Ein Geschenk des Himmels
Die Geschichte der Menschheit schien besiegelt. Am Ende des wahrscheinlich in der menschlichen Geschichte erfolgreichsten Jahrtausends, sollte alles auf einmal vorbei sein. Seit dem schrecklichen Tag, an dem jene Wissenschaftler, die bisher immer an solch einer Situation gezweifelt hatten, einen wahnsinnig großen Kometen in den Tiefen des Alls entdeckten.
Ich weiß kaum noch an was ich damals dachte, als ich in den Nachrichten eines weltberühmten Nachrichtensenders die grausame Mitteilung erfuhr, daß unsere Welt bald nicht mehr sein sollte. Der riesige Komet raste mit unvorstellbarer Geschwindigkeit auf
unsere Erde hinzu. Ein Wink des Schicksals, oder eine Bestrafung für uns Menschen wegen der gewaltigen Ausbeutung des Organismus Erde ?
Es blieben jedem von uns nur knapp acht Monate Zeit. Eine Zeit, die sich branntmarkte in unseren Gedächtnissen. Alles was man noch zu erledigen hatte, wollte man unbedingt noch schaffen. Anderes ließ man einfach beiseite. Wenige machten sich noch einen schönen erholsamen Familienurlaub. Viele drängten sich in Verzweiflung und Selbstmitleid. Die Meisten aber flüchteten, obwohl sie genau wußten, daß sie auf keinen Berg der Erde klettern konnten, wo sie die gewaltige Flutwelle, ausgelöst durch den Einschlag des großen Kometen aus dem All, nicht wegreißen könnte, und daß sie sich in keinem Versteck vor den gigantischen Ausmaßen der alleswegfegenden Orkanen verkriechen könnten.
Und die Zeit kam mir damals verdammt knapp vor. Ich hatte keine Familie mehr, keine Ehefrau, nur eine entfernt wohnende Freundin, die ich höchstens jedes Jahr einmal sah. So schickte ich ihr einen Brief, der sie zu einem letzten Treffen einladen sollte. Doch die Antwort sollte ich nie erhalten. War sie in den gewaltigen Strudel geraten, in den die anderen Menschen, voller Unruhe, Hektik und Panik, sie gerissen hatten ?
So entspannte ich mich diese irrsinnig kurzen Monate, gönnte mir einen Urlaub, in dem ich allerdings weiter recherchierte. Ein guter Reporter sollte immer auf der Jagd nach einer Story sein. Doch so recht sollte es alles nicht klappen. Aber mein kleines Dasein erhöhte sich um ein Vieles, als ich bei meinem Urlaub an einem warmen Strandtag eine nette junge Frau kennenlernte. Nun, mit ihr zusammen verbrachte ich schöne viele Tage.
Die Zeit raste davon. Durch die Medien erhielt ich einen kleinen Einblick in die Grundlagen der Lebenserhaltung unserer Regierungen. Sie hatten seitdem Zeitpunkt, an dem sie die Gefahr der Öffentlichkeit mitteilten, einen Ausschuß gebildet. Die besten Wissenschaftler der Welt, Angehörige aus allen Regionen der Forschung, insbesondere aus der
Raketentechnik und der Raumfahrt, schlossen sich zu einem Verteidigungsgürtel zusammen.
Sie entwickelten eine Wunderwaffe. Sollte sie rechtzeitig wirken, wäre das neunte Weltwunder durch sie geprägt. Es war eine Rakete, bisher ungeahnten Ausmaßes. Sie sollte durch zwei Geleittransporter und eine Schubmachine, die den Hauptteil des gigantischen Schubs ausmachte transportiert werden und eine unglaubliche Explosionskraft von mehreren tausend Atombomben besitzen, die die Menschheit schon damals zur angeblichen Beendigung des zweiten Weltkrieges eingesetzt hatten.
Nach komplizierten Berechnungen, die an die Grenzen des durch Rechner berechenbaren stießen, hätte die Menschheit ihrem dramatischen Schicksal entkommen können. Dann nämlich wäre die Rakete in sicherer Entfernung im All mit dem Kometen zusammengestoßen und explodiert. Der Komet wäre nicht zerstört, sondern nur auf einen anderen Kurs geleitet, für die Forscher ein jetzt schon vollbrachter Akt.
Die Menschheit zitterte an dem Tag, an dem die Rakete einen Start ohne jede Schwierigkeit absolvierte, genauso, wie an dem Tag, an dem sie mit dem todbringenden Geschenk aus dem All zusammenstieß.
Die Zivilisation war gerettet. Der Komet wechselte durch diese sagenhafte Explosion mit der Rakete tatsächlich auf eine nur um wenige Grad verschiedene Umlaufbahn und führte jetzt einen Schweif Trümmer mit sich her. Doch die Gefahr war dennoch nicht ganz gebannt. Der Komet sollte nach neuen Berechnungen knapp an der Erde vorbeigleiten und ein Meer an Katastrophen auslösen, die jedoch ein Nichts im Gegensatz zur totalen Kollision darstellten. Das Wunder war geschehen.
Nun stellte sich wieder der normale Lauf der Dinge ein. Die Menschen gingen zu ihrer Arbeit, stritten und vertrugen sich, lebten weiter vor sich hin. Die Gefahr schien vergessen und obwohl ich schließlich auch wieder meinem Alltag nachging, nahm ich mir an dem Tag frei, an welchem der Komet die Erde hätte zerstören sollen. Von meinem Haus aus, einsam auf einer kleinen Anhöhe am Rand der Stadt liegend, betrachtete ich das Schauspiel sicher aus der Entfernung. Der Komet war schon seit einiger Zeit sichtbar gewesen, doch an jenem Abend sah man ihn besonders gut. Er hatte einen feurigen Schweif, der angefüllt war mit den Trümmerteilen, die bei der Explosion entstanden waren und sein Körper war mit einem weißen Nebel bedeckt. War er ein Engel oder ein Teufel ?
Als er gegen Mitternacht seinen Kurs von der Erde abwandte und langsam aber sicher in immer weitere Entfernungen vordrung und unser Leben somit noch einmal verschonte, konnte ich Teile seines langen Schweifes ausmachen, die weit am Himmel auf die Erde
hinabfielen. Wie dutzende von kleinen Sternschnuppen schlugen sie auf der Erde ein, mein Gott, sogar in der Nähe meines Hauses. Überall gingen sie hinunter, ein Sturm zog auf. Die Bäume bogen sich in den harten Wogen des Windes, der ein wahres Regenmeer mit sich brachte.
Dieses Schauspiel bot sich mir noch einige Stunden. Die Sternschnuppen schonten mein Haus und ich ging beruhigt, doch mit einem Hauch von Angst, zu Bett. Die Nacht verlief sehr ruhig, der Sturm legte sich. Die Welt war verschont geblieben, der Spuk vorbei.
Des Morgens erwachte ich recht müde, zog mich arbeitsfertig an und beschloß meinem vorherigen Lebensablauf treu zu folgen, immer dankend, noch ein zweites Leben erhalten zu haben. Mit diesen Gefühlen und meinem Aktenkoffer schritt ich zur Haustür, die
merkwürdigerweise klemmte. Sie mußte sich über Nacht verzogen haben. Ich bekam sie einfach nicht auf und so beschloß ich einen Blick aus dem Fenster meines Hauses zu wagen. Da lief es mir eisig kalt den Rücken herunter. Mein Puls beschleunigte sich. Mein
Herz raste, als sollte es bald verbrennen. Überall, einfach in der ganzen Gegend wuchsen ekelig schleimig grüne Pflanzen, die im Licht der Sonne, welches durch große grüne Pollenwolken getrübt war, glänzten. Sogar auf dem harten Teer der Straße gedien diese immer schneller wachsenden Pflanzen und sofort war mir eines klar geworden. Die Erde hatte die totale Zerstörung überstanden, doch jetzt, jetzt folgte die Invasion. Noch immer schlugen einige der Sternschnuppen auf dem sandigen Boden der Erde auf und da erkannte ich diese gräßlichen haarigen Kapseln, die dort vom Himmel regneten, auf dem Boden aufplatzend und mehrere Sporen freigebend, die sich in rascher Eile am Boden verankerten und eine dieser schleimigen Pflanzen erzeugten.
Langsam knarrte und knackte es an meiner Tür, bald würde sie unter dem Druck der lebensbedrohlichen Sporenpflanzen zerbrechen. Diesmal würde es kein Wunder geben, diesmal war es das Ende, das wirkliche Ende. Denn dieser tödliche Komet beherrbergte eine noch tödlichere Gefahr, die Sporen. Sie waren einfach überall. Langsam drangen die Pollen aus den großen Wolken auch in mein Haus, wo sie sofort wucherten und eine Art lebenden Pilzbelag bildeten. Es gab keinen Ausweg mehr.
So ging ich in mein Arbeitszimmer, wo ich mir einen letzten Scotch einschenkte und in meinem Arbeitssessel sitzend auf meinen Tod wartete. Langsam drang der ständig wachsende Pilz zu mir vor, befiel zuerst meine Füße, die merkwürdig brannten, dann meine Beine und schließlich auch meine Arme. Dann folgte das Glass mit dem kostbaren Getränk und zuletzt meinen gesamten Körper. Ich fiel in eine tiefe Trance, eine Art schmerzfreien und bewußtseinslosen Zustand, den der Pilz auslöste, um mir die Schmerzen seiner Verdauung erträglicher zu machen, das Ende war da.
[ 22.05.2002, 20:24: Beitrag editiert von: fastjack ]