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Serie Ein Leben als Ersatz - Das Morgengrauen

sim

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13.04.2003
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Ein Leben als Ersatz - Das Morgengrauen

Das Morgengrauen erwacht. Sanft schiebt sich der rote Ball der Sonne in die Höhe, versteckt sich hinter Nieselregenwolken, die schwer und drückend in den beginnenden Tag hängen.
Das Morgengrauen ist violett - wie Veilchen, die gelb umrandet die Augen zieren. Unten im Hof wird ein erster Wagen aus der Garage gefahren. Das Tor scheppert beim Herunterlassen leise nach.
Claus und Jörg drehen sich mürrisch unter ihren Decken, schlafen noch, wenn auch unruhig von Träumen des Erwachens geschüttelt. Ich höre den Wecker, der im Schlafzimmer der Eltern seine unbarmherzige Mahnung zum Aufstehen rasselt. Schritte tapsen über den Teppich, das Licht im Flur glimmt auf, der Gasboiler pufft als die nackten Füße der Mutter ins Duschbecken platschen und sie den Warmwasserhahn aufdreht. Der Vater klappert mit der Kaffeemaschine und mit dem Geschirr.
Solange die Mutter unter der Dusche singt, kann ich mich noch einmal umdrehen, auch wenn ich nicht mehr schlafen werde. Ich kann noch ein bisschen die Wärme der Decke genießen, die noch die Behaglichkeit des Schlafes in sich trägt und meinen Geruch der Nacht in sich birgt, die Albträume und das stundenlange Ausharren mit halb geöffneten Augen und Ohren, die auf jedes Geräusch lauschen.
Claus blinzelt das erste Mal. Sein Bett steht meinem gegenüber. Unser Zimmer ist klein. Jörg und ich haben Wandschrankbetten, die wir tagsüber nach oben klappen müssen. Sie stehen wie ein Doppelbett nebeneinander. Claus’ Bett ist am Tag das Sofa, auf dem wir sitzen, wenn wir unsere Schularbeiten machen - wenn wir welche machen.
»Der Gesang ist ja nicht auszuhalten.« Claus zieht sich die Decke über die Ohren, vergräbt sich, um noch ein paar Minuten der Ruhe zu genießen, bis sich das Wasser nicht mehr über der Stimme und dem Körper der Mutter bricht.
Jörg tut einfach, als würde er noch schlafen. Er atmet zu unruhig und dreht sich zu oft, aber er hält die Augen geschlossen, steckt seinen Daumen in den Mund und kuschelt sich an seinen Teddy. Jörg ist der Jüngste von uns.

Ein knappes Jahr, nachdem Günther den Claus in die Welt getreten hatte, einen Blutschwamm auf dessen Rücken hinterlassend, erfüllte Marianne widerwillig ihre ehelichen Pflichten. Sie machte die Beine zur körperlichen Übereinkunft breit, schloss die Augen und ließ Dieter über sich ergehen. Marianne spürte kaum, wie er sein Messer in ihr wetzte, sie hatte zuvor eine Schmerztablette genommen, krallte sich mit den Händen im Laken fest, statt ihren Mann zu umarmen. Sie ekelte sich vor dem Fleischgeruch und vor seinen Küssen drehte sie das Gesicht weg. Sie rutschte unruhig unter ihm hin und her, eher fliehend als sich hingebend, Ihrer Schwangerschaftsstreifen, einer Hinterlassenschaft der Zwillinge, schämte sie sich, sodass Dieter ihren Bauch nicht küssen durfte. Marianne behielt das Nachthemd an, sie schob es lediglich leicht hoch, um ihre Bereitschaft zu demonstrieren. Auch Dieter musste seinen Schlafanzug anbehalten, durfte lediglich die Waffe, mit der er sich in ihr austoben sollte, aus dem Schlitz ziehen.
Die Baumwollstoffe schmatzten aneinander, prägten ihre Falten in die Haut der Liebenden, und das Kondom verfing sich in den Knöpfen des Pyjamas. Es glitt während Dieters Begattung von dessen Schwanz, als er gerade zu einem neuen Stoß ansetzte.
Dieter schoss sich so leer, wie es die Vereinigung war, die sie ihm gestattet hatte. Er presste sich auf sie, wenn sie ihn schon nicht spüren wollte, so wollte er sie doch wenigstens fühlen, sie erleben, sie glücklich machen. Sie ließ es nicht zu.
Der Unfall sollte Angelika heißen, nur, tat er niemanden den Gefallen, als Mädchen auf die Welt zu kommen. Er hatte seinen eigenen Kopf und bekam tatsächlich seinen eigenen Namen, auch wenn die Geburt eines weiteren Jungen eine Enttäuschung war.
Ein Mädchen hätte Marianne doch irgendwann unterstützen, ihr ein wenig von der Mühsal der Hausarbeit nehmen und sich gegen die männliche Dominanz mit ihr vereinigen können.
Konnte es nicht einmal nach ihrem Willen gehen? Der Unfall wurde Jörg und die Geschichte seiner Entstehung zu einem guten Mittel, ihn gefügig zu halten, wenn man sie ihm nur häufig genug unter die Nase rieb: »Du bist ja nur entstanden, weil das Kondom abgerutscht ist!«
Jörg brauchte keinen Ersatz, auch wenn der von der Natur zunächst mit angelegt worden war. Der Jörgersatz landete nach einigen Wochen als Abgeburt in der Toilettenschüssel. Da hatte sich die Natur wohl des überflüssigen Ersatzes erinnert, der, noch ohne Verwendung, die Windeln voll kackte. Für Jörg hatte die Vorsehung eine bessere Gabe parat. Sie stattete ihn mit Charme aus. Er war zwar keine Angelika, und auch Günther löste diese Ersatzaufgabe zwangsläufig höchst unvollkommen, aber Jörg hatte von früh auf ein strahlendes Lächeln, das Marianne für ihn einnahm. Er versuchte weder, mit hysterischem Wutgeschrei, seine Ansprüche auf elterliche Liebe durchzusetzen, wie Günther es tat, noch entzog er sich mit ernstem Gesicht der unerfüllbaren Aufgabe, von Beginn an perfekt zu sein. Vielleicht half es ihm, keine Aufgabe zu haben. Den einzigen Wunsch, den er Marianne erfüllen sollte, hatte er ihr schon bei der Geburt durch sein kleines Babyschwänzchen abgeschlagen. Wo keine Erwartungen mehr sind, können auch keine Enttäuschungen folgen. So erfreute er Marianne mit kindlich dreistem Charme, krabbelte und lief fast zur gleichen Zeit, wie seine älteren Brüder und brachte denen bei, wie man das Gitter des Laufstalls überwindet.

Der Vater hat sich inzwischen von seinem Pyjama getrennt und steht im Feinrippunterhemd und blauer Turnhose, ein Geschirrtuch über der Schulter an den Türrahmen gelehnt und fordert uns zum Aufstehen auf.
Die Mutter singt nicht mehr. Sie hat das Wasser abgedreht. Trocken wird sie werden, wenn sie sich an Jörg kuschelt, wenn sie nass und nackt unter seine Bettdecke schlüpft und sich an ihm reibt, während der sich schlafend stellt.
Jörg ist Mamas Liebling, bevorzugtes Kind. Zu ihm geht sie immer zuerst, nimmt ihm den Daumen aus dem Mund und steckt ihn in ihren, schlingt Jörg in ihre liebenden Arme. Er stößt sie nur selten von sich, er kümmert sich nicht um sie. Sie kann ihm in die Ohren beißen, ihm die Nase lutschen, seinen Körper an sich pressen und sich dabei beschweren, wie lieblos er sie empfängt. Doch so sehr er sie missachtet, ihn hat sie am meisten lieb.

Ich darf mich nicht beschweren, die Mutter ist gerecht. Sie hält jeden Morgen ihre Reihenfolge ein. Wenn sie von Jörg genug hat, versucht sie es bei Claus. Doch Claus ist kein Wunschclaus, er ist selten gefügig, er strampelt unter der Decke und versucht sich so zu drehen, dass wenigstens sein Glied nicht morgendlich aufgerichtet an ihren Bauch klatscht, dass es sich nicht reiben kann an den Schwangerschaftsstreifen, für die er die Schuld trägt.
Claus hält die Hände vors Gesicht, jeden Morgen. Er mag es nicht, wenn sie mit ihrem Speichel seine Nase einschleimt, wenn sich der glitschig triefende Geifer mütterlicher Wärme über ihn ergießt und durch die Schlafanzughose dringt.
Der Vater steht immer noch an den Türrahmen gelehnt, sieht voll hilflosem Zorn, wie Claus der Mutter verweigert, was er ihr so gern geben würde, hört sich die Antwort an, die Marianne ihrem Ältesten gibt, als der ihr sagt:
»Geh doch zu deinem Mann. Der ist dafür zuständig!«
»Der will das ja. Dann bringt es keinen Spaß.«
Ach würde der Vater doch etwas weniger wollen - würde es ihr dann Spaß mit ihm bringen?
Erst wenn die Mama einsieht, dass sie bei Claus keinen Erfolg hat, darf ich mich ihrer erfreuen. Dann öffne ich bereitwillig meine Bettdecke um sie einzulassen, um ihre Liebe zu spüren, auch wenn sie mich ekelt. Sie darf gern mit mir schmusen, aber ich drehe mich fort, sobald sie ihren Mund an meine Nase presst, an meine Ohren. Sobald ihre glibberige Zunge über mein Gesicht zu lecken versucht reiße ich meine Hände nach oben, presse sie vor meinen Kopf, versuche sie auf Abstand zu halten, indem ich um mich trete.
Wie soll sie mich je lieben, wenn ich mich so verhalte? Kann ich nicht dankbar sein, dass sie überhaupt zu mir kommt? Warum trete ich ihr in die schmerzenden Krampfadern, wenn sie mich liebt? Warum tu ich ihr weh, so weh, dass sie sich nicht zu helfen weiß, dass sie keinen Spaß mehr verstehen kann, wie sie es bei Claus Ablehnungen noch schafft? Warum lasse ich ihr nicht die Chance, mich zu lieben, wie sie meine Brüder liebt?
Die Hilflosigkeit des Vaters wächst. Er rührt sich nicht, wenn seine Frau mir die schützende Decke vom Körper reißt, mir den Pyjama von den Beinen zerrt und sich für die Schmerzen rächt, die ich ihr zufüge. Könnte ich doch bloß genießen, dass sie mich liebt.
Wenn sie auf mich eindrischt, kann der Vater sich rühren, dann kann er sich geschirrtuchbewaffnet über die Spülmaschine beugen und die Tassen und Teller herausholen. Er kann den Kaffee in die Thermoskanne füllen und sich unter die Dusche stellen.
Er wartet immer bis Claus und Jörg sich die Spuren der mütterlichen Sehnsucht abgewaschen haben, bis sie den Schweiß der Nacht und den Schmutz des Morgens von der Haut gescheuert haben. Erst dann weiß er, er hat Zeit, denn meine Liebesbeweise können noch etwas dauern.
Vielleicht hätte sie keinen Spaß, wenn ich es wollen würde? Aber ich will es doch, ich sehne mich doch nach ihrer Liebe, ich ertrage sie nur nicht, so sehr ich mich auch bemühe.
»Du weißt doch, wie sie ist«, versucht mein Vater mich zu trösten, als ich ihn im Bad ablöse. »Warum provozierst du es immer wieder?«
Und als ich aus der Dusche steige, und mich abtrockne, scheint die Sonne wieder, das Morgengrauen hat sich aufgelöst, der Dunst sich verzogen und meine Mutter hat sich auf die Toilette gesetzt, während das Wasser hart und heiß an mir herabrinnt. Wir singen uns Schimpfworte durch das Rauschen der Brause zu.
»Alles wieder gut mein Eindringling?« fragt sie liebevoll und tätschelt meinen feuchten Po.
Sie liebt mich doch.
Ich kann mich beruhigt an den Frühstückstisch setzen, meinen Kaffee trinken und eine Scheibe Toast mit Nutella genießen. Ich kann von der Arbeit erzählen, die wir heute schreiben werden, und die ich gewiss vergeigen werde. Auch da ist Jörg uns voraus. Er begreift viel schneller und er ist mittlerweile in der gleichen Stufe wie wir, in der Parallelklasse, der 8c.


Ein Leben als Ersatz - Willkommen
Ein Leben als Ersatz - Rechnen lernen
Ein Leben als Ersatz - Die Ohrfeige
Ein Leben als Ersatz - Schuld und Strafe

 
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Lieber sim!

Wie schon in den beiden anderen Teilen, „Ein Leben als Ersatz“ und „Rechnen lernen“, erzählst Du auch hier wieder beinahe unglaubliche Dinge, die eigentlich keinem Kind passieren dürften, und doch für manche zur Realität geworden sind oder immer noch werden.


Ein paar Kleinigkeiten hab ich gefunden:

»Claus zieht sich die Decke über die Ohren, vergräbst sich«
– vergräbt (ohne s)

»Der Unfall sollte Angelika heißen, nur, tat er niemanden den Gefallen«
– niemandem

»aber Dirk hatte von früh auf ein strahlendes Lächeln, dass Inge für ihn einnahm.«
– das

»Er versuchte weder, mit hysterischem Wutgeschrei, seine Ansprüche«
– ohne Beistriche

»steht im Feinrippunterhemd und blauer Turnhose, ein Geschirrtuch über der Schulter an den Türrahmen gelehnt«
– Schulter, an

»Sie kann ihm in die Ohren beißen, ihm die Nase lutschen, seinen Körper an sich pressen und sich ihre Beschwerden darüber anhören, wie lieblos er sie empfängt.«
– irgendwie wechselst Du in dem Satz glaub ich den Bezug

»Sobald ihre glibberige Zunge über mein Gesicht zu lecken versucht reiße ich«
– versucht, reiße


Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo liebe Häferl,

Vielen Dank für deine Anmerkungen. Die Fehler habe ich korrigiert.
Noch mehr Dank fürs Lesen und für deine Gedanken zu dieser Geschichte.
Es war nicht jeden Morgen so, dass alle liegen geblieben sind. Manchmal ist auch der eine oder andere schon aufgestanden. Das Verhalten von Missbrauchsopfern ist selten logisch. So wie GüNtHer ja in dem Missbrauch die Liebe sieht, die er gleichzeitig herbeisehnt und dann doch eklig findet, ist es auch Claus und Dirk gegangen.
Die Wohnung war übrigens wirkich klein. Es hätte nicht viele Fluchtmöglichkeiten gegeben. Die einzige Chance, die wir ab und zu hatten, wäre es gewesen, rechtzeitig unter die Dusche zu kommen. Aber auch da kam es zu Übergriffen. Einer davon wird noch eine Geschichte dieser Reihe ergeben.
Aber ich glaube, allen Jungen ist einfach nicht klar, warum sie liegen blieben. Alle fühlten ja sich schuldig, dass sie die Liebe nicht schätzen konnten, die ihnen da widerfuhr. Sie wären gar nicht auf die Idee gekommen aufzustehen. Es war ihre Normalität.
Sie kamen auch nciht auf die Idee, sich gemeinsam zu wehren. Auch eine Geschichte über die Folgen dieser mangelnden Solidarität würd noch folgen. Zusammenhalt gab es zwischen diesen Geschwistern nicht. Dazu mussten sie zu sehr um die spärliche Liebe konkurrieren.

Liebe Grüße, sim

 

hi sim,

ein ausgezeichneter text. ich kenne die vortexte (noch) nicht, weswegen mich die schlusspointe natürlich hammerhart getroffen hat. wirklich bis zum schluss dachte ich, die jungs wären ... naja ... eben noch sehr klein und ich fand die zärtlichkeiten, die ihnen von ihrer mutter verabreicht wurden richtig süß. aber dann ... naja.

die beschreibung des morgen-rituals ist dir wirklich gelungen, und das - rückblickend - jämmerliche verhalten des vaters hat mich ehrlich deprimiert.

jetzt noch ein bisschen erbsenzählen:

Die Baumwollstoffe schmatzten aneinander, prägten ihre Falten in die Haut der Liebenden, und das Kondom verfing sich in den Knöpfen des Pyjamas.

Das Wort Liebenden fühlt sich für mich hier etwas deplatziert an. Semantisch - also zwei Personen bezeichnend, die sich gerade körperlich lieben - ist er natürlich ok. Aber an und für sich ist dieser Ausdruck für mich mit "einander innig zugetan sein" fix verdrahtet, was auf die Eltern in deiner Geschichte ja wohl nicht zutrifft.

Ich hoffe, dass ich mich jetzt unklar genug ausgedrückt habe. :dozey: :D

lg p.

 
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Hallo journey2heaven,

vielen Dank fürs Lesen und fürs Lob. :)

Du hast dich unklar genug ausgedrückt. Jedenfalls habe ich deine Anmerkung verstanden. ;)
Ich gebe dir auch recht. Das Wort "Liebenden" ist in dieser Einbahnstraßenkonstellation sehr zynisch gewählt.
Im Grunde gibt es ier kaum ein treffendes Wort, dennselbst wenn ich hart "fickenden" oder ein Äquivalent benutzt hätte, würde jede dieser Tätigkeiten immer noch ein gemeinsames Tun implizieren.
Der Handelnde, also Wolfgang, liebt. Er agiert nicht aus Lust, sondern aus Hoffnung, zurück geliebt zu werden. Er ist gut darin, die Zeichen falsch zu interpretieren. Insofern fand ich den Terminus berechtigt. Aber vielleicht fällt mir da ja noch etwas treffenderes ein.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo sim!

Bei solchen Texten bekomme ich richtig Zorn, die Vorstellung der Realität ist furchtbar.
Allmorgndliches Warten auf Zuneigung, die in einer Form stattfindet, dass es die Kinder nicht ertragen können, und auch ich als Leserin mich ekele. Trotzdem sehnen sie diese Berühungen herbei, weil sie die einzigen "Liebesbeweise" sind, die sie bekommen...

"Vielleicht hätte sie keinen Spaß, wenn ich es wollen würde? Aber ich will es doch, ich sehne mich doch nach ihrer Liebe, ich ertrage sie nur nicht, so sehr ich mich auch bemühe."

Die Mutter, der dieser sexuelle Kontakt bei den Kindern Spass macht, weil sie sich nicht effektiv wehren, alles über sich ergehen lassen und darunter leiden, die dem Vater jedoch verwehrt. Diese Perversion ist nicht zu verstehen. Die Kidner, die evtl acuh noch Schuldgefühle haben, weil sie die "Zuneigung" nicht ertragen.

Daneben der Vater, der nichts unternimmt, obwohl er die Jungen wenigstens etwas zu verstehen scheint. Der cnihts für sie tut, ausser ihnene zu sagen: "du kennst sie doch, du weißt doch, wie sie ist."

Dirk hat es vermutlcih wirklich etwas leichter als die beiden älteren, ohne die Erwartungen. Dennoch wird auch er vermutlich sein Leben lang unter diesen Erinnerungen leiden.

Der Schluss ist dann zusätzlich schlimm, Klaurverweigerung etc...

Furchtbar, dass solche Situationen als normal empfunden werden können. Dass soetwas passieren kann.Ob die Mutter jemals versteht, ws sie den Kindern angetan hat?

Deine Art zu beschreiebn, macht das ganze noch lebendinger....Du ahst mich damit sehr berührt, sehr viele Emotionen sind da jetzt. Zorn, Traurigkeit.

liebe Grüße
Anne

 

Lieber sim!

Hab nochmal hier reingelesen, und denke auch, daß journeys Anmerkung Sinn macht. Eigentlich war mir auch komisch an der Stelle beim Lesen, aber es kam nicht zum Markieren der Stelle...

Im Grnde gibt es ier kaum ein treffendes Wort, dennselbst wenn ich hart "fickenden" oder ein Äquivalent benutzt hätte, würde jede dieser Tätigkeiten immer noch ein gemeinsames Tun implizieren.
Wie wärs mit "Beischlafenden"? Ich finde dieses Wort so wää, und für normal eigentlich unbrauchbar, aber für irgendwas muß es doch gut sein, und wofür sonst, wenn nicht für jene Stelle in Deiner Geschichte? ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Maus,

auch dir vielen Dank fürs Lesen dieser qualvollen Geschichte. Zwar sind Horrorgeschichten gerade in, sicherlich aber nicht diese Form des alltäglichen Horrors.
Irgndwie ght es mir manchmal so, dass mir die Gefühle, die ich absichtlich erzeuge schon leid tun, dass ich fast ein schlechtes Gewissen habe den Lesern so etwas zuzumuten.
Andererseits halte ich es nach wie vor wichtig das zu tun. Ich bin also in dieser Hinsicht ein gewissensgeplagter Überzeugungstäter. ;)

Die Kidner, die evtl acuh noch Schuldgefühle haben, weil sie die "Zuneigung" nicht ertragen.
Die Kinder haben ganz bestimmt ein schlechtes Gewissen. Es wird in ihnen erzeugt. Unter anderem auch durch die Haltung des Vaters.
Der cnihts für sie tut, ausser ihnene zu sagen: "du kennst sie doch, du weißt doch, wie sie ist."
Denn dieser Satz drückt nur bedingt Verständnis aus. In erster Linie macht er die Kinder für die Schläge verantwortlich, die eine Verweigerung nach sich zieht. Ihr wisst doch, dass es so endet, warum vermeidet ihr den Streit nciht im Vorfeld? Damit wird die Machtverteilung auf den Kopf gestellt.

Hallo Häferl,

vielen Dank für den Vorschlag. Ich werde das einmal ausprobieren und schauen, wie es sich für mich und euch liest.

Lieben Gruß, sim

 

hi sim nochmal!

"irgndwie ght es mir manchmal so, dass mir die Gefühle, die ich absichtlich erzeuge schon leid tun, dass ich fast ein schlechtes Gewissen habe den Lesern so etwas zuzumuten.
Andererseits halte ich es nach wie vor wichtig das zu tun. Ich bin also in dieser Hinsicht ein gewissensgeplagter Überzeugungstäter." - Du musst sicher kein schlechtes Gewissen haben, sim. Und ich stimme Dir voll zu, es ist wichtig, solche Geschichten zu schreiben, es ist wichtig, sie zu lesen, und wenn es jemand schafft, dem Leser dabei eine ungefähre Vorstellung zu vermitteln, ihn fühlen zu lassen, sind das sehr gute, wichtige Texte. Schreib nur weiter. Ich zumindest werde weiterlesen.

liebe Grüße
Anne

 

Hallo Blackwood,

der kursive Absatz ist ein Rückgriff in die Erzählweise des ersten Teils der Geschichten aus der Kinderhölle. Leider setzt er wohl tatsächlich auch dessen Kenntnis voraus um als solches voll verständlich zu sein. Er sollte weniger Inge in ihrer Psyche erklären, als die Entstehung von Dirk.
Es ist kein Abschnitt, aus dem ich mir Versöhnung erhoffen könnte. Dazu ist die Ausdrucksweise zu brutal.
Ich gebe dir recht, der Absatz ist auf seine Weise ein Störfaktor in dieser Geschichte. Er sollte sprachlich getrennt stehen, sich in der Erzählperspektive unterscheiden und mit Glück die latente Wut der Mutter darüber zum Ausdruck bringen, dass vor dem Kindersegen die verabscheute Vereinigung steht.

Nicht, weil ich sie schockierend fand, sondern weil ich kaum Realität dahinter sehen konnte/wollte
Oft erscheint uns die Realität so überzogen, dass wir ihre Abbildung in Geschichten als übertrieben, fast lächerlich übertrieben empfinden. Einen Film, der einen Terroranschlag wie vom 11. September erzählt, hätten wir vor diesem Datum wohl als grotesk an den Haaren herbeigezogen angeschaut und allenfalls als "James Bond" oder "Stirb langsam" Szenario akzeptiert.
Es kann gut sein, dass ich in meiner Geschichte noch längst nicht alle inneren Logiken erfasst habe. Ich hoffe, auf einem guten Weg dorthin zu sein.
Dabei helfen mir auch Kritiken wie deine.
Vielen Dank fürs Lesen und für deine Anmerkungen.
"Die Kopulierenden" gefällt mir sehr. :)

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Sim!

Wie sehr muss es den Kindern vor dem Morgen gegraut haben! Eine Mutter liebkoste die Seelen ihrer Kinder, die nichts anderes wollten, als geliebt zu werden, zu Tode. Der Ekel vor den flüssigen Ausscheidungen der Frau überträgt sich mühelos auf den Leser.

Er mag es nicht, wenn sie mit ihrem Speichel seine Nase einschleimt, wenn sich der glitschig triefende Geifer mütterlicher Wärme über ihn ergießt, ...
Unfassbar.
Die Rolle des Vaters wird auch sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.
Wenn sie auf mich eindrischt, kann der Vater sich rühren, dann kann er sich geschirrtuchbewaffnet über die Spülmaschine beugen und die Tassen und Teller herausholen. U. s. w. ...
Von diesem Menschen ist keine Hilfe zu erwarten. Im Gegenteil.
"Du weißt doch, wie sie ist, ... warum provozierst du es immer wieder?"
Ein Mittäter, der sich unterlassener Hilfeleistung schuldig macht und sich aus der Verantwortung stiehlt. Wie grausam!
Zum Kontext:
Oft erscheint uns die Realität so überzogen, dass wir ihre Abbildung in Geschichten als übertrieben, fast lächerlich übertrieben empfinden.
Weil es unvorstellbar ist! Jeder halbwegs "normale" Mensch schüttelt angesichts solcher Beschreibungen den Kopf und kehrt in seine "heile" Welt zurück, bei der die "Grauzonen" außen vor bleiben. Und doch gibt es sie ...

Schlimme, gut erzählte Geschichte, Sim!


Ganz lieben Gruß
Antonia

 

Hallo Antonia,

vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren meiner Geschichte.
Ja der wohlige Schauer des Gruseln und Grauens will sich hier sicherlich nicht einstellen. Dazu ist der Realitätsgehalt trotz aller Unwahrscheinlichkeiten wohl noch zu hoch ;)

Schön, wenn sie trotzdem noch gut genug geschreiben ist, damit sie gelesen wird.

Lieben Gruß, sim

 

Lieber sim,

mir geht es mit deinen Geschichten hier im Serienforum ein wenig ähnlich wie mit Susi's Geschichten: eigentlich vermag man gar nichts darauf zu erwidern.

Man möchte das Gelesene einerseits wieder schnell vergessen, beiseite wischen und sich denken: ja so ist es ab und zu mal, aber ja nicht immer und dies ist hier gewiß nur eine Ausnahme und nicht die Regel.

Und genau an dieser Stelle bekomm ich einen Kloß im Hals, denn dass exakt solch ein Sachverhalt, wie du ihn hier sehr anschaulich mit dem Verhalten der Mutter schilderst, sich noch mal so ereignet, ist vermutlich nicht wahrscheinlich (oder doch?), was aber bleibt ist die über diesen Geschichten schwebende Aussage, weshalb deine Geschichten auch mit denen von Susi einen ähnlichen Ansatz haben:
es ist die Mißachtung der Integrität des Kindes, die oftmals soweit geht, dass das Kind in seinem Dasein selbst mißachtet wird, als sei es nur berechtigt als Teil der Eltern zu existieren.
Susi und auch du, ihr beide beschreibt Kindesmißhandlungen, mal der groben, mal der subtilen Art, aber jedes Mal handelt es sich um eine Mißhandlung und nichts anderes.

Und ich lese das alles und weiß genau, dass gerade jetzt während ich dies hier schreibe, irgendwo ein Kind mißhandelt wird. Deine Geschichten sind unbequem.
Ich lache lieber.
Aber sie sind gerade, weil ich so gerne lache, so wichtig, denn wie kann ich frei lachen, wenn ich gar nicht weiß, was unfrei heißt?
Aus diesem Grunde werde ich auch weiterhin deine, sowie auch Susi's Geschichten lesen.

Stilistisch ist wie immer nichts von mir zu bemängeln.
Ich kann noch nicht einmal behaupten, dass da gar nichts zu verbessern ist. Mir geht es mit deinen Geschichten immerzu so, dass ich nicht den Blick für vielleicht vorhandene Fehler bekomme, weil die Geschichte selbst mich tief in ihren Bann zieht.

Du schreibst sehr fesselnd, das zeichnet bislang fast alle deine Geschichten aus.

Lieben Gruß
elvira

 

Hallo liebe lakita,

Günthers Geschichte ist ein Einzelschicksal. Ähnlich wie bei Susis Geschichten bleibt es ein Einzelschicksal, zumindest in dieser Härte. Und doch kenne ich Einzelschicksale, bei denen ich mir denke, dass Günther noch Glück hatte, dass seine Geschichte noch gar nicht so schrecklich ist, wie andere Einzelschicksale.
Wenn ich die Zeit bedenke, in der Günthers Geschichte spielt, haben wir Menschen uns weiterentwickelt, dann hat die Pädagogik an Hilflosigkeit verloren und wir haben neue Erkenntnisse des gut gemeinten gewonnen. Welche Traumatisierungen daraus entstehen, wird erst die Zukunft zeigen.
Was es immer noch gibt, sind die Verantwortungen, die Kindern aufgebürdet werden, unabhängig von der körperlichen Misshandlung. So wie Günther sich für seine Misshandlungen verantwortlich fühlt, fühlen sich heute viele Kinder schuldig, wenn die elterliche Ehe in die Brüche geht, wenn die Eltern unglücklich sind, oder wenn sie mit ihrem Leben nicht klar kommen.
Auch heute noch schlagen überforderte Eltern zu, auch heute noch werden Kinder missbraucht, trotz aller Fortschritte, die wir gemacht haben. Einzelschicksale sind immer auch ein Teil der Gesellschaft, in der sie entstehen. Wenn meine Geschcihten es also ermöglichen, sich ihnen mit dem Gedanken zu entziehen, dass sie sich nicht widerholen können, dann habe ich mich zu sehr auf dieses Einzelschicksal konzentriert.
Das Prinzip meiner Geschcihten ist bewusst an die Logik trivialer zu Herzen gehender Zeitschriftenartikel über dieses eine Schiksal angelehnt. Ich glaube, dass wir Menschen über diese Weg eher begreifen.
Exakt wird sich Günthers Geschichte sicherlich nciht wiederholen, aber sie wiederholt sich eben auf andere Weise jeden Tag.
Auf diesen gesellschaftlichen Bezug hast du fragend sehr zu meiner Freude hingewiesen. Wenn dieser Gedanke auch angesichts der Härte eines Einzelschicksals hängen bleibt, dann bekommen die Geschichten einen Sinn, der sie über den therapeutischen Nutzen des Autoren hinaus eben für alle lesbar macht.

Vielen Dank für deine liebe Reflexion, sim

 

Lieber sim,

und ich danke dir für dein sehr freundliches Feedback. :)

Ich möchte noch etwas zur heutigen Zeit anmerken, weil du es ebenfalls angesprochen hast. Ich stelle immer wieder fest, dass sich eigentlich nichts Gravierendes verbessert hat.
Die rohe Gewalt gegenüber Kindern ist vielleicht in manchen Fällen einer eher eisigen Distanz und Interesselosigkeit gewichen und ich frage mich, ob nicht beides auf seine Weise furchtbar ist.
Nein, das frag ich mich nicht, ich weiß es.

Was mich aber immer wieder betroffen und mürbe macht, ist die Häufung der vielen subtilen Verletzungshandlungen, die an Kindern begangen werden.
Du hast es auch schon erwähnt. Ich erlebe es manchmal sehr deutlich bei denjenigen Scheidungsfällen, die auch um Kinder einen Streit beginnen.

Da werden im günstigsten Falle die Kinder hin- und hergezerrt, sie "dürfen" jeweils eine kleine Zeiteinheit bei jedem Elternteil leben, haben sozusagen zwei Wohnungen. Diese Kinder sind oftmals vordergründig ganz glücklich mit dieser Regelung, aber sie haben letztendlich nichts anderes getan, als sich den Bedürfnissen ihrer Eltern anzupassen.

Da müssen Kinder erleben, dass die Mutter es nicht gerne sieht, wenn sie Kontakt zum Vater aufnehmen. Diese Kinder leiden Höllenqualen, weil sie jeweils immer einen Elternteil verraten, wenn sie sich dem anderen zuwenden. Und keine Instanz vermag sie von dieser "Schuld", die sie empfinden freizusprechen. Niemand sagt diesen Kindern, dass sie nichts Falsches tun.
Da werden Kinder vor Gericht gezerrt, um darüber auszusagen, bei welchem Elternteil sie lieber leben wollen. Diese kleinen Menschen müssen auf einmal zu kleinen Erwachsenen mutieren. Was in diesen Momenten an Unbeschwertheit abstirbt, wächst nicht wieder nach.

Da müssen Kinder erleben, dass der Papa fortgeschickt wird und sich nur noch selten meldet, dann irgendwann nicht mehr. Was muß so ein Kind wohl empfinden? Schon die noch subtilere Verletzungshandlung, die versprochenen Kontakttermine nicht einzuhalten, trifft die Kinder schmerzlich. Ein Vater, der noch nicht einmal dem Kind erklärt, weshalb er seine Verabredung mit ihm nicht einhalten kann, mißachtet das Kind in seinen Grundbedürfnissen nach Zuneigung und Beständigkeit.

Ich könnte jetzt gewiß noch viel mehr Beispiele anbringen, laufe aber große Gefahr mit diesem Beitrag den Vorwurf des offtopic zu kassieren.

Lieber sim, deine und Susi's und alle anderen Geschichten, die sich mit Verletzungen der Kinderseele beschäftigen, sind alle ein vielleicht kleiner Schritt mehr Bewußtsein zu schaffen. Wünschen wir uns, dass das sie von vielen gelesen werden.

Lieben Gruß
elvira

 

Liebe lakita,

ich könnte dir auch vieles auf deine Beispiele antworten, aber das würde sicherlich weit weg von der Geshcichte führen.
Also danke ich dir noch einmal für deine vielen Beispiele, die Susis und meinen Geschichten die gesellschaftliche Relevanz geben.

Ich blicke frohen Mutes in die Zukunft, dass sich am Schicksal von Kindern etwas ändern wird.
(ein Beisiel für meine grenzenlose Naivität Blackwood? ;))

Lieben Gruß, sim

 

Hey Sim,

dieser Text hat mich zugegebenermaßen viel härter erwischt als "Rechnen lernen", den ich vor einigen Wochen gelesen habe. Dort wurde größtenteils "nur" körperliche Gewalt (allerdings gemixt mit der pathologischen Psyche der Mutter) beschrieben, oder zumindest war der Anteil psychischer Gewalt viel kleiner.

Hier aber wird die ganze Grauenhaftigkeit einer Kindheit beschrieben, in der man sich zwischen "psychischer Folter" (sex. Mißbrauch) und körperlicher Bestrafung "entscheiden" kann.
Dass die Kinder sich selbst nicht ganz bewußt sind, was sie nun eigentlich davon zu halten haben, macht das Ganze sicher eher schlimmer als besser oder "ertragbarer".
Die Zwiegespaltenheit, von einem Menschen mißbraucht zu werden, von dem man eigentlich geliebt werden möchte, wurde hier so intensiv dargelegt, dass sich meine vorhin noch gute Laune nun vollkommen verflüchtigt hat. Das soll aber kein Vorwurf sein, ich finde es gut und richtig, dass Du solche Geschichten schreibst, und wie Du in der vorhergehenden Kommentaren dargelegt hast, war diese Wirkung auf den Leser ja auch genau Deine Absicht.

Es ist für jemanden wie mich, der eine solche Behandlung nie erlebt hat, wohl nicht vorstellbar, was der Betroffene in diesen "morgendlichen Momenten" fühlt. Dein Text
hat mich wieder einmal daran erinnert, dass in den kleinen, familiären Welten einer "zivilisierten Gesellschaft" die unzivilisiertesten Dinge passieren können. Somit hast Du Deine selbstauferlegte Aufgabe (wenn ich das richtig verstanden habe), den Leser zum Nachdenken zu bringen, sicherlich erfüllt.

Der Vater in Deiner Geschichte steht wohl tatsächlich für die Horden von Augenzukneifern und Ohrenzuhaltern, die unter uns (und leider auch in uns) wohnen. Zumindest denen, die wir (die ich) in unserem Charakter beherbergen, sollten wir mal gehörig den Marsch blasen.

Keine schöne, aber trotzdem eine sehr gelungene Geschichte.

Gruß

MisterSeaman

 

Hi MisterSeaman,

nein, schön sollte sie nicht sein, diese Geschichte. Schön, wenn du sie trotzdem gelungen findest.

Es geht hier um eines der demokratischsten Verbrechen. Missbrauch fragt nicht nach bürgerlichen Konventionen. Das Morgengrauen lebt hinter sauberen Fassaden.

Vielen Dank fürs Lesen, fürs Verstehen und für deine Gedanken.

Einen lieben Gruß, sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo sim,
nachdem ich gestern „Schuld und Strafe“ gelesen habe, versuche ich heute „Morgengrauen“, das morgendliche Ritual des Grauens zu verdauen.

Die Handlung zog mich inhaltlich und sprachlich in ihren Bann.
Man schwankt zwischen Fassungslosigkeit, Abscheu und Mitleiden.

Deine plastische Sprache ist so verdichtet und gespickt mit Informationen, dass man langsam und mehrmals lesen muss.

Ich habe die Geschichte zweimal gelesen und mich an der Stelle mit dem Weckerklingeln, spätestens aber bei der Stelle, wo der Vater zum Aufstehen auffordert, gefragt, was mag die Jugendlichen (Klasse 8) bewogen haben, täglich dem krankhaften Verhalten der Mutter nachzugeben., sich der Diskrepanz zwischen Widerstand gegen den sexuellen Mutter-Reiz und der erwünschten Mutterliebe auszusetzen?
Wie groß muss der Leidensdruck von Kindern und Jugendlichen werden, bis sie die Kraft finden, diese Art familiärer Rituale zu durchbrechen?

Alle drei Jungen hätten aus ihren Betten springen und sich so dem mütterlichen Übergriff entziehen können, bevor sie von der verwirrenden und verabscheuten Morgenaktion der Mutter überrumpelt werden.
War es die Angst, wenn nicht diese Art von Zuwendung („Liebe“), dann gar keine zu erfahren? …
Die Angst vor dem Zorn der Mutter über eine Zurückweisung, allein die Angst vor körperlicher Züchtigung kann es doch nicht gewesen sein, dass alle Drei nicht vor dem Morgenritual flüchteten, sondern wie die Lämmer in ihren Betten verharrten.

War es der Reiz, jeden Tag aufs Neue zu erproben, ob sie vielleicht doch einmal das entdecken könnten, was sie eigentlich suchten, die ihnen unbekannte Art der Mutterliebe?
Zumindest in der Person Günther, der zunächst „die Bettdecke bereitwillig zurückschlägt“ und „sie (die Mutter) dann doch nicht ertragen kann“, spüre ich diese Ambivalenz.

Auch du als Autor dieser aufwühlenden Geschichte wirst die Fragen wohl nicht eindeutig beantworten können, denn auf seelischen Zwiespalt in Kindern gibt es vielleicht keine eindeutige Antwort.

Gruß
Kathso

 

Hallo kathso,

deine Fragen hat bmn schon gut beantwortet. Es ist schwer, die Normalität infrage zu stellen. Und selbst wenn sie rechtzeitig aus den Betten gekommen wären, die Wohnung war eng, der Fluchtmöglichkeiten gab es nicht viele.
Auf den seelischen Zwiespalt von Kindern gibt es tatsächlich nicht so viele Antworten, denn letztlich rettet er den Kindern auch oft das Leben. Auf die elterliche Liebe angewiesen, müssen sie die Verantwortung für deren Verhalten bei sich suchen, die Erkenntnis würde ihnen die Lebensgrundlage rauben, ein Gefühl von Verlässlichkeit, die trotz allem irgendwo noch existiert, sei es auch nur als Illusion.

Hi bmn,

natürlich nehme ich das als Kompliment und werde dir auch ganz sicher nicht übel nehmen, wenn du die nächsten Teile nicht mehr kommentierst.
Solidarität kann unter Brüdern in dieser Lage schwer entstehen, wenn diese zu Konkurrenten um die elterliche Liebe werden. Ich fürchte, auch das ist ein ganz natürlicher Impuls.

Euch beiden vielen Dank und liebe Grüße
sim

 

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