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Ein Eiermann brauch doch Kleingeld, oder?
Bauer Wagner und Bauer Georg waren Nachbarn. Besser gesagt, sie hatten ihre Höfe an der Dorfstraße genau gegenüber, beides alte Fachwerkhäuser, beide mit großem Bauerngarten, Grasgarten und einem ausgedehnten Hühnerhof für jeweils rund 100 Tiere.
Bauer Wagners Vater hatte schon vor Jahren angefangen, die Eier seiner fleißigen Produzenten über Land in die nächste Kleinstadt zu verkaufen, zuerst aus dem Seitenwagen seines Motorrades heraus, später mit einem Tempo Dreirad.Von dem Erlös und dem. was die Landwirtschaft sonst so abwarf, konnte man sich einen "Heizölferrari", einen gebrauchten Mercedes Diesel leisten. Aus dem heraus verkaufte Bauer Wagner dann auch seine Eier, immer schön aus mit Häcksel (sehr klein geschnittenem Stroh) gefüllten Körben.
Bauer Georg, vom Vertriebsweg seines Nachbarn inspiriert, fuhr in die Kreisstadt zum Wochenmarkt, hatte dort einen Stand und begann, die Woche zweimal, die absolut frischen Eier an die Stadtbevölkerung zu verkaufen. Da das Geschäft gut lief musste er bald einen größeren Stall bauen, dem der Hühnerhof weichen musste, die Tiere saßen beengt im Stall, die Produktion und der Umsatz stiegen, zwei weitere Ställe folgten, alles zu Lasten des Bauerngartens und des Grasgartens.
Irgendwann schien ihm das Haus auch zu schäbig, es wurde abgerissen und ein neues gebaut - mit einem Schlachthaus für die Hühner und einem kleinen Geschäft darin integriert. Das Geschäft lief, die Arbeit war kaum zu schaffen und er genoss es, wenn alle ihn "Eierbaron" nannten. Die Kunden, die mit dem Spruch: "Ich weiß, der Eiermann brauch Kleingeld!" mit abgezähltem Geld an den Stand oder ins Geschäft kamen ließ er gerne - wie zufällig - die Packen Scheine in der Geldtasche sehen! Er fuhr immer das neueste Modell aus der Mercedes Flotte, zum Eiertransport immer die neuesten Transporter und auch die landwirtschaftlichen Geräte waren immer auf dem neuesten Stand!
Und Nachbar Wagner?
Nun, der fuhr weiterhin im schäbigen, meist aus dritter Hand gekauften Mercedes Diesel über Land und verkaufte Eier aus mit Häcksel gefüllten Körben. Seltsamerweise wurde seine Hühnerschar immer kleiner, seine Verkaufsfahrten aber immer länger. Und immer wieder war zu sehen, dass sein Eiervorräte nur zum Teil abverkauft waren. Aber das interessierte die wenigsten, man nahm zur Kenntnis, dass seine Frau Haus und Hof in Schuss hielt und er täglich zur Verkaufstour aufbrach.
Er parkte seinen Wagen in einer Straße, nahm sich zwei der Henkelkörbe und zog los! Ein kurzes Klingeln an der Haustür, immer zur gleichen Zeit, die eine Hausfrau kam mit einer Schüssel und ließ sich die Eier hineinzählen, ein Dutzend große aus dem rechten Korb und zwei Dutzend kleine aus dem linken Korb, die nächste hatte selbst zwei Körbchen, eine dritte alte Eierkästchen aus dem Großmarkt, andere wieder Tupper- oder ähnliche Behälter.
Und alle zählten ihm mit dem Satz: "Gell, der Eiermann brauch Kleingeld!" das abgezählte Geld in die Hand. Und wenn jemand wissen wollte, wo die Eier herkamen, da zog er ein abgegriffenes Bild seines Hofes mit einer stattlichen Anzahl von Hühnern aus der Tasche. Es versteht sich von selbst, dass die Kunden für diese Eier einen stolzen Preis zahlten.
Gegen Mittag, das Auto war leerverkauft, fuhr er bei einem bekannten Eiergroßhändler in den Hinterhof. Er lud dort von einer Palette die bereitgestellten Eierkisten in den Kofferraum seines Autos und je eine Kiste kleine und große Eier in die je drei Henkelkörbe mit Häcksel die auf den Sitzen ides Autos verstaut wurden. Im Anschluß daran ging er wieder auf Verkaufstour. Und beim Ordern der Eier war er ein zäher Kunde, es wurde pro Ei um zehntel Pfennige gefeilscht.
Eines Tages wurde auf einer seiner Wiesen am Ortsrand ein Haus mit acht Mietpartien gebaut. Auf die Frage, ob er seine Wiese günstig verkauft habe kam die Antwort: "Nein, das baue ich selber!" Und wenn die erstaunte Gegenfrage kam, von welchem Geld das Haus denn gebaut werde, so kam von ihm als Antwort:
"Von dem Kleingeld, das der Eiermann immer brauch!"
Inzwischen steht dort ein zweites Mietshaus und er fährt immer noch einen alten, klapprigen Mercedes Diesel. Seine Tochter aber fährt einen Range Rover, den brauch sie, um die Reitpferde der Pferdefreunde zu transportieren, die dies für teures Geld in den Ställen unterstellen können.
Und Nachbar Georg, inzwischen in einer Wohnung seines ehemaligen Nachbars wohnend, fährt seit seiner Insolvenz mit dem Fahrrad zum Wochenmarkt um bei dem Käufer seines ehemaligen Standes ein wenig Geld hinzu zu verdienen!