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Ein guter Fang
Ein guter Fang
“So, mein Schatz, warte nicht auf mich, es wird spät.“
Ich gebe Rosi einen dicken Kuss auf die Stirn und hänge meinen schweren Rucksack über die Schulter. Hab ich alles? In Gedanken gehe ich noch mal meine Checkliste durch. Messer? Am Gürtel. Whisky? Im Rucksack. Zigaretten? Im Hemd. Scheint, dass ich an das wichtigste gedacht habe. Ich lächle und verlasse die kleine Blockhütte.
Ich bin stolz auf meine kleine Hütte in den Wäldern Kanadas, die ich mit eigenen Händen erbaut habe.
Oh ja, ich allein. Nun gut, sie ist kein Palast, meinen Strom beziehe ich aus einem Generator und das Wasser muß mühsam ins Haus gebracht werden, aber es ist mein Reich, in dem ich mich wohl fühle.
Die Natur gibt mir das Gefühl der Geborgenheit und beschenkt mich mit unendlicher Ruhe.
Nein, ich werde niemals wieder in die Stadt ziehen.
Langsam schiebe ich mein kleines Boot zu Wasser. Es ist alt und hin und wieder muß man einen Eimer Wasser über Bord schütten, damit die alte Nussschale nicht untergeht, aber sie war mir stets treu und wird mich auch diesmal wieder an meine geliebte Stelle im See bringen. Langsam und gemächlich rudere ich zum Mittelpunkt des Sees. Es ist so dunkel, dass man kaum die Hand vor Augen sieht. Das Boot gibt leise, knarrende Geräusche von sich. Es ist fast so, als ob mein Boot sich wohl fühlt und wie eine Katze schnurrt, sobald ich in ihm fahre. Diese Nacht ist heute besonders dunkel. Eine gute Nacht, sage ich mir. Der Mond verliert sich hinter dicken Wolken, die meist auch tagsüber kaum Sonne durchdringen lassen. Ich stelle mal wieder fest, dass ich ein ziemlich glücklicher Mensch bin. Ich habe doch alles, was ich brauche und noch mehr!
Endlich komme ich am Mittelpunkt des Sees an. Ich tauche die Ruder ins Wasser und stoppe mein kleines Boot behutsam ab. In meinem Rucksack befindet sich eine Dose mit Ködern, die ich langsam heraushole. Ich stelle sie auf die Sitzbank vor mir und taste nach meinen Zigaretten. Ah, hier sind sie. Mein Benzinfeuerzeug klackt und gibt eine helle Flamme ab, die mich in meiner umarmenden Dunkelheit etwas stört - aber nur kurz. Das einzige Licht kommt nun von der glimmenden Zigarette, die beruhigend knistert und zischt. Eine gute Nacht, sage ich mir.
Ich bereite meine Angel auf einen dicken Fang vor. Stabile Nylonschnüre holen auch den dicksten Fisch aus diesem See. Ein kleiner, extrem scharfer Hacken soll mir den erhofften Fang ins Boot holen. Das Prüfen und Vorbereiten meiner Angel könnte ich sogar im Schlaf durchführen. Alles schon tausend Mal gemacht und immer bei völliger Dunkelheit.
Gut so, sie ist bereit. Jetzt muß der Köder an den Haken. Ich öffne die Dose und lasse meine Finger langsam hinein gleiten. Es ist etwas schwierig, die glitschigen Köder aus der Dose zu bekommen, sie sind feucht und schwer mit zwei Fingern zu greifen. Aber ich habe es geschafft, hier ist er und nun auf den Haken damit. Das spitze Stück Metall gleitet langsam durch das weiche Gewebe und erzeugt ein quitschendes und matschiges Geräusch. Etwas Feuchtes läuft mir am Handgelenk herunter und tropft auf meine Hose. Nun aber hinein damit! Der Köder samt Haken fliegt in hohem Bogen durch die Luft und landet cirka zehn Meter entfernt vom Boot im Wasser. Plumps, weg ist er. Sein Geruch wirkt unwiderstehlich und extrem anziehend. Wie leicht man doch auf solche Dinge herein fällt. Ich muß lachen.
Der Schwimmer, an dem mein Haken samt Köder hängt, pendelt leicht hin und her, fast so, als spielte der See mit ihm. Ich greife erneut zum Rucksack, ziehe meine Flasche Whisky heraus und nehme einen großen Schluck. Es brennt herrlich im ganzen Körper. Nun werde ich die Beine ausstrecken und etwas entspannen. Mein Boot schaukelt leicht und wiegt mich fast in den Schlaf, doch ich muß aufmerksam sein, Beute entgeht mir nicht, niemals.
Die Flasche ist halb leer und bis jetzt hat noch nichts angebissen. Ich hole den Schwimmer ein und überprüfe den Haken. Hier ist soweit alles in Ordnung. Noch alles dran. Es surrt und der Köder fliegt wieder in die undurchdringliche Dunkelheit. Platsch. Und nun wieder warten.
Meine ganze Konzentration gehört jetzt meiner Angel, das geringste unnatürliche Plätschern meines Köders würde ich sofort bemerken.
Und da ist es auch schon, der Schwimmer taucht kurz unter und kommt sofort wieder hoch. Hat der Haken nicht gegriffen? Doch, das hat er. Ich löse die Bremse meiner Angel und die Schnur surrt von der Rolle. Ja, schwimm nur, kämpf dich müde, gleich gehörst du mir.
Er hat verloren, genüsslich hole ich die Nylonschnur zurück auf die Rolle und damit den Fang näher seinem Ende entgegen. Ein letztes Mal löse ich die Bremse und merke, dass kein großer Wiederstand mehr zu erwarten ist. Ich liebe diesen Augenblick, wenn das Opfer erkennt, dass es verloren hat.
Es ist ein schönes Exemplar von einem Hecht, mindestens sieben Pfund, vielleicht acht. Ich nehme mein Messer vom Gürtel und schlage dem Fisch mit dem Griff zwei Mal auf den Schädel. Das Zucken wird schwächer. Ich setze das Messer am Schwanzende an und schneide langsam den Bauch des Fisches auf. Wie unter Druck kommen mir seine Eingeweide entgegen, die ich direkt dem See zurückgebe. Ich wusste, dass es eine gute Nacht zum Fischen ist, denke ich und rudere zurück ans Ufer. Gründlich wasche ich Hände und Gesicht, als ich am Ufer ankomme, so wie es immer tue.
Stolz präsentiere ich Rosi meinen Fang. „Schau, ein Prachtbursche was?" Ach wie dumm, du kannst ja nicht schauen, verzeih mir.“ Rosi sieht schlecht aus, getrocknetes Blut überall. Ich werde sie jetzt erst einmal von ihren Fesseln befreien, Wiederstand ist hier wohl keiner mehr zu erwarten. Armes Ding, so blass und dünn. Als sie mich mit ihren großen, braunen Augen ansah und mich bat sie in die nächste Stadt zu fahren konnte ich nicht nein sagen, dieser Fang war einfach zu verlockend! Jetzt sind ihre Augen zusammen mit den Fischgedärmen im See, vielleicht sehe ich sie ja in meinem nächsten Fisch wieder?! Ich muss mich zügeln damit ich nicht laut lache. Glaube sie macht es nicht mehr lange und dabei hatte ich mich fast an sie gewöhnt. Trotzdem, eine gute Nacht und ein guter Fang.