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Ein ganz normales Leben

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09.12.2007
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Ein ganz normales Leben

Das Leben eines Oskars - eines gewöhnlichen Wesens der Art Mensch.

Oskar war klein und fragte nach Gott.
Da nahm jemand ihm sein Schaukelpferd.
Er wurde größer und fragte nach Aufklärung.
Da gab man ihm ein Zimmer zusammen mit seinem Bruder.
Er wurde größer und fragte nach Gerechtigkeit. Nach Gleichheit und Antikommerzialisierung, nach Kapitalismus, freier Marktwirtschaft, Steueranteilen, Rentenausgleich Hartz IV, RüRup und Riester, Kassenbeitragserhöhung und Diätenerhöhung. Nach Gerechtigkeit eben.

Da gab ihm jemand fünfzig Mark.
Er wurde größer und fragte nach der Beschaffenheit der Mandarine.
Da gab ihm jemand Orangen.
Er wurde größer und fragte nach politischer Meinungsbildung.
Da bombardierte ihn jemand mit Werbung. Mit Kugelschreibern und Radiergummis, mit Bonbons und Notizblöcken, mit Luftballons und Flyern, mit Anspitzern und Federmappen.
Mit FDP-Fähnchen für Cocktailspieße, mit Grünen Aufklebern für den umweltfreundlicheren Autofahrer und mit Merkel-Collagen mit Bildern von 1990 bis 2007 auf Baumwoll-CDU-Handtüchern, die arme Kinder in Indien für einen halben Cent pro Stunde in Accordarbeit ohne Gummihandschuhe herstellten, die von der vierzig Stunden Woche nur zwischen Karfreitag und Ostern träumen dürfen. Ja so was! Man!

Er wurde älter und fragte nach dem Tod.
Da gab ihm jemand die Nummer eines Bestattungsinstituts.


Und Oskar fing an darüber nachzudenken. Er dachte nach.
Er dache: Was zum Teufel hatte Gott mit meinem Schaukelpferd zu tun. Und wenn seine Gerechtigkeit nicht mehr als fünfzig Mark wert ist, woher kriegt Jesus damit genug Brot und Fisch für 5.000 Leute, sodass immer noch je zwölf Körbe übrig bleiben. Und warum ist es gerecht, dass er diese zwölf Körbe nicht auch noch verteilt?
Und als ich den Bestatter angerufen habe, konnte der mir auch nicht sagen, welchen Friedhofsausgang ich zum Paradies nehmen muss. Und meine fünfzig Mark reichen ihm nicht einmal für einen Platz neben den Gräben des angrenzenden Gartens von Jürgen Rieger hatte er gesagt. Wer für die Unkosten aufkommen würde hatte er gefragt. Nach meinen Nachkommen hat er gefragt. Ein Zimmer mit meinem Bruder teilte ich hatte ich gesagt. Und er lachte, sagte, „denken sie an ihre Zukunft bevor sie an ihren Tod denken“ und legte auf. Denken sie an ihre Zukunft bevor sie an ihren Tod denken, hatte er gesagt.
Was ist Zukunft? Ist das Leben nach dem Tod ein Leben nach der Zukunft? Ist die Zukunft das Leben nach dem Tod? Kinder sind die Zukunft hatte jemand gesagt. Sind Kinder nur Zukunft solange sie jung sind? Solange sie Kinder sind? Wo ist meine Zukunft? Einkaufen? Bin ich dann unwichtig? Bin ich ersetzbar? Ich denke nein, aber natürlich nicht. Aber für wen sind sonst die zwölf Körbe Brot und Fisch? Die Welt ist voll; sechs Milliarden Menschen. Kapitalismus regiert. Ist Jesus Kapitalist? Zukunft für mich?

Keine Antwort. Oskar bekam nie eine Antwort.
Und als er nach Vergänglichkeit, nach Bewusstsein und nach Zeit fragte,
da schaltete jemand das Licht aus.
Eine Antwort. Man fand sie bei Oskar als er da so lag. Zwischen seinen Füßen fand man sie unter FDP-Spießen und Grünen Aufklebern.
„Ich musste es wissen“, hatte er geschrieben, „aber Jemand nahm mir den Mut zu fragen.“

 

Hallo dixiklo,

Ja, die schon strukturell gewordene Falschheit der Welt kann einen sicherlich zur Verzweiflung treiben. Man kann darüber wohl sogar das Fragen selbst verlernen, wie die verwirrten Fragestellungen des Protagonisten zum Ende hin zeigen.
Die Idee ist recht allgemein, die Schilderung durch ihre Knappheit doch ziemlich beliebig und ohne wirklich literarische Ambition, wie mir scheint. Dennoch nicht ohne Unterhaltungswert.
Dies hier

Das Leben eines Oskars - eines gewöhnlichen Wesens der Art Mensch.
würde ich aber streichen. Wenn an der Geschichte was Allgemeingültiges ist, merkt's der Leser auch ohne diesen gestelzten, unpersönlichen Einstieg. Auch das Ende hätte etwas weniger pathetisch sein können, aber nun gut, jeder wie's ihm gefällt.


Gruß,
Abdul

 

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