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Ein Geschenk

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07.10.2015
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Ein Geschenk

Lara trug zehn Franken bei sich. Linus hatte ein paar Münzen bekommen, damit auch er etwas in der Tasche hat.
„Irgendetwas Kleines“, hatte die Mutter gesagt. „Etwas, das man gerne in der Hand hat. Etwas zum Anschauen.“
Lara führte, denn sie wusste wohin. Für so was musste man zum Marché de Plainpalais. Auf halbem Weg erreichten sie das Reformationsdenkmal. Wie immer zog sich Linus das T-Shirt übers Gesicht, damit er die Begegnung mit den strengen Riesen, Augen wie Gespenster, leichter ertragen konnte. Nicht hinschauen im Vorbeigehen war unmöglich, wer wusste schon, was dann geschah. Durch den Stoff erschienen die Gestalten weicher. Die Geschwister bogen in den Park und Bäume schirmten Linus bald schon von den Bildnissen ab.

Ein paar Straßen hatten sie zu queren, dann trafen sie auf die breite Esplanade und den Flohmarkt, genau dort, wo neuerdings der Spielplatz stand.
„Also“, sagte Lara streng, „dafür haben wir keine Zeit.“ Linus machte einen schrumpligen Mund und nahm es hin.
Lara zog ihn mit sich, tiefer hinein zwischen die Tische und die Menschen, und hielt gleich schon ruckartig an. „Ein Grammophon!“, sagte sie. Ein Grammophon für den Uropa, das wär ja toll. Sie suchte den Preis. Zu teuer. Ein alter Plattenspieler wäre vielleicht möglich, dieser da, in einem Holzkoffer. Hundertsiebzig Franken. Ein Mikrophon mit Kabeln, die an einem komischen Apparat hingen, das sah aufregend aus. Wozu war das gut? Sie drehte an den Rollen.
„Finger weg.“
Lara zuckte zurück. Der Mann hinter dem Stand hatte den Zeigefinger scharf erhoben, aber er lächelte doch.
Der Uropa hatte ja schon einen Plattenspieler, er benutzte ihn nur nicht mehr. Schwerhörig war er zuallererst, sogar noch bevor das mit dem Arm gekommen war.
Es gab tatsächlich einen Plattenspieler für zehn Franken. Der war defekt.
„Das Grammophon wär so schön.“ Lara stellte sich vor, wie der Uropa das Ohr an den Trichter legte. Sie atmete noch einmal tief, dann ging sie mit Linus an der Hand weiter.
Bücher gab es viele. Lange Reihen. Kisten am Boden, Stöße auf den Tischen. Lara nahm eins in die Hand und noch eins. Der Uropa konnte sich nicht lange konzentrieren. Er las nur noch wenig, Bücher mochte er trotzdem. Ein Kunstbuch vielleicht, so etwas hatte der Uropa gern, eins mit vielen Bildern.
Kirchenfenster? Unsicher.
„Linus“, rief Lara. Sie drehte sich nach beiden Seiten, er war nicht da. Doch: In der Kreuzung zwischen den Tischreihen lag er auf dem Boden und wälzte er sich von einer Seite auf die andere. Die Leute liefen ungerührt um ihn herum, als gehörte das so. Der Staub bepuderte die Jacke. Lara seufzte. Er war keine Hilfe.

Der Uropa konnte nicht lange lesen, aber er hatte gute Augen. Er hatte Linus gleich erkannt. Dabei hatte er ihn erst zum dritten Mal gesehen, und das erste Mal zählte sogar nicht, denn da war Linus noch ein Baby und sah ganz anders aus.
„Linus“, hat der Uropa gesagt, hat mit dem Finger auf ihn gezeigt. „Steht da wie Graf Rotz zu Popelsberg.“ Dann hat er gelacht mit seinen langen Zähnen. Der Uropa hat Linus zugezwinkert, hat den Arm ausgestreckt, und Linus kletterte auf seinen Schoss. Er teilte mit ihm ein Wurstbrot. Das ging so: Linus bekam die Wurst, der Uropa aß das Brot.
„Ich hab ihn nicht warten lassen wollen mit dem Nachtessen“, sagte Lisbeth.
„Sicher“, sagte der Vater.
„Völlig in Ordnung“, sagte die Mutter. Sie beugte sich ein wenig vor und nickte dabei.
„Den Salat lässt du dem Uropa“, sagte Lisbeth, „der kann das brauchen.“
Der Uropa kaute. „Hat er seine Mutter eigentlich noch kennengelernt?“ fragte er laut, indem er mit dem Messerende auf von oben her auf den Kopf des Jungen deutete.
„Rupert!“, sagte Lisbeth erschrocken.
Der Uropa guckte fragend.
Lisbeth stellte sich ihm gegenüber an den Tisch, griff die Stuhllehne mit beiden Händen, stand sehr aufrecht und schaute den Uropa genau an. Lisbeth hatte ein rundes rotes Gesicht. Sie hatte rote Haare, aber die waren nicht echt.
Der Uropa hob den Kopf zu ihr hin und guckte fragend.
Linus stahl eine Gurkenscheibe.
Lisbeth sah viel weniger alt aus als der Uropa. Ihr Gesicht war rund und gepolstert, Falten hatte sie kaum, nur die ganz tiefen, die jeder hat.
„Da steht sie doch“, flüsterte Lisbeth laut und deutete auf die Mutter. Sie stand neben der Tür im Rücken vom Uropa.
„Er meint die Oma“, sagte der Vater.
„Aber das macht doch nichts“, sagte die Mutter. Sie beugte sich vor und wiegelte ab mit wedelnden Armen. Der Vater legte eine Hand auf ihren Rücken und schob sie vorwärts. Die Mutter ging ein paar Schritte und stellte sich so auf, dass der Uropa sie richtig sehen konnte.
„Ich habe mich versprochen“, sagte der Uropa.
Lisbeth hob den schweren Stuhl und setzte sich gegenüber an den Tisch. Sie stützte das Kinn in die Hände und schaute den Uropa an. Dann langte sie quer darüber und nahm seine bewegliche Hand in ihre. „Also weißt du. Manchmal machst du mir Angst.“
Wirklich, fand Lara, man kann sich ja mal versprechen.
„Ich habe mich versprochen“, sagte der Uropa.


Die Augen waren in Ordnung. Nur, was für ein Kunstbuch der Uropa gerne haben würde, das konnte Lara schwer entscheiden. Sie schlug einen anderen Band auf, blätterte, sah verkleidete Menschen in düsterem Bunt, klappte ihn wieder zu. Sie hatte sich das leichter vorgestellt.
Da: Historischer Atlas der Schweiz. Das tönte würdig. Sie schaute hinein. 1852. So alt. Landkarten waren ja doch so etwas ähnliches wie Bilder. Zwölf Franken. Zusammen mit Linus’ Münzen musste das möglich sein. Dass man ein so altes Buch so billig bekommen konnte!
Wo war der jetzt? Sie schaute sich um. Linus? Er lag nicht mehr drüben auf dem Boden. Lara legte das Buch wieder ab, erst musste sie suchen gehen.
Sie fand ihn nicht weit weg in der nächsten Gasse. In seiner Hand baumelte eine Puppe, ein Clown mit einem Strohhut. Lara stockte der Atem. Das durfte der nicht! Sie sprang los, nahm Linus den Clown aus der Hand, tadelte ihn knapp aber entschieden, und ließ sich zeigen, wo er das Teil hergenommen hatte.
Möglicherweise, fand sie, war der Atlas zu kompliziert.
Vielleicht eine Teekanne. Eine Chinesische Vase. Eine Uhr, die in ein Schiffssteuerrad eingelassen war.
Ein Bild. Das wäre eine Möglichkeit. Aber kein echtes: Ein Druck. Der Uropa hatte ja Drucke an der Wand hängen, das wusste sie. Echte Bilder konnte man für zwölf, dreizehn Franken nicht kaufen.
Schade, denn da war ein Esel mit einem Karren, ein Mann lud Heu auf, Palmen standen dort und weiße Häuser, und die Sonne schien. Wie das wäre, so ein Bild zu kaufen, ein echtes. Die trockene Farbe stand in dicken Wülsten auf dem Bild. Lara fühlte nur ganz schnell mit dem Finger und zog ihn wieder zurück. Das war gar nicht genau gemalt, aber man erkannte alles. Ein richtiges Bild. Der Uropa würde staunen. Das Bild kostete vierhundertfünfzig Franken.
Hatte es hier am Stand auch Drucke? Lara schaute sich um. Metallfigürchen hatte es, Porzellanteller, Porzellanfiguren, Porzellanelefanten, Kaffeemühlen.
Die Kaffeemühlen sahen schön aus, kunstvoll. Der Uropa könnte sie nicht drehen mit nur einem beweglichen Arm.
„Bestimmt keinen Sessel“, sagte Linus.
An die Sessel angelehnt standen auf dem Boden leere Bilderrahmen.
Lara fand, es war Zeit, zu dem alten Atlas zurückzugehen.
Aber wo steckte jetzt schon wieder Linus?
Hinter ihr: Er zupfte an ihrem Ärmel. Er zog. „Ich glaub, das ist schön, wahrscheinlich“, sagte er.
Linus hatte ein Bild entdeckt. Ein Foto. Da lagen auf einem Teppich am Boden kleinere Rahmen. Die meisten waren leer. Dieser nicht, da drin war das Bild von einem Dackel. Das Gesicht von einem Dackel. Ja, das sah kunstvoll aus. Wie das weiße Fell im blauen Hintergrund verschwamm! Das Fell wurde zu Wolken. War das wirklich ein Foto? Lara sah ganz genau hin. Nicht zu glauben. Wie konnte man so fotografieren? Als wär der Hund im Himmel. Es war ein schönes Bild.
Sie überlegte. „Der Uropa mag ja Hunde“, sagte sie.
Ein Foto oder ein Druck, das machte vielleicht nicht so einen Unterschied. Das Papier war oben etwas wellig. Bestimmt war das Bild alt.
„Gut“, entschied Lara, „das nehmen wir.“ Der Verkäufer fragte, ob er schon mal das Foto aus dem Rahmen nehmen sollte. „Nein“, sagte Lara. Sie fragte nicht, wie er das meinte. Linus streckte seine Münzen hin. Lara musste die zehn Franken nicht einmal anbrechen.
Sie war jetzt großmütig und mied auf dem Rückweg das Reformationsdenkmal. Kürzer war der Weg im Zweifel allemal.

Der Vater deckte den Tisch. Blumen standen schon dort. Die Mutter richtete den Servierwagen als Gabentisch an.
„Ah“, sagte der Uropa, hielt kurz auf der Schwelle zum Zimmer, streckte den Rücken und stampfte mit dem Gehstock auf den Teppich, „endlich wieder Tee.“ Dann nahm er Platz.
Die Gäste sangen vierköpfig.
Der Vater faltete einen Zettel auseinander, sprach ein paar Sätze, machte dabei mal ein bedeutungsvolles, mal ein albernes Gesicht und schüttelte anschließend dem Uropa die Hand.
„Danke“, sagte der Uropa.
Lisbeth stellte die Kanne auf den Rechaud.
Der Uropa zog sie am Ärmel, zog sie nah zu sich heran. „Was hat er gesagt?“, fragte er.

Aus den aufgestapelten Geschenken griff sich der Uropa das kleinste, das schmale, fixierte es auf der Tischplatte mit dem Gewicht des gelähmten Arms und riss mit der Hand des andern das Papier auf. Es erschien der Dackel.
„Ja was soll er denn jetzt damit“, rief Lisbeth. Sie klatschte in die Hände. Es gab einen flachen Ton.
„Oh“, sagte die Mutter. Sie stand auf den Zehenspitzen und beugte sich vor. „Es ist ja doch ganz hübsch.“
Lara dachte an den Atlas. Ihre Schuld war es nicht! Vorsorglich sah sie Linus von der Seite strafend an.
„Ach was“, sagte der Vater, „wir suchen ein Foto von den Kindern aus, dann kann er immer an sie denken.“
Der Uropa hielt mit ausgestrecktem Arm das Bild vor sich hin. „Ha!“, sagte er, „Gainsborough!“ Bekräftigend nickte er. Er reichte Lisbeth das Bild und wies sie zur gegenüberliegenden Wand. Dort sollte es hängen. Triumphierend schlug er mit der Hand auf die Sessellehne. „Gainsborough,“ sagte er.
Lara packte Linus am Arm. Nicht zu glauben! Wieso kannte der Uropa jetzt den Hund?
„Hol mal was und wisch den Preis ab“, flüsterte die Mutter dem Vater zu.
Lisbeth schob das Bild über die Wand.
„Ja!“, sagte der Uropa. „So!“ Er saß zurückgelehnt in seinem Sessel und betrachtete den Dackel. Er zeigte mit dem Finger. „Gainsborough“, bestimmte er. „Er ist mir im Gedächtnis.“
Lisbeth stellte das Bild auf der Kommode ab. Da grinste nun der Hundekopf, zeigte seine Zunge, unter den Lithographien von Kollwitz, von Orlik, von Liebermann; unter der winzigen Tuschezeichung von Poussin. Der Metallrahmen spiegelte sich im Lack.
Der Vater kam mit einem Lappen.
Der Uropa zwinkerte Linus zu. Der Junge wuchs deutlich vor Stolz.
„Die arme Lisbeth“, flüsterte die Mutter.
Der Vater drückte den Rahmen gegen die Wand und wischte die Zahl vom Glas. Als erstes wird die Tapete einen neuen Anstrich brauchen, dachte er.
Der Uropa zwinkerte Linus zu.

 

Es gab einen Anstoß für die Geschichte, und es gehört irgendwo dazu, dass man das wissen kann, aber lieber nach dem Lesen, also stelle ich eine kleine Hürde hin.

Es gibt vom Literaturhaus Zürich einen monatlichen Schreibwettbewerb, da hab ich im letzten Jahr ein paar mal versucht mich zu zwingen, etwas einzusenden, einfach um einem Anlass zu folgen und eine Deadline einzuhalten.
Literaturhaus | Die Lücke im August
Gewonnen hat in dem Fall keiner was - welche Schmach! :aua:

 
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Hey @erdbeerschorsch,

Wie immer zog sich Linus das T-Shirt übers Gesicht, damit er die Begegnung mit den strengen Riesen, Augen wie Gespenster, leichter ertragen konnte. Nicht hinschauen im Vorbeigehen war unmöglich, wer wusste schon, was dann geschah. Durch den Stoff erschienen die Gestalten weicher.
Schönes, bereicherndes Detail.

„Also,“ sagte Lara streng, „dafür haben wir keine Zeit.“
Muss das Komma nicht vor sagte?

Lara stellt sich vor,
stellte

fragt er laut, indem der mit dem Messerende
indem er

Rupert!“, sagte Lisbeth erschrocken.
Vorne die Anführungszeichen fehlen.

Das ging so: Linus bekam die Wurst, der Uropa aß das Brot.
Dieses "Das ging so:" würde ich weglassen, das klingt nach Posse und das ist deine Geschichte nicht.

Der Vater drückte den Rahmen gegen die Wand und wischte die Zahl vom Glas. Als erstes wird die Tapete einen neuen Anstrich brauchen, dachte er.
Da wechselst du für einen Satz in den Kopf des Vaters. Den Hüpfer in der Erzählperspektive würde ich mir sparen.

Ich fand deine Geschichte vor allem erst mal eines: verwirrend. Es ist nicht so, dass ich als Leser dem Plot nicht folgen könnte, das gelingt dir, doch ich finde es schwierig aufzudröseln, wer gerade interagiert, worauf sich das Gesagte bezieht. Ich versuche mal, aufzuzeigen woran das mMn liegen könnte.
Du hast neun Personen in deiner Geschichte, Lara und Linus, Vater, Mutter, Oma, Rupert, Lisbeth plus den Mann hinter dem Stand und den Bildverkäufer. Doch erfahre ich nichts über dein Personal, außer, dass Opa lange Zähne und einen gelähmten Arm hat und Lisbeth künstliche, rote Haare. Zusätzlich packst du noch die Mutter/Oma-Verwechslung obendrauf und spätestens da wird es anstrengend.
Ich persönlich finde es immer einfacher, wenn ich mit Personen Bilder verknüpfen kann, oft reichen da nur einige wenige Hinweise, wie der mit den langen Zähnen. Das erleichtert das Sortieren, die Zuordnung erheblich. Doch wenn du die Figuren ausschließlich über die Handlung, ihre Dialoge und ihre Reaktionen charakterisierst, fehlt für mich der Fuß an der Geschichte.
Ich wüsste gerne:
- Wo befinden sie sich: Pflegeheim, Uropas Zuhause?
- In welcher Stadt befinden sie sich? Wenn ich das nicht weiß, haben die Beschreibungen keinen Mehrwert, sondern lassen mich fragend zurück. Mir geht es da wie mit den Figuren: Wenn ich nur ein kleines Fitzelchen mehr weiß, entsteht sofort ein Bild: Klima, Geographie, Geschichte, Architektur, Mentalität. Gut, wenn ich google, weiß ich: es ist Genf, doch nicht jeder mag das.
- Wer ist Lisbeth? Oma, Uroma, Pflegerin? Das wird für mich nicht ganz klar.
- Wie alt ist Lara? Ich schätze sie auf zwölf. Sie hat etwas leicht Gouvernantenhaftes und Altkluges an sich, das eine Einschätzung sehr schwierig macht.
- Vater und Mutter bleiben völlig blass, agieren schablonenhaft. Da klingen in mir archetypische Bilder an: Die Mutter, Der Vater, das sind Rollenbilder, die nicht gebrochen werden, solange sie erwartungsgemäß handeln und ich nichts Spezifisches zu ihnen erfahre.
Du zeigst in Laras Gedankenwolken so viele Gegenstände in deiner Geschichte und doch verpuffen die meisten Bilder schnell wieder. Das verleiht deiner KG eine gewisse Dynamik, doch es produziert auch einen Daumenkino-Effekt: die Einzelbilder rauschen schnell an mir vorbei und irgendwie ergibt sich final ein Gesamtbild, quasi als Ziel der Suche: das Hundebild an der Wand und der glückliche Uropa davor. Doch der Weg dahin beginnt schnell zu verschwimmen.

Peace, linktofink

 

Hola @erdbeerschorsch,

nach Linus’ Art das Beste zuerst:

„Also,“ sagte Lara streng, „dafür haben wir keine Zeit.“ Linus machte einen schrumpligen Mund und nahm es hin.
Könnte eine Schöpfung von Dir sein, oder? Wirklich gut.

Lara zog ihn mit sich, tiefer hinein zwischen die Tische und die Menschen, ...
Prima.

Leider überkam mich beim weiteren Lesen ein weniger gutes Gefühl – trotz der bekannten Eigenwilligkeiten des Autors, und der Bevorzugung eigenwilliger Texte gegenüber Smoothies.

Stolpersteine:

... und hielt gleich schon ruckartig an.
Gleich schon? Könnte beides weg.

Ein Kunstbuch vielleicht, so etwas hatte der Uropa gern, eins mit vielen Bildern.
Kirchenfenster? Unsicher.

Das Fette könntest Du geschmeidiger einbauen, aber der Stolz des Autors wird dieses Ansinnen abschmettern.

In der Kreuzung zwischen den Tischreihen lag er auf dem Boden und wälzte er sich von einer Seite auf die andere.

Wozu erfahre ich das? Ist der Junge nicht ganz gescheit? Mir ist dieses Verhalten unerklärlich.

Der Uropa konnte nicht lange lesen, aber er hatte gute Augen. Er hatte Linus gleich erkannt. Dabei hat er ihn erst zum dritten Mal gesehen, und das erste Mal zählte sogar nicht, denn da war Linus noch ein Baby und sah ganz anders aus.

Zeitfehler – Imperfekt, Perfekt und PQP geraten sich in die Haare.

Das Kursive ist wohl ein Witz?

Der Uropa guckte fragend.

Der Uropa hob den Kopf zu ihr hin und guckte fragend.

Doppelt hält besser?

Lisbeth stellte
sich ihm gegenüber an den Tisch, griff die Stuhllehne mit beiden Händen, stand sehr aufrecht und schaute den Uropa genau an. Lisbeth hatte ein rundes rotes Gesicht. Sie hatte rote Haare, aber die waren nicht echt.

Solche ‚Ruckel’-stellen gibt es viele im Text. Ist man von Dir gar nicht gewohnt. Auch durch zu viele SPO-Sätze wird der Rhythmus einem Kinderlied ähnlich, es fehlen die verbindenden Elemente, das Schmiermittel.

Sie Gesicht
war rund ...

Lisbeth sah viel weniger alt aus als der Uropa.
Der Vergleich könnte bedeuten, dass L. Ruperts / Uropas Frau ist, oder? Nicht zwingend ist jeder Uropa neunzig Jahre; (Btw: Dreimal zwanzig Jahre für drei Generationen macht einen Uropa von Sechzig - und mit Zwanzig Vater zu werden ist nicht so außergewöhnlich).

Sie Gesicht
war rund und gepolstert, Falten hatte sie kaum, nur die ganz tiefen, die jeder hat.
Wieso hat jeder tiefe Falten?


Die Suche nach dem Geschenk gestaltet sich für mich umständlicher und ausgewalzter, als dass es mir Vergnügen machte, dabei zu sein. Der Text hangelt von Nichtigkeit (die man allerdings auch als feine Beobachtung deklarieren könnte) zu Nichtigkeit – viel Personal, keine Handlung. Und dann komme ich an diese Stelle:

„Da steht sie doch“, flüsterte Lisbeth laut und deutete auf die Mutter. Sie stand neben der Tür im Rücken vom Uropa.
Er meint die Oma“, sagte der Vater.
„Aber das macht doch nichts“, sagte die Mutter.

Weiß Du was, lieber erbeerschorsch? Hier reicht es mir. Ich hab keine Lust, so einen Quark zu sezieren, um der Geschichte folgen zu können. Leider hast Du durch den Trommelwirbel zu Beginn mit den Spoilern eine zu hohe Erwartung geweckt.

Ich hatte die Geschichte kurz nach Einstellung gelesen, heute Vormittag ein zweites Mal – aber ich bleibe bei meiner Meinung.
José

PS:
Der 'Uropa' ist originell, beinahe unverschlissen - aber knapp zwanzig Uropas im Text langweilen.

... unter der winzigen Tuschezeichung von Poussin.
Nur wenige Autoren erkennen ihren Bildungsauftrag.
(Ich dachte, Du stündest über solchen Eitelkeiten – wie auch im Fall Gainsborough:D).

 
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Hey @erdbeerschorsch,

ich habe mir beim Lesen deiner Geschichte Stellen notiert. Da wir beide, denke ich, ähnlich detailverliebt kommentieren, verstehst du die Punkte als persönlichen Leseeindruck und ziehst dir raus, was dir sinnvoll erscheint.


Ein paar Straßen hatten sie zu queren, dann trafen sie auf die breite Esplanade und den Flohmarkt, genau dort, wo neuerdings der Spielplatz stand.
Vom Gefühl her:
„hatten sie zu überqueren“ oder „hatten sie zu kreuzen“; „wo neuerdings ein Spielplatz lag

Schrumpligen
Schrumpeligen, Ich finde das Wort nicht passend. Es hat was gealtertes, vertrocknetes, etwas was ich nicht mit einem kleinen Jungen verbinde.

Mir fallen gerade einige Satzanfänge beim Lesen auf. Du hast an manchen Stellen schon ein Personalpronomen verwendet. Vlt. geht da trotzdem noch was, zur Verbesserung der Textmelodie: Lara trug …, Lara führte …, Lara zog …, Lara zuckte …, Lara stell …, Lara nahm …, Lara seufzte …
Edit: Das geht mir ebenso bei, Der Uropa konnte …, Der Uropa hat …, Der Uropa kaute …, Der Uropa guckte …, Der Uropa hob …,


Bücher gab es viele. Lange Reihen. Kisten am Boden, Stöße auf den Tischen.
Stoß Papier, Akten oder Zeitungen ist mir ein Begriff. Lose Blätter werden auf Stoß gebracht. Aber bei kompakten Büchern? Vllt. Stapel, Türme?


Der Uropa konnte nicht lange lesen, aber er hatte gute Augen. Er hatte Linus gleich erkannt. Dabei hat[te] er ihn erst zum dritten Mal gesehen, und das erste Mal zählte sogar nicht, denn da war Linus noch ein Baby und sah ganz anders aus.
„Linus“, hat[te] der Uropa gesagt, hat mit dem Finger auf ihn gezeigt. „Steht da wie Graf Rotz zu Popelsberg.“ Dann hat[te] er gelacht mit seinen langen Zähnen. Der Uropa hat[te] Linus
Ohne den Artikel fände ich es harmonischer und weniger Kleinkindhaft überzogen(von hier an im weiteren Text).
In Dialogen an das Kind gerichtet, passt das für mich:
„Den Salat lässt du dem Uropa“, sagte Lisbeth

Hat-hätte, geh noch mal durch den Text. Du hast vllt. die Zeitform geändert und es an manchen Stellen übersehen. Dabei fällt mir auch die Häufung des Verbes auf.

„Ich hab ihn nicht warten lassen wollen mit dem Nachtessen“, sagte Lisbeth.
Hm. Ist etwas verkompliziert, diese Dialogzeile. Und Lisbeth betritt die Bühne ziemlich überraschend. Während der nächsten Zeilen, in denen du weitere Personen einführst, frage ich mich, in welcher Beziehung Lisbeth zur Familie steht. Wenn sie die Uroma ist, sollte sie aus Kindersicht auch so betitelt werden, gleich dem Uropa. Oder ist sie „Tante Lisbeth“? Eine Haushaltshilfe?

Der Uropa kaute. „Hat er seine Mutter eigentlich noch kennengelernt?“ fragt er laut, indem der mit dem Messerende auf von oben her auf den Kopf des Jungen deutet.
Rupert!“, sagte Lisbeth erschrocken.
„auf von oben her“? Und er fragte nicht, indem er auf den Jungen deutete.

Vorschlag, ganz schlicht: fragtE er laut und deutete (dabei) mit dem Messerende auf den Kopf des Jungen.

Inhaltlich haust du mich ziemlich raus, an der Stelle. Du beschreibst sie zu Anfang als Geschwister, die von der Mutter Geld zum Einkaufen bekommen haben. Jetzt ist Linus gar nicht Laras leiblicher Bruder?


Der Uropa guckte fragend.
Der Uropa hob den Kopf zu ihr hin und guckte fragend.
Nur drei Zeilen dazwischen.


Lisbeth hatte ein rundes[Komma] rotes Gesicht.
Sie[Ihr] Gesicht war rund und gepolstert
Vlt. das erste „rund“ in tellerförmiges oder sowas ändern?


„Da steht sie doch“, flüsterte Lisbeth laut und deutete auf die Mutter. Sie stand neben der Tür im Rücken vom Uropa.
„Er meint die Oma“, sagte der Vater.
„Aber das macht doch nichts“, sagte die Mutter. Sie beugte sich vor und wiegelte ab mit wedelnden Armen.
Aha. Wozu brauchst du dieses Verwirrspiel mit dem Leser?

„Ich habe mich versprochen“, sagte der Uropa.
Jetzt erwarte ich aber ein Knaller-Familiengeheimnis und hoffe, das plänkelt nicht ungenutzt aus. :Pfeif:


Das tönte würdig.
Wer erzählt diese Geschichte? Mir kommt die Ausdrucksweise ziemlich inkongruent vor.


Zusammen mit Linus’ Münzen
Du würdest es dir leichter machen, wenn du einen Namen wählst, der nicht auf „s“ endet. Ich hatte aber auch schon einen Linus in einer Geschichte. :shy:


Dass man ein so altes Buch so billig bekommen konnte!
Diese Einschätzung oder Beurteilung kauf ich nicht. Ein Kind sieht mMn keinen großen Wert in einem alten, abgegriffenen Buch.


Wo war der jetzt? Sie schaute sich um. Linus?
Der Bezug von „der“ ist zunächst nicht ganz klar. Vorschlag: Wo war Linus? Sie schaute sich um.


Sie fand ihn nicht weit weg in der nächsten Gasse. In seiner Hand baumelte eine Puppe, ein Clown mit einem Strohhut. Lara stockte der Atem. Das durfte der nicht! Sie sprang los, nahm Linus den Clown aus der Hand, tadelte ihn knapp aber entschieden, und ließ sich zeigen, wo er das Teil hergenommen hatte.
Wieso stockt Lara da der Atem? Das kommt mir recht überzogen vor und ich denke, sie ist bestimmt in Panik, weil Linus das Geld für diese Puppe ausgeben will, obwohl sie seine Münzen für das Buch mit eingerechnet hatte. Daraus könnte ein interessanter Konflikt entstehen. Linus will über sein Geld selbst verfügen, es kommt zur Diskussion … Schade, das verläuft sich in einer weiteren Gasse voller Krempel. Und ich fange an mich zu fragen, wohin du mit deiner Geschichte eigentlich willst.:hmm:

Möglicherweise, fand sie, war der Atlas zu kompliziert.
Der Einschub „fand sie“ ist für mich unnötig. Schau dir die Erzählperspektive nochmal an.


Metallfigürchen hatte es, Porzellanteller, Porzellanfiguren, Porzellanelefanten, Kaffeemühlen.
„Es hatte…“ ist regional für „gab es“. Finde ich persönlich nicht so gut, für den Text.


„Bestimmt keinen Sessel“, sagte Linus.
Antwortet Linus auf Laras Gedanken? Die Formulierung dieser Aussage passt für mich nicht, kommt irgendwie aus dem nichts.


„Ich glaub, das ist schön, wahrscheinlich“, sagte er.
Das „wahrscheinlich“ könntest du streichen. Ist für mich unnötig und auch unglaubwürdig für einen (?) Dreijährigen. Seine Ausdrucksweise sollte nicht gewählter klingen, als die Gedanken seiner älteren Schwester.


Da lagen auf einem Teppich am Boden kleinere Rahmen. Die meisten waren leer. Dieser nicht, da drin war das Bild von einem Dackel. Das Gesicht von einem Dackel. Ja, das sah kunstvoll aus.
An den Abschnitt könntest du nochmal ran. Da ist für mich noch ziemlich viel Luft nach oben.


Linus streckte seine Münzen hin. Lara musste die zehn Franken nicht einmal anbrechen.
Niemals! Linus gibt seine paar Münzen hin, von denen er für sich etwas kaufen durfte und das Geschenkgeld bleibt ungenutzt? Warum sollte der kleine Junge das tun, anstatt das Geld selbstbestimmt für irgendeinen Krimskrams auszugeben? Und dann auch noch ohne Not. Sie hatten schließlich die 10 Franken von der Mutter bekommen. Ich möchte an dieser Stelle nochmal auf meinen Konfliktvorschlag weiter oben hinweisen. :D


Sie war jetzt großmütig und mied auf dem Rückweg das Reformationsdenkmal. Kürzer war der Weg im Zweifel allemal.
Kapiere ich nicht. Warum ist sie dann auf dem Hinweg dort lang? Um ihren Bruder zu verängstigen?


Die Gäste sangen vierköpfig.
Hm. Waren es schlicht vier Personen oder sangen sie vierstimmig? Für mich auch wieder ein Beispiel für die ungleiche Ausdrucksweise im Text.


„Ja was soll er denn jetzt damit“, rief Lisbeth. Sie klatschte in die Hände. Es gab einen flachen Ton.
Für eine Angestellte – sie ist doch die Pflegerin, oder? – ist diese Äußerung ziemlich unhöflich.

„Die arme Lisbeth“, flüsterte die Mutter.
Ahhh! Ist sie Uropas Partnerin?

Als erstes wird die Tapete einen neuen Anstrich brauchen, dachte er.
Denkt der Vater bereits an die Renovierungsarbeiten nach dem Ableben des scheinbar verwirrten Uropas? Finde ich krass, aber nicht uninteressant, und ausbaufähig als Andeutungen im gesamten Text. Der kann gern etwas Zynismus vertragen. Allerdings kommt die Erzählperspektive mMn hier erneut einen Knick.

Linus, Vater, Uropa – Wo ist eigentlich die Generation dazwischen geblieben? Du hast die Oma schon angesprochen, in der Verwechslungsszene. Aber dann kommt nichts mehr.


Der Uropa zwinkerte Linus zu.
Warum nicht auch Lara? Der Uropa weiß nicht, dass Linus maßgeblich an der Geschenkauswahl beteiligt war.

Zum Spoiler: der abgebildete Hund sieht für mich nicht nach einem Dackel aus. Aber du wirst deine Gründe gehabt haben, einen daraus zu machen.


Schau, ob dir meine Gedanken helfen, den Text voran zu bringen.
Viele Grüße
wegen

 

So, dann will ich mich mal ans Antworten machen. Das ich für die Geschichte aufs Haupt geschlagen kriege, war ja eigentlich klar. Dass sie ist, wie sie ist, hat natürlich - Vorsicht, Ausrede! - mit dem Entstehungshintergrund zu tun, und ich habe sie, wie man sehen kann, dann ja auch lange nicht zeigen wollen. Irgendwann hab ich mir aber halt gedacht, bevor ich hier gar nichts mehr einstelle, hau ich halt den Schrott raus, der bei mir auf der Festplatte rumgammelt.

Insofern,

lieber @linktofink,

muss mir deine Kritik ganz nachvollziehbar erscheinen. Wenn ich mir allerdings über Nachbesserung Gedanken machen sollte, wüsste ich auch wiederum nicht so richtig, wie ich das Personal reduzieren könnte. Dass einige der Figuren blass bleiben, liegt womöglich daran, dass meine Strategie in die Richtung gegangen ist, Personen, die Statisten sind, auch platt als solche hinzustellen.
Einzig über den Opa, würde ich behaupten, erfährt man durchaus mehr, aber das mag zu zaghaft dosiert sein.

Einige deiner Fragen - z.B. bezüglich Alter, Ort u. dgl. - stelle ich mir und er Regel weniger, entsprechend bemühe ich mich nicht allzu sehr darum, sie im Text zu beantworten. Ich finde es sogar tendenziell störend, wenn mir das zu sehr aufgedrückt wird. Und was den Ort angeht: Es könnte ja auch keine reale Stadt sein. Spräche etwas dagegen? Ich finde nicht.
Was auch wiederum nicht heißt, dass ich unterm Strich abstreiten will, was du als Mängel erkennst.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

--------------

Und Ähnliches wie oben gilt auch für dich,

lieber @josefelipe,

und zwar zunächst mal in dem Sinn, dass ich mir sage: Wenn der Text dazu befährt hat, dass du mal wieder bei mir vorbeischaust, dann ist das ja auch schon was.

Zu den einigen Details:

-- "Das Fette könntest Du geschmeidiger einbauen, aber der Stolz des Autors wird dieses Ansinnen abschmettern."
- Du kennst mich zu gut, aber es hilft nichts: Du hast sicher beide Male Recht.

-- "Ist der Junge nicht ganz gescheit?"
- Nein, er ist nur noch ziemlich klein.

Ich würde auch noch auf die eine oder andere weitere Bemerkung eingehen aber - das lasse ich jetzt einfach hier mal raus - ich komme mit der Zitierfunktion nicht mehr richtig klar. Und ich bräuchte sie eigentlich, damit das nicht jedes Mal so blöd aussieht wie oben. Das ist einfach ein schrecklicher Aufwand geworden, seit die Seite ihr neues Gesicht hat. Ich erkläre mal nicht warum, das wäre zu umständlich, jedenfalls ist es aber so, dass zitieren mit meiner Software keinen Spaß macht.

Und deswegen erst mal nur noch eins:
-- "Leider hast Du durch den Trommelwirbel zu Beginn mit den Spoilern eine zu hohe Erwartung geweckt."
- Du hast den Trommelwirbel wahrscheinlich anders aufgefasst, als er gemeint ist. Ich fände es irgendwo nicht ganz ehrlich, den Anlass zu verbergen - obwohl ich es eigentlich lieber tun würde. Nein, stimmt so auch nicht. Ich brauche ihn für meine Ausrede (s.o.)

Schließlich, nicht zu vergessen: Herzlichen Dank für's zweimalige Lesen! Umso mehr, als der Genuss ausgeblieben ist.

Besten Gruß
erdbeerschorsch


--------------------

Und nun,

liebe @wegen,

werde ich mich auch bei dir auf ein paar Stellen beschränken, wenn ich dir antworte, nachdem ich gerade eben josefelipe mein Leid geklagt habe.
Korrekturen werde ich stillschweigend umsetzen, Vorschläge auch. Aber die Fragen möchte ich schon beantworten. Und vielleicht noch auf das eine oder andere eingehen.

Z.B. auf dies hier:
-- "Mir fallen gerade einige Satzanfänge beim Lesen auf. Du hast an manchen Stellen schon ein Personalpronomen verwendet. Vlt. geht da trotzdem noch was, zur Verbesserung der Textmelodie: Lara trug …, Lara führte …, Lara zog …, Lara zuckte …, Lara stell …, Lara nahm …, Lara seufzte …
Edit: Das geht mir ebenso bei, Der Uropa konnte …, Der Uropa hat …, Der Uropa kaute …, Der Uropa guckte …, Der Uropa hob …,"
- @josefelipe - um ihn noch einmal zu nennen und zu grüßen - spricht vom Kinderlied. Jetzt könnte ich sagen: Genau, das trifft es eigentlich, also nicht ganz genau ein Kinderlied, aber in diese Richtung. Halt eine Kinderpersepktive. Aber ich weiß schon auch, wie blöd das klingt, wenn Kritik kommt und der Autor dann sagt: Juhu, super dass du das sagst, genau so wollte ich das. Ich hab halt was probiert und es hat nicht geklappt, das sehe ich ein. Aber dass ich das jetzt ganz umarbeite, also diesen kindlichen Ton abzustellen versuche, das wird wohl nicht passieren. Man könnte es sicher, aber ich kann es nicht, weil das für mich zu eng mit dem Text verbunden ist.

Eine Einzelheit allerdings - "Der Uropa" statt "Uropa" - ist keine Absicht in diese Richtung, ich meine, das sollte nicht speziell kindlich klingen. Ich muss auch sagen, das tut es für mich nicht. Ich vermute da eher eine großflächig regionale Tendenz, obwohl ich an sich nicht besonders stark regional geprägt bin.

Dann fragst du dich
-- "in welcher Beziehung Lisbeth zur Familie steht. Wenn sie die Uroma ist, sollte sie aus Kindersicht auch so betitelt werden"
- Und das stimmt. Sie ist also nicht die Uroma.

Und zur Verwechslung Mutter/Oma fragst du:
-- "Wozu brauchst du dieses Verwirrspiel mit dem Leser?"
- Ich brauche es, um anzudeuten, dass der Uropa nicht mehr alles klar erfasst. Das ist in der Form offenbar zu sparsam.

Zum Apostroph:
-- "Du würdest es dir leichter machen, wenn du einen Namen wählst, der nicht auf „s“ endet."
- Stimmt, hab ich mir auch schon gedacht. Andrerseits hab ich mir auch wiederum gedacht. Es wär ja blöd, nur deswegen eine ganze Gruppe von Namen auszuschließen.

Zu Linus, der den Clown grapscht:
-- "Das kommt mir recht überzogen vor und ich denke, sie ist bestimmt in Panik, weil Linus das Geld für diese Puppe ausgeben will"
- Nein, sie findet nur als große Schwester, dass sie dem kleinen Bruder unbedingt verbieten muss, das Teil anzufassen. Großen Geschwistern ist so was schon manchmal sehr wichtig, und der Schock ist demnach ihrer Rolle geschuldet - nicht geradezu Schauspiel, aber auch keine ernste Panik. Ich finde das, zumindest so, wie ich mir das gedacht habe, schon nicht unrealistisch. Aber es kann sein, dass es nicht so rauskommt, wie ich es mir denke.

Dass Dinge nicht s rauskommen, wie man sie sich denkt, ist immer wieder der Fall. Ein Beispiel greife ich noch heraus:
-- "Das „wahrscheinlich“ könntest du streichen. Ist für mich unnötig und auch unglaubwürdig für einen (?) Dreijährigen."
- Und jetzt ist mein Konter: Ich habe mir das von einer Dreijährigen abgelauscht. ich weiß aber auch, dass der Konter verpufft, weil im geschrieben Text keine Stimme ist, und es wundert mich an dieser Stelle nicht mal. Kann also sein, dass ich das streiche.

-- "Linus gibt seine paar Münzen hin, von denen er für sich etwas kaufen durfte und das Geschenkgeld bleibt ungenutzt? Warum sollte der kleine Junge das tun, anstatt das Geld selbstbestimmt für irgendeinen Krimskrams auszugeben?"
- Weil ihm das Geld mit seinen drei Jahren für sich genommen Wurscht ist. Ich nehme sogar fast an, er ist stolz darauf, dass seine Münzen genutzt werden, nicht der Schein von der Schwester.

Und zwischendurch noch ein Konter: Zum alten Buch sagst du:
-- "Diese Einschätzung oder Beurteilung kauf ich nicht. Ein Kind sieht mMn keinen großen Wert in einem alten, abgegriffenen Buch."
- Das würde ich umgekehrt sehen. Der Atlas ist ja nicht viel wert, der Preis zeigt, wo ihn die Erwachsenen einordnen, aber auch nur die, die sich überhaupt dafür interessieren. Für ein Kind kann das dagegen furchtbar alt sein, und es gibt schon Kinder, die alte Sachen faszinierend finden. Eben sogar faszinierender als Erwachsene. Nicht generell, sicher, aber allzu ungewöhnlich erschient mir das nicht.

Zum Rückweg:
-- "Kapiere ich nicht. Warum ist sie dann auf dem Hinweg dort lang? Um ihren Bruder zu verängstigen?"
- Ja, genau. Schon frech, oder?

-- "Waren es schlicht vier Personen oder sangen sie vierstimmig? Für mich auch wieder ein Beispiel für die ungleiche Ausdrucksweise im Text."
- "ungleich" verstehe ich in dem Zusammenhang nicht, aber ja: vier Personen, nicht vier Stimmen.

-- "Für eine Angestellte – sie ist doch die Pflegerin, oder? – ist diese Äußerung ziemlich unhöflich."
- Ich dachte mir: Die zweite oder dritte Frau. Würde die Pflegerin nicht Herr Soundso sagen? Ich würde es erwarten, aber das ist vielleicht nicht zwingend so.

-- "Linus, Vater, Uropa – Wo ist eigentlich die Generation dazwischen geblieben? Du hast die Oma schon angesprochen, in der Verwechslungsszene. Aber dann kommt nichts mehr."
- Ja, oder genauer: die kommen nicht. Dieses Jahr kommt sonst keiner. Ist sicher kein runder Geburtstag - oder zumindest wollen wir das hoffen. Findest du das ungewöhnlich? Das ehrt dich womöglich, aber ich fürchte, so ungewöhnlich ist das nicht.

Zum neuen Anstrich:
-- "Denkt der Vater bereits an die Renovierungsarbeiten nach dem Ableben des scheinbar verwirrten Uropas?"
- So sieht's aus. Ich sag mal nichts dazu, warum der Satz so einsam daherkommt. Eine Erklärung würde ja doch nichts an der Wirkung ändern, und die zählt letztlich.

Und zum Schluss hast du noch eine Frage, auf die ich aber keine gute Antwort habe:
-- "Warum nicht auch Lara? Der Uropa weiß nicht, dass Linus maßgeblich an der Geschenkauswahl beteiligt war."
- Ja, warum eigentlich? Intuition vielleicht. Hm, blöde Antwort, aber ich weiß es echt nicht besser. "zwinkerte den Kindern zu" fand ich irgendwie noch weniger gut.

Na, das waren jetzt doch ziemlich viele Details, auf die ich noch eingegangen bin. Ich habe dir viel widersprochen, deswegen sag ich mal noch dazu: Es ist ja nicht so, dass ich die Flüchtigkeit des Textes nicht selbst sehe. Du siehst, was ich als Einleitung zu diesem Post geschrieben habe. Ich kann allenfalls noch anfügen: Irgendwie war ich dann halt doch auch ein bisschen neugierig, was ich zu dem Teil gesagt kriege.

Und überhaupt: Ich finde es bemerkenswert, dass du eigentlich alle die zaghaften Hinweise, die ich gestreut habe, gefunden und aufgespießt hast. Und trotzdem sind sie dir nicht deutlich genug erschienen. Tja, das ist ein klares Indiz, dann liegt der Fehler bei mir.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Mein lieber Jolly Hola @erdbeerschorsch,

auch wenn es anbiedernd-konziliant-lustig herüberkommen soll – das nehme ich Dir echt übel:

Irgendwann hab ich mir aber halt gedacht, bevor ich hier gar nichts mehr einstelle, hau ich halt den Schrott raus, der bei mir auf der Festplatte rumgammelt.

Können die Idioten mal sehen, ob sie daraus schlau werden, oder vielleicht sogar einen Kommentar zusammenfriemeln – ist ja schließlich ihre Zeit.

Solltest Du noch mehr Schrott angehäuft haben, dann wirf ihn weg. NICHT MEHR EINSTELLEN!

José

 

Lieber @josefelipe,

ich finde es eigentlich nicht verkehrt, einen Text vorzuzeigen, den man selbst als fehlerhaft ansieht - und ich würde sogar jeden ermutigen, das zu tun. Vorausgesetzt natürlich, man kann die Reaktionen aushalten (oder möchte es lernen).

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hola @erdbeerschorsch,
Deine Antwort (hatte ich eigentlich nicht erwartet) las ich mit großem Erstaunen:

... ich finde es eigentlich nicht verkehrt, einen Text vorzuzeigen, den man selbst als fehlerhaft ansieht –

Und wozu soll das gut sein? Es gibt sicherlich genug Forumsmitglieder, die sich ihre knappe Zeit einteilen müssen und sie nicht für solche Mätzchen verplempern können – denn wer vorzeigt, erwartet eine Reaktion.

Dass Du sagst ...:

... ich würde sogar jeden ermutigen, das zu tun.

... ist wohl nicht zu Ende gedacht. Wir haben immer wieder Eintagsfliegen, die iwas einstellen, oft razz-fazz heruntergeschrieben, und dann – bei Ausbleiben lobenden Feedbacks – sang- und klanglos verschwinden. Wenn Du jeden dazu ermutigen würdest, wären das Niveau und der Spaß am Forum bald den Bach runter. Lassen wir’s gut sein, sonst landen wir noch bei den Off-Topics.

Besten Gruß zurück
José

 

Hej @erdbeerschorsch ,

wie gut, dass ich sie noch entdeckt habe, deine neue Geschichte.

Ich mag den Zusammenschluss von sehr alt und sehr jung, sie nähern sich oft an und hier geben sie den Takt vor, sind wie in einem surrealen Bild als die Einzigen deutlich sichtbar, während alles andere verschwimmt, heller erscheint oder unkonturiert, sich ausblendet.

Wie immer zog sich Linus das T-Shirt übers Gesicht, damit er die Begegnung mit den strengen Riesen, Augen wie Gespenster, leichter ertragen konnte. Nicht hinschauen im Vorbeigehen war unmöglich, wer wusste schon, was dann geschah. Durch den Stoff erschienen die Gestalten weicher. Die Geschwister bogen in den Park und Bäume schirmten Linus bald schon von den Bildnissen ab.

Ach, was hab ich dich vermisst, Erdbeerschorsch!

Die Leute liefen ungerührt um ihn herum, als gehörte das so.

Eine kleiner Satz, und ich erfahre zweierlei: Linus ist ungewöhnlich und die Menschen auch.

„Linus“, hat der Uropa gesagt, hat mit dem Finger auf ihn gezeigt. „Steht da wie Graf Rotz zu Popelsberg.“ Dann hat er gelacht mit seinen langen Zähnen. Der Uropa hat Linus zugezwinkert, hat den Arm ausgestreckt, und Linus kletterte auf seinen Schoss. Er teilte mit ihm ein Wurstbrot. Das ging so: Linus bekam die Wurst, der Uropa aß das Brot.

Und schon zauberst du eine wunderbare Beziehung!

Uropas Geburtstag steht bevor und in jedem Charakter sehe ich eine besondere Beziehung zueinander. Und während, wie oben schon erwähnt, „unnötige“ Protagonisten schemenhaft agieren und sind, könnten dennoch für meinen Geschmack, der Uropa und Linus überzeichneter werden. Einfach um das Prinzip zu festigen. Denn an und für sich ist die Geschichte in ihrer Handlung untergeordnet, denn selbst die Hauptfiguren erscheinen mir hinlänglich leise. Du hast es gut hingekriegt, die beiden zu vereinen und hervorzuheben, während alles und alle anderen sich nach und nach selbst ausblenden. Das ist jetzt ganz sicher nicht allzu gut nachzuvollziehen und ich kann nur hoffen, dass du ansatzweise verstehst, wie ich deine Geschichte „sehe“ und lese.

Du erinnerst dich vielleicht, wie sehr ich es bevorzuge, wenn du nichts erklärst und auserzählst und so habe ich einen großen Spaß und meine helle Freude an den Bildern und Dialogen, die sich wenig berühren und dahinschweben.

Genug der Verwirrung und dir noch einen Dank an dieser Geschichte und einen schönen Ostertag, Kanji

 

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