Was ist neu

Ein ganz normaler Morgen

Mitglied
Beitritt
13.02.2017
Beiträge
4
Zuletzt bearbeitet:

Ein ganz normaler Morgen

Es war ein feuchter und bedeckter Morgen. Er strahlte so viel Unbehagen aus, dass die Vögel diesen nicht einmal als würdig erachteten, von ihrem Gesang begleitet zu werden. Die Feuchtigkeit in der Luft legte sich auf die Bäume, die Häuser, den Asphalt nieder und brachte ihnen damit eine Kälte entgegen, die sie aufnahmen und weiterverbreiteten. Eine Ameise versuchte ein kleines Blatt auf ihrem Rücken in den Bau zu tragen, irrte jedoch bloß kläglich umher und verlor angesichts des Dunsts und drückenden Geruchs die Orientierung. So zog die Stille ein, machte es sich auf der Nebeldecke gemütlich und blieb dort, alles um sich herum verschlingend, liegen. Niemand wagte es, sich zu rühren. Die Fensterläden blieben geschlossen und die Geschäfte taten es ihnen gleich. Das Leben auf der Gräberfeldstraße schien stillzustehen und selbst ein talentierter Künstler vermag diese entseelte Atmosphäre nicht malen zu können.
Viele Stunden wurden diesem Bild eingeräumt, ehe die Sonne langsam emporstieg und sich etwas in das Schweigen hineinschlich. Tap Tap Tap Tap – leise und zaghaft näherten sich Schritte und gaben dem Stillleben einen Herzschlag. Die Fensterläden öffneten sich langsam und die Geschäfte gestatteten Einlass. Menschen traten aus ihren Häusern und begannen den Tag, wie jeden anderen. Der Bäcker grüßte den Metzger auf der gegenüberliegenden Straßenseite und wünschte ihm viel Kundschaft für den Tag. Die Väter verabschiedeten sich von ihren Ehefrauen und Kindern, bevor sie sich in ihr Auto setzten und zur Arbeit fuhren. Mütter brachten ihre Fangen spielenden Kinder in die Schule und unterhielten sich dabei über ihre zukünftigen Pläne oder über ihren Job, zu dem sie später noch mussten. Die Gräberfeldstraße füllte sich mit Leben, mit jedem weiteren Sonneneinstrahl verzog sich die Nebeldecke und das Unbehagen verschwand. Die zuvor so zaghaften Schritte wurden langsam rhythmischer, entschlossener, als gehörten sie dem Treiben an und das so trist gekleidete Mädchen tat entschieden einen Tritt nach dem anderen. Ihr Name war Hailee. Es war ein recht ungewöhnlicher Name, jedenfalls, was seine Schreibweise betraf. Ihre nie kennengelernten Vorfahren hießen so mit Familiennamen und Hailees Mutter, Dana, war der Ansicht gewesen, dieser solle nicht einfach so verloren gehen, weshalb er nun als Taufname in ihrer Geburtsurkunde stand. Sie selbst hasste es, einen ehemaligen Nachnamen als Vornamen zu tragen, nutze ihn selbst nie und etablierte auch in ihrem Bekannten- und Freundeskreis eigenmächtig den Spitznamen Lee. Ausschließlich ihre Mutter ließ sich von diesem Unterfangen nicht überzeugen und nannte sie weiterhin bei dem für Hailee so ungeliebten Namen.
In Lees bis dahin starres Gesicht schlich sich ein Schmunzeln ein - was für ein Sturkopf ihre Mutter doch war.
„Möchten Sie einen heißen Kaffe für unterwegs kaufen, Ma’am?“ Lee riss sich von ihrer Erinnerung los und sah auf. Ein paar Meter zu ihrer Rechten wartete ein beleibter Mann mit umgebundener Schürze und gutgelaunter Miene vor einem Laden mit der Aufschrift „Bäckerei Morgentau“ auf ihre Antwort. Hinter ihm bereitete sich die altmodisch aussehende Kaffeemaschine, neben all dem gut duftenden, wahrscheinlich noch warmen Brot und den verlockend köstlich aussehenden Teilchen, brummend auf ihren Einsatz vor. Lees Magen begann zu Knurren, doch sie wollte, nein, sie konnte nicht stehenbleiben. Heute war der Tag, an dem sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzen und nicht zurückschauen würde. Sie musste weitergehen.
„Nein, vielen Dank. Einen schönen Tag, wünsche ich Ihnen!“ Mit einem entschuldigenden Lächeln, wandte sie sich wieder dem Weg vor sich zu.
„Einen schönen Tag noch, Ma’am!“, rief der Bäcker ihr hinterher und ging hinter die Auslagetheke in seinen Laden.
Ma’am...
Lee wollte zuerst nicht darauf kommen, weshalb diese Anrede in ihren Ohren so unsagbar falsch klang, doch nach nicht allzu langer Überlegung fiel ihr der Grund ein. Ihre Mutter wurde nach der Trennung von ihrem Vater immerzu Ma’am genannt. Sie war es, zu der diese Bezeichnung gehörte und nicht Lee. Nach der einvernehmlichen Scheidung ihrer Eltern verschwand Lees Vater ohne ein Wort, schickte ihnen keinerlei Lebenszeichen von sich und seither waren es bloß noch sie beide, ihre Mutter und Lee. Danach wusste niemand in ihrem Bekanntenkreis mehr so recht, wie Dana angesprochen werden sollte. Statt sie beim Namen zu nennen, wurde aus dem selbstsicheren Mrs. ein gestammeltes und geschwollenes Ma’am.
Mit der Zeit wurde aus diesen dadurch entstehenden absurden und unangenehmen Gesprächen für die beiden ein Spiel. Immer wieder verfielen sie in einen überaus übertriebenen Jargon und titulierten sich gegenseitig, wobei meist der alte Higgs, ihr Nachbar, als Vorlage galt.
Die Sonne schien durchs offene Fenster herein und eine leichte Brise ließ die transparenten, weißen Vorhänge sich aufbauschen. Es war ein schöner Tag - ein Sonntag, um genau zu sein. Dana und Lee fanden unter der Woche nicht oft die Zeit, gemeinsam zu frühstücken. Lee saß am Essenstisch ihrer Mutter gegenüber und bestrich ihr Brot ausgiebig mit Butter.
„Sind Sie in naher Zukunft mit dem Butteraufstrich fertig oder gedenken Sie ein Monument auf ihrem mickrigen Brot zu errichten, Miss Hailee?“ Mit hochgezogener Augenbraue betrachtete Dana die vielen Butterschichten auf dem Teller ihrer Tochter.
„Oh, Mrs., ähm...Ma’...Ma’am, mit dem Bau eines Monuments ist keinesfalls zu spaßen, vor allem nicht, wenn jenes aus Butter besteht! Sie ist doch erst die Grundlage, die alles Weitere zusammenhält, ähm, Mrs., ich meine, Ma’am.“ Mit ausladender Geste präsentierte Lee ihr Werk ihrer Mutter.
„Wie recht Sie doch haben, Miss Hailee. Hätten Sie denn nun die Güte, auch mir nach gefühlten Stunden die Butter zu kredenzen, damit ich mir meine eigene Grundlage aufschichten kann?“
„Ihre Einsicht erfreut mich im höchsten Maße! Bitte, nehmen Sie sich doch etwas von der Butter, Mrs., pardon, Ma’am.“ Lee reichte Dana die Butter, die sie mit einer angedeuteten Verneigung entgegennahm.
„Haben Sie Dank, Miss Hailee und Gott segne Sie.“
Beide brachen in Gelächter aus, was das Frühstück vorerst vergessen ließ.

Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in Lees Magen breit, als würde dieser an allen Seiten durchgeknetet werden oder als würde eine zu starke Strömung sie mit sich ins offene Meer zerren wollen. Soll das jetzt immer so ablaufen? Hatte sie mit dieser Anrede die Identität ihrer Mutter übernommen und sie einfach so ersetzt? Konnte ein Mensch überhaupt durch einen anderen ausgetauscht werden?
Das anfängliche Schmunzeln auf ihren Lippen erstarb. Tränen füllten ihre Augen, verharrten am äußeren Rand, wo sie losließen und ihre Wange herabrannen. Sie fing an, im Stillen zu weinen, setzte dabei aber noch immer einen Schritt vor den anderen, ohne sich auszuruhen, durchzuatmen, abzuschalten.
Leichter Wind kam auf und trocknete Lees Tränen, wobei die Haut an den Stellen kalt wurde. Er verfing sich in ihrem schwarzen Mantel und ließ ihn um ihre Beine Wellen schlagen. Lee zog sich weiter in den um ihren Hals gewickelten, dunklen Schal zurück, um dem kalten Wind zumindest ein wenig zu entkommen. Um sie herum spielten die Kinder noch immer lachend weiter Fangen. Sie rannten von der einen Straßenseite hin zur anderen und wieder zurück, kreuzten Lees Weg und rannten zu ihren Müttern, um diese als Schutz vor dem Fänger zu gebrauchen.
Lee ließ sich nicht beirren und ging weiter, bis sie das Ende der Straße erreichte und damit dem Treiben den Rücken kehrte. Vor ihr ragte ein meterhohes, elegant geschwungenes Tor auf, an dessen Seiten wunderschöne rötliche Backsteinmauern verliefen, die dessen Imposanz hervorhoben. Seit der Beerdigung war Lee nicht mehr an diesem Ort gewesen. Sie hatte sich einfach nicht getraut, hierher zu kommen. Mit Bedacht, als könne jeder Schritt, den sie tat, den Boden verletzen, ging sie durch das Tor hindurch. Zögernd entfernte sie sich von dem am Tor hängenden Schild mit der Inschrift „Friedhof“ und näherte sich immer weiter dem Grab ihrer Mutter. Was sollte sie bloß sagen, wenn sie davor stand? Langsam kam der Gedenkstein in Sicht und Lee verringerte ihre Geschwindigkeit, unschlüssig, ob sie das wirklich tun sollte oder noch wichtiger, ob sie das wirklich wollte. Sie hatte Angst, ihrer Mutter nichts erzählen zu können und sie enttäuscht zu haben, weil sie ihr nicht schon eher einen Besuch abgestattet hatte. Mit einem mulmigen Gefühl erreichte sie den Grabstein, auf dem stand:

Dana Field
*23.05.1959
†08.02.2017
Eine wunderbare Mutter und Freundin.
Du fehlst mit jedem Atemzug.

Lee holte tief Luft und versuchte das Zittern aus ihrer Stimme zu nehmen, was ihr jedoch nicht gelingen sollte.
„Hey, Mum...ich bin’s...Hailee.“

 
Zuletzt bearbeitet:

God Kveld Buchseele ;)

Ich bezweifle, ob es sich hier wirklich um eine echte Kurzgeschichte handelt. Mir ist das irgendwie nicht ganz schlüssig. Es scheint mir eher als ob du versucht hast, eine einzelne Szene festzuhalten, die mich aber nicht überzeugt hat.


Es war ein feuchter und bedeckter Morgen. Er strahlte so viel Unbehagen aus, dass die Vögel diesen nicht einmal als würdig erachteten, von ihrem Gesang begleitet zu werden. So zog die Stille ein, machte es sich auf der Nebeldecke gemütlich und blieb dort, alles um sich herum verschlingend, liegen.

Ich mag nicht deine Art und Weise, wie du Natur beschreibst. Ich finde das überhaupt nicht liebevoll geschrieben. Gerade bei Naturbeschreibungen ist es wichtig, dass du mir die Natur zeigst und nicht nur beschreibst. "Die Stille" kann sich nicht im Nebel gemütlich machen. Allein aus dem ersten Satz könntest du so viel mehr machen. Zeige mir, wie der Nebel Wassertropfen an den am Straßenrand gewachsenen Grashalmen bildet. Zeige mir die Wassertropfen, die langsam von den Grashalmen abperlen und die Ameise, die sich darüber Ärgert und ihre Orientierung verliert.

Die Stadt mag vielleicht Schlafen, aber es gibt meistens immer irgendein Geräusch. Beschreibe das Hintergrundrauschen, oder das leise plätschern des Springbrunnens vom Nachbargarten. Nicht zu vergessen wäre die langsam knarrende Schaukel von der anderen Straßenseite. nicht wahr?

und selbst ein talentierter Künstler vermag diese entseelte Atmosphäre nicht malen zu können. Viele Stunden wurden diesem Bild gewährt (...)

Ein bewegungsloser Künstler mitten im Nebel, bitte was? Der sieht doch gar nichts? Und das auch noch Stunden? Bewegungslos? Ich weiß nicht so recht ...

Tap Tap Tap Tap

Das würde ich streichen, fange den nächsten Satz einfach normal an.

Leise und zaghaft näherten sich Schritte und gaben dem Stillleben einen Herzschlag.

Das Bild vom Künstler bekommt einen Herzschlag ... wie sieht der Herzschlag denn aus auf dem Bild? Wie hat der Künstler dieses Geräusch auf die Leinwand gebracht bzw gezeichnet?

Die Fensterläden öffneten sich langsam und die Geschäfte gewährten Einlass. Menschen kamen aus ihren Häusern getreten und begannen den Tag, wie jeden anderen. Der Bäcker grüßte den Metzger auf der gegenüberliegenden Straßenseite und wünschte ihm viel Kundschaft für den Tag. Die Väter verabschiedeten sich von ihren Ehefrauen und Kindern, bevor sie sich in ihr Auto setzten und zur Arbeit fuhren. Mütter brachten ihre Fangen spielenden Kinder in die Schule und unterhielten sich dabei über ihre zukünftigen Pläne oder über ihren Job, zu dem sie später noch mussten. Die Gräberfeldstraße füllte sich mit Leben und mit jedem weiteren Schritt verzog sich die Nebeldecke und das Unbehagen verschwand.

Der Künstler sieht dabei zu, wie die Stadt zum Leben erwacht und der Nebel sich verflüchtigt. Jetzt hat er auf jeden Fall Motive für sein Bild. Das scheint mir eine sinnvolle Entwicklung zu sein.

Mit jedem weiteren Schritt kam das Mädchen ihrem Ziel näher

Der Künstler ist also ein ... Mädchen? Inzwischen hat die Künstlerin ein Ziel und scheint es nicht einfach zu zeichnen, nein, sonder bewegt sich offenbar physisch die Straße entlang. Hat sie ihre Leinwand einfach zurückgelassen?

Sie hatte dem Treiben den Rücken gekehrt und das Ende der Straße erreicht. (...) Das Mädchen war seit dem Vorfall nicht an diesem Ort gewesen. Sie hatte sich einfach nicht getraut, hierher zu kommen. Mit Bedacht, als könne jeder Schritt, den sie tat, den Boden verletzten, ging sie durch das Tor hindurch. Zögernd entfernte sie sich von dem am Tor hängenden Schild mit der Aufschrift „Friedhof“ und näherte sich mehr und mehr ihrer Mutter.

Die Künstlerin hat also das Bild aufgegeben, die Leinwand irgendwo auf der Straße stehen gelassen und trauert jetzt auf dem Friedhof um ihre Mutter. Aber warum? Das ist für mich, wie am Anfang schon geschrieben, nicht ganz schlüssig. Inhaltlich fehlt da eine Menge. Die Künstlerin hättest du von Anfang an weiblich darstellen können und ihren Handlungen ein Motiv geben. Warum stand sie mitten im Nebel mit ihrer Leinwand? Zeige mir ihre komplette triste Existenz und ich als Leser kann verstehen und mitfühlen.

Gruss
Tio

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Itilo :D

Danke für Deine Rückmeldung! Die Natur kann ich durchaus detaillierter beschreiben, wobei ich dort eher auf "weniger ist mehr" gesetzt hatte.
Wie ich sehe, baust Du die gesamte dargestellte Szenerie auf den darin erwähnten Künstler auf. Dieser bildet jedoch bloß eine Metapher, um das Ausmaß der Totenstille und der damit einhergehenden seelenlosen Atmosphäre zu verdeutlichen und dem Leser näher zu bringen.

Was ich mit dieser Geschichte zeigen möchte, ist der Kontrast zwischen Tod/Verlust und Leben. Das Leben geht weiter und bleibt nicht stehen, bloß weil jemand einen Verlust erlitten und den Tod gesehen hat. Die anfängliche Stille, in die kein Geräusch einzudringen vermag, beschreibt den schweren Gang des später eingeführten Mädchens, die auf dem Weg zum Grabmal ihrer Mutter ist. Daher fällt die Naturbeschreibung eher düster und unschön aus.
Das langsame Erwachen der Straße bildet das Leben und das Mädchen ist mitten drin und zeigt am Ende beim Betreten des Friedhofs den Kontrast und die Nähe von Leben und Tod auf.

Ich weiß, es ist sehr viel hineinzuinterpretieren und recht abstrakt dargstellt, doch ich hoffe, es für diese Interpretation verständlich geschrieben zu haben :)

Liebe Grüße!

Buchseele

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Buchseele,

was du hier geschrieben hast, ist doch höchstens der Anfang einer Geschichte. Du brichst einfach ab, als es gerade zumindest ansatzweise interessant wird.

Merkwürdige pseudointellektuelle Sätze wie

Das Leben auf der Gräberfeldstraße schien stillzustehen und selbst ein talentierter Künstler vermag diese entseelte Atmosphäre nicht malen zu können.

interessieren mich nicht und beeindrucken tust du damit sowieso niemanden (das zitierte Beispiel ist dazu sprachlich auch noch extrem holprig). Mich interessieren eher Charaktere und ihr Innenleben, und was sie tun und warum sie es tun. Aber wenn bei dir endlich mal ein Charakter ins Spiel kommt, ist der Text nur noch sieben Zeilen lang.

Du kannst eine Geschichte mit der Beschreibung einer Szenerie anfangen, so wie du es ja auch getan hast (wobei ich aber versuchen würde, nicht so aufgesetzt geschwollen daherzukommen), aber dann muss auch was kommen. Zwei Drittel Einleitung, ein Drittel Geschehen und dann einfach abbrechen, das funktioniert nicht. Das ist keine Geschichte. Das ist höchstens ein Anfang.

Grüße
Mix

 

Vielen lieben Dank für die Kritik!

Ich werde meinen Text, mit Rücksicht der hier aufgeführten Punkte, überarbeiten :)

Liebe Grüße,

Buchseele

 

Ich habe meine Geschichte ausgebaut (nun werde ich sie hoffentlich als solche bezeichnen können und nicht bloß als Text) und freue mich auf eure Rückmeldungen dazu :)

Liebe Grüße,

Buchseele

 
Zuletzt bearbeitet:

God kveld Buchseele,

Das ging aber schnell mit deiner Überarbeitung! Ich persönlich finde, dass dir die Überarbeitung nicht gelungen ist. Das hat mehrere Gründe, aber der Hauptgrund ist immer noch dein "roter Faden". Darüber hinaus finde ich es schade, dass du kaum auf die sprachlichen Kommentare zb. von Bas und Mix eingegangen bist. Da du uns jetzt aber deutlich mehr Text gegeben hast, können wir natürlich auch mehr nörgeln ;)

Es wurde kritisiert, dass es sich bei deiner ersten Version nicht um eine Kurzgeschichte handelte und ich muss dir leider mitteilen, dass deine zweite Version ebenfalls auf sehr dünnem Eis steht. Eine Kurzgeschichte hat einen Anfang, einen Spannungsbogen und ein deutliches Ende (eventuell mit Wendung etc.).

Deine Geschichte bietet mir einen Anfang von einer möglichen Handlungen, aber ich vermisse die Wendung, die Überraschung oder auch nur ein einfachen Verlauf der Geschichte. Deine Hauptfigur geht Morgens zum Friedhof und teilte durch den Erzähler ein paar Erinnerungen mit uns. Aber dieses Mädchen zum Friedhof laufen zu lassen, weil man das eben so macht wenn jemand seine Mutter verliert, finde ich nicht berührend. Der Konflikt bzw scheinbare Konflikt, dass Lee sich nicht vorher getraut hat, wird erst am Ende klar. Das ist schlecht, da du mich als Leser mit Motiven im Dunkeln lässt. Eigentlich solltest du den Konflikt am Anfang darstellen, deine Hauptperson damit kämpfen lassen und schliesslich die Wendung präsentieren, wo deine Hauptperson es trotzdem endlich schafft, den Besuch bei der Mutter auf dem Friedhof.

Sprachlich finde ich es weniger ansprechend, weil der Erzähler nicht sehr natürlich erzählt. Er versucht ständig lange Sätze zu machen und eine gehobene bzw. veraltete Sprache zu verwenden. Du hast die Geschichte unter anderem mit "Alltag" getagt. Den Alltag von Lee bekommen wir aber nicht mit! Auch der Ausbruch aus einem Möglichen Alltag ist eher nicht zu erkennen. Was ist anders an diesem Tag, verglichen mit anderen Tagen?

-- // --

Die Geschichte des Mädchen beginnt erst mit dem dritten Abschnitt, also hier:

In Lees bis dahin starres Gesicht schlich sich ein Schmunzeln ein - was für ein Sturkopf ihre Mutter doch war. „Möchten Sie einen heißen Kaffe für unterwegs kaufen, Ma’am?“ Lee riss sich von ihrer Erinnerung los und sah auf. Ein paar Meter zu ihrer Rechten wartete ein beleibter Mann mit umgebundener Schürze und gutgelaunter Miene vor einem Laden mit der Aufschrift „Bäckerei Morgentau“ auf ihre Antwort.

Alles davor würde ich knallhart streichen, weil es für mich nicht relevant ist. Ich muss nicht Wissen, dass dort gerade Nebel verschwunden ist. Den Namenshintergrund könnte man anders und packender später Vermitteln. Dein roter Faden fängt eigentlich erst mit dem 3 Abschnitt an.

Hinter ihm bereitete sich die altmodisch aussehende Kaffeemaschine, (...)

... altmodisch reicht völlig. Du hast eine Menge davon in deinem Text!

Lees Magen begann zu Knurren, doch sie wollte, nein, sie konnte nicht stehenbleiben. Heute war der Tag, an dem sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzen und nicht zurückschauen würde. Sie musste weitergehen.
„Nein, vielen Dank. Einen schönen Tag, wünsche ich Ihnen!“ Mit einem entschuldigenden Lächeln, wandte sie sich wieder dem Weg vor sich zu.

Eine unlogische Handlung, weil sie ist hungrig und der Zeitaufwand ist relativ gering. Du arbeitest hier gegen die Bedürfnisse deiner Hauptperson und das ziemlich grundlos. Lee drückt sich doch vor dem Friedhof. Sie sollte eher zögern und alles tun, um den Friedhofsbesuch hinauszuzögern. Oder wenn sie unbedingt so dringend auf den Friedhof möchte, was hat dieses Verlangen verursacht?

Die Sonne schien durchs offene Fenster (...) vorerst vergessen ließ.

Dann hast du dem Leser einen Rückblick gegeben. Wenn du solche Erinnerungen teilst, solltest du das mit der aktuellen Handlung verschachteln. Einen lange, kursive Erinnerung ist eigenartig in einer Kurzgeschichte. Ich empfand es als eine unnatürliche und böse Unterbrechung deines normalen Erzählerstils und deinem "roten Faden. Lasse Alltagssituationen Erinnerungen auslösen.

Um sie herum spielten die Kinder noch immer lachend weiter Fangen. Sie rannten von der einen Straßenseite hin zur anderen und wieder zurück, kreuzten Lees Weg und rannten zu ihren Müttern, um diese als Schutz vor dem Fänger zu gebrauchen. Lee ließ sich nicht beirren und ging weiter, bis sie das Ende der Straße erreichte und damit dem Treiben den Rücken kehrte.

Das ist ebenfalls unlogisch. Wenn die Kinder ihre Wege kreuzten, beachtet sie die Kinder. Wenn diese dann sich bei ihren Müttern verstecken, löst das sicherlich Erinnerungen und Gefühle bei Lee aus. Aber Lee steckt das einfach kalt weg. Hier hättest du einen tollen Erinnerungsansatz gehabt. Wenn du jetzt sagst, dass Lee sich nicht beirren lassen sollte, dann brauch der Erzähler ebenfalls nicht die Info mit den Müttern teilen.

Seit der Beerdigung war Lee nicht mehr an diesem Ort gewesen. Sie hatte sich einfach nicht getraut, hierher zu kommen.

Und hier sind wir beim Kern, bzw Konflikt den ich vermisse. Lee hat sich bisher nicht mehr auf den Friedhof getraut. Das ist das Motiv deiner Hauptfigur und soooooooooooooo wichtig!!! Das gehört an den Anfang und sollte im Laufe deiner Geschichte behandelt werden. Wie kämpft Lee dagegen an bzw kommt sie damit klar? Warum will sie jetzt unbedingt so dringend und plötzlich auf den Friedhof? Jemand der sich davor drückt, ist eher zögerlich und deswegen ist deine Lee unglaubwürdig.

Hilsen,
Tio

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom