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Ein gewöhnlich beschissener Tag mit meiner Frau, frischem Hamster und mir

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24.04.2003
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Ein gewöhnlich beschissener Tag mit meiner Frau, frischem Hamster und mir

Es gab eine Zeit, da wäre ich zu allem bereit gewesen.

Jennifer hat inzwischen ihre Ausbildung in Stuttgart und die Wohnung versinkt einen jeden Tag mehr im Chaos. Einzig ihr altes Zimmer ist noch aufgeräumt; wenngleich sie auch eher selten an den Wochenenden zu Besuch kommt. Die meiste Zeit verbringt sie mit ihren neuen Freunden und die wenigen Sonn- und Samstage, die sie sich freihält, teilt sie sorgsam zwischen mir und meiner Ex-Frau auf, deren Namen ich schon seit längerem nicht mehr erwähnen möchte, da er mich bloß beunruhigt.
Mein Leben ist zu dem eines Chaoten geworden; wenngleich auch eines Chaoten mit Stil und mächtig vielen Tacken auf dem Konto.
Ich bringe die Nachmittage damit rum, mir von laienhaften Darstellern bizzare Gerichtsfälle vorspielen zu lassen und nutze die Werbeunterbrechungen dazu, mich mit genügend Bier, sowie diesen herrlichen Maiskräckern einzudecken, die zwar fett machen, dem Hungergefühl aber mit Styroporschwert und Plastikschild entgegentreten.
Alles in allem wohl ein ganz gewöhnliches Single Dasein, überschattet von dem Umstand, das ich trotz allem, oder gerade deswegen, nicht nur zufrieden, sondern regelrecht glücklich in den Tag hineinlebe.
Gelegentlich schnappe ich mir die Autoschlüssel und durchwühle wenig später die Regale sämtlicher Tankstellen des Ortes nach neuen Leckereien, die ich noch nicht probiert habe. Ein paar Dosen Bier dazu; an der Kasse prompt mit Karte bezahlt; und dann zurück ins traute Heim.
Mein Name ist Joseph Werdemann und ich bin mehrfacher Millionär. Niemand weiss davon und wenn es jemand wüsste, wäre es mir inzwischen auch vollkommen gleich.
Wie ich an das viele Geld gekommen bin?
Ich werde es Ihnen nicht verraten, aber möglicherweise kommen Sie ja auch selbst auf die Lösung, wenn ich den bedeutendsten Tag meines Lebens schildere, an dem sich so vieles verändert hat. Im Grunde ist alles so simpel, das es fast lächerlich ist.
Meine Geschichte nahm ihren Lauf an einem verregneten Dienstag im März 1996.
Es begann mit der Frage meiner Ex, diesem abscheulichen Drachen.

"Hast du Hunger?" - Ihr Blick scheint mich durchbohren zu wollen, während sie dem Dönermann aufdringlich einen hundert Mark Schein unter die Nase hält und nach zwei kleinen Portionen Pommes Frites verlangt. Auf solche Ideen kann auch nur sie kommen.
"Nein", erwidere ich, als ich bereits gefragt werde, ob ich eine Sauce dazu haben wolle.
Den Wagen haben wir in zweiter Reihe abgestellt und als ich das laute Hupen eines LKW´s von draußen höre, spielt sich vor meinem geistigen Auge die grausame Szene eines umherfliegenden Außenspiegels ab.
Hauptsache Sie hat ihre Pommes. Mögen die Fritten ihre Atemwege auf ewig belagern. Amen und gute Nacht.
Die ganze Woche war zum kotzen und der Umstand mit grässlichen Kopfschmerzen in einer verdreckten Dönerbude zu stehen, schlapprige Fritösenstreifen in mich hineinzuquälen, die dem Geschmack nach erst ins Fett und dann auf den Boden gefallen sind und dabei noch die Blicke ihrer kalten Augen ertragen zu müssen; das ist eindeutig zu viel des Sakrilegs! Gibt es hier einen Notausgang? Am besten einen, der raumkrümmender Weise gleich auf die Malediven führt. Aber vermutlich würde sie dort bereits stehen und auf mich warten.
Ich habe die Vision eines weißen Strandes, an dem sich blaue Wellen perfekten Wassers verlaufen und mittendrin steht sie; Badelatschen an den Füßen und einen Pappschuber mit klebrigen Pommes in der einen und einen Pikkolo in der anderen Hand. Fehlt nur noch der blöde Köter, aber der ist vermutlich auch mit dabei und durchwühlt im Hotelzimmer gerade meinen nicht ausgepackten Koffer auf der Suche nach irgendeinem Gegenstand, dem er seine Männlichkeit beweisen kann.
Ihre harte Stimme holt mich zurück in die ebenso schreckliche Realität. - "Wir müssen noch am Baumarkt vorbei. Du wolltest die Schuppentür reparieren."
Wollte ich nicht.
"Ja", sage ich trotzdem und verzichte auf jedwege Art der Konfrontation. Diese Frau würde selbst Buddha aus der Fassung bringen. Was rede ich? Sie würde aus ihm einen zweiten Ted Bundy machen.
Nachdem wir unser ausgiebiges Mahl beendet haben und ich erleichtert feststelle, das der Spiegel noch fest in der Halterung sitzt, begeben wir uns auf den Weg Richtung Innenstadt. Der Berufsverkehr ist zu dieser Zeit selbstverständlich so dicht wie er nur sein kann und ich sehe einen gut gekleideten Mann mittleren Alters, der im Audi TT neben uns unaufhörlich den Kopf aufs Lenkrad schlägt, während er ungehörte Worte in die Freisprechanlage seines Handys brüllt. Würde sie nicht gerade neben mir sitzen, ich würde wetten, das er mit meiner Frau telefoniert.
"Das hast du ja wieder toll gemacht", heizt sie meine Stimmung noch zusätzlich an. Meine Hand bohrt sich in die Gangschaltung. Fingernägel brechen ab. Adern treten hervor. "Bitte lass sie doch einfach sterben" , flehe ich in Gedanken die imaginäre Fee an, die in aufreizender Unterwäsche auf meinem Schoß sitzt und mich liebreizend anlächelt.
"Wünsche habe ich gesagt. Keine Wunder!" , gibt sie mir zu verstehen und löst sich in Wohlgefallen auf.
Als wir endlich da sind, ist der Parkplatz überfüllt und ein älterer Herr gerade auf seinen Allerwertesten gefallen. - "Sollen wir dem helfen?", fragt sie mich in einem Tonfall, als wolle sie wissen, ob ich schon den Abwasch erledigt hätte.
"Nein", gebe ich zurück und fahre im breiten Bogen um den Unglücklichen herum, wobei ich noch eine seiner heruntergefallenen Einkaufstüten mit dem linken Hinterreifen überrolle. Anderen muss auch mal was schlechtes passieren. Weshalb soll ich als einziger ein Scheiss Leben haben?
Drinnen läuft das übliche Geplänkel von Easy Listening, zwischendurch immer mal wieder kurz unterbrochen von irgendwelchen Durchsagen.
Frau Müller bitte an Kasse 6
Herr Heinrichs bitte ins Büro

Dann wieder die verstörenden Klänge.
"Das Schloss hier ist doch ideal, meinst du nicht?"
Ich nicke und stelle mir vor, wie es an ihren Lippen herabbaumelt, während ich den Schlüssel schlucke, dann doch wieder ausscheide, lieber in den Grand Canyon werfe und eine Baufirma anheuere, die selbigen mit allem Sand der Sahara zuschüttet. Wahrscheinlich würde sie dann durch die Ohren weitersprechen.
"Ja", fällt es emotionslos von meinem Mund herunter.
Was will sie eigentlich mit diesem dämlichen Schuppen? Der steht ohnehin leer, seit dem wir eingezogen sind.
Es gibt so viele Möglichkeiten die ihren kranken Verstand in Bezug auf die kleine Abstellkammer beschäftigen mögen, aber nur eine, mit der ich mich anfreunden kann, und das ist die, in der ich hinter ihr abschließe.
Plötzlich scheint der Schuppen doch eine ganz gute Idee zu sein.
"Die Tür schließt auch nicht richtig, da muss ein neuer Rahmen hin!", ergänzt sie fauchend.
"Den kann ich doch aus deinen Knochen zimmern, nachdem ich sie gebrochen habe", nuschel ich in das Regal mit den Bohrmaschinen hinein.
"Was hast du gesagt?"
"Nichts."
"Dann komm jetzt, wir sind nicht zum Vergnügen hier."
Da hat sie recht. Mit ihr unterwegs zu sein bedeutet, Seite an Seite mit dem eigenen Feind übers Schlachtfeld zu ziehen.
Warum bin ich nicht als Tier zur Welt gekommen? Elephant wäre großartig gewesen. Dann würde ich jetzt irgendwo in der Savanne stehen und schlafen; oder ich würde mich in den Lagerraum eines Flugzeugs nach Düsseldorf stellen, mit meinen Stampfen erst ihre Wohnungstür eintreten und anschließend ihren flachen Hintern ein wenig verbreitern.
Habe ich eigentlich bereits erwähnt, das ich meine Frau nicht besonders mag?
Sie hat mir alles kaputt gemacht. Ich bin fest davon überzeugt, das sie bereits mit dem Gedanken auf die Welt kam, anderes Leben systematisch zu zerstören.
Sie ist eine tyrannische Spinnengöttin in Wohlfühl-Latschen / Puschelschluppen, die einen nicht unerheblichen Hang zum Alkoholismus hegt und mich jede freie Minute meines Lebens mehr in den Wahnsinn treibt.
Als wir irgendwann alles zusammen gesucht haben und an der Kasse zum Schwanzstück der Schlange werden, lässt sie mich kurz allein. - "Da hinten gibts ne Eistruhe. Ich geh mir eins holen."
"Ist gut", sage ich und überhöre dabei ihre nicht gestellte Frage danach, ob ich auch eines möchte.
Vor mir steht ein fetter Mann, der trotz seines imensen Gewichtes ein besonderes Faible für kurze und vor allem enge T-Shirts zu haben scheint, welche man bei einer Frau ruhigen Gewissen als Top betiteln würde. Fasziniert verliert sich mein Blick in seiner verschwitzten Arschritze und ich denke nach.
Was wäre, wenn ich jetzt einfach rausspazieren würde? Ich könnte mich in den Wagen setzen und losfahren. Irgendwohin, weit weg.
Erneut habe ich die Vision eines wunderschönen Strandes. Das Wasser ist blau und die Palmen strecken sich sanft im Wind. Ich mache es mir auf einer Liege gemütlich und genieße das Rauschen des Meeres. Dann plötzlich ziehen Kampfjets über den Himmel hinweg und bombardieren meine mit viel Mühe selbsterrichtete Holzhütte.
Sie ist wieder da und aufgebracht zudem.
Back in the USSR, Baby!
"Kein Nogger, kein Magnum und kein Split. Bloß ein Calippo und das noch schweineteuer! Wieso bist du denn immer noch nicht dran?", schreit sie fast und gibt mir die Schuld für die Trägheit des Kassierers der uns - wie die sämtliche Kundschaft auch - einen erschrockenen Blick zuwirft.
"Beruhige dich. Es ist halt voll.", versuche ich sie eher aus Scham, als aus guten Absichten heraus zu beruhigen. Letztere wären ohnehin nutzlos.
"Ach was...voll! Die kleine Blonde da vorn, die hast du doch bestimmt vorgelassen, oder? Weil du mal wieder nur mit dem Schwanz gedacht hast."
Ungefähr zwei Liter Blut schießen in meinen Schädel, während sich das junge Mädel umdreht und sich auch gleich als Zicke wie sie im Buche steht erweist. Meine Frau hat eine würdige Gegnerin gefunden und ich wünschte, wieder an meinem Strand zu sein.
"Na hör mal du blöde Kuh. Ich hab hier vorhin schon gestanden und so wie du aussiehst ist es kein Wunder, wenn dein Oller bei jeder anderen scharf wird!"
Nein, nein, NEIN! Das kann doch alles nicht wahr sein! Ich wollte bloß den Feierabend genießen! Ist das ein Verbrechen?
"Wer hat dir eigentlich erlaubt, mich zu dutzen, du dahergelaufenes Flittchen? So kannst du vielleicht mit deinen Freiern reden, aber nicht mit mir."
Ehe noch ein weiteres Wort fällt, sehe ich das Calippo in den Haaren der Blonden kleben.
"Du...Nutte! Hast du sie noch alle? Bist du total bescheuert?"
Die restlichen Kunden haben sich inzwischen neugierig vor den Kassen eingefunden und einen breiten Kreis gebildet. Der Dicke vor mir verharrt völlig still. Es fehlt nur noch, das er jetzt lautstark einen fahren lässt und anschließend tot umfällt, dann wäre die Situation in ihrer Bizzarheit perfekt.
Zu meiner Überraschung lässt er es tatsächlich donnern, als hätte man eine Kanone neben einem Richtmikrofon abgefeuert. Allerdings bleibt er danach völlig lebendig stehen. - "Keine Aggressionen bitte. Ich vertrag das nicht. Ich bin deswegen in Behandlung; machen Sie mir nicht mein Therapieergebnis kaputt!"
Das hätte er nicht sagen dürfen; denn JETZT wird sie es zerstören und mit ihm den letzten, kläglichen Rest Würde, den ich mir einbilde noch zu besitzen.
Aber den sich entwickelnden Tumult erlebe ich nicht mehr bewusst mit. Ich schließe die Augen und schalte ab. Als mir das nicht gelingt, gehe ich einfach. Meine Frau bemerkt es nicht; sie ist gerade damit beschäftigt, ihrer Widersacherin laut brüllend an den Haaren zu ziehen, während der Kassierer irgendwelche merkwürdigen Gesten vollführt, die die beiden wohl auseinanderbringen sollen, stattdessen aber im schwarzen Loch der vergeblichen Mühe verschwinden. Der Dicke schaut mich noch kurz traurig an, ehe ich das Gebäude verlasse.
Direkt neben dem Baumarkt gibt es eine kleine Tierhandlung, in der ich Zuflucht suche. Während ich gebannt den Riesenpapagei beobachte, wie dieser sich eifrig seine Federn putzt, höre ich vom Eingang her das Schluchzen eines Mannes.
"Ich verstehe das einfach nicht. Wie können Menschen so etwas bloß machen? So ein niedliches Tier."
"Ich begreife die Welt auch oft nicht", antwortet der Verkäufer und ich beschließe, dem Gespräch aus Neugier und vor allem zur Ablenkung, ein wenig zu lauschen.
"Einfach drüber gefahren! Der arme Hamster!"
Ich verstecke mich hinter dem Goldfisch-Aquarium.
Während die zwei weiter plänkeln, ich indess mein schlechtes Gewissen missachte und Hamster als austauschbare Wesen mit ohnehin geringer Lebensdauer deklariere, beobachte ich gebannt die gerade laufende Sendung im Fernseher, der in einer Ecke des Raumes angebracht ist.
Eines kann man mir nicht vorwerfen; nämlich, das ich ein schlechtes Zahlengedächtnis hätte, und die Zahlen, die ich da gerade erblicke, lassen mich grinsen.

***

Wie gesagt, meine Geschichte ist keine besonders glorreiche.
Zu erwähnen ist lediglich, das meine Frau sich nie fürs Lotto spielen interessiert hat.
So wurde aus einem schlechten Tag doch noch ein ganz guter.
Dem alten Mann habe ich einen neuen Hamster spendiert.

 

NEEEEIIIIIIIINNNNNNN!!!!!!!!!!!!!!!

Schon wieder falsch gepostet!!!!!!!!

Sorry!

Bitte nach Humor verschieben!

 

hallo Cerberus81,
oh man. ich kann noch garnicht wieder richtig schreiben, darum wirds auch nur kurz. ich hab selten so gelacht in letzter zeit. die geschichte ist großartig, und ich fand sie in horror eigentlich ganz passend oder aber auch alltag :lol:
echt klasse

grüße
shadow

 

Hallo shadow!

Freut mich, das dir die Story gefallen hat.
Ich bin in dieser Kategorie noch absoluter Anfänger, da ich meistens unter Horror poste. Daher war ich mir absolut nicht sicher, wie die Geschichte ankommt. Aber eine positive Kritik habe ich jetzt ja zumindest schon :D

Grüße

Cerberus

 

hallo cerberus,
ich mag zwar schrägen humor schon - aber irgendwie kam deine geschichte bei mir trotzdem nicht richtig an, tut mir leid. dass es sich um einen lotto-gewinner handelt, war mir von anfang an klar....aber bis du zur pointe kamst, das dauerte ewig.

zum beispiel hättest du aus meiner sicht ruhig die ersten abschnitte weglassen können und direkt mit "Mein Name ist Joseph...." beginnen können. ich glaube nicht, dass die story darunter leiden würde.

auch hast du gleich zu beginn Jennifer eingeführt, ohne zu sagen, wer es ist (ich denke, es ist die tochter). wozu eigentlich? sie hat doch in der geschichte überhaupt keine funktion.

sehr gut gefallen haben mir einige ausdrücke/beschreibungen, die du gekonnt eingesetzt hast hast, z.b.

Habe ich eigentlich bereits erwähnt, das ich meine Frau nicht besonders mag?
- an dieser stelle ist die frage natürlich klasse, nachdem der prot schon ewig über sie gelästert hat.

"Ist gut", sage ich und überhöre dabei ihre nicht gestellte Frage
- ja manchmal bekommen solche fragen ein gewisses eigenleben

herzliche grüße
ernst

 

Hallo godfather!

Freut mich natürlich, wenn du so begeistert von der Story bist :D

Hallo Ernst!

Es braucht dir doch nicht leid zu tun. Wenn dir der Text nicht zusagt, tut er es eben nicht. Das mit dem Lottogewinn ist so eine Sache. Ursprünglich wollte ich mir etwas anderes einfallen lassen, hab dann aber keine guten Ideen gehabt :D
Allerdings war mir das ehrlich gesagt auch hinterher nicht mehr so wichtig. Zwar wird der Leser anfangs neugierig, aber im Grunde war die Pointe für mich eher zweitrangig, weshalb ich auch schon überlegt habe, den ersten Teil zu entfernen / zu verändern.

Jedenfalls vielen Dank fürs lesen und kommentieren!

Beste Grüße

Cerberus

 

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