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Serie Ein Leben als Ersatz - Die Ohrfeige

sim

Seniors
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13.04.2003
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Zuletzt bearbeitet:

Ein Leben als Ersatz - Die Ohrfeige

»Hast du nichts zu erzählen?«
So wie Marianne die Frage stellt, weiß Günther, er müsste etwas zu erzählen haben, etwas, das ihr wichtig erscheint. Nur leider weiß er nicht, was. Es ist nichts passiert heute in der Schule. Er hat weder einen Tadel noch eine schlechte Zensur von der Lehrerin bekommen. Günther bleibt still. Fragend schaut er Marianne an. Er sieht ihrem Blick an, dass er nicht nein sagen darf. Ein Nein würde sie als Lüge sehen. Ihr Blick haftet an ihm, bohrt sich in ihn, so sehr, dass Günther ihm auszuweichen versucht.
»Ich höre.« Das klingt drohend. Wüsste Günther doch nur, was er ausgefressen haben könnte. Die Brüder beugen sich konzentriert über ihre Teller. Ist Mariannes Stimme so schneidend, sollte man keinen Fleck auf dem Tischtuch hinterlassen, auch, wenn der scharfe Ton nicht einem selbst gilt.
Günther zieht es vor, seine Mutter stumm und fragend anzuschauen, so stumm und fragend, dass es ihr wie ein schlechtes Gewissen vorkommen muss, wie ein Eingeständnis seiner Schuld.
»Herr Linke war heute bei eurem Vater im Geschäft.«
Auch nach diesem Hinweis fällt Günther nichts ein. Herr Linke ist Chirurg, so eine Art Arzt, das weiß Günther. Er weiß auch, dass Herr Linke der Vater von Corinna ist. Corinna geht in seine Klasse. Herr Linke kauft öfter Fleisch bei dem Papa. Seine Praxis ist in der gleichen Straße wie die Schlachterei. Aber Günther erinnert sich nicht daran, mit Corinna gestritten zu haben. Schließlich ist Corinna ein Mädchen und mit Mädchen spielt man in der Grundschule nicht. Günther schweigt noch immer. Ihm fällt nichts ein, was er seiner Mutter erzählen hätte müssen, schon gar nicht, wenn es um Corinna geht.
»Er wollte wissen, was wir gegen Frau Möller unternehmen.«
»Gegen Frau Möller?« Günther versteht immer weniger. Frau Möller ist seine Lehrerin. Zumindest ist sie das, seit Frau Gilden ein Baby erwartet. Warum sollten seine Eltern etwas gegen Frau Möller unternehmen?
»Sie hat dich doch im Unterricht geschlagen oder?« Hatte sie das? Günther kann sich an eine Ohrfeige erinnern, er weiß aber nicht mehr, warum er sie bekommen hat.
»Ja«, gibt er besser kleinlaut zu und hofft dabei, dass seine Mutter den Grund nicht wissen möchte. Seine Brüder haben es gut. Die können sich auf ihr Essen konzentrieren. Weghören können sie zwar nicht, aber sie können wenigstens so tun. Günthers Essen wird kalt. Wie schafft seine Mutter es, dass ihr Teller immer leerer wird, während sie ihn so böse anschaut?
»Und warum erzählst du uns das nicht?«
Ist seine Mama deshalb böse? Weil er nichts von der Ohrfeige erzählt hat? Günther weiß noch nicht einmal mehr, wie lange das schon her ist. Hätte sie die Ohrfeige nicht angesprochen, hätte er sich gar nicht daran erinnert. Seine Mama hatte ihn seit dieser Ohrfeige bestimmt drei Mal geschlagen. Was war also daran so schlimm? Günther weiß nicht, was er sagen soll. Alles, was ihm an möglichen Begründungen einfiele, würde die Mama nur wütender machen. Also sagt er das Ehrlichste, was er sagen kann. »Ich weiß es nicht.«
»Das ist alles, was du mir dazu sagen kannst?« Seine Mama schreit ihn jetzt wütend an. »Hast du so wenig Vertrauen zu uns, dass du uns etwas so Wichtiges nicht erzählst?«
Jetzt weiß Günther erst recht keine Antwort mehr. Wenn er nein sagt, hätte er von der Ohrfeige erzählen müssen, wenn er ja sagt, erhält er bestimmt eine Ohrfeige von seiner Mama.
»Bin ich so ein Drachen, dass ihr mir nicht erzählen könnt, wenn eure Lehrerin euch einfach schlägt?« Sie hat sich von ihrem Stuhl erhoben und kommt so drohend auf Günther zu, dass er sich beeilt, doch ganz schnell nein zu rufen, aber es ist ein zu spätes, zu ängstliches Nein.
»Dich werde ich lehren, mir zu vertrauen!«, brüllt Marianne Günther an und reißt ihn dabei von seinem Stuhl. »Zieh die Hose runter.«
Günther weiß, dass er keine Chance hat. Warum sollte er weglaufen? Er zieht die Hose ganz freiwillig runter, während Marianne ihn mit festem Griff über ihr angewinkeltes Knie legt.
»Die kleine Corinna kommt völlig entsetzt zu Hause an und weint, weil Frau Möller dich geschlagen hat und euer armer Vater steht dumm und ahnungslos im Laden und kann nichts sagen, als Herr Linke ihn fragt, was wir dagegen tun wollen?« Mit jedem herausgestoßenen Wort prasseln die Schläge auf Günthers Po und hinterlassen Handabdrücke. »Was denkst du dir eigentlich dabei?«
»Gar nichts«, wimmert Günther, »gar nichts. Ich fand es nicht wichtig.«
»Ich werde dir zeigen, wie wichtig das ist!« Marianne steigert sich prügelnd in ihren Zorn, schlägt und schreit, dass sie sich bei der Schule beschweren werde.

Für Günther ist Corinna eine Petze.

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Hallo sim,

du hast die Szene gut aufbereitet, ich stand direkt neben dem kleinen Kerl und hab mit ihm gerätselt, was er bloß antworten soll und hab die aufkeimende explosive Stimmung gespürt und angefangen, mich um ihn sehr zu sorgen. Gut gemacht. Hab daran nichts auszusetzen, auch nicht am Plot, dessen Hintersinn ja für sich steht und nicht noch kommentiert werden muss.

Jedoch fand ich die Handlungsweise der Corinna etwas problematisch. Es mag durchaus sein, dass ein Kind verstört nach Hause kommt und von einer Ungerechtigkeit berichtet. Aber so, wie du es dargestellt hast, erfährt man als Leser nicht von dieser Ungerechtigkeit. Die Eltern würden, wenn ein Kind verstört nach Hause kommt und berichtet, ein Mitschüler sei geschlagen worden, doch zunächst einmal davon ausgehen, dass ein berechtigter Grund vorgelegen hat. Also müsstest du in einem Nebensatz zumindestens davon berichten, dass auch Corinnas Eltern danach gefragt hatten und überzeugend erfuhren, dass eben kein Grund vorhanden gewesen war.
Was ich eher noch glaubwürdiger fände, ist, dass man als Kind nicht verstört, aber mit Furcht, es könnte einen auch erwischen, nach Hause kommt und diese Furcht dorthin mitbringt, um Schutz von den Eltern zu bekommen.
Mit vielen Worten gesagt, ich würde dir vorschlagen, in diesem Punkt noch ein bisschen mehr zu erklären und dadurch der Geschichte noch einen Tick mehr Glaubwürdigkeit zu geben.

Aber, um die Kurve wieder zu ziehen: rundum gefallen hat mir deine Geschichte auf jeden Fall. :thumbsup:

Lieben Gruß
elvira

 

Lieber sim!

Diese Folge gefällt mir sehr gut! :)
Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie sehr sich die Erziehungsmuster unserer Mütter gleichen...

Etwa die Frage, was denn in der Schule los gewesen sei - Du triffst die Stimmung und die Gefühle dabei auf den Punkt, wenn man weiß, man muß eine Antwort geben und fühlt sich richtig in der Klemme...
Auch die Frage "Was denkst du dir eigentlich dabei" ist mir nicht unbekannt, und vor allem, wie man sich dabei fühlt.

Was ich aber finde, daß besonders gut rauskommt bei Deiner Geschichte, ist, daß deutlich wird, wie sehr diese, unsere Mütter uns als Besitz betrachtet haben, indem sie es ihnen gar nicht recht war, wenn andere Gewalt ausgeübt haben. - Auch das kenne ich ganz genauso. Sie haben sich nicht aufgeregt, weil sie nicht wollten, daß uns jemand weh tut, sondern weil sich jemand ihre Rechte genommen hat.

Was Corinna betrifft, muß ich Elvira widersprechen. Ich finde es gut, daß Du sie eingebaut hast (wie weit sie real ist, weiß ich ja nicht...), weil so der Unterschied deutlich wird:
Corinna kennt keine Gewalt, deshalb empört sie die Ohrfeige der Lehrerin und erzählt es ihren Eltern, die sich darüber ebenfalls aufregen und für die es selbstverständlich wäre, sich da zu beschweren, ihr Kind zu beschützen.
Günther ist an wesentlich mehr Gewalt gewöhnt, und empfindet es deshalb nicht als schlimm, kommt gar nicht auf die Idee, den Eltern davon zu erzählen...

Vielleicht ist es ja auch nicht nur der Machtanspruch, sondern auch die Angst, nach außen hin kein tatelloses Bild abzugeben. Eben weil sich ja Eltern wie die von Corinna sofort aufregen würden - wenn Eltern das nicht tun, kann man schon zu denken anfangen... - und das wissen Eltern wie die unsrigen mitunter, deshalb ist es ihnen so wichtig, solche Dinge zu erfahren.

Die Frage, was in der Schule los war, bekommt dann irgendwie den Beigeschmack, daß es eigentlich um eine Versicherung, daß es keine Verdachtsmomente gegen sie selbst gibt, geht.
Deswegen war es ihnen auch wichtig, daß wir gut lernen - denn bei Schülern, die schlechte Noten haben, fragt man schnell, warum. Bei einem guten Schüler fragt kein Mensch, warum der so gut ist...

Ein paar Anmerkungen kommen noch, im Moment bin ich aber auch grad beim Schreiben einer neuen Folge... ;)

Alles Liebe,
Susi :)

 

Liebe Susi, lieber sim,

möchte jetzt nicht missverstanden werden: die Corinna soll schon bleiben! Aber es ist doch im Normalfall so, ( so hoff ich doch wenigstens) dass ein Lehrer nicht einfach schlägt, ohne einen Grund zu haben. Also wäre es sicher sinnvoll, die Verstörung Corinnas auch deutlicher zu machen. Diese Lehrerin hatte gar keinen Grund, weil sie z.B. wie sich dann kurz nach Verabreichung der Ohrfeige herausstellt, Günther völlig zu Unrecht verdächtigt und bestraft hatte. Darum geht es mir, also noch deutlicher zu machen, was gerade (aus Erwachsenensicht des Lesers betrachtet) die Ungerechtigkeit der Ohrfeige ausmachte.
Die Eltern von Corinna würden doch nur in zwei Fällen bei Günthers Vater vorstellig werden,im Normalfall: entweder, weil Günther völlig zu Unrecht geschlagen wurde, oder weil grundsätzlich kein Schüler von einem Lehrer geschlagen werden darf, es aber doch passiert ist.

Lieben Gruß
elvira

 

Hm, ich hab mich schlecht ausgedrückt. Ich verstand es natürlich nicht so, daß Du Corinna draußen haben wolltest (ginge ja gar nicht, da der Plot von ihr abhängt), sondern ich wollte Dir im Punkt der Glaubwürdigkeit widersprechen, da ich es irrelevant finde, weswegen Günther die Ohrfeige bekommen hat. Eine "gerechtfertigte Ohrfeige" gibt es ja sowieso nicht. (Zumindest bei uns gab es damals schon ein Züchtigungsverbot für Lehrer, das für Eltern kam Mitte der Achtziger)
Also, selbst, wenn Günther z.B. das Federpennal eines Mitschülers durch die Klasse geworfen hätte, wäre ihr dieses Erziehungsmittel nicht zugestanden. - Deshalb ist es mir einerlei, was der Grund war. ;)

 

Hallo lakita, hallo Häferl,

es freut mich, dass euch diese kleine Geschichte gefallen hat.
Vielen Dank fürs Lesen und fürs diskutieren.

Was euren Diskussionsgegenstand betrifft, bin ich genauso uneins wie ihr. Er spielte im "Erleben" für Günther allerdings keine Rolle. Hätten die Väter darüber gesprochen, wäre der Anlass sicherlich auch in den inquisitorischen Fragen aufgetaucht.

oder weil grundsätzlich kein Schüler von einem Lehrer geschlagen werden darf, es aber doch passiert ist.
Wenn der Vater von Corinna so denkt, muss er auch nicht notwendigerweise nach dem Grund gefragt haben.
Andererseits, und da liegt mein Bedenken, sind sowohl Corinnas wie auch Günthers Vater noch in eine Schule gegangen, in der Schläge integrierter Erziehungsbestandteil der Schule waren. Das würde die Frage nach dem Grund wieder wahrscheinlicher machen.
Was die Muster solcher Erziehung betrifft, liebe Häferl, scheine ich die psychologischen Hintergründe doch besser ausgeleuchtet zu haben, als ich dachte, denn ich sah dort für mich einen Schwachpunkt dieser Geschichte.
Ein Muster, welches mir wichtig ist, scheint aber noch nicht deutlich zu werden. Das Probem ist, dass die Schläge für Günther unberechenbar waren, und dass er das Muster in ihnen nicht erkannte (erkennen konnte). Es ging nciht nur um Macht, Kontrolle oder die Angst, entdeckt zu werden. Letzteres hätte ja so etwas wie ein Unrechtsbewusstsein verlagt. Das Muster lag in der Liebe. Die Schläge erfolgten immer dann, wenn sich die Mutter von ihren Kindern abgelehnt, nicht geliebt und nicht genügend gewürdigt fühlte. Das fehlende Vertrauen Günthers verletzte sie so, dass sie zuschlug.
Vielleicht gelingt es mir ja, das irgendwann noch deutlicher zu erzählen.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Sim,

eine gut erzählte Episode aus Günthers Leben, die unter die Haut geht!

Ich stand neben Günther und fühlte mit ihm. Mir brach der Schweiß aus, weil ich genau wusste, wie man sich als Kind fühlt, wenn die Mutter ein Schuldeingeständnis erwartet, man selber aber nicht weiß, um welche Verfehlung es geht.

Was mir an dieser Episode besonders gefällt, ist, wie Du Inges katastrophale Erziehungsmethoden ganz sachlich und nüchtern entlarvst. Absurd, wie sie ihrem Sohn Vertrauen einprügelt, weil er nicht erzählt hat, dass die Lehrerin ihn schlug.

Lakitas Probleme mit der Rolle der Corinna kann ich nicht nachvollziehen. Sie ist nur dafür notwendig, dass Günthers Vater überhaupt von dem Vorfall in der Schule erfährt. Dass Inge sagt, Corinnas Vater wollte wissen, was Günthers Eltern gegen die Lehrerin unternehmen, würde ich nicht einmal als exakte Wiedergabe der Frage von Corinnas Vater nehmen. Da ist wahrscheinlich schon ganz viel von Inges verlogener Interpretation der Situation enthalten. Wichtig ist nur: Corinna hat zu Hause von dem Vorfall erzählt und ihr Vater brachte in der Metzgerei das Gespräch auf diesen Vorfall. Das reicht für mich.

Durch Deinen letzten Satz "Für Günther ist Corinna eine Petze." wird die schreckliche Situation, in der der Junge sich befindet, noch einmal beängstigend deutlich: Selbst wenn das Mädchen von der Ohrfeige erzählt hat, weil Günther ihr Leid tat und sie ihm helfen wollte, hat sie dem Jungen so geschadet, dass er sie für eine Petze halten muss.

Liebe Grüße
Barbara

PS. Dass ich mir ein paar Erklärungen für Inges Verhalten sehr wünschen würde, das weißt Du ja. :)

 

Dass ich mir ein paar Erklärungen für Inges Verhalten sehr wünschen würde, das weißt Du ja.
Liebe Barbara, ich denke, das wird sim ebensowenig können, wie ich den selben Wunsch einiger Leser bei meinen Geschichten erfüllen kann. - Das hieße, die Kindheit der Mütter aufzurollen, und das ist unmöglich und nicht Sinn und Zweck unserer Geschichten. ;)

Alles Liebe,
Susi :)

 

Hallo al-dente,

auch dir vielen Dank fürs Lesen und für deinen Kommentar.
Ich bemühe mich, Inge in diesen Geschichten nicht moralisch zu verurteilen. Hilflosigkeit und Sehnsucht nach Liebe sind keine Frage der Moral. Insofern freut es mich, dass du die Schilderung als sachlich empfindest, und die Entlarvung der Erziehungsmetzhode zuschreibst.
Es wird in dieser Serie bestimmt noch Platz für Erklärungen von Inges Verhalten geben. Nicht in der Form, dass ich ihre Kindheit beleuchte, jedenfalls nicht mehr, als ich es vermag. Ihre Psychologie allerdings, ihre Suche, ihre Ohnmacht sollen schon ihren Platz haben. Mein Ziel ist es nach wie vor, auch Inge mit Liebe beschreiben zu können. Vielleicht bin ich noch nicht soweit (vielleicht dann, wenn ich es schaffe, meinen Nick groß zu schreiben).
In dieser Episode ging es mir eher um die Paradoxien, um die Überforderung eines Kindes bei einander widersprechenden Anforderungen, etwa, wenn Vertrauen gefordert und gleichzeitig zerstört wird.

Lieben Gruß, sim

 

@Häferl
Liebe Susi,

ich weiß, dass Du in Deinen Anna-Irene-Geschichten die Beweggründe der Mutter nicht erklären wirst, möchtest, kannst ...

Trotzdem wollte ich Sim (den ich jetzt vielleicht klein schreiben muss :confused: ) sagen, dass ich es für wichtig halte, dass wir in unseren Geschichten möglichst nicht auf einem Blickwinkel beharren und stehen bleiben, sondern immer daran denken, dass jede Person vielschichtig ist. Mir selbst geht es zum Beispiel so, dass ich Bücher, in denen sich der Autor / die Autorin ausschließlich einer Schwarz-Weiß-Malerei bedient, lange nicht so gespannt und begeistert lese, wie solche, in denen die handelnden Personen sowohl gut als auch böse, also wahrhaft menschlich sind. Verstehst Du, wie ich das meine?

Klar, wenn ich "Die Geschichten aus der Kinderhölle" nur als Sims Aufarbeitung seiner Kindheit aus ausschließlich seiner eigenen Sicht lese, dann ist eine einseitige Darstellung der Mutter legitim. Ich gehe aber davon aus, dass mit diesen Geschichten vielleicht mehr erreicht werden soll. Und ich glaube, wenn das Ziel ist, solche Erzählungen zu veröffentlichen, dann muss der Autor / die Autorin eine Sichtweise annehmen, die ein bisschen mehr Distanz beinhaltet und, in dem konkreten Fall, auch die Mutter "objektiver" darstellt.

Wichtig ist mir hier, dass ich einfach eine Anregung geben möchte, einen Punkt ansprechen möchte, den ich für bedenkenswert halte. Ich möchte die Gefühle, die Ihr beide, Du und Sim, für Eure Mütter hegt in keiner Weise werten, kritisieren oder irgend etwas in dieser Art.

Sims Antwort auf meinen Beitrag hat mir gezeigt, dass er versteht, was ich meine.

Ganz liebe Grüße an Euch beide
Barbara

 

Hallo Sim!

Viel neues habe ich eigentlich nicht zu sagen, aber Rückmeldung wollte ich schon geben. Kurz und erschütternd ist die Situation. Inge sit das Ansehen nach aussen wichtig. Hätte Günter ihr von der Ohrfeige erzählt, und der Vater von Corinna seinen Vater nicht angesprochen, hätte sie sich vermutlich nie drüber aufgeregt. Es geht nicht darum, dass Günter geschlagen wurde, sonder was das Umfeld von der Familie denkt. Und, wie Du selbst schon angesprochen hast: dieser Zwiespalt um Vertrauen. Ein völlig verunsicherter Günter, für den es nur falsche Antworten und Verhaltensweisen geben kann.
Ich bin auf die weiteren Teile gespannt. Vor allem darauf, wie du weiter auf Inges Psyche eingehen wirst. Ich denke, das dürfte ein schwerer Teil sein, zumindest für jemanden wie mich ist das absolut unverständlich. Aber trotz all der Neugierde für „Täter“ muss ich im Kopf behalten, dass es vorrangig um die Opfer geht, die ganze Familie, speziell Günter. Aber das könnte ich kaum vergessen, da ich beim Lesen zornig und traurig zugleich werde. Dein stil ist ausgezeichnet, grad durch seine recht objektive Beschreibung bleibt mir als Leserin Raum, mein Gefühle selbst zu entdecken.
Den letzten Satz finde ich übrigens toll: Die Gefühle werden gegen Corinna gewandt. Und die war ja eigentlich entsetzt über die Ohrfeige und stand somit irgendwie auf seiner Seite…

Liebe Grüße
Anne

 

Hallo Maus,

ich bin immer wieder erstaunt, dass du dir diese Geschichten antust. Genauso freut es mich natürlich, dass du sie trotz des düsteren Inhalts noch immer loben magst. Vielen Dank für deinen warmen Kommentar.
Corinna hat Günther mit ihrem Entsetzen in Schwierigkeiten gebracht, so kam es Günther vor. Die wahren Verursacher durfte er zu der Zeit nciht erkennen.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo sim!
Deine Geschichte hat mich sehr bewegt. In manchen Worten deiner Mutter habe ich mich erschreckender Weise sogar wiedererkannt...
Wichtig ist auch mir, daß es keine Rechtferigung
für die Ohrfeige des Lehrers braucht. Schläge gegen Kinder sind nicht zu rechtfertigen, weder die der Eltern noch die der Lehrer. Schwerer allerdings ist es manchmal zu erkennen, wann man Kindern psychische Gewalt antut, indem man sie unter Druck setzt...
Die Geschichte ist 100%ig stimmig, mir persönlich fehlt auch keine Interpretation des Verhaltens der Mutter.
Kurzum: ich bin bewegt und beeindruckt und mache mir so einige Gedanken über mein Verhalten gegenüber meinen drei Söhnen.
Liebe Grüße
Karin

 

Halllo liebe Karin,

Kurzum: ich bin bewegt und beeindruckt und mache mir so einige Gedanken über mein Verhalten gegenüber meinen drei Söhnen.
Dann ist mir ja mehr gelungen, als ich beabsichtigt habe.
Ursache für vieles, was wir unseren Kindern antun, ist das, was wir von ihnen erwarten. Leid entsteht nicht aus böser Absicht, sondern aus Hilflosigkeit, und aus der Wunsch, dass unsere Kinder uns lieben. Dabei tun sie das ohnehin.

Lieben Gruß, sim

 

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