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Ein Garten voller Blumen

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31.07.2002
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Ein Garten voller Blumen

Liebes Tagebuch, zur Zeit bin ich so durcheinander, daß ich nicht mehr sagen kann, wer ich eigentlich bin und was ich tue. Jeden Tag passiert etwas Neues, etwas Unerwartetes, mit dem ich nicht gerechnet habe. Und vieles zwingt mich zurückzuschauen, stehenzubleiben, um es näher zu betrachten. Es ist fast so, als ginge ich durch einen Garten mit vielen schönen Blumen. Doch nicht alle sind so schön, wie sie zu sein scheinen. Denn die Schönheit ist nicht in ihnen selbst verborgen, sondern liegt nur im Auge des Betrachters. Und die Augen der Betrachter dieser Welt sind blind geworden, genauso wie ihr Erinnerungsvermögen, das ihnen die Sicht für die Schönheit wieder klarer machen könnte.
Auch ich bin eine derjenigen, die vorübergeht, die nicht hinsieht, nur um nicht erkennen zu müssen, daß ich vielleicht nicht in diesen Garten gehöre, daß ich nicht dorthin passe. Nur manchmal wage ich hinzuschauen, immer dann wenn etwas Neues passiert, wenn ich eine Blume entdecke, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Dann bleibe ich stehen und betrachte sie- betrachte mich. Doch ich darf nicht zu lange hinsehen, denn sonst bin ich so durcheinander, wie ich es heute bin.
Ich weiß nicht recht wie ich es erklären soll. Es ist so ein merkwürdiges Gefühl, das sich so schwer beschreiben läßt. Ich sehe in den Spiegel, sehe mich an, schaue mir direkt in die Augen und im selben Moment sehe ich an mir vorbei, durch mich hindurch, als wäre ich gar nicht vorhanden, als wäre ich unsichtbar. Nur für Bruchteile von Sekunden glaube ich etwas, ich weiß nicht, was es ist, aufflackern zu sehen, etwas, das mir bekannt vorkommt, das mir vertraut scheint- ein Teil von mir. Und dies führt mich zu der Erkenntnis, daß ich mich selbst eigentlich gar nicht kenne und nicht sagen kann, wer ich bin, denn sonst würde ich nicht nach mir suchen müssen, wenn ich in den Spiegel sehe. Aber ich zweifle auch an dem Sinn, die Antwort auf diese Frage zu wissen. Denn was nützt es mir- dieses Wissen? Habe ich dadurch nicht einen Nachteil gegenüber anderen? Ich würde ja auch nicht nach dieser Antwort suchen, wenn ich nicht immer wieder in bestimmte Situationen geraten würde, die mich dazu zwingen, mir diese Frage zu stellen. Aber vielleicht sollten wir doch versuchen, uns selbst besser kennenzulernen und sollten jede Blume pflücken, um an ihr zu riechen und ihren Duft kennenzulernen. Denn nur wenn die Augen der Betrachter dieser Welt wieder sehend werden, werden auch sie sich selbst finden.

 

Hallo Katrinchen!

Eine schöne und bildlich geschriebene Kurzgeschichte, die zum Nachdenken anregt.
Vor allem die beiden letzten Sätze, die den Inhalt der Story erklären, finde ich gut gewählt.
Viele Grüße, Michael :)

 

Hi Michael!

Vielen Dank für Dein Lob! Freue mich über jede Reaktion, auch wenn sie negativ sein sollte.

Liebe Grüße
Katrinchen

 

Hallo Katrinchen!

Ja, ganz genau so ist es :thumbsup: :thumbsup: :thumbsup: !

Dein Schlußsatz ist einfach zu schön, um ihn nicht zu zitieren:

"Denn nur wenn die Augen der Betrachter dieser Welt wieder sehend werden, werden auch sie sich selbst finden."
Sehr gut rübergebracht!

Alles liebe
Susi

 

Hallo Katrinchen,

das idyllisch- romantische Bild, daß Du durch Deine Wortwahl heraufbeschwörst, steht in einem interessanten Kontrast zu den Erkenntnisproblemen, die der Garten des Lebens beinhaltet.
Wenn die Blumen immer nur so schön sind, wie das „Auge des Betrachters“ sie sieht, dann sind doch auch alle Blumen so schön, wie sie „zu sein scheinen“ ?

Tschüß... Woltochinon

 

Das ist eine interressante Frage Woltochinon, aber ich denke das Problem ist, dass die Betrachter nicht wissen, dass sie selbst die Gabe haben, die Schönheit zu erkennen oder dass sie, wenn sie meinen, die Schönheit für sich entdeckt zu haben, sich diese nach längerem Hinsehen als eine Einbildung und der Sehnsucht seine innersten Wünsche wirklick werden zu lassen, entpuppen.
Und deshalb sind auch so viele Augen blind geworden...

 

Hallo Katrinchen,

ich weiß schon, was Du ausdrücken willst.
Wenn `die Betrachter nicht wissen, daß sie selbst die Gabe haben, die Schönheit zu erkennen´ dann sind für sie alle Blumen unschön, da sie immer nur so schön sind, wie das „Auge des Betrachters“ sie sieht.
Dann paßt aber die Aussage „nicht alle sind so schön, wie sie zu sein scheinen“ nicht.
Die Qualität Deiner Geschichte ist nicht von diesem Satz abhängig, Du kannst ja entscheiden, ob Du einen Editierbedarf siehst, oder nicht. Ich finde solche Überlegungen halt ganz interessant, sie schulen genaues lesen. Hatte auch schon Geschichten mit solchen Satz- Diskussionen.

Tschüß... Woltochinon

 

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