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Ein kleiner grüner Kaktus

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07.04.2012
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Ein kleiner grüner Kaktus

… damit nicht alles verdarb, musste die Brust entfernt werden. Wieder Angst und endlose, kalte Nächte. Ich lag neben ihr, seit siebenundzwanzig Jahren, hilflos musste ich nun zusehen, wie sie welkte, meine einst so schöne Frau. Irgendwann keimte wieder Hoffnung auf, dieses falsche Miststück!
Ein paar Monate danach der gleiche Befund auf der anderen Seite. Total-OP. Dieses Mal hatte er schon gestreut. Wie heißt es so schön? „Dein Wille geschehe ...“, dankeschön, lieber Gott. Evi sagte dazu: „Dieses Leben ist eine Strafe.“
Aber wofür nur? Sie hatte doch niemandem etwas getan.
„Wie im Himmel, so auf Erden ...“, danke, für die schönen Aussichten, vielen, herzlichen Dank. Alles Gute kommt von oben, ... und das Schlechte? Alles kommt von Ihm, auch der Krebs.

Dieses arrogante Arschloch!

Nächtelanges Stöhnen. Kurz vor dem Ende: Morphium, Hospiz, Tod.

Und jetzt standen sie alle da. Johannes, ihr schwer leberkranker Bruder, oder soll ich sagen: der Säufer, dessen Söhne die meiste Zeit im Knast verbrachten? Die einzige Tochter trieb sich im Milieu herum. Nur sein Jüngster war vom Maurer zum Polier durchgestartet und betrieb jetzt eine kleine Baufirma, von einer Insolvenz zur nächsten. Wer sich mit ihm einließ, war ruiniert.
Oder ihre Schwester, die dreifache Witwe, die bei jedem Mal reicher wurde. Mit ihren Klunkern schaute sie verächtlich in die Runde, bevor sie ging. Dabei zog sie eine gehbehinderte und auch geistig zurückgebliebene, junge Frau hinter sich her, die stolpernd zu folgen versuchte. Es war ihre Tochter, die in verrenkter Haltung fortwährend zum Himmel schaute. Ihr Gesicht schien zu fragen: Na, fühlst du dich jetzt besser?
Ihr Name war Doloris, bei der Geburt hatte sich die Nabelschnur um den kleinen Babyhals geschlungen, gerade so lange, dass es für einen Gehirnschaden reichte.
Dann Manfred, der Junkie-Neffe, der nur zu Besuch kam, wenn er abgebrannt war und sie dann beklaute. So ging es weiter.
Schattenfiguren. Sie sangen 'Lobet den Herren' am offenen Grab. Das war Evis Rache dafür, dass
niemand sie in der schweren Zeit besucht hatte.

Und sie sangen es tatsächlich: Lobet den Herren! … am offenen Grab!

Der Pastor hatte abgeraten, aber das ließ Evi sich nicht nehmen. Bis zuletzt konnte sie darüber lachen.
Wie ich ihre Münder so andächtig auf und zugehen sah, musste ich kichern wie ein Schulbub. Mein Brustkorb fing an, sich zunächst noch stumm zu schütteln, dann der ganze Körper. Aber schließlich pressten sich rhythmisch Geräusche aus mir heraus, als drehte man einem Gecko den Hals um. Wahrscheinlich dachten sie ich weine, was ich dann auch tat ...

* * *

Antonio hörte durch die geschlossene Wohnungstür Schritte im Treppenhaus. Wenn der Chef kam, war es besser, etwas zu tun, was nach Arbeit aussah.
Er legte das handgeschriebene Blatt auf die Fensterbank zurück. Er tat es sehr vorsichtig, denn es stand ein ganzer Kakteen-Urwald darauf. Die Stachelpflanzen kämpften um den besten Platz und stützten sich dabei gegenseitig. So gragelten sie an der Scheibe hoch, dem Licht entgegen.
Der Italiener hatte noch etwas Zeit, denn sein Chef hatte jetzt den Hausmeister am Wickel, das würde dauern. Durch den Widerhall der tristen Flurwände verstand er kein Wort. Es hörte sich an, als bellten sie. So saß er auf einer freien Ecke der Fensterbank und sah zu dem alten Sofa hinüber. Das kriegen wir nie und nimmer durchs Fenster, dachte er mit Sorgenfalten auf der Stirn. Unten, von der Straße her, hörte er die Zwillinge lachen. Emilio wartete mit seinem Bruder auf den Container. Sie hielten Parkplätze dafür frei. Man würde die Mulde unter dem Fenster absetzen, so dass sie alles hinunterwerfen konnten.
Antonio machte sich daran das uralte Holzfenster, dessen Flügel noch nach außen aufgingen, zu öffnen. Die weiße Farbe des Holzrahmens war hier und da schon abgeplatzt. Antonio war neugierig, worüber die beiden dort unten lachten. Dabei schob er seine Hand wie ein Gynäkologe durch die langen und fiesen Stacheln, um den Fensterknauf anheben zu können. Vorsichtig schlängelte er auch die andere Hand hindurch, um die Fensterflügel aufzudrücken. Eine Vorahnung ließ ihn äußerste Vorsicht walten. Nur keine falsche Bewegung. Seine Hände waren wie in einem 3-D Puzzle in die Armee der Stacheln eingefügt. Es kratzte schon um die Handgelenke herum. Mit zittrigen Fingern drückte er zögerlich gegen das Holz. Der Knauf war bereits gedreht und da …!
„TONI!“, schrie es von der Tür her, die im gleichen Moment polternd aufflog. „Was ist hier los? Wieso ist der Container noch nicht da?“
Ein plötzlicher Schwall Zugluft ließ die Fensterflügel regelrecht nach außen aufplatzen. Antonio schrie und mit einem gehauchten „Haahaahaahuu“ und dem dazugehörigen Angsttimbre, folgten seine Hände so gut es ging der Bewegung des hinauskippenden Kakteengebindes.
Die Zwillinge sahen nach oben, als das Grünzeug aus der Höhe auf sie zukam. Sie rissen noch die Arme vors Gesicht, als alles mit klatschendem Geräusch samt Töpfen zwischen ihren Füßen in sämtliche Richtungen zerbarst … nichts passiert!

Antonio erwartete ein italienisches Donnerwetter, aber es kam anders. Es war diese merkwürdige Situation wie nach einem Beinaheunfall mit dem Auto. Wozu jetzt noch aufregen? Es ist vorbei. Niemand verletzt. Jeder fährt seiner Wege, ohne überhaupt Gas wegzunehmen. Die weichen Knie kommen dann später.
Emilio sah hoch und sein gebräuntes Gesicht fing an zu grinsen. Die weißen Zähne blitzten, als er die Arme in die Luft warf und anfing zu singen und zu tanzen, sein Bruder schaute zunächst entgeistert, fiel dann aber mit ein: „Mein kleiner grüner Kaktus, steht draußen am Balkon, hollari, hollari, hollaro!"

Der Chef stürzte ans offene Fenster und sah hinunter, da sangen die beiden noch lauter und grinsten hoch.
„Euch kann man nicht alleine lassen, ich ruf' da jetzt an, verflucht, wo bleiben die denn?“ Der Chef sah das altmodische Riesensofa. „Emilio, bring den Lehmann mit hoch“, rief er hinunter, „wir müssen das Sofa zerlegen!“
„Hollari, hollari, hollaro!“ kam die Bestätigung von unten.

Die ganze Zeit über hatte Antonio auf die gegenüberliegende Straßenseite geschaut. Etwas fesselte seinen Blick. Auf dem Vorplatz eines ALDI-Marktes stand ein Kämpfer und sah zu ihm herauf. Ein Schwert hing in seinem Gürtel, der die mit Ornamenten bestickte Robe zusammenhielt und die breite, gebräunte Brust offenbarte. Antonio kannte sich nicht gut mit dieser Kultur aus, aber er hatte keinen Zweifel. Die Gesichtszüge, die Haartracht, Bart, Haltung, einfach alles. Das war ein echter Mongole. Und was für einer! Die anderen Männer sahen gegen ihn aus wie Hobbits.
Was machte der da? Er stand inmitten der Einkäufer, die irgendwie einen Bogen um die imposante Erscheinung machten, aber sich ansonsten nicht weiter um ihn kümmerten.
Der Mongole sah über die Distanz fest in Antonios Augen und zog ihn in seinen Bann. Die Straßengeräusche verstummten, nur der Steppenwind strich durch die Gräser und die Luft war staubig. Der Mongole zog sein Schwert und streckte es in Antonios Richtung. So erstarrte er einen Moment lang wie ein Denkmal aus Granit.
Dann ließ der Hüne das Schwert fauchend durch die Luft sausen, wie man es seinerzeit wohl zur Begrüßung unter Kämpfern tat.
Ohne seine Augen von dem Mongolen lösen zu können, nahm Antonio schemenhaft wahr, dass die Mulde abgesetzt wurde.
Der Kämpfer schob sein Schwert wieder hinter den Gurt und verbeugte sich gegen Antonio. Dieser nickte reflexhaft zurück.
Der Mongole griff unter seinen Umhang und holte einen Bogen Papier heraus. Er hielt ihn im Wind flatternd in Antonios Richtung und lächelte. War das das Blatt von der Fensterbank, aus dem Antonio ein paar Zeilen gelesen hatte? Es musste hinübergeweht worden sein, als das Fenster aufflog. Der Mongole zerriss das Papier in winzige Stückchen und warf diese in den Wind. Das Gesicht des Mongolen strahlte jetzt Zufriedenheit aus und Antonio sah, wie sein mächtiger Bruskorb sich erleichtert hob und senkte. Ein verbeugte sich, dieses Mal zum Abschied, erneut gegen Antonio. Mit einem kurzen Pfiff rief er sein Pferd zu sich, griff dem vorbeijagenden Hengst in die Mähne und flog mit spielerischer Leichtigkeit auf den unbesattelten Rücken. In wildem Ritt galoppierte er in Richtung Busbahnhof und verschwand hinter dem Postgebäude. Antonio hörte die Hufschläge und sah den aufstiebenden Steppensand, der herüberwehte. Langsam kamen die Straßengeräusche wieder.

Antonio sah hinter sich, in die verblüfften Gesichter seines Chefs und der Zwillinge. Sie standen offenbar schon die ganze Zeit hinter ihm.
„Habt ihr den Mongolen auch gesehen?“, fragte er unsicher.
Emilio und sein Bruder schauten sich verdutzt an und lachten.
„Dsching, Dsching, Dschingis Khan, he, Reiter, ho, Reiter ...“

Sie machten sich daran, die kleine Wohnung auszuräumen. Möbel und Hausrat warfen sie durch das Fenster in die Mulde. Dabei fiel Antonio ein altmodisches Fotoalbum herunter. Wie es da so aufgeschlagen auf dem Boden lag, fiel sein Blick auf ein typisch rotstichiges Bild aus den Siebzigern. Es zeigte einen kleinen, dicken Glatzkopf in einem Polstersessel, so um die Vierzig, der mit einem Sektglas verschmitzt in die Kamera prostete. Seine schmalen Schultern wurden von Luftschlangen und Konfetti verziert. Auf der Lehne saß eine junge Dame und schmiegte sich an seine Seite.
Antonio erkannte das Gesicht des Mannes sofort wieder, während zwischen seinen Zähnen der Steppensand knirschte.

 

Hallo Elfenweg

Beim Einstieg hatte ich beinah den Eindruck, es öffne sich ein Fenster in eine Dekadenz wie zu Zeiten von Thomas Mann. Doch es kam anders, eine Zweiteilung, die in der Wohnungsräumung mündete.
Hierbei bliebst du deiner Neigung zu rätselhaftem Geschehen treu, die Wirklichkeit verrutschte, und als Leser fühlte ich mich wie zwischen verschiedenen Ebenen wechselnd.

Zu entschlüsseln gelang es mir nicht, obwohl die Zusammenhänge mir klar erschienen, ich frage mich nach dem tieferen Sinn. Der erste Teil, als selbständige Geschichte vertiefter ausgeflochten, wäre mir füllend erschienen und auch in der Rubrik nicht unpassend. Beim zweiten Teil war wohl ein Zusammenhang suggeriert, doch von einer Seltsamkeit, die sich mir gegensätzlich erschloss. So werde ich gespannt darauf warten, welche Rückschlüsse andere Kommentatoren hieraus zu ziehen vermögen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
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Hallo Anakreon

Ja, nach längerer Pause wollte ich wieder mal etwas schreiben. Aufgrund deiner Zeilen, habe ich nun den unangenehmen Verdacht, auch andere Leser könnten sich mit dem Text schwer tun.

Beim Einstieg hatte ich beinah den Eindruck, es öffne sich ein Fenster in eine Dekadenz wie zu Zeiten von Thomas Mann.

Das ist verständlich, schließlich ziehe ich derbe über die Trauergäste her, versuche aber, durch die Gestaltung der Figur der behinderten Frau die Schuldfrage nach dem Elend manchen Lebens aufzuwerfen. Sie kann schließlich nichts dafür zu sein, wie sie ist.

Zu entschlüsseln gelang es mir nicht, obwohl die Zusammenhänge mir klar erschienen, ich frage mich nach dem tieferen Sinn.

Du weißt vielleicht, dass meine Texte oft religiös behaftet sind, handeln von den zwei Welten. Einmal vom Hier und Jetzt und vom Danach. Manchmal sind sie ganz banal im Alltag miteinander verzahnt. Das ist denn auch die eigentliche Zweiteilung dieser Geschichte und davon handelt sie (unter anderem).

Es ist mir noch zu früh, jetzt mehr zu verraten, denn auch ich bin gespannt auf ein weiteres Echo (wenn es denn kommt).

Hab' vielen Dank für deine freundlichen Worte

elfenweg

 
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Liebe Elfenweg

auch ich habe Mühe, die Handlungsebenen der Geschichte zusammenzusetzen. Sinnhaft gelingt es mir ansatzweise und undeutlich. Der Ich-Erzähler scheint einer der Schlüssel zu sein, und dass gerade hier Lachen und Weinen so nahe zusammenliegen, satirische Komödie über der Tragik, findet sich im ganzen Text, wie auch im Lied. Einmal geht's dramatisch-tragisch aus, und der letzte Gruss der Trauergemeinde ist lächerlich inadäquat. Einmal geht's lachend gut, und der etwas surreal wirkende (aber in der Rubrik "Alltag" sicher nicht surreal gemeinte) ernst-feierliche mongolischer Krieger, der durchaus einmal ein biederer Familienvater gewesen sein kann, findet zwischen den Albernheiten der Zwillinge die richtigen Gebärden für den passenden Gruss. Du bietest ihn als Verstehenden, als potenzielles Vorbild an (er kommt in der Geschichte auch am besten weg), und damit deutet der letzte Abschnitt auf ein Entwicklungspotenzial hin zu der Haltung des Kriegers, das in uns allen liegt.

Da ich die Geschichte noch nicht ganz verstanden habe (und verspreche, weiterhin drüber nachzudenken), gibt es von mir nur Anmerkungen: ich würde das spastisch gelähmte Kind Dolores nennen (wie schön, dass der Name auf den Schmerz und das Leid in dieser Welt verweist). Gragelnde Kakteen hab ich noch nicht kennengelernt - aber man lernt dazu. Etwas Mühe habe ich auch mit Fenstern, die nach aussen aufgehen. Ich kenne lediglich altmodische Aussenfenster, die im Winter zusätzlich von aussen in die Fensterbrüstung eingehängt werden; die gehen tatsächlich nach aussen auf, und ein Windstoss kann sie dir leicht aus der Hand reissen. Aber das sind Details.

Was hat die Geschichte mit mir angestellt? Ich habe eine Vorahnung bekommen und werde mich zumindest heute aufmerksam vor fallenden Ziegelsteinen, Kakteen und anderen Zu-Fällen vorsehen, das Schwert bereit und das Pony gesattelt. Sollte Gevatter Tod ausgerechnet heute auf mich warten, werde ich ihm nicht von der Schippe springen können - prost Mahlzeit. Aber bis dahin: Hollari, hollari, hollaro!

Alec

 

Hallo Elfenweg,

oh, oh, da hab ich gerätselt und versucht Bezüge herzustellen, aber es ist mir nicht gelungen. Ich stelle mir vor, dass da in deinem Autorenkopf ganz viel Wissen steckt, was aber dann nicht aufs Papier gekommen ist. Sachen, die dir völlig klar sind und die du deshalb nicht erwähnenswert findest und nicht schreibst.
Der erste Teil ist mir noch klar: Da schaut Evi ihrer Beerdigung zu und verpasst ihren Angehörigen die Strafe 'Lobet den Herren' singen zu müssen.
Das kann aber auch nicht stimmen, sonst würde sie nicht

kichern wie ein Schulbub.
Dann der hellsichtige Antonio, der eine Entrümpelung begleitet ... und dem die Kakteen aus dem Fenster fallen ... Da kann ich nicht durchblicken. Sicher verbindest du verschiedene Seinsebenen, aber ich erkenne sie nicht.

Wenn der Text nicht so gut zu lesen gewesen wäre, hätte ich mich wohl kaum so intensiv damit beschäftigt. Also das ist schon ein Plus. Aber der Inhalt wirft zu viele Fragen auf.

Ich wäre jetzt auch nicht zufrieden, wenn du mir das erklärst. Ich möchte mir das lieber aus der Geschichte selbst herauslesen. Geh doch nochmal drüber und schenk mir alles das, was du hier nicht geschrieben hast :)

Lieben Gruss,
Gisanne

 

Servus Elfenweg.

also wenn du sowas unter Alltag einstellst, würde mich echt interessieren, was man von dir zu lesen bekäme, schriebest du für die Rubrik Seltsam

Elfenweg schrieb:
… habe ich nun den unangenehmen Verdacht, auch andere Leser könnten sich mit dem Text schwer tun.

Mit dem Text an sich tat ich mir nicht schwer, im Gegenteil, der war ausgesprochen kurzweilig und angenehm zu lesen.
Schwer allerdings tat ich mir mit der Geschichte. Ach, was soll ich beschönigen, ich tat mir nicht nur schwer damit, sondern begriff sie schlicht nicht. Ehrlich, ich habe keine Ahnung, was du mir hier erzählst

Im kursivgesetzten, ersten Teil wird ziemlich böse, beinahe zynisch, ein an Fellini gemahnendes Figurenensemble vorgestellt, und diese Szene verstand ich natürlich als Vorgeschichte für das Folgende.
Beim ersten Weiterlesen jedoch erschloss sich mir absolut kein Zusammenhang zwischen dem Begräbnis und der Wohnungsräumung, weder eine Korrelation der Figuren, noch eine der Ereignisse konnte ich erkennen

Also gut, noch mal von vorne:
Eine Frau ist an Krebs gestorben. An ihrem Grab versammeln sich die missratene Verwandtschaft und ein nicht weiter beschriebener Ich-Erzähler. Von dem erfahre ich nicht mehr, als dass er halt auch dabei ist und weint. Aber er verschwindet dann ohnehin sehr schnell wieder aus der Geschichte, so what …

Um zumindest eine klitzekleine Verbindung zwischen den zwei Erzählsträngen herstellen zu können, ging ich dann einfach einmal davon aus, dass es sich um die Wohnung der Verstorbenen handelt, die geräumt wird. Und die Arbeiter? Gehören die zu ihrer Verwandtschaft, oder sind das einfach irgendwelche Spediteure? Keine Ahnung. Dann fliegen die Kakteen aus dem Fenster, trotzdem heißt die Geschichte „Der grüne Kaktus“. Wegen des Liedes der Zwillinge? Oder übersehe ich da schon wieder was? Egal, Auf jeden Fall scheinen die Typen Spaß bei der Arbeit zu haben, vor allem der eine, dieser Antonio. Der ist offenbar dermaßen hinüber oder besoffen oder bekifft, oder alles zusammen, dass er sich einen Mongolenkrieger herbeihalluziniert. Oder ist das etwa keine Halluzination? Sondern ein Riss im Raum-Zeit-Kontinuum? Und das Blatt Papier (ein Brief?), das Antonio davonfliegt und beim Mongolen landet? Was für eine Bewandtnis hat es damit? Na ja, und dann schließlich noch das Foto …

Die Straßengeräusche verstummten, nur der Steppenwind strich durch die Gräser und die Luft war staubig.
Antonio hörte die Hufschläge und sah den aufstiebenden Steppensand, der herüberwehte.
während zwischen seinen Zähnen der Steppensand knirschte.

Versteh mich nicht falsch, Elfenweg, mir gefallen gerade diese poetischen Bilder sehr gut, Fernweh könnte man bekommen, aber ich versteh sie halt nicht.
Um was geht es in der Geschichte? Um die Einzigartigkeit und Unwiederbringlichkeit jedes Lebens? Gar um Seelenwanderung, oder ähnlichen Hokuspokus? Ich weiß es einfach nicht.

Es tut mir leid, Elfenweg, auch wenn ich die Geschichte sehr einnehmend geschrieben finde, um sie zu kapieren, bin ich offenbar zu dämlich.

Elfenweg schrieb:
Du weißt vielleicht, dass meine Texte oft religiös behaftet sind, …

und obendrein bin ich ein gottloser Heide. Vielleicht fehlt mir auch deshalb der Zugang zur Geschichte.


offshore


PS

Es musste hinübergeweht [worden] sein, als das Fenster aufflog.

Alles Gute kommt von oben, naja, bis auf die Ziegelsteine eben.

Die kommen von unten?
Jeder weiß wohl, wie’s gemeint ist, dass also die Ziegelsteine nicht zu den Guten gehören. Aber dastehen tut das so nicht, musst du zugeben.

 

Hallo mein Lieber, das ist aber schön, dass du mal wieder hier bist und eine Geschichte postest.
Ich find die Geschichte schön geschreiben, sie erinnert mich von der Schreibweise her an meine Lieblingsgeschichte von dir: Luigi.
Sind auch tolle Stellen drin, aber meine Zeit ist grad zu knapp, die rauszusuchen. Mich treibt nämlich auch rum, was die anderen umgetrieben hat. Ich versteh die Geschichte nicht. Der Inhalt ist, da muss ich den anderen Recht geben,sehr rätselhaft. Ich weiß ja, dass du gerne Geschichten schreibst, die einen religiösen Hintergrund haben, aber auch das hilft mir hier nicht so recht weiter.
Ich sag mal, was ich verstehe.
Am Anfang (im kursiv geschriebenen Teil) schaut ein Icherzähler auf die Beerdigung einer Frau, die an Brustkrebs gestorben ist und ihre Verwandtschaft, die allesamt ziemlich Arschgeigen sind, damit bestraft, dass alle Lobet den Herren singen müssen. Ich geb mal gleich zu, obwohl ich die Figuren alle ein wenig überzeichnet finde, aber zu dieser bizarren Begräbnisschau passt das. Mir hat das gefallen. Der Icherzähler dachte ich mir, und wehe, du lachst, das sei ihr Mann, oder Lebensgefährte. Wer sonst soll denn so viel über sie wissen?
Schon hier hab ich Fragen gehabt, ob z. B. das Lied eine spezielle Bedeutung hat, die für den nächsten Teil trägt. Oder ob es lediglich die doppelbödige und ironisch nachklingende Aufforderung der Gestorbenen ist, dass die Verwandtschaft (vielleicht froh über ihren Tod, von daher lobet den Herren) sich demütiger vor dem Herren/dem Schicksal zeigen soll.
Und ich dachte weiter, dass dieser Mann in dem nachfolgenden Teil gestorben ist. Dass er der Mann auf der Fotografie ist, die Frau daneben seine Evi, die vor ihm gestorben ist. Aber wo sind dann die beiden Kinder abgeblieben? Und dass dieser Mann auch identisch ist mit dem Mongolen. Also so eine Art Seelenwanderung. Ach, ich weiß nicht, ich glaub ich vergallopiere mich hier grad ins Rätselland. Denn hmm, das wirkt alles noch unverbunden nebeneinander. Aber die ganze Szenerie mit dem "kaktusschmeißenden" Toni und den trällernden Zwillingen, das find ich alles sehr skurril.
Du müsstest halt noch das mit dem Fenster klären, da hat der Alec Recht, und ansonsten hab ich die Geschichte trotz der Rätslerei sehr gern gelesen, ich halts aber trotzdem mit Gisanne, die hat das schön und richtig gesagt:

Geh doch nochmal drüber und schenk mir alles das, was du hier nicht geschrieben hast

Liebe Grüße und ich bin schon gespannt, wie sich das alles auflöst und erklärt.

 

Alec

Der Ich-Erzähler scheint einer der Schlüssel zu sein...mongolischer Krieger, der durchaus einmal ein biederer Familienvater gewesen sein kann...Du bietest ihn als Verstehenden, als potenzielles Vorbild an (er kommt in der Geschichte auch am besten weg), und damit deutet der letzte Abschnitt auf ein Entwicklungspotenzial hin

Da hast du drei Mal Recht, zum Kuckuk. Der Schreiber (Ich-Erzähler am Anfang), der Mann auf dem Foto und der Mongole sind ein und die selbe Person. Das wird ja am Ende deutlich, wo Antonio ihn erkennt. Und dieser Mann macht einen Wandel durch, oder besser gesagt, er erlangt eine Erkenntnis.

ich würde das spastisch gelähmte Kind Dolores nennen (wie schön, dass der Name auf den Schmerz und das Leid in dieser Welt verweist)

Dolor ist lat. Schmerz, Qual. Die spastisch gelähmte Frau ist auch eine Schlüsselfigur. Sie muss wegen einer (zufälligen?) Konstellation bei ihrer Geburt, ein Leben lang schwer leiden.

Es war ihre Tochter, die in verrenkter Haltung fortwährend zum Himmel schaute. Ihr Gesicht schien zu fragen: Na, fühlst du dich jetzt besser?

hier meine ich, wird sehr deutlich, mit wem der Schreiber so hart ins Gericht geht, von Sarkassmus zerfressen.

Lieber Alec, inzwischen habe ich drei Änderungen vorgenommen, die dich wahrscheinlich mehr hätten erkennen lassen, hätte ichs gleich so geschrieben, verdammt. Man will ja seine Texte verstanden wissen.


Gisanne

Es stimmt, ich mache viel zu viel Rätselraten daraus, das passiert mir immer wieder. Ist nicht der Sinn der Sache. Ich geh noch drüber und werde Bezüge deutlicher machen. Zum Bsp. dass der Schreiber der Ehemann der verstorbenen Frau ist usw. (siehe NOvak)
Da geh ich tatsächlich davon aus, dass das jeder wissen muss und das ist nicht immer gerechtfertigt.
Ich sehe die Szenen oft bildlich vor mir. Und manchmal passiert es mir, wie ich denke: ach, das brauchst du ja nicht beschreiben, die sehen das doch. Klingt albern oder? da achte ich jetzt drauf.

Das kann aber auch nicht stimmen, sonst würde sie nicht
Zitat:
kichern wie ein Schulbub.

Nein, das ist der Schreiber selbst, der in der Rückschau über sein Erlebtes nachdenkt. Habe schon wichtige Änderungen vorgenommen, aber noch keine Bezüge. Aber das kommt ...


Ernst Offshore

Also gut, noch mal von vorne:
Eine Frau ist an Krebs gestorben. An ihrem Grab versammeln sich die missratene Verwandtschaft und ein nicht weiter beschriebener Ich-Erzähler. Von dem erfahre ich nicht mehr, als dass er halt auch dabei ist und weint. Aber er verschwindet dann ohnehin sehr schnell wieder aus der Geschichte, so what …

Um zumindest eine klitzekleine Verbindung zwischen den zwei Erzählsträngen herstellen zu können, ging ich dann einfach einmal davon aus, dass es sich um die Wohnung der Verstorbenen handelt, die geräumt wird.


Als ich das las fiel bei mir ein kleiner Groschen, es liegt tatsächlich daran, das ich den Schreiber nicht als Ehemann der kranken Frau geoutet habe. Das hat ehebliche Verwirrung geschaffen...son Mist. Das hole ich als erstes nach.
Es handelt sich tatsächlich um die Wohnung des Ehepaares, die von einem x-beliebigen Unternehmen geräumt wird (weil er, der Schreiber, Ehemann, jetzt auch verstorben ist.
Er verschwindet aber nicht aus der Geschichte, sondern kommt, ja, sagen wir als Erscheinung zurück aus seiner neuen Welt, weil er noch etwas zu erledigen hat ...

einen Mongolenkrieger herbeihalluziniert. Oder ist das etwa keine Halluzination? Sondern ein Riss im Raum-Zeit-Kontinuum? Und das Blatt Papier (ein Brief?), das Antonio davonfliegt und beim Mongolen landet? Was für eine Bewandtnis hat es damit? Na ja, und dann schließlich noch das Foto …

Als Der Krieger das Blatt Antonio entgegenhält, sinniert dieser

...holte einen Bogen Papier heraus. Er hielt ihn im Wind flatternd in Antonios Richtung und lächelte. War das das Blatt von der Fensterbank, aus dem Antonio ein paar Zeilen gelesen hatte? Es musste hinübergeweht sein, als das Fenster aufflog. Der Mongole zerriss das Papier in winzige Stückchen und warf diese in den Wind.

das Zerreißen des Blattes ist neu (heute geändert) und deutet besser an, das es ihm auch nur darum ging.
also, dass der Schrieb aus unserer Welt verschwindet. Er hat doch ziemlich derbe Gott gelästert und auch religiöse Figuren verunglimpft (Johannes der Säufer). Aus reiner Verbitterung über das Schicksal seiner Evi und ihrer Verwandschaft, die das Elend dieser Welt repräsentieren sollten. Jetzt, da er in seiner neuen Welt angekommen ist, versteht er, was uns verwehrt ist. Sein Geschriebenes sollte nicht zurückbleiben.

Ja, du hast recht, es ist etwas Hokuspokus-behaftet. Und ALLTAG? Naja, das meiste aus der Geschichte sind wirklich Dinge aus dem Alltag: Krebs, Bestattung, Räumung der Wohnung, nur eben die Erscheinung nicht.
Aber es gibt doch immer wieder Berichte, dass Verstorbene auf ihrer eigenen Beerdigung erschienen sind. Ganz dezent, irgendwo im Hintergrund, nur für wenige sichtbar, lässt man sich darauf ein, geht das bei mir noch gerade so durch.

Ich hoffe das war jetzt nicht allzu abstrus und ich muss ja noch einiges ändern, bevor es rund wird ...


Liebe Novak

Schön, dass du dich auch meldest, freue mich ganz doll!!

Ich sag mal, was ich verstehe.
Am Anfang (im kursiv geschriebenen Teil) schaut ein Icherzähler auf die Beerdigung einer Frau, die an Brustkrebs gestorben ist und ihre Verwandtschaft, die allesamt ziemlich Arschgeigen sind, damit bestraft, dass alle Lobet den Herren singen müssen. Ich geb mal gleich zu, obwohl ich die Figuren alle ein wenig überzeichnet finde, aber zu dieser bizarren Begräbnisschau passt das. Mir hat das gefallen. Der Icherzähler dachte ich mir, und wehe, du lachst, das sei ihr Mann, oder Lebensgefährte. Wer sonst soll denn so viel über sie wissen?

da gibts nix zu lachen, alles richtig.

Schon hier hab ich Fragen gehabt, ob z. B. das Lied eine spezielle Bedeutung hat, die für den nächsten Teil trägt. Oder ob es lediglich die doppelbödige und ironisch nachklingende Aufforderung der Gestorbenen ist, dass die Verwandtschaft (vielleicht froh über ihren Tod, von daher lobet den Herren) sich demütiger vor dem Herren/dem Schicksal zeigen soll.

Das 'Lobet den Herrn' ist sarkastisch von Evi gemeint. Ihrer Verwandschaft geht es alleweil schlecht, ob nun selber Schuld oder Peng. Und es ist ein Seitenhieb gegen Gott, der das zulässt, oder sogar mit Absicht so sein lässt. Sie selber leidet auch ohne Schuld. Die meisten von uns (ich auch) werden diese Welt, genauso wie Evi und ihr Mann, nicht verstehen. Von wem kommt das Böse? Da haben sie gegen Gott gewettert und der Witwer hat seine Gedanken dazu aufgeschrieben.

Und ich dachte weiter, dass dieser Mann in dem nachfolgenden Teil gestorben ist. Dass er der Mann auf der Fotografie ist, die Frau daneben seine Evi, die vor ihm gestorben ist. Aber wo sind dann die beiden Kinder abgeblieben? Und dass dieser Mann auch identisch ist mit dem Mongolen. Also so eine Art Seelenwanderung. Ach, ich weiß nicht, ich glaub ich vergallopiere mich hier grad ins Rätselland.

NEEIIIN!! alles richtig. 100 Punkte. Die Kinder habe ich schon rausgenommen, die irritieren nur und sind nicht nötig für die Geschichte, sind mir irgendwie reingerutscht.

Also der Toni wird von dem Mongolen nur benuzt, um an den beschriebenen Bogen zu kommen mit dessen Inhalt er nicht mehr einverstanden ist. Benuzt im positiven Sinne. Ich sags mal so: die himmlischen Mächte verstehen sich darauf, die reale physikalische Welt so für sich zu nutzen, dass es keine negativen Auswirkungen hat. Willsagen alles wäre auch so passiert, ohneHokuspokus, nur eben der Mongole war zur rechten Zeit am rechten Ort.
In unserer physikalischen Welt, liegt der Schrieb wahrscheinlich in irgendeiner Dachrinne und verrottet ungelesen ... man muss sich drauf einlassen ... nee, muss man nicht, wie man will.

puuh, das war ne Menge für mich, Ihr lieben alle und besonders an dich, liebe Novak

schöne Grüße und ich mach mich heute noch an die Änderungen zum besseren Verständnis

auf bald

elfenweg

 

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