Ein ganz normaler Spaziergang (zumindest für eine)
Ein ganz normaler Spaziergang (zumindest für eine)
Birken säumten den Fluß, warfen ihre dunklen Schatten voraus, die hölzernen Zeitzeugen. Schwarze Geister tanzten zwischen glitzernden Perlen auf der sich sanft kräuselnden Flußoberfläche.
Die knarrende Windmühle ließ ihre Räder rotieren, ruhig und gleichmäßig, ein Kreislauf, ohne Anfang, ohne Ziel.
Er ließ seinen Blick schweifen, stierte irrend in die Ferne, sah hinweg über die gelben, sich im warmen Spätsommerwind wiegenden Kornfelder. Jede kleine Nutzpflanze als ein Teil des immensen Windspiels.
Zwei Pferde stoben über eine grüne Wiese, kleine Staubwolken erhoben sich wirbelnd aus dem trockenem Boden unter ihren dröhnenden Hufen.
Dann verlor er das Gleichgewicht, wankte, aber konnte sich noch gerade eben abfangen. Ein Stein, murmelte er, mitten auf dem Sandpfad.
Sie ging die Strecke öfter, eigentlich jeden Tag, schließlich brauchte ihr reinrassig schwarzer Labrador regelmäßig Bewegung. Der zog und zerrte an der roten Leine, gestreßt zog sie ihn enger an sich. Bei Fuß!
Die Pfennigabsätze ihrer zierlich schmalen Schuhe bohrten kleine Löcher in den Sand, manchmal blieb sie hängen und drohte zu stolpern, doch das geschah nicht.
Aus ihrer raffinierten Hochsteckfrisur löste der Wind einzelne blonde Haarsträhnen. Genervt versuchte sie die losen Haare zurück in die alte Position zu bringen, doch leichte Böen machten ihr Unterfangen unmöglich, auch blieben ihre noblen Ringe in ihrer blonden Haarpracht hängen und die Frisur litt mehr unter den Rettungsversuchen, als das sie halfen.
In gut 200m Entfernung saß ein ungepflegt aussehender Mann im Gras an der Uferböschung. Wohl ein Penner.
Nervös fiel ihr Blick auf ihre Armani-Armbanduhr. Oje, es war viel später, als sie erwartet hätte. Ihr dunkler Hosenanzug war, durch den aufwirbelnden Sand, leicht verdreckt. Verärgert schlug sie eine schnellere Gangart ein.
Er sah zur Seite und sah sie in einiger Entfernung. Der Sandpfad war ihr Laufsteg, ein angenehm femininer Gang. Weichen, federnden Schrittes kam sie in seine Richtung. Ihr langes blondes Haar fiel sanft auf ihre Schultern, die lediglich von dünnen Spaghettiträgern ihres hellblauen Sommerkleides bedeckt waren.
Der Wind drückte den Stoff schmeichelnd an ihren Körper und er konnte ihre wohlgeformten Schenkel erahnen. An einer rosafarbenen Leine führte sie einen schwarzen Pudel, der bedächtig im Gras nach Markierungen ranghöherer Hunde schnüffelte.
Sie sah ihn an und rannte auf ihn zu. Der Wind ließ nun ihre gesamte Figur durch ihr Sommerkleid durchscheinen, ihre wohlgeformten Brüste, die schlanke Taille und das weibliche Becken.
Alle diese Eindrücke kamen ihm entgegen, als hätte er beim Videorecorder die Taste "Slowmotion" gedrückt. Sie strahlte übers ganze Gesicht und er verlor sich in ihren blauen Augen. Sommersprossen besprenkelten ihre Wangen und ihrer zierliche Stupsnase. Sie ließ die Leine los und fiel ihm in die Arme. Erlöst schmiegte er seinen Körper an ihren. Eine Parfumwolke umfing ihn und er zog den zarten Blütengeruch auf. Er spürte ihre Lippen, sanft und feucht.
Der Flaschenhals seines treusten und damit besten Freundes, der silberne Flachmann, gefüllt mit billigen Schnaps.
Sie machte einen möglichst großen Bogen um den Penner und stieg in ihren grünen BMW Z3, der an der Straße geparkt war, in die der Sandpfad mündete.
Während er wankend aufstand, ließ er den Flachmann zu Boden fallen und die kühle Flüssigkeit tränkte den trockenen Boden. Dann rannte er in Richtung des grünen Autos, hörte den Motor starten und konnte noch einen Blick auf den Beifahrersitz erhaschen.
Dort saß ein schwarzer Labrador.