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Ein Lächeln tritt seine Reise an
Ein Lächeln tritt seine Reise an
Heute begegnete ich im Supermarkt einem kleinen Mädchen. Blondgelockt saß es in einem Einkaufswagen in der Süßwarenabteilung. Gerade war es damit beschäftigt, quietschbunte Lolli`s aus dem Regal zu räumen und in schönen, farbigen Flecken auf dem Fußboden zu verteilen. Ihre Mutter - ein Glas Apfelmus in der Hand haltend - eilte soeben heran und schob leise schimpfend ihr Kind von den süßen Verlockungen weg, um sich dem angerichteten Chaos zu widmen. Meinem Helferinstinkt nachgehend, half ich ihr beim Auflesen, während das kleine Mädchen fröhlich vor sich hin brabbelte. Den letzten Lutscher, einen schönen Roten, drückte ich der Kleinen in ihre knubbelige Hand. Sie schaute mich verwundert aus großen blauen Augen an, als ob sie wüsste, dass man von Fremden nichts nehmen darf. Doch mit einem Male verzog sie das pausbäckige Gesichtchen zu einem Strahlen und schenkte mir ein wunderschönes Lächeln. Die Mutter bedankte sich, ebenfalls lächelnd.
Mein Tag, der so grau begann, erhellte sich plötzlich und ich setzte gut gelaunt meinen Einkauf fort. Vorbei an dem Gemüsestand, an der Wurst- und Käsetheke und an den Regalen mit Kaffee und Tee.
Ich wollte mir heute einen gemütlichen Abend bei einer Flasche guten Rotweines und meinem Lieblings-Film-Klassiker „Manche mögens heiß" gönnen. In der Abteilung für Weine entdeckte ich auch gleich meine bevorzugte Sorte, die sonst sehr schwer zu bekommen war. Erfreut über mein doppeltes Glück, stellte ich mich in die Schlange an der Kasse. Heute konnte mich nichts mehr aus der Fasson bringen, auch nicht die bis-auf-den-letzten-Cent-im Portemonnaie-wühlende Oma vor. Ich schenkte der Kassiererin ein Lächeln; nicht so strahlend wie ich es bekam, aber genauso ehrlich; wünschte ihr noch einen angenehmen Tag mit netten Kunden, und trat den Heimweg an. Im Hausflur traf ich auf den älteren Herrn unter mir - der männliche Pendant zu Else Kling aus der Lindenstrasse - mit einem alten Dederonbeutel voller Plaste-Pfandflaschen. Ich wünschte ihm einen wunderschönen Guten Tag und erfuhr im Gegenzug, das ich mich irren würde und er in die Kaufhalle müsse. Wieder einmal wunderte ich mich über den Sprachgebrauch der alten Leutchen. Sie sagten nie Supermarkt oder T-Shirt, sondern Kaufhalle und Nicky. Alter Griesgram dachte ich bei mir, als ich die Treppen zu meiner kleinen Dachgeschoßwohnung aufstieg, und lächelte leise in mich. Opa „Kling" hatte nämlich seine Zähne im Glas stehen lassen.
Wenig später - ich hatte mir gerade eine heiße Wanne einlaufen lassen - klingelte es an meiner Tür. Verwundert über den unangekündigten Besuch linste ich durch den Spion und entdeckte meine beste Freundin. Bedingt durch die lupenförmige Rundung des Glases, sah der Mensch auf der anderen Seite der Tür mehr oder weniger wie ein breitgeklopftes Etwas aus. Doch was mir da entgegen schaute, sah meiner Freundin fast nicht mehr ähnlich. Ich riss die Tür auf, von dem Gedanken begleitet, ihr ginge es schlecht. Puterrot stand sie vor mir und stürzte im nächsten Moment an mir vorbei, hinein in meine Wohnung. Erschrocken drehte ich mich um und begegnete einer schallenden Lachsalve, gefolgt von einem Schwall Tränen, die munter über ihr knallrotes Gesicht hüpften, schließlich mischten sich noch Hickser und ein Grunzen unter. Ich konnte nicht anders und wir verfielen in gemeinsames Gelächter. Ich kannte noch nicht einmal den Grund. Als meine Freundin endlich wieder zu Luft und Besinnung kam, erzählte sie mir, dass Opa „Kling" mit ihr gemeinsam den Hausflur betreten hatte und sie ihm aus Höflichkeit einen Einkaufsbeutel in die untere Etage getragen hatte. „Und dann", fuhr sie mit meckernder Stimme fort, da ein erneuter Lachanfall sie schüttelte, „wünschte er mir einen wunderschönen Tag und grinste mich aus zahnlosem Mund an."