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Ein echtes Hummerleben

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10.08.2003
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Ein echtes Hummerleben

Mein Name ist Louis. Ich bin Hummer.
Das soll hier keine gänzlich misslungene Schlusspointe sein, bei der alle nur die Nase rümpfen und sich fragen: Fällt dem denn nichts besseres ein?
Ich bin Hummer und erzähle euch von meinem tragikomischen Leben, sobald diese komische Einleitung zu Ende ist, mit der so oder so keiner was anfangen kann.
Ich bin nämlich kein gewöhnlicher Hummer.
Nicht nur, dass ich in der Lage bin, euch diese Informationen telepathisch über einen ahnungs- und nutzlosen Schreiberling zukommen zu lassen. Nein. Ich bin eines der Geschöpfe, das in einem Billiglokal in einem Aquarium festsitzt. Naja festsitzt ist wohl der falsche Ausdruck. Festschwimmt wäre, so glaube ich, angebrachter.
Aber ich bin ja nicht alleine. Da wären noch Pete, Jack, Cosmo, Ian mit betontem I weils cooler klingt, und Jesse. Alles Männer. Muskelbepackte Delikatessen.
Ich weiß auch, dass Jesse an sich eher ein Mädchenname ist, aber er ist importiert. Er spricht nicht gerne drüber.
Ian macht mich gerade darauf aufmerksam, dass Jesse ein trockenes Plätzchen auf einem Teller gefunden hat. Noch während ich euch von ihm erzählte, hat ihn ein dicker glatzköpfiger Mann mit einem seiner wulstigen Finger auf ihn gezeigt, worauf ein hageres Männlein ihn herausfischte und sein Schicksal besiegelte.
Ian war schon lange vor mir hier.Ich persönlich bin durch die viele Werbung auf die Idee gekommen hierherzugehen.
Es wurde mit einer neuen Welt geworben, die wir als Pioniere erforschen dürften, aber das war alles gelogen. Ich werde nie wieder auf diese komischen Vertreter mit ihren kleinen Zettelchen hören.
Zugegeben, mein Appartement war nicht gerade das Schönste, geschweige denn das Sauberste, aber einen Vorteil hatte es.
Die Freiheit.
Dieses Aquarium ist natürlich hervorragend temperiert, das muss ich zugeben, andererseits zerreißt die Willkür des Menschen eine Freundschaft nach der anderen, wenn sie meinen, das Recht zu haben, Jesse per Fingerzeig aus seinem und unserem Leben zu reißen.
Jetzt fragt ihr euch warum Ian und ich schon so lange dieses Leben hier führen, ohne das ein Finger auf uns zeigt.
Der reinste Kaniballismus treibt uns dazu, den anderen zu erzählen, dass sie, je fetter und größer sie werden, immer mehr verabscheut werden. Natürlich ist das eine Lüge, aber was sollen wir denn machen?
Den Damoklesfinger auf uns herniederfahren lassen?
Ursprünglich hatte Ian diese Tour auch bei mir versucht, er war ein alter Hase in diesem Gebiet, als ich aber diesen Betrug aufdeckte und ihm klar wurde, dass er mit mir kooperieren müsse, schlossen wir Freundschaft. Das ist jetzt schon viele, viele dicke glatzköpfige Männer her.
Und jetzt...
... ist Jesse tot.
Auch wenn es zu einem Großteil unsere Schuld und die des glatzköpfigen, dicken Mannes ist, tut er mir doch verdammt leid. Dieses Leben im klaren Wasser schweißt mehr zusammen als man glaubt, auch wenn letztendlich der Überlebenskampf über die Kameradschaft obsiegt.
Doch ist es die unhummersche Kraft der Menschen, die uns in Sekunden den Lebenssaft entzieht und uns tot auf einem weißen Teller serviert. So ist das nicht im Prospekt gestanden, was im Nachhinein aber ziemlich egal ist, da Ian und ich die Führer unserer Genossenschaft, der zum Tode verurteilten sind und daher erstmal vor dem Finger in Sicherheit sind.
Doch heute ist Schicht. Auch für uns, die Führer. Es geht das Gerücht um, dass die komischen Gestänge, die das Aquarium seit heute verzieren, unser Ende bedeuten.
In einem Wort: Ausverkauf.
Ausverkauf. Ein Unwort. Normalerweise traut sich kein Hummer dieses Wort in den Mund zu nehmen. Es bedeutet den Tod für das ganze Becken. Verdammt. Aber warum sollen diese grünen Gestänge auf der anderen Seite des Glases unseren Tod bedeuten? Das glaube ich nicht. Auch wenn Ian behauptet der einzig überlebende eines solchen Massakers zu sein, will ich es ihm nicht glauben. Es kann doch genausogut pure Dekoration sein.
Was Unwissenheit doch für ein Schutz vor der Angst ist. Pete, Jack und Cosmo ahnen von nichts und erfreuen sich an einer Partie Fangen. Diese Idioten, so werden sie noch ganz dünn und unansehlich. Aber das ist doch im Grunde sowieso egal. Heute ist Ausverkauf.
Seit das Gestänge an unserem Becken hängt, ist Ian nicht mehr zu gebrauchen, ich vermute er hat Angst vor dem Tod. Angst davor auf einem Teller zu landen und von Messer und Gabel zerrissen zu werden.
Doch auf einmal zeigt ein kleines Menschenkind mit seinen zarten zerbrechlichen Fingern auf mich. Ich? Jetzt? NEIN! Das darf nicht wahr sein. Ein so kleines Wesen hat die Macht mein Leben zu zerstören, indem es mit dem Finger auf mich zeigt?
Hätten die anderen nur nicht Fangen gespielt, dann wäre Pete oder Cosmo jetzt an meiner Stelle.
Das Kind geht weg und das Netz taucht in unser Aquarium. Doch noch während es seine Todbringende Öffnung in meine Richtung bewegt, stellt sich Ian vor mich. Warum tut er das? Will er mir das Leben retten?
"Du hast als einziger das Zeug den Ausverkauf zu überstehen. Ich werde so oder so bald sterben."
"Nein das brauchst du nicht zu tun!"
"Ich will aber, du warst schon, seit du in dieses Aquarium gekommen bist, wie ein Sohn für mich und ich könnte es nicht ertragen..."
Bevor er seinen Satz zu Ende bringen kann, hat das Netz ihn auch schon und...
...setzte ihn wieder ab, um mich zu fangen. Versuchte es zumindest. Er hatte sich mit seinen Zangen im Netz festgekrallt. Mit aller Kraft schüttelte es ihn durch das Aquarium und stieß ihn immer wieder gegen die glasigen Enden. Lange würde er das nicht durchhalten, dafür war er einfach zu alt.
War Ian deswegenso schlecht drauf? Hatte er gewusst, dass er heute sein Leben für mich opfern würde?
Plötzlich erschlaffen seine Züge und seine Zangen lösen sich aus dem Netz. Regungslos sinkt er langsam zu Boden.
Es hatte alles nichts gebracht, das Netz will mich, sonst niemanden. Ich werde mich dem Schicksal stellen und mich von ihm fangen lassen. Ian in der Ecke liegend, betrachtend werde ich aus dem Wasser gezogen. Ich winke den andern noch zum Abschied, bevor es mich an die Oberfläche bringt. Meine ohnehin schlechten Augen versagen gänzlich ihren Dienst und ich höre nur noch eine Stimme sagen:
Schon komisch, dass ausgerechnet am Tag der Liebe so viele Hummer sterben müssen, nicht wahr?
PLATSCH.
Hitze. Überall heißes und kochendes Wasser.
Warum nur Tag der Liebe?

 

Hi Maniac

Hehe, endlich mal eine Geschichte aus Tiersicht, bei der eben diese nicht zugleich Pointe ist.
Ist zwar nett, dass du das gleich im dritten Satz klarstellst ;), aber meiner Meinung nach nicht nötig.

>>"Nunja, ich bin also Hummer und erzähl euch jetzt von meinem tragikomischen Leben" Den Satz find ich auch nicht so passend zum Rest des Textes, klingt irgendwie zu lässig für deinen Hummer.

Dass die ungerechte Behandlung des Essens aus dessen Sicht geschildert wird, ist ja nichts neues, gab ja hier schon so einiges.
An deiner Geschichte haben mir vor allem die satirischen Elemente gefallen, z.b. die Stelle, wo sich der alte Ian für den jungen Kollegen opfern will a la Bruce Willis in Armageddon :D

Und auch der Überlebenstrick der beiden ist ein netter Einfall.

Den Stil fand ich teilweise zu schwülstig, auch wenn das sicherlich gewollt war. Da schleichen sich dann auch auffällig viele Fehler ein: "Doch ist es die Unhummersche Kraft der Menschen, die uns in Sekunden den Lebenssaft entzieht und uns tut auf einem weißen Teller serviert"
unhummersche...tot auf einem...

Ich nehme an, du wolltest in vornehmer Sprache schreiben, aber manche Sätze klingen einfach nur seltsam: "Ein Unwort, welches sich normalerweise kein Hummer in den Mund zu nehmen traut"
Ich glaub, selbst ein adeliger Hummer sagt "das" statt "welches" ;)

Gruß
Christoph

 

Ausnahmsweise nur eine Ultrakurzkritik:
Unterhaltsam, durchaus fesselnd, ein paar gute Ideen.
:cool:

 

Hallo und danke fürs Lob ihr zwei

@wolkenkind

Ich habs absichtlich mit der Klarstellung etwas übertrieben, weil ich schon öfters über diese Pointe gestolpert bin und mir fast was gebrochen hätte.

Ich habs ein wenig ausgebessert was die Lässigkeit angeht. Es sollte etwas locker rüberkommen um seinen Tod nicht gleich offensichtlich werden zu lassen.
Hätte ich geschrieben "mein Todtrauriges Leben" wäre sein Tod schon nähergelegen

Der Stil war wirklich so beabsichtigt, auch wenn ichs ein paar mal doch ziemlich übertrieben habe.

In vornehmer Sprach schreiben war im Grunde nicht mein Ziel, da bin ich eher reingerutscht und fands aber ganz akzeptabel. Hab deinen Punkt jetzt aber getilgt.

@Uwe
kurz, bündig, sprachlich etwas holprig, aber gute Aussage;)

Gruß Maniac

 

Hallo mein lieber Maniac,

bevor du nun denkst, dem sim könne man es ja nie recht machen, deine Geschichte darf so bleiben wie sie ist.
Wenn sie denn aber perfekt wäre würde sie ja in den Empfehlungen landen, doch dazu fehlt es eben für meinen Geschmack noch an etwas. ;)
Schön, dass du das Tier als Erzähler als Schlusspointe einsetzt. Dich als Autoren als einen telepathisch empfangenen nutzlosen Schreiberling einzusetzen finde ich einen netten Kniff.
Sprachlich hat dich ja wolkenkind schn auf einiges hingewiesen, das verkneife ich mir also bis auf die Bermerkung, dass ich Klammereinschübe in Geschichten nicht mag. ;)
Den satirischen Effekt könntest du aber für mein Gefühl an einigen Ecken besser rausholen.
Ich weiß zum Beispiel nicht, ob es tatsächlich Hummer auf der Speisekarte von Biolligrestaurants gibt. Hier in Deutschland ist Hummer jedenfalls eher eine recht teure Delikatesse. Wenn er in Billigrestaurants angeboten wird, wird eventuell an der Hygiene im Hummerbecken gespart. Du könntest eventuell in Ians Geschcihte so etwas einbauen, dass sein jetziger Wohnort eine Absteige ist, verglichen mit dem Luxusbecken, in dem er vorher schwamm, welches er aber auf Grund seines zu langen Überlebens verlassen musste.
Auch könntest du die Typen, die zum Verzehr des Hummer in das Lokal kommen etwas kontrastreicher gestalten. Da könnte die Frau im Pelzmantel stehen, die ob ihrer Robe tierische Solidaritätsgefühle in deinem Protagonisten entfacht. Auch könnte der sonnenstudiogebräunte Jetsettyp dort seiner jugendlichen Wasserstoffperloxidblondine die Wahl über die Speise lassen. In einer solchen Geschichte darf man gerne auch mal mit einige Klischees spielen.
Ian hast du gut beschrieben, leider hast du dort trotzdem etwas verschenkt. Er ist ja durchaus egoistisch.
Ich weiß nicht, wie es anderen geht, als aber das Menschenkind auf deinen Prot zeigte, hoffte ich es wäre so anständig, ihn retten zu wollen. Das Ian sich also ins Netzt stellte, kam bei mir zunächst gar nicht so selbstlos an, sondern eher so, als ob er sin seiner Erfahrung genau auf diese Rettung hoffte. Wenn du diesen Effekt ein bisschen ausarbeitest, wird die Pointe des heißen Wassers auch wieder stärker (ich hatte mich eh die ganze Geschichte über gefragt, ob du nicht weißt, auf welche barbarische Wiese die Tiere zubereitet werden ;)). Heißes Wasser würde ich aber durch kochendes Wasser ersetzen.
Deinen dezenten Witz über Hummer am Tag der Liebe fand ich übrigens sehr gelungen. :)

Lieben Gruß, sim

 
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Hallo Sim

Kommt sie in die Empfehlungen wenn ich all deine Argumente entkräfte oder die Fehler verbessere?

Schön, dass du das Tier als Erzähler als Schlusspointe einsetzt

Du meinst hoffentlich nicht. Sonst wäre ich nämlich überfordert, da ichs ja gleich am Anfang klarstelle;)

Den einen Klammereinschub, werde ich auf deinen Hinweis vom (virtuellen) Blatte tilgen.

Auf die Idee bin ich beim Schauen eines Films gekommen und da war das Restaurant glaube ich einigermaßen billig. Daher Billiglokal.

Die Idee mit Ian ist gar nicht schlecht, ich muss aber sagen, dass sie ja mit Werbung gelockt wurden und unter anderem wegen ihrer eigenen schlechten Umstände ins Lokal gegangen sind. Wäre Ian also reich, hätte er es nicht nötig gehabt.
Wenn du aber meinst er ist von Lokal zum schlechteren abgestiegen, finde ich, dass er dann wohl eher vom Koch verspeist worden wäre oder etwas in der Art.

Ich fand es einfach lustig mich in der Geschichte über glatzköpfige Dickerle(;)) lustig zu machen. Dein Hinweis ist zwar nicht schlecht, das Lokal aber vielleicht zu billig für den Jetsettypen oder Pelzmantelträgerin. Aber ich werds mir bestimmt mal überlegen auch wenn aktiv eigentlich nur ein dicker glatzköpfiger Mann mitspielt.

So eigensinnig ist Ian meiner Meinung nach nicht. Ich empfinde es auf jeden Fall nicht eigensinnig wenn er versucht sich sein Leben durch diesen Trick weiterzuerhalten.
Das Kind habe ich gewählt, weil es von der Logik am besten zu Louis passt, da es einen großen wie Cosmo wohl gar nicht schaffen würde. So, dass am Schluss sein Trick etwas dünner als die anderen zu sein ihm das Leben kostet.
Ian hats in meinen Augen also doch nur gut gemeint. Da war schon die Bruce Willis Armaggedon Szene gemeint.

Naja vielleicht empfiehlt sie ja jetzt jemand. Bis dahin muss ich aber noch ein wenig bangen und hoffen :bier:

Gruß Maniac

 

Die Geschichte ist echt gut. Sind wir den nicht alle ein bisschen Hummer?! Wahrscheinlich kennst du auch den Hummerjack?! Naja egal. ICh finde den Anfang besonders gut. Mein Lob.

 
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Hi Maniac!

Also mir hat deine Geschichte recht gut gefallen. Allerdings ist mir eine Sache aufgefallen, bei der ich glaube, das Du in der Zeit durcheinandergekommen bist...vor folgendem Absatz, schreibst Du im Präsenz


Bevor er seinen Satz zu Ende bringen konnte, hatte das Netz ihn auch schon und...

Da bist Du dann im Perfekt, um dann später wieder ins Präsenz zurückzukehren...war das Absicht und ich merk's bloß nicht?

Sie war aber echt unterhaltsam!

Beste Grüße
Glassghost

 

Hallo ihr zwei
Es freut mich wenn meine kleine Hummergeschichte euch gefallen hat.
Das mit dem Präsens ist hiermit verbessert worden. Danke für den Hinweis ghost.
Des wärs dann soweit.
Gruß Maniac

 

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