus störte. Es war dunkel. Damit meine ich nicht, es wäre düster, nein, nur so als ob das Haus schon in der Nacht läge. Die Sonnenstrahlen, die gerade mich und meinen Morgenmantel trockneten, schienen nicht das Haus zu berühren. Wie auf einem Bild von Rene Magritte.
Ich wollte Abstand zu dem Haus gewinnen. Ich wollte es nicht mehr sehen.
Es stieg mir der salzige Meeresduft in die Nase und ich weiß auch nicht wieso, aber mein Mund formte fast von selbst die Worte „... einmal noch das Meer sehen...“. Die Worte, nur geflüstert, wehte der Wind fort.
Ich ging dem Salzgeruch entgegen. Der Wind wurde immer stärker und schon bald konnte man das schallende Kreischen der Möwen hören. Modernder Seetang lag in der Luft. In meinen Ohren brachen sich schon dumpf die Wellen an dem sandigen Strand.
Ich stand noch hinter der Düne. Warmer Sand klebte an meiner noch nassen Hose. Schilfgras zerschnitt mir meine blanken Füße. Ich genoss die Ruhe vor dem Getöse. Wie gern hätte ich noch den warmen weichen Sand an meiner Haut gespürt, aber es war keine Zeit mehr. So holte ich noch einmal tief Luft und stieg über den Kamm der Düne.
Mit Inbrunst empfing mich das Meer. Der Wind war so stark, dass man das Gefühl hatte, es verschlägt einem den Atem. Wenn man den Mund auf machte füllt er sich augenblicklich mit Luft. Tränen stiegen mir in die Augen wegen dem Wind. Mein Morgenmantel flatterte und zerrte an mir als wäre er ein lebendig gewordenes Tier. Ich blinzelte die Tränen fort, die auf meinen Wangen trockneten. Sand prasselte gegen meine Hose. Ich fixierte den Horizont. Es war genau die richtige Zeit. Himmel und Meer waren eins.
Ich verharrte eine Weile und stieg dann hinunter ans Wasser. Ich spürte wie die Wellen den weichen Sand unter meinen Fußsohlen weg spülten; ich den Boden verlor und da wusste ich es.
Ich war wieder auf der Veranda. Das Dunkel war jetzt Überall. Still war es. Durch das Fenster drang steriles, kaltes Licht nach draußen, drinnen, ein einziger medizinisch kahler Raum. Laute, gehetzte Gesprächsfetzen drangen dumpf durch die Fensterscheiben. Ich hatte noch Sand zwischen den Zehen. Verzweiflung und Resignation stach durch das chaotische Treiben. Gewalttätige Ohnmacht erstickte die Worte. Der Kampf verloren.
Ich trat ein.