Mitglied
- Beitritt
- 22.09.2003
- Beiträge
- 4
- Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:
- Kommentare: 7
Ein ganz normaler Samstag
Ein ganz normaler Samstag
Gegen Morgen setzte sich meine Frau im Bett auf, starrte eine Weile in die Luft, packte mich an der Schulter und sagte: „Heute ist mein!" Jener belanglose, einfach daher gesprochene Satz implizierte ein morgendliches Ritual, das zweifelsohne darauf aus war mich schnellstmöglich aus dem Bett zu holen. Meine müden Gehirnsynapsen vereinigten sich mit aller Macht zu einem Satz, der wohl so ähnlich klang wie: „Nein, ich will nicht!“ Mit kreischender Stimme bekam ich die prompte Antwort: „Du hast mir versprochen, dass wir heute Schoppen gehen!" Die Gattung, die der männlichen zugesprochen werden darf, wird nachvollziehen können, welche enormen Konsequenzen das Wort 'Schoppen' nach sich ziehen wird. Manchmal, wenn Fortuna ein Lächeln für mich übrig hatte, konnte sich das Procedere des Aufstehens meiner besten Hälfte bis zu meinem eigenen um einige Zeit verzögern. Allerdings nicht heute! In sich permanent wiederholenden weiblichen Klängen, die ich unmissverständlich meiner Frau zuordnen konnte, ertönte: „Aufstehen, Roli! Jetzt mach schon, wir müssen los!" Ich bin lange genug mit meiner Frau zusammen, um zu wissen, wann jeder Widerspruch sinnlos ist. Lustlos rollte ich mich aus dem Bett und taperte zum Bad. Von da an verlor ich jeden Einfluss auf die Entwicklung der Dinge. „Roland", hörte ich eine vertraute Stimme sagen. Die Tatsache, dass mich meine Gattin mit Roland ansprach, verdeutlichte noch einmal den Ernst der Lage. „Roland, zieh bitte die Sachen an, die ich dir herausgelegt habe. Und beeil dich! Vergiss aber nicht dich schön zu machen für mich! Du weißt ja, wie ich das immer so liebe!" Ich sollte an dieser Stelle einflechten, dass ich ein moderner Mann bin, der der Emanzipation der Frauen wohlwollend entgegen sieht. Von jeher bin ich in der Lage, jegliche Konfrontation mit meinem Intellekt zu lösen. Und so kam es, allein des Friedens Willen, dass ich die Garderobe bevorzugte, die man mir herausgelegt hatte.
Auch dass ich mein Aussehen den Vorlieben meiner Frau anpasste entsprach lediglich einer gutmütigen Tagesform, die ich angesichts des gut werdenden Wetters hatte. Unterdessen hatte Melanie ihre aufgedrehten Haare fixiert und ihr Make-up so weit perfektioniert, dass das Schoppen beginnen konnte.
Es war ein ganz normaler Samstagvormittag in der Innenstadt. Den warmen Sonnenstrahlen war es zu verdanken, dass ein reges Treiben dort herrschte, wo sich die Geschäfte nur so aneinander reihten. In diesem Trubel einkaufssüchtiger Paare fand ich uns wieder. Mit Adlersaugen erspähte meine Frau die erste Parfümerie, die wir auch sofort betraten. Eine auf 35 geschminkte 20-Jährige kam uns entgegen und erfragte freundlich: „Kann ich was gegen Sie tun?" „Pommes rot-weiß und eine Cola light. Und haben Sie auch Parfüm?"
Ein ohrenbetäubendes Kichern kam uns entgegen. Wir schauten uns an, beendeten diese anregende Konversation und verließen nach zahlreichen Bestäubungen den Laden. Keine Minute später verschwand meine Frau in einem Geschäft, das nur zwei Buchstaben hatte. Ein 'H' und ein 'M'! Schweißgebadet - wegen der Sonne - lief ich ihr nach. Es war ein Leichtes sie zu finden. Ich folgte einfach den Zurufen, die durch den ganzen Laden hallten. Endlich gefunden stand sie da, hielt einen Rock in der Hand und drehte sich zum Spiegel. „Und...?" Einige Sekunden Schweigen! „Wie sieht das aus?" Jetzt boten sich mir zweierlei Möglichkeiten: Krieg oder Frieden. Ich entschloss mich für Frieden und nickte ihr zu. „Super ...! Nein, wirklich optimal! Können wir weiter, bitteee...?", stöhnte ich im gleichem Atemzug. „Gleich", verstand ich noch von weitem, und schon verschwand sie zwischen den Dessous und der Kinderabteilung. Die mindestens 40 Grad Celsius im Laden ließen das ausgesuchte langärmlige Hemd, das ich trug, als Fehlentscheidung dastehen. Nach einer Weile herumirren war ich genervt, versuchte dieses aber mit leisem Fluchen zu unterdrücken. „Ist das nicht süß?“, vernahm ich von hinten. Dabei zwang ich mich, den Lauten abermals zu folgen. Ein flüchtiger Kuss meiner Frau war die Folge – und ein Sammelsurium von Kleidungsstücken, die ich bitte mal kurz halten sollte. Diesen Service erkannten schnell andere Kunden im Laden, so dass ich im Nu mit 30 bis 40 verschiedensten Gegenständen bedeckt war.
Just in diesem Moment erblickte ich Kamilla und Michael. Mit einer gekonnten Deckung hinter dem Wäscheberg auf meinem Arm versuchte ich der sowieso schon peinlichen Situation zu entgehen. Es gelang nicht! Mit einem Lächeln kamen sie direkt auf mich zu.
„Hey, na, was machst du denn da?“, fragte mich Michael.
„Ich helfe hier nur aus! Und was verschafft mir die Ehre?“ „Wir Schoppen“, sagten beide gleichzeitig.
Glücklicherweise hatte Melanie unser nettes Beisammensein entdeckt und sich eingeklinkt. Es bedarf keines scharfen Verstandes, um zu erahnen, worüber gesprochen wurde: Schoppen, Schoppen, Schoppen! Allein mein aufkommendes Hungergefühl, das sich lautstark bemerkbar machte, beendete das einstündige Treffen. Ein 'Mac Sowieso' sollte unserer Raststätte Genüge tun, wo wir uns allerdings nur kurz aufhielten. Es war ein Versprechen, das ich vorher geben musste, um nicht den Hungertod zu erleiden, als zufällig die Filiale 'Mango' unseren Weg kreuzte. Jene zweistöckige Verkaufsbude für Magersüchtige, deren Klimaanlage sich angesichts des heißesten Tages im Jahr frei genommen hatte, verhieß nichts Gutes. Mein Weib hatte ihre Krallen schon längst an einem durchsichtigem Nichts verfangen, das auf einem Regal lag, welches nur unweit von der Eingangstür entfernt war. Sie nahm zwei Exemplare mit und verschwand aus meinem Sichtbereich. Ihrem Zurufe zufolge befand sie sich auf der zweiten Etage, als ich ihr folgte. Dank meiner untrainierten Konstitution glich der Weg bis zur zweiten Etage, einer Expedition auf den Kilimandscharo. Auf dem Gipfel angekommen, kam ein großes Unwetter auf mich zu, in Form einer Hand. „Ich brauche von diesem geradezu perfekt sitzenden Nichts eine Nummer größer!“ Dabei streckte mir meine Frau das edle Teil entgegen. In meinen Gedanken rekonstruierte ich noch einmal den langen Fußmarsch. „Kann ich Dir vielleicht noch etwas bringen?“, gab ich zu Bedenken. „Einen Kaffee oder ein Stück Kuchen?“ „Nein Danke!“
Und so begann ich den Abstieg. Ich lief den länglichen Flur entlang, bog dann halb links ab, bis nach einer Weile eine große Säule kam, die ich fast umrunden musste. Danach nur noch ein paar kleine Stufen die Rolltreppe hinunter, an den Schaufensterpuppen vorbei, eine kleine Kurve und schon konnte ich von weitem die Ausgangstür erkennen, wo sich das gewünschte Teil befand, das ich umzutauschen hatte. Der Aufstieg kam mir mittlerweile so vertraut vor, dass ich mir sogar zutraute, kleinere Abkürzungen zu machen, die mir einige Minuten Zeit einbrachten. Sichtlich am Ende stand ich wieder vor dem Umkleidevorhang. „Hier, dein Fummel!“ „Ach, weißt du Schatz, brauche ich jetzt doch nicht mehr! Ich sehe damit aus wie eine Tonne!“ Diese Situation brachte das immer gern zitierte Fass zum Überlaufen. Ich wollte grade losschreien, als die Lautsprecheransage ertönte: „Sehr geehrte Kunden, beeilen Sie sich mit dem Schoppen, wir schließen in wenigen Minuten!“ Meine Frau hörte das auch, kam zu mir hervor, umschlang mich mit ihren hübschen Armen, schaute mir in die Augen und sagte mit lieblicher Stimme:„ICH HABE DOCH NOCH GAR NICHTS EINGEKAUFT!“ Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn, lachte sie an und sagte: „Mach doch nichts mein Schatz, ich verspreche dir nächsten Samstag gehen wir wieder!!!“