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Ein erlesenes Paar
Er hatte sie endlich gefunden. Seine absolute Traumfrau. Das, wonach er all die Zeit gesucht hatte. Jetzt kannte er ihren Namen: Monika. Sie war bildhübsch, aus gutem Hause, charmant und gebildet. Niemals hätte er für möglich gehalten, dass man solche Frauen übers Internet kennen lernen kann. Aber es hat geklappt.
Sie hatten sich bereits einmal getroffen. Es war ein wunderschöner Abend, stilvoll und kultiviert. Genau wie er sich das immer vorgestellt hatte. Endlich hatte er eine Frau gefunden, die wie er großen Wert auf ein gewisses Niveau legte. In den unzähligen Mails, die dem ersten Date vorausgingen, hatte sie ihm viel über sich verraten. Immer wieder hat er nachgefragt und sie hat bereitwillig geantwortet: was sie mag, was sie liest, was sie für Musik hört, was sie gerne isst. Alles entsprach hundertprozentig seinen Vorstellungen. Sie hatte wie er eine Vorliebe für klassische Musik. Beide mochten sie Andreas Boticelli, Rondo Veniziano und italienische Musicals. Auch ihr Geschmack in Sachen Mode war erlesen. Sie hatte Handtaschen mit ihren Initialen (Monika Claudia Meier), eine Leidenschaft für spanische Schuhe und als Duft kam für sie nur Chantal Nr. 5 in Frage. Natürlich kannte sie auch Angelo Littrico, die Marke seiner Anzüge und Water Cool von Daviboss, sein Lieblings-After-Shave.
Für ihren ersten Abend hatte er Karten für das Puccini-Musical Madame Saigon besorgt. Natürlich die besten Plätze in der letzten Reihe, damit man keinen steifen Hals vom Hochgucken bekommt. Es war ein gutes Konzert, doch er hatte nur Augen für sie. Nach der Halbzeit wagte er es, ihre Hand zu ergreifen. Sie ließ es zu und er hielt sie fest bis zum Ende der Vorstellung. Erst beim Nobel-Italiener, wo sie anschließend noch eine Pizza essen waren, ließ er ihre Hand wieder los. Sie bestellten einen Rotwein, den er aber sofort wieder zurückgehen ließ, weil er nicht ausreichend gekühlt war. Auch die zweite Flasche war nicht besser und nach einem unerfreulichen Disput mit dem Kellner brachte der Geschäftsführer schließlich Eiswürfel, die den Wein auf eine einigermaßen akzeptable Trinktemperatur runterkühlten. So unerfreulich dieser Vorfall auch war, sie konnten doch auf dem Nachhauseweg herzlich darüber lachen. Auch über die Rucola-Pizza, die mit einem ekelhaft bitteren Grünzeug belegt war, so dass man den guten Rucola-Käse gar nicht mehr durchschmecken konnte. Nicht jedes Restaurant, das teuer ist, darin waren sich beide einig, muss auch zwangsläufig Niveau haben. Aber das war jetzt egal, sie hatten sich gefunden. Und alles sah danach aus, als wenn sie das perfekte Paar werden würden.
Nach der Essenspleite des ersten Abends hatte er vorgeschlagen, beim nächste Date etwas für sie zu kochen. Sie schien begeistert und der Termin wurde gemacht. Er freute sich darauf, ihr seine Wohnung zu zeigen und sie stilvoll zu verwöhnen. Alles sollte diesmal stimmen, niveauvoll und erlesen sollte es sein. Sie hatte mal erwähnt, dass sie unheimlich gerne Sushi essen würde. Das sollte es sein. Er besorgte fangfrischen Seelachs, Nordseekrabben, Reis und Gurken. Mehr brauchte man nicht für ein gutes Sushi. Dazu würde es Champagner geben. Bei einem echten Candle-Light-Dinner dürfen natürlich die Duftkerzen nicht fehlen und als musikalische Untermalung japanische Klassik, am besten Kenzo oder Murakami.
Er hatte gerade den Champagner dekantiert, da klingelte es auch schon an der Tür. Sie sah wieder einmal umwerfend aus. Ein Hauch Chantal Nr. 5 stieg ihm in die Nase, als er sie ins Wohnzimmer führte. Als sie den festlich gedeckten Tisch mit den brennenden Duftkerzen erblickte, zog sie ihn zu sich heran und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Sie stießen mit dem wohltemperierten Champagner an, während die Sushi schon verführerisch aus dem Backofen dufteten.
Es war ein perfekter Abend, beide unterhielten sich prächtig, lästerten über all die niveaulosen Menschen aus dem Internet, die sie schon gedatet hatten. Es herrschte Einigkeit, dass das nun endgültig vorbei sei, beidseitige Erleichterung darüber, endlich den passenden Partner gefunden zu haben. Und natürlich landeten sie auch im Bett, küssten sich leidenschaftlich, erforschten ihre Körper.
Und dann passierte es. Er war gerade in sie eingedrungen, bewegte sich vorsichtig auf und ab, da fing sie an zu stöhnen, erst ganz zaghaft, dann immer tiefer und lauter. Was er dann hörte, riss ihn aus all seinen Träumen. Bei aller Liebe, so etwas durfte niemand zu ihm sagen. Auch in Momenten der größten Lust erwartete er von einer Frau eine gewisse Penetrenz, ein wenig Conference und Taktverstand. Und außerdem hatte er ihr noch nicht das Du angeboten. Also wenn schon, dann doch bitte "sie geiler Stecher" und es heißt auch nicht "härter", sondern: "Bitte etwas härter". So viel Zeit muss sein.