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Ein furchtbarer Tag

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05.05.2018
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Ein furchtbarer Tag

Er hatte das unerträgliche Gefühl, dass er erfrieren müsse. Bisweilen pflegte ihn dies’ quälende
Unbehagen zu plagen (unter normalen Umständen ergriff es ihn am frühen Vormittag). Doch nun
war es schon Abend und die Kälte machte keinerlei Anstalten, aus dem Körper, der ihn durch den Tag
trug, zu weichen. So beschloss er also, seine Pein mit warmem Wasser zu lindern und betrat das Badezimmer. Nun beginnt er, die Knöpfe seines -am Vortag noch mit höchster Sorgfalt gebügelten- Hemdes zu öffnen, aber seine Finger zittern wegen der grausigen Kälte. So gelingt es nach zig gescheiterten Versuchen nicht, auch nur einen einzigen Knopf zu lösen. Rasch fasst er den Entschluss, immerhin die Hose abzustreifen und macht sich daran, den teuren Ledergürtel abzuschnallen. Zu seinem grenzenlosen Erstaunen öffnet der sich sofort. Von neuem Feuer erfasst, bemüht er sich die Hose auszuziehen. Wie es natürlich die Kälte verlangt, scheint sie jedoch an seinem Körper festgefroren zu sein. Als er sie mit einem verzweifelten Ruck abzulösen versucht, reißt der Stoff lappenartige Streifen seiner Haut ab und lässt rote Furchen zurück. Dessen ungeachtet, stürzt er -bloß noch vom Willen seine Glieder zu erwärmen getrieben- mit entblößtem Unterkörper in die Dusche, dreht den Temperaturregler auf eine erhöhte Einstellung, spreizt seine Finger, lässt sie hinter die Armatur gleiten, lehnt sich etwas nach vorne und zieht die Hand zu seinem Bauch zurück. Der Schalter wird umgelegt, er wartet auf die erlösende Wärme. Mit einem unerwartet plötzlichen Schwall ergießt sich das heiße Wasser über seinen zitternden Körper und heftet das nasse Hemd unlöslich an die blaue Haut…
Dennoch überkommt ihn ein weitaus energischeres Gefühl des Erfrieren-müssens, sodass die Flüssigkeit an seiner Haut selbst zu gefrieren scheint. Eilig zerrt die Hand erneut an der Apparatur, im nächsten Moment steigt die Temperatur auf das Doppelte. Sogleich prasseln die Tropfen wie glühende Nadeln herab, treffen auf seinen Körper, zersplittern und fliegen in alle Richtungen davon. Weiter dringt die Wärme nicht vor. Ein heftiges Schauern überkommt ihn und seine Arme schlackern wie bei einem wilden Tanz umher. Die Knöchel seiner Hände prallen unkontrolliert gegen die durchsichtige Kunststoffwand der Dusche. Bald sind tiefe Dellen, nein Krater in der Wand und die zerbröselten Knöchel ragen deformiert aus der zerfetzten Hautschicht. Gleichzeitig geben die erfrorenen Füße nach und der Körper fällt mit einem enormen Scheppern und Krachen auf den Keramikboden.
Ein Arm streckt in die Luft; eine Hand tastet nach dem Regler, findet ihn, dreht ihn in die äußerste
Stellung, er bricht ab. Das Wasser dampft nun. Endlich wird ihm warm. Die Kälte ist vertrieben.

Die Wasserrechnung steigt in die Höhe…

 

So, das ist nun also meine erste Kurzgeschichte auf dieser Seite.
Das Original wurde von mir vor zwei Jahren verfasst. Nach einigen
Überarbeitungen bin ich jetzt ganz zufrieden damit.
Ich hoffe, Ihr habt etwas Freude beim Lesen und überschüttet mich
mit Kritik und Verbesserungsvorschlägen.
Soweit erwünscht, könnte ich demnächst etwas interessantes über
die Entstehung dieser Geschichte erzählen.

 

Hi Lohegrin,

Hm, ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Nehmen wir mal nur den einleitenden Absatz: Hier benutzt du viele verschiedene Wörter zur Beschreibung, was eigentlich gut sein sollte. Mein Rat lautet, dass weniger manchmal mehr ist. unerträglich, quälend, Unbehagen, plagen, Pein. Für mich passt das nicht zusammen, obwohl du mit allen Wörter dasselbe Gefühl beschreibst. Vor allem Pein und Unbehaben. Da ist doch ein himmelweiter Unterschied in Sachen Intensität zwischen den Begriffen. Verstehst du, was ich meine?

Warum ist sein Erstaunen über den geöffneten Gürtel denn grenzenlos? Wenn ihn das so überraschen würde, warum zur Hölle sollte er überhaupt versuchen, den Gürtel zu öffnen?

Dennoch überkommt ihn ein weitaus energischeres Gefühl des Erfrieren-müssens, sodass die Flüssigkeit an
seiner Haut selbst zu gefrieren beginnt.

Hier verwechselst du meiner Meinung nach Wirkung und Ursache. Ist es nicht viel eher so, dass das Wasser auf seinem Körper gefriert, und dass er deswegen noch mehr friert? Klar trotzt deine Geschichte den Naturgesetzen, aber wird es kälter, weil er mehr Kälte fühlt, oder fühlt er mehr Kälte, weil es kälter wird?

Deine Absätze werden plötzlich total wild, sehen aber doch strukuriert aus. War es also doch Absicht? Wenn ja, verstehe ich nicht warum. Mich hat das nur ganz enorm beim Lesen gestört, es ruiniert den Lesefluss komplett.

Auch die Leerzeile im Text ist meiner Meinung nach falsch angebracht. Hier liegt doch keine Zeit dazwischen, das ist doch unmittelbar. Würde ich also rausschmeißen, die Leerzeile.

Man merkt deinem Text an, dass du viel daran rumgeschraubt hast und dir viele Gedanken gemacht hast. Auf mich wirkt das leider eher negativ, ich empfinde es als abgehakt, nicht flüssig.

Die Idee find ich eigentlich ganz cool. Kälte von innen, gegen die man scheinbar nichts tun kann. Das kann einem schon Angst machen.

Unterm Strich hat mich deine Geschichte leider nicht erreicht, dennoch waren gute Ansätze herauszulesen.

Viele Grüße, Salomon

 

Gude Lohegrin,

eine schöne, knackig-kurze Geschichte. Sehr gut gewählt für den "Einstieg" auf der Seite hier. Mir gefällt deine Idee mit der Kälte und ich finde es auch in dieser Szene nicht schlimm, dass genauere Umstände ungeklärt bleiben.
Dadurch rückt die Beschreibung der Szene in den Vordergrund. Meinem Empfinden nach, machst du das bereits gut; mir gefallen auch die surrealen Anteile (Haut reißt mitsamt der gefrorenen Kleidung ab).
Du könntest dieses Geschehen aber noch weiter stärken, indem du z.B. andere Sinne einbaust. Bisher beschreibst du das Fühlen sehr genau, was bei der Temperatur ja auch naheliegt. Aber was machen die anderen Sinne?
z.B. könnte die Zunge taub werden (und an der Stelle: vielleicht friert sie an den bibbernden Zähnen fest?), kalte Luft in die Nase ziehen ... kurzum: Wie wirkt sich die Kälte auf alle Bereiche der Wahrnehmung deines Protagonisten aus?

Bei folgendem Moment ist mir der Ablauf nicht ganz verständlich:

dreht den Temperaturregler auf eine erhöhte Einstellung, spreizt seine Finger, lässt sie hinter die Armatur gleiten, lehnt sich etwas nach vorne und zieht die Hand zu seinem Bauch zurück.
Er hat da eine Armatur für die Dusche hängen, also üblicherweise eine "Stange" mit einem Regler rechts, einem Regler links. Da kann man sich festhalten ... aber wenn das Wasser auf heiß eingestellt ist, wird i.d.R. auch dieser Durchlauf ziemlich heiß. Da frag ich mich zunächst, warum an dieser Stelle der nächste "Brandherd" ungenutzt bleibt - und dann, warum er die Hand "zu seinem Bauch" zurückzieht? Im ersten Moment dachte ich an ein gewisses Wanken, weswegen er sich abstützt, dann braucht er keine Stütze mehr, sondern streicht über seinen Bauch (?).
Ich finde es aber insgesamt sehr gut, dass du diese kurze Szene so ausführlich beschreibst, dass man quasi jeden Zentimeter "nachgehen" könnte. An dieser Stelle fehlen aber vielleicht noch ein paar Details oder sind andere Dinge missverständlich, weswegen ich nicht ganz mitkomme.


So viel oder so wenig von mir, hoffentlich aber hilfreich,

Vulkangestein

 

Schöne, schnelle Geschichte Lohegrin :)
An der Idee kann man meiner Meinung echt nicht viel meckern. Du verzichtest auf jegliche Vorgeschichte oder unnötige Erklärungen, wodurch die Handlungen des Potagonisten in den Vordergrund rücken. Dies kann auf Leser ermüdend wirken. Jedoch hast du genau die richtige Länge deiner Geschichte abgepasst, um ohne große Erklärungen, trotzdem eine gut funktionierende Kurzgeschichte zu schreiben, bei der ich dranbleibe.
Anfangs dachte ich noch, dass die Kälte etwas mit Depressionen, Trips oder dergleichen zu tun haben soll.

Als er sie mit einem verzweifelten Ruck abzulösen versucht, reißt der Stoff lappenartige Streifen seiner Haut ab und lässt rote Furchen zurück.
Da wurde ich dann hellhörig :D Ich steh auf absonderliche, makabere oder absurde Stories. Gute Geschichte.
Die Wasserrechnung steigt in die Höhe…
Ich bin mir nicht sicher, ob ich den letzten Satz mögen will. Du willst damit andeuten, dass er es vermutlich nicht überlebt hat, nicht wahr? Oder dass er noch sehr, sehr lange duscht :D Der Schluss hat dadurch etwas leicht komödiantisches auf mich, was mich unfreiwillig von der Geschichte distanziert. Vielleicht fände ich gerade den letzten Satz auch, nach einem Absatz, im Präteritum angenehmer? Oder wie wäre es mit: Sein letzter Gedanke war ein verschwendeter Gedanke. Ein trübes Bild seiner Wasserechnug. Ihm gefielen die Zahlen darauf irgendwie. Sie tanzten.
Oder du wolltest es sogar wirklich mit einem Gag enden lassen. Dann rede ich dir da nicht groß rein. Dann ist es eben Horror mit Pointe:)

LG HerrSperling

 

Gute Geschichte zuerst fragt man sich in welche Richtung das ganze laufen soll aber am Ende hattest du mich auf jeden Fall.
Das Komödiantische am Ende fand ich sehr unterhaltsam noch viel Erfolg.

LG Slin

 

Hallo Lohegrin ,

Bisweilen pflegte ihn dies’ quälende

Kein Apostroph hinter dies.

-am Vortag noch mit höchster Sorgfalt gebügelten-

nach und vor den Gedankenstrichen kommen jeweils Leerzeichen. Oben wurde schon der Unterschied zwischen Gedankenstrich und Bindestrich erwähnt. Der Gedankenstrich ist der etwas längere, der auf manchen Tastaturen nicht ganz leicht herzustellen ist. Manchmal korrigiert das sogar die Autokorrektur.

So beschloss er also, seine Pein mit warmem Wasser zu lindern und betrat das Badezimmer. Nun beginnt er, die Knöpfe seines -am Vortag noch mit höchster Sorgfalt gebügelten- Hemdes zu öffnen, aber seine Finger zittern wegen der grausigen Kälte.

Du wechselst das Tempus. Zuerst schreibst Du in der Vergangenheit (beschloss), dann zittern aber die Hände. Auch im Verlauf des Textes bist Du da inkonsequent.

Erfrieren-müssens,

Zusammen: Erfrierenmüssens


Ein Arm streckt in die Luft; eine Hand tastet nach dem Regler, findet ihn, dreht ihn in die äußerste
Stellung, er bricht ab.

Kein Semikolon, sondern ein Komma.

Das Wasser dampft nun. Endlich wird ihm warm. Die Kälte ist vertrieben.

Die Wasserrechnung steigt in die Höhe…


So viel von mir zu den formalen Dingen. Eigentlich hast Du einen guten Schreibfluss. Deine Sätze lesen sich angenehm, auch wenn ich in der Mitte ein wenig die Orientierung verloren habe, wo ich mich befinde. Die »Apparatur« fand ich auch ein wenig verwirrend, wahrscheinlich meintest Du durchgehend die »Armatur«?

Das Ende kam mir dann zu schnell. Nachdem er fast erfroren wäre, seine Haut in Fetzen herabhängt, die Knöchel bis zum Knochen aufgeschabt sind, ist die Wasserrechnung sein einziges Problem?

Für das Genre Horror ist mir auch zu wenig Spannung drin. Dafür ist der Text einfach zu kurz, wenn vielleicht auch eine gute Grundlage für eine längere Geschichte.

Ich hoffe, der eine oder andere Kommentar hilft Dir.

Viele Grüße und auch ein herzliches Willkommen hier!

Mädy

 

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