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Ein klärendes Gespräch
Dies war der Abend aller Abende. Heute wollte er reinen Tisch mit Jessie machen. Seit Monaten hatten sie sich in den Haaren gelegen.. Kleinigkeiten, alles Kleinigkeiten. Wer wann als Erster ins Badezimmer konnte. Wer Wessen Handtuch benutzte, warum der Kaffee morgens so laff war. Alles was man eigentlich mit einem klärenden Gespräch aus der Welt hätte schaffen können - aber es kam immer wieder zu einem heftigen Streit.
Nicht weil er nicht nachgiebig genug war - nein sicher nicht. Es war ihre arrogante Art, die ihn beim geringesten Anlass auf die Palme brachte. Sie konnte stundenlang auf ihn einreden, bis ihm so wirr im Kopf war, dass er selbst nicht mehr wusste warum es eigentlich wieder zur Auseinandersetzung gekommen war.
Als krönender Abschluss lief sie dann immer aus dem Zimmer und er immer in die Kneipe. Er besoff sich, prüfte irgendwann durch kurzes Anklingeln, ob Jessie noch wach war und kehrte dann nach Hause zurück, um es sich auf dem Sofa im Wohnzimmer so richtig gemütlich zu machen. Dabei dachte er immer an platte amerikanische Filme, in welchen der Ehemann, oder Hausfreund nachher immer auf der Couch landete, doch das war bei weitem lustiger, als es in der Wirklichkeit erschien.
Heute Abend war alles anders. Er wollte, dass Jessie ihren Mund hält, bis er mit seinen Ausführungen fertig war und dass hatte er ihr unmissverständlich klar gemacht.
Regungslos sass sie auf ihrem Stuhl und liess die Beschimpfungen über sich ergehen.
Es war eigentlich völlig egal worum es sich handelte - im Grunde nur wieder um so elementare Dinge wie offen- stehende Kühlschranktüren, oder Teeflecken auf der Couch - auf der er ja immerhin seit beinahe zwei Wochen durchgehend schlafen musste.
Langsam liess er sich auf den Küchenstuhl nieder und blickte in ihre Augen. Er wollte nicht hampelnd vor ihr stehen und wild gestekulieren. Er wollte in aller Ruhe einige wichtige Dinge klarstellen. "Weisst du Schatz", begann er fast Kameradschaftlich.
"Ich denke, dass diese Aussprache zwischen uns Beiden schon lange überfällig war. Wir hätten längst mal ein klärendes Gespräch führen müssen, statt immer nur vor den Konsequenzen wegzulaufen. " - Er überlegte kurz und sprach dann weiter - "eigentlich bist du Diejenige, die ständig abgehauen ist. Du bescheuerte Kuh. Nein - versuche erst gar nicht dich rauszureden, denn ich bin jetzt am Drücker. " Er genoss ihr entsetztes Schweigen. So offen war er noch nie zu ihr gewesen und er beschloss noch etwas draufzulegen.
"Du bist wirklich das Allerletzte. In meinem Leben gab es noch keinen Meschen, dessen Anblick mich mehr zum kotzen verleitet hätte - wie den Deinen".
Ihr Blick war starr vor Entsetzten - die Augen waren weit aufgerissen, sie schienen beinahe etwas hervorzuquellen, aber er war noch lange nicht fertig.
"Weisst du eigentlich, dass ich mich die gesamte vergangene Woche bei Vera rumgetrieben habe. Die weiss wenigstens noch was ein echter Kerl braucht. Die zickt nicht ständig nur rum und pisst sich wegen jeder scheiss Kleinigkeit ins Hemd. Du bist wirklich das allerletzte und nun... nein, nein, du brauchst erst gar keine Anstalten zu machen, ich werde mir heute das Recht nehmen aussprechen zu dürfen..."- Er fuhr mit der rechten Hand durch sein dunkles Haar, um der gesamten Szenerie noch ein wenig an Dramatik zu verleihen und sprach dann weiter. "Du verkommendes Miststück. Ich habe echt ein für allemal die Schnauze voll von dir und deiner scheiss Nörgelei. Du bist Dreck - nein du bist weniger wert als Dreck..." , erneut machte er ein kurze Pause um zu sehen wie seine Worte Wirkung zeigten. Ihr Blick blieb jedoch unverändert. Sie schien völlig ausserstande ihm zu antworten. Ihre Augen waren stumpf auf ihn gerichtet. "Endlich bist du einmal sprachlos. Du weisst gar nicht wie sehr ich diesen Moment geniesse du völlig verblödete Schlampe. Ich bin nicht bereit dir auch nur einen Tag länger meine Liebe zu heucheln. Du bist es nicht mal Wert die gleiche Luft zu atmen, du verkommendes Miststück. " -Ruckartig erhob er sich und ging um den Tisch herum, bis er vor Jessie zum stehen kam.
Sein Auftritt glich dem einer Fanfare, die dem Rest des Orchesters gerade gezeigt hatte, wie sich ein Solo anhörte. Er hob beide Hände - beinahe theatralisch und begann in ruhigem Ton zu sprechen. " Es ist gut dass wir das heute ein für allemal geklärt haben. Ich danke dir für dein aufmerksames Zuhören - mein Schatz".
Langsam beugte er sich zu ihr hinunter und küsste sanft - fast versöhnlich - ihre Wange, dann drehte er sich um und begann das Elektromesser auf der Spüle zu reinigen. "Blut darf nicht zu lange antrocknen - nicht wahr Schätzchen ? Das kriegst du sonst nie wieder runter von der Klinge". Er verpasste ihr einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter.
Allmählich begann sich ihr Kopf zu bewegen. Er rutschte tiefer - beinahe wie in Zeitlupe, während der Rest des Körpers aufgerichtet sitzten blieb. Dann knickte der Schädel in Höhe des Kehlkopfes ab und fiel mit einem dumpfen Poltern auf die Tischplatte. Man hörte ein hässliches Knacken, als das Nasenbein dabei zerbrach.
Aus dem entblössten Halsstumpf lief nur noch wenig Blut, das Herz hatte ja schon vor einer halben Stunde aufgehört zu schlagen. Aber der Boden - ja der Boden - den müsste er wohl heute noch reinigen, denn sonst könnte es morgen schon wieder Ärger geben.