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Ein furchtbarer Tag
Er hatte das unerträgliche Gefühl, dass er erfrieren müsse. Bisweilen pflegte ihn dies’ quälende
Unbehagen zu plagen (unter normalen Umständen ergriff es ihn am frühen Vormittag). Doch nun
war es schon Abend und die Kälte machte keinerlei Anstalten, aus dem Körper, der ihn durch den Tag
trug, zu weichen. So beschloss er also, seine Pein mit warmem Wasser zu lindern und betrat das Badezimmer. Nun beginnt er, die Knöpfe seines -am Vortag noch mit höchster Sorgfalt gebügelten- Hemdes zu öffnen, aber seine Finger zittern wegen der grausigen Kälte. So gelingt es nach zig gescheiterten Versuchen nicht, auch nur einen einzigen Knopf zu lösen. Rasch fasst er den Entschluss, immerhin die Hose abzustreifen und macht sich daran, den teuren Ledergürtel abzuschnallen. Zu seinem grenzenlosen Erstaunen öffnet der sich sofort. Von neuem Feuer erfasst, bemüht er sich die Hose auszuziehen. Wie es natürlich die Kälte verlangt, scheint sie jedoch an seinem Körper festgefroren zu sein. Als er sie mit einem verzweifelten Ruck abzulösen versucht, reißt der Stoff lappenartige Streifen seiner Haut ab und lässt rote Furchen zurück. Dessen ungeachtet, stürzt er -bloß noch vom Willen seine Glieder zu erwärmen getrieben- mit entblößtem Unterkörper in die Dusche, dreht den Temperaturregler auf eine erhöhte Einstellung, spreizt seine Finger, lässt sie hinter die Armatur gleiten, lehnt sich etwas nach vorne und zieht die Hand zu seinem Bauch zurück. Der Schalter wird umgelegt, er wartet auf die erlösende Wärme. Mit einem unerwartet plötzlichen Schwall ergießt sich das heiße Wasser über seinen zitternden Körper und heftet das nasse Hemd unlöslich an die blaue Haut…
Dennoch überkommt ihn ein weitaus energischeres Gefühl des Erfrieren-müssens, sodass die Flüssigkeit an seiner Haut selbst zu gefrieren scheint. Eilig zerrt die Hand erneut an der Apparatur, im nächsten Moment steigt die Temperatur auf das Doppelte. Sogleich prasseln die Tropfen wie glühende Nadeln herab, treffen auf seinen Körper, zersplittern und fliegen in alle Richtungen davon. Weiter dringt die Wärme nicht vor. Ein heftiges Schauern überkommt ihn und seine Arme schlackern wie bei einem wilden Tanz umher. Die Knöchel seiner Hände prallen unkontrolliert gegen die durchsichtige Kunststoffwand der Dusche. Bald sind tiefe Dellen, nein Krater in der Wand und die zerbröselten Knöchel ragen deformiert aus der zerfetzten Hautschicht. Gleichzeitig geben die erfrorenen Füße nach und der Körper fällt mit einem enormen Scheppern und Krachen auf den Keramikboden.
Ein Arm streckt in die Luft; eine Hand tastet nach dem Regler, findet ihn, dreht ihn in die äußerste
Stellung, er bricht ab. Das Wasser dampft nun. Endlich wird ihm warm. Die Kälte ist vertrieben.
Die Wasserrechnung steigt in die Höhe…