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Ein Gemälde als Weg zur Liebe

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31.07.2003
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Ein Gemälde als Weg zur Liebe

Als Per zum Fenster hinaus schaute, ruhte sein Blick auf die langsam sinkende Sonne, die den bunten Herbstwald in ein goldenes Licht tränkte.

Zur gleichen Zeit saß Anna im Zug und arbeitete an ihrem Projekt.
Sie blätterte versunken ihre Unterlagen durch: das hier, das konnte ihr Durchbruch werden. Wenn es ihr gelingen würde, mit diesem in vielen Stunden sorgfältig ausgearbeiteten Konzept zu überzeugen und damit Fuß zu fassen in dieser internationalen Agentur -dann endlich wäre sie am Ziel ihrer Träume angelangt! All ihren Ehrgeiz hatte sie in dieses Projekt hineingelegt - was sie hier in den Händen hielt, das war einfach perfekt!

Die Wangen der jungen Frau färbten sich rosig bei der Vorstellung ihres Erfolges. Während sie alles noch einmal durchblätterte und hier und da den letzten Schliff anlegte, war all ihre Aufmerksamkeit beansprucht und sie nahm nichts wahr von der vorbei rauschenden Landschaft. Sie achtete auch nicht auf die Menschen um sich herum. Ein flüchtiger Blick auf ihre Armbanduhr: noch eine halbe Stunde, dann war der Airport Frankfurt erreicht, und dann würde sie in den Flieger nach London steigen und noch heute Abend Paul treffen, der sie mit namhaften Leuten der Branche bekannt machen wollte. Dann würde sie ihnen ihr Konzept präsentieren - Anna war ja so aufgeregt! Sie wollte ganz groß rauskommen, um jeden Preis!

Per konnte seinen Blick nicht lassen von der inspirierenden Stimmung vor seinem Fenster. Im Geiste griff er zu seiner Leinwand, den Farben und Pinseln - um dieses Bild festzuhalten. Wie gern würde er das jetzt tun! Aber in nicht einmal einer halben Stunde fing sein Dienst an, ihm blieb nicht mehr viel Zeit zum Genießen dieser Schönheit und Ruhe.

Sein Blick fiel auf das Foto an der Wand neben der alten Uhr, ein Familienfoto aus Kindheitstagen.

Seine eben noch so frohe Stimmung trübte sich. Familienidylle? Nein, weit gefehlt - das war sie hier nur zum Schein. Seine Eltern hatten ihm nie verzeihen können, dass er sein erfolgversprechendes Ingenieurstudium abgebrochen hatte, einfach so, um mehr Zeit und Ruhe zu haben für seine geliebte Malerei, die ihm alles bedeutete. In ihren Augen war er ein "Versager", ein "Träumer", "lebensuntüchtig" - unfähig, sich in der Gesellschaft einen Platz zu erobern. Es tut weh, ein Versager genannt zu werden, nur weil man der sein will, der man ist, und seinen Traum verwirklichen möchte. Seine Eltern hatten ihn seit diesem Entschluss als Sohn verstoßen.

"Wage es bloß nicht, noch einmal unser Haus zu betreten und um Geld zu betteln!" Die harten Worte seines Vaters hallten ihm noch in den Ohren.

Natürlich war ihm klar, dass er von seiner Malerei noch nicht leben konnte - aber was brauchte er schon zum Leben? Ein Dach überm Kopf, eine bescheidene Mahlzeit - damit war er zufrieden. Wenn er malen durfte, dann konnte er alles um sich herum vergessen und einfach nur glücklich sein.

Seine Brötchen verdiente er durch unterschiedliche Gelegenheitsjobs. Seit kurzem chauffierte er Sanitäter zu Notfallpatienten oder Unfallstellen. Es war OK und reichte zum Überleben.

An diesem Tag jedoch sollte sich sein Leben radikal verändern.

Die Einsatzstelle bekam die Meldung: "Bahnhof Limburg - im Zug bewusstlos gewordene Frau! Unplanmäßiger Halt des ICE. Bitte Notversorgung und Transport in die Klinik."

Am Bahnof angekommen, begleitete Per die beiden Sanitäter zu besagtem Zug, um eventuelle Hilfestellung zu leisten. Ein Bahnhofsvorsteher führte sie zum ICE-Wagen, in dem sich die Patientin befand, und die beiden Sanitäter begaben sich rasch hinein, während Per mit der Bahre auf dem Bahnsteig wartete.

Wenig später trugen sie eine Frau aus dem Zug und Per half, sie auf die Bahre zu legen und dort festzuschnallen. Plötzlich öffnete sie ihre Augen - und Per durchzuckte es wie ein Strom. Er sah in das Paar glänzendster blauer Augen, das er jemals gesehen hatte. Er konnte seinen Blick nicht mehr abwenden von diesem Gesicht, dessen blass gewordene Wangen von blondem Haar umspielt waren.

Annas Lippen öffneten sich und sie brachte schwach die Fragen hervor: "Wo bin ich? Was ist passiert?" Plötzlich macht sich Erschrecken breit auf ihrem Gesicht: "Ich muss nach Frankfurt, sofort! Zum Flughafen, bitte!"

"Wir fahren Sie in die Klinik, schöne Frau - Sie sind zusammengebrochen und waren ohne Bewusstsein und gehören jetzt in ärztliche Versorgung - ganz sicher aber nicht in ein Flugzeug!" erwiderte einer der Sanitäter.

Anna fühlte sich zu schwach, um zu antworten....... Per schaute die junge Frau unverwandt an... ihre Erscheinung prägte sich ihm fest ein, die blauen Augen, die wieder etwas rosiger werdenden Wangen, ihre vollen Lippen, das weiche Haar.... noch niemals in seinem Leben war er von einer Frau so fasziniert gewesen. Er glaubte sich in einem Traum.

Sie lieferten Anna in der Klinik ab - wie gerne wäre er ihr gefolgt... - aber ein neuer Auftrag tönte durch das Mikrophon: "Fischmarkt 3, Erdgeschoss - älterer Mann mit Atembeschwerden!" Per bekam alles nur noch wie durch einen Schleier mit - die Realität war für ihn nicht mehr existent. Er musste immer nur an dieses Gesicht, an diese Augen denken.

Es war 2 Uhr nachts, als sein Dienst beendet war. Nein, unmöglich konnte er jetzt schlafen. Er holte seine Leinwand und die Farbpalette, knipste das Oberlicht an und begann zu malen - er wollte SIE festhalten auf dieser Leinwand, so, wie er sie in Erinnerung hatte, ihr Gesicht, ihre Augen, ihre Nase, ihren Mund.... er malte mit wachsener Leidenschaft und spürte von Sekunde zu Sekunde mehr Liebe in sich - Liebe zu dieser Frau, deren Namen er nicht einmal wusste. Aber sie hatte etwas in ihm geweckt, das vorher nicht da war - und Sehnsucht packte ihn. Er merkte nicht, dass längst die Sonne aufgegangen war, er malte weiter und konnte erst aufhören, als sein Werk vollendet war.

Es wurde ein einmaliges Portrait - das schönste und beste, das er jemals fertig gebracht hatte. Er stellte es mitten im Raum auf - und seine Sehnsucht, vermischt mit der Genugtuung über sein Werk, erreichte ihren Höhepunkt.

Würde er sie jemals wiedersehen?

Anna schlenderte zufrieden durch London. Zu dumm, dass sie das Essen verpasst hatte aufgrund dieses unpassenden Schwächeanfalls. Aber sie hatte es sich selber zuzuschreiben - nachdem sie Tag und Nacht an diesem Projekt gearbeitet hatte, musste ihr Körper ja rebellieren - ihre Freunde und Bekannten hatten sie schließlich gewarnt, aber ihre Karriere stand nun mal an erster Stelle. Nichtsdestotrotz war alles gut gegangen - man hatte das Meeting um einen Tag verschoben, und sie hatte ihr Konzept mit großem Erfolg präsentieren dürfen - und jetzt war sie voller Hoffnung, dass sie den dicken Fisch an Land gezogen hatte. Da - ihr Handy klingelte. "Anna Meier?" - "Paul hier. Herzlichen Glückwunsch, Anna, du hast das ganze Komitee mit deinem Konzept überzeugt und bekommst den Auftrag - außerdem stehen noch andere Projekte in näherer Zukunft an. Anna - du hast es geschafft!" Sie jubelte innerlich laut auf..... dies, dies war der schönste Augenblick ihres Lebens!

Per träumte unterdessen immer noch von der Frau auf seiner Leinwand, in die er sich unsterblich verliebt hatte. Abends lag er im Bett und stellte sich vor, sie sei bei ihm. Er küsste zärtlich ihre Lippen, er strich ihr durch ihr Haar, streichelte sie sanft und liebevoll überall und verwöhnte sie zärtlich mit seinen Händen und Lippen, bis ihre Körper in liebevollen Umarmungen eins würden.

Würde er sie jemals wiedersehen?

Und wenn? Plötzlich verdunkelte sich sein Gesicht. Und wenn? Was wollte sie mit einem wie ihm? Er war ein Versager, ein Träumer, verdiente kaum genug Geld für sich selbst. Was konnte er ihr überhaupt bieten? Seine Eltern hatten Recht gehabt - er war ein Versager, unfähig, eine Frau wie diese jemals für sich begeistern zu können.

Die Bilder, die er von jetzt an malte, spiegelten seine Gedanken und Stimmungen wider. Er war plötzlich nicht mehr daran interessiert, Landschaften oder Burgen zu malen - jedes einzelne Bild war eine Momentaufnahme seiner Seele, jedes brachte etwas anderes von ihm zum Ausdruck: mal war es Liebe, oder Sehnsucht, oder Zorn, Enttäuschung, oder unendliche Wehmut und Traurigkeit, Angst, oder Zärtlichkeit, oder Bitterkeit.

Eines Abends klingelte es an der Tür, und sein ehemaliger Schulfreund Roger besuchte ihn. Er war inzwischen erfolgreicher Auktionär und tingelte mit seiner Ware durch ganz Europa. Sie unterhielten sich über alte Zeiten, und Roger wurde aufmerksam auf Pers Bilder.

"Hör mal - die sind gut! Was hältst du davon, wenn ich eine Auswahl auf meine nächste Auktion in Paris mitnehme?" Per stutzte. "Meinst du wirklich? Ja, von mir aus, such dir aus, was dir am besten gefällt!" Irgendwie schmeichelte Per der Gedanke, dass seine Bilder einem breiteren Publikum vorgestellt werden sollten. Roger betrachtete sich eingehend Pers Bilder, insbesondere seine Stimmungsbilder sagten ihm sehr zu. Dann sah er das Portrait von der unbekannten Frau. "Du, Per, das ist genial - das muss ich unbedingt mitnehmen!"

- "Nein!" widersprach Per. "Dieses Bild werde ich niemals verkaufen!" Roger überlegte einen Augenblick lang. Dann antwortete er: Du brauchst es auch nicht zu verkaufen - lass es mich ausstellen, damit die Leute sehen, wie du malen kannst. Allein das zählt. Vielleicht bekommst du aufgrund dieses Bildes mehrere Portraits in Auftrag?"

Per war zuerst hin- und hergerissen, ließ sich aber schließlich dazu überreden, Roger das Bild zu überlassen. "In acht Tagen hast du es wieder - dann bin ich zurück aus Paris. Versprochen!"

Er war damit einverstanden - schließlich war das Bild seiner Angebeteten in sein Herz gebrannt.

Anna hatte ihr erstes eigenes Projekt erfolgreich zuende gebracht und war nun auf dem Weg nach Paris, um dort ein neues Projekt in Angriff zu nehmen. Sie war happy, natürlich, und ihr Ehrgeiz war noch genauso groß wie am Anfang. Aber irgendwie fühlte sie sich ausgepowert. Die Arbeit hatte ihr unheimlich viel Spaß gemacht. Gleichzeitig fühlte sie sich innerlich leer, wusste aber nicht wieso und weshalb. In Paris sollte sie mit einer Design-Firma zusammenkommen. Sie flog einen Tag früher, um noch Zeit zu haben, sich die Stadt anzuschauen. Es war ihr erster Besuch hier. Paris - die Stadt der Liebe. Liebe? Daran zu denken hatte sie in den vergangenen Jahren ihres Studiums und des Aufbaus ihrer Karriere nicht einmal die Zeit gehabt. War es das, was ihr fehlte - die Liebe? Sie beobachtete verstohlen die verliebten Pärchen, die eng umschlungen durch die Parks gingen, sich umarmten und küssten - und irgendwie machte sich Wehmut in ihrem Herzen breit. Eine Wehmut, die sie bisher gar nicht gekannt hatte - aber plötzlich war sie da.

Auf einmal blieb Anna wie angewurzelt stehen und hatte das Gefühl, den Boden unter ihren Füßen zu verlieren. Ihr Blick fiel in das Schaufenster eines Auktionshauses, und - nein, sie traute ihren Augen nicht - da sah sie ein Bild von SICH. Das konnte doch nicht möglich sein. Sicherheitshalber kniff sie sich in den Arm, schloss ihre Augen dabei und öffnete sie wieder: nein, unfassbar, es war immer noch da - ein Bild, das sie, Anna zeigte. Anna betrat das Auktionshaus und betrachtete das Bild aus der Nähe - dabei wurde ihr irgendwie anders. Sie hätte nicht beschreiben können, welche Empfindungen sie dort beim Anschauen ihres Portraits übermannten - das war nicht einfach ein Portrait, darin kamen Gefühle zum Ausdruck, darin war Liebe zu lesen. Jedes Detail war derart liebevoll dargestellt und ausgedrückt - sie hätte niemals Worte dafür finden können. Ihr kamen Tränen in die Augen.

Sie hielt Ausschau nach dem Auktionär. Als sie ihn endlich fand, fragte sie ihn: "Wer hat dieses Portrait gemalt?"

Roger antwortete: "Ja, ist es nicht wundervoll - sehen Sie, daneben stehen noch mehr Bilder von diesem Künstler, er lebt in Deutschland."

Erst jetzt stutzte Roger und erkannte mit wachsender Überraschung in Anna die Darstellung des Portraits.

Anna ging zurück zu dem Bild und nun betrachtete sie auch die Kunstwerke daneben. In jedem einzelnen erkannte sie Gefühle, Leben, Tiefe, Leidenschaft. Sie hätte sich nicht vorstellen können, einmal angesichts von Bildern derartig tiefen Empfindungen ausgesetzt zu sein, zumal sie sich bisher nie sonderlich für Malerei und Kunst interessiert hatte. Die Zeit verging, und sie merkte es kaum, so fasziniert war sie vom Anblick dieser Bilder und vor allem - ihres Portraits.

Roger beobachtete sie verstohlen. Schließlich näherte er sich der jungen Frau. "Gefallen Ihnen die Gemälde?"

"Bitte sagen Sie mir, wer ist der Maler, und wo wohnt er?" Roger gab ihr Auskunft, dass der Künstler sein Freund Per Henning aus Limburg war, einem kleinen Ort an der Lahn.

In Annas Kopf überschlugen sich die Gedanken. Jemand, der sie so gut malen konnte, der musste sie sehr gut kennen - aber wer kannte sie so gut? Wie war das möglich? Mit einem Mal war es, wie wenn ein Blitz sie durchzuckte. Plötzlich konnte sie sich an ein Paar brauner Augen erinnern, die sie ansahen..... es war damals, vor ein paar Monaten, bevor sie ihren großen Durchbruch in London hatte..... als sie im ICE bewusstlos geworden war und irgendwo auf der Strecke aus dem Zug getragen und in die Klinik gefahren werden musste... dieser Sanitäter oder Fahrer oder wer das war, mit seinen braunen Augen, die sie so liebevoll ansahen..... Der Ort an der Lahn.....Plötzlich durchströmte sie ein warmes Gefühl, das sie in dieser Form noch nicht erlebt hatte.

Konnte es sein, dass dieser Mann...?

Anna erinnerte sich, wie wütend sie damals gewesen war über diesen Schwächeanfall. Nur ihre Karriere hatte sie im Kopf gehabt - wieso waren ihr diese braunen Augen überhaupt nicht aufgefallen, und wieso erinnerte sie sich gerade jetzt an diese Augen?

Anna wendete auf dem Absatz und sagte zu Roger: "Ich möchte dieses Bild kaufen!" - "Tut mir sehr Leid", erwiderte Roger, "aber es ist unverkäuflich. Der Maler will es nicht verkaufen."

"Ich zahle alles dafür, was Sie wollen!" - "Sorry, es geht wirklich nicht! Ich habe es meinem Freund hoch und heilig versprochen, es wieder mit zurück zu nehmen." Anna überlegte nur einen Augenblick lang. "Geben Sie mir das Bild, ICH will es dem Maler persönlich zurück bringen!"

Roger zögerte wenige Sekunden lang, sah abwechselnd auf das Portrait und die Frau vor ihm, dann machte sich ein Lächeln über seinem Gesicht breit: "OK, schöne Frau! Aber bitte geben Sie mir vorher Ihren Namen und Ihre Adresse - dann soll es mir recht sein!"

Plötzlich war der Auftrag in Paris gar nicht mehr so wichtig für Anna. Sie erledigte ihre Präsentation so gut sie es konnte, und hoffte, sich baldmöglichst auf den Heimweg nach Deutschland machen zu können. Sie wunderte sich über sich selber: War ihr ihre Arbeit, ihre Karriere nicht bis vor kurzem noch über alles gegangen? Hatte sie je mehr gebraucht? Was war das, was da jetzt in ihr vorging?

Ihr Herz überschlug sich fast, als sie in Limburg vor dem Haus der genannten Adresse stand, die Stufen hinaufging und bei dem angegebenem Namen klingelte. Leider tat sich daraufhin nichts. Sie klingelte ein weiteres Mal. War er nicht daheim? Kurzerhand setzte sie sich mit dem Bild auf dem Schoß auf die Stufen vor die Tür, um zu warten.... irgendwann musste er ja heimkommen, dachte sie. Aber er kam nicht. Nach etwa einer Dreiviertel Stunde kam eine ältere Frau auf den Hauseingang zu. "Wen suchen Sie denn?" - "Herrn Per Henning!". Die alte Frau schwieg einen Moment, dann erwiderte sie: "Den Maler? Den haben sie vor ein paar Tagen in die Uniklinik Mainz gebracht - mehr weiß ich nicht!"

Anna erschrak.

Sie eilte zum Bahnhof und nahm den nächsten Zug Richtung Mainz und fragte sich dort durch, bis sie das Uni-Klinik-Gelände erreichte. An der Rezeption verwies man sie an die Oberschwester der Intensivstation betreffenden Klinikteils. Die aber hatte offensichtlich keinen guten Tag, denn sie fuhr Anna barsch an: "Sind Sie eine Angehörige? Wir dürfen nur Angehörige zu Herrn Henning lassen." Den Bruchteil einer Sekunde dachte Anna nach, bevor sie antwortete: "Ich bin seine Verlobte!" - Die Oberschwester wurde noch eine Stufe unwilliger: "Und dann kommen Sie erst jetzt? Seit Tagen versuchen wir, Angehörige von Herrn Henning zu erreichen - bis jetzt ist niemand gekommen!" - "Was fehlt ihm denn?" - "Das müssen Sie Dr. Brendow fragen." Das Bild immer noch fest unter ihrem Arm gepresst, sieht sie einen Weißkittel aus dem Zimmer herauskommen, das die Oberschwester ihr genannt hatte. "Dr. Brendow?" - "Ja, kann ich Ihnen helfen?" - "Mein Name ist Anna Meier. Was fehlt meinem Verlobten, Herrn Henning?" Anna wunderte sich über sich selbst, wie sie von einem wildfremden Mann als von ihrem "Verlobten" reden konnte.

"Er hatte einen Tumor im Gehirn. Wir haben ihn operiert, können aber noch nichts Näheres sagen, ob sich eventuell Metastasen gebildet haben. Wir müssen weitere Untersuchungen abwarten." - "Darf ich zu ihm?" - "Wir haben ihn gerade auf Normalstation verlegt - er schläft - gehen Sie ruhig hinein, Zimmer 106. Sie sind eh die erste, die ihn hier besucht. Aber nicht so lange, bitte!"

Anna betrat klopfenden Herzens das Krankenzimmer. Was mache ich hier eigentlich? schoss es ihr durch den Kopf. Ihr Blick fiel auf den jungen Mann, der mit geschlossenen Augen im Bett lag. Einem Impuls folgend nahm Anna ihr Portrait und tauschte es gegen ein an der Wand hängendes Bild aus. Dann setzte sie sich ein Stück weit weg auf einen Stuhl und betrachtete diesen Mann.

Als Per die Augen öffnete, fiel sein Blick auf SEIN Bild, das seine Angebetete darstellte. War Roger hier gewesen, während er schlief? Wie umsichtig von ihm, dass er ihm das Bild hierher ins Krankenzimmer gebracht hatte. Ein Lächeln umspielte sein Gesicht, dann nickte er wieder ein.

Anna stand langsam auf und ging auf sein Krankenbett zu. Er gefiel ihr, dieser Mann - ganz besonders aber gefielen ihr die Gefühle und Leidenschaften, die er in diesem sowie in den anderen Bildern ausgedrückt hatte und die sicher ein Spiegelbild seiner Seele waren. Dadurch wurde ihr dieser Mann dort ganz besonders interessant und wertvoll, und sie wollte ihn unbedingt näher kennen lernen. Sie hatte das Gefühl, dass sich ihr Herz längst mit dem Seinen verbunden hatte.

Aber vielleicht bildete sie sich das alles ja nur ein? Vielleicht war Per Henning nur ein Profi-Maler, der x solcher Portraits und Bilder gemalt hatte, so wie sie selbst ihre Konzepte ausarbeitete - ohne Gefühl oder Leidenschaft, einfach nur mechanisch. Sie schaute noch einmal auf zu dem Gemälde - nein, das war unmöglich, ein solches Bild konnte nicht mechanisch und ohne Gefühl entstehen - niemals. Außerdem - hatte Roger nicht gesagt, er wolle es um keinen Preis verkaufen?

Sie wagte es und setzte sich auf sein Bett und schaute ihn einfach nur an.

Plötzlich schlug Per die Augen auf, und sein Blick fiel auf ihr Gesicht mit den vor Aufregung rot gefärbten Wangen, und seine Augen begegneten Annas Augen und versanken darin. Traum? Nein, die Realität hatte begonnen....

 
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Hallo miacamara,

eine sehr schöne Geschichte :p, die sich super lesen lies. An ihr sieht man, dass die Liebe auch Zufälle braucht.

Nur eine Kleinigkeit:

Am Bahnof angekommen, begleitete Per die beiden Sanitäter zu besagtem Zug, um eventuelle Hilfestellung zu leisten. Ein Bahnhofsvorsteher führte sie zum ICE-Wagen, in dem sich die Patientin befand, und die beiden Sanitäter begaben sich rasch hinein, während Per mit der Tragebahre auf dem Bahnsteig wartete.
Eine Bahre verwendet man bei Toten. Sonst heist sie einfach Trage.

Liebe Grüße

Der Herminator :read:

 

Ouups - danke für den Hinweis.... nun ja, mit Toten solletn Sanitäter natürlich nicht gleich rechnen....:p

 

Hallo miacamara,

meine Kritik zu dem Text kennst Du ja schon von einer anderen Seite. Da der Text nicht geändert wurde, hat sich auch an meiner Kritik nichts geändert. Ich weiß auch nicht, ob es sehr sinnvoll ist, überhaupt noch Kritik bei Deinen Texten anzubringen, da ja immer gleich alles gelöscht wird, wenn Dir die Kritiken zu negativ sind. Schade eigentlich, dass Du die Kritik nicht als Möglichkeit verstehst, Dein Schreiben zu verbessern.

Joh

 

Hallo Joh, hallo alle anderen!

die Löschung der beiden Texte (Nebel wurde von den Mods automatisch gelöscht, da es keine Kurzgeschichte war) hatte andere Gründe, nämlich dass ich die Erotik-Story nach der wohlbegründeten Kritik selber bescheuert fand und sie von mir aus rausnehmen wollte 8ich hatte die Kritikerin persönlich angemailt und mich für ihre Kritik bedankt), während ich die Geschichte Mein Freund - tu das nicht wieder, aus persönlichen Gründen gelöscht habe. Es war nämlich ein schmerzlicher Tatsachenbericht aus meinem Leben - und ich merkte, dass es ein Fehler gewesen war, diesen in ein öffentliches Forum zu stellen, da mir in diesem speziellen Fall die "Zerpflückung" weh tat (Anmerkung: meinem Freund geht es leider immer noch nicht viel besser und ich mache mir täglich Sorgen um ihn).
Ich bitte von daher um Entschuldigung.
Dann (bin ja Neuling) noch was Grundsätzliches:
Es ist also OK, die Texte nachträglich zu bearbeiten?
Ich dachte nämlich, wenn ich das tue, dann sind die Kritiker sauer, weil ja anschließend die "falsche Kritik" druntersteht.... (???)
Andernfalls würde ich die Texte nämlich sehr gern bearbeiten!!
Noch was: ich habe auch den Fehler gemacht, zu viele Texte reinzusetzen auf einen Schlag.
Ich hoffe Ihr verzeiht mir meine Anfangsschwierigkeiten und gebt mir noch eine Chance (*bettel*)?

Liebe Grüße
Mia

 

Hi,

habe meine Adjetive in diesem Text noch einmal überprüft und überarneitet....

Gruß
Mia

 

Es ist also OK, die Texte nachträglich zu bearbeiten?
Das ist als Ausdruck des Entgegenkommens den Kommentatoren / Kritikern gegenüber sogar ausdrücklich erwünscht. Bei größeren Veränderungen (also jetzt nicht bei diesen hier), zB. der Streichung / Hinzufügung ganzer Absätze, kannst du es ja so handhaben, die neue Version einfach als neuen Beitrag unter deine alte Geschichte drunterzusetzen, wie es auch einige andere Autoren hier machen. Da weiß dann gleich jeder unmittelbar was Sache ist - anhand der Position des Beitrags im Thread und natürlich am Datum / der Zeit.
Noch was: ich habe auch den Fehler gemacht, zu viele Texte reinzusetzen auf einen Schlag.
Da haste allerdings recht... :dozey:

das macht jetz aber nix mehr...

 

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